Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 23 SO 133/20 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 67/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Auch bei Pflege durch beschäftigte Pflegefachkräfte im Rahmen des Arbeitgebermodells und bei "Rund-um-die-Uhr-Versorgung" ist ein Bedarf nach § 64a Abs 1 SGB 12 nicht ausgeschlossen.
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 10. Juli 2020 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab Mai 2020 bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2021, ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 242,67 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Zahlung von Pflegegeld nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Die 1984 geborene und bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin leidet u. a. an Muskeldystrophie mit fortschreitender Funktionseinschränkung der Muskulatur und ausgeprägter Beteiligung der Atem- und Herzmuskulatur. Sie wird 24 Stunden am Tag invasiv-heimbeatmet. Von der Antragsgegnerin erhält sie Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII in Höhe von monatlich 1.062,60 EUR. Zudem bezieht sie Pflegegeld nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) in Höhe von monatlich 728,00 EUR (Pflegegrad 4). Grundlage hierfür bilden das Gutachten des MDK Sachsen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 28. Juli 2016 und das Schreiben der Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung zur Überleitung in den Pflegegrad 4 vom 15. Dezember 2016.
Bis zum 30. November 2016 nahm die Antragstellerin Pflegesachleistungen nach dem SGB XI in Anspruch. Zugleich gewährte die Beigeladene Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungspflege, 24-h-Krankenbeobachtung) unter Anrechnung der auf die Grundpflege entfallenden Zeitanteile im Umfang von 22 Stunden täglich. Daneben bewilligte ihr die Antragsgegnerin, zuletzt mit Bescheid vom 10. Januar 2017, bis zum 30. November 2016 Leistungen der Hilfe zur Pflege im Umfang von 2 Stunden täglich (abzüglich der von der Pflegekasse gewährten Sachleistungen in Höhe eines Betrages von 1.612 EUR) sowie ein um zwei Drittel gekürztes Pflegegeld in Höhe von 242,67 EUR. Zumindest bis zum 31. Dezember 2018 erhielt die Antragstellerin von der Antragsgegnerin Leistungen für ein Assistenzzimmer in Höhe von zuletzt 68,51 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2016 und 4. August 2016 stellte die Antragstellerin bei der Beigeladenen einen Antrag auf Intensivpflege im Arbeitgebermodell in der Form eines persönlichen Budgets, wobei die Teilbereiche medizinische Behandlungspflege, pflegerische Hilfen, lebenspraktische Begleitung und Freizeit berührt seien. Außerdem benötige sie eine Budgetassistenz. Als möglicherweise beteiligte Leistungsträger wurden die Beigeladene, die Pflegekasse und die Antragsgegnerin benannt. Auf der Grundlage einer mit der Beigeladenen geschlossenen Zielvereinbarung vom 2. November 2016 und des Bescheides vom 25. November 2016 erhielt die Antragstellerin Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungspflege) in der Form des Arbeitgebermodells im Umfang von 22 Stunden täglich als Persönliches Budget in Höhe von monatlich 17.000,00 EUR.
Mit Schreiben vom 20. November 2016, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 23. November 2016, beantragte die damalige Betreuerin der Antragstellerin mit Verweis auf dieses Budget "zunächst formlos und fristwahrend" einen Antrag auf ergänzende Leistungen des trägerübergreifenden persönlichen Budgets im Arbeitgebermodell und der Ankündigung, dass eine genaue Aufstellung in den nächsten Tagen erfolgen werde. Diesen Antrag leitete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24. November 2016 an die Beigeladene weiter. Mit Schreiben vom 28. November 2016 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin erneut ergänzende Leistungen im trägerübergreifenden Budget und spezifizierte – wie angekündigt – den Antrag: Sie erhalte 22 Assistenzstunden täglich als medizinische Behandlungspflege durch die Beigeladene. Weil sie jedoch 24 Stunden Behandlungs- und sonstige Pflege und Assistenz benötige, beantrage sie die Übernahme der Kosten für die verbleibenden zwei Stunden täglich sowie für 30 Stunden im Monat für Pflegesituationen, in denen zwei Pflegekräfte notwendig seien. Für bestimmte Situationen, z. B. das tägliche Duschen, mehrmals notwendiger WC-Gang täglich, Trachealkanülenpflege und –wechsel benötige sie zwei Pflegekräfte. Darüber hinaus beantrage sie die ihr durch die notwendige ständige Begleitperson und Assistenz entstehenden Zusatzkosten (Strom-, Wasser- und sonstige Kosten, Fahrtkosten der Begleitperson), Urlaubsbegleitung mit Übernachtungs- und Verpflegungskosten, zwei Pflegekräfte während des Urlaubs und die Begleitung bei Ausflügen und als Mitglied der E-Rollstuhl-Fußballmannschaft sowie eine Budgetassistenz als ergänzende Leistungen des persönlichen Budgets. Dem Antrag beigefügt war eine Kalkulation mit monatlichen Kosten in Höhe von 6.667,90 EUR. Auch diesen Antrag leitete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 unter Hinweis auf § 14 SGB IX an die Beigeladene weiter.
Mit Schreiben vom 19. April 2017 fragte die Antragstellerin nach dem Sachstand der Zahlung des Pflegegeldes und der ergänzenden Leistungen. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin mit, dass seit dem 1. Dezember 2016 alle Leistungen durch den Budgetvertrag mit der Beigeladenen abgedeckt seien. Mit Schreiben vom 20. August 2017 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin erneut Pflegegeld. Daraufhin teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 31. August 2017 mit, dass zunächst eine Arbeitsanweisung zu den am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen zahlreichen Änderungen des SGB XII abgewartet werde. Erst dann könne über den Antrag auf Pflegegeld entschieden werden. Weitere Sachstandsanfragen erfolgten mit E-Mail vom 18. Januar 2018, mit Schreiben vom 10. Mai 2018, ein erneuter Antrag auf Pflegegeld mit Schreiben vom 1. Mai 2019. Die Antragsgegnerin verwies wiederum auf die Beigeladene. Mit Schreiben vom 10. Juli 2018 bat die Antragsgegnerin die Beigeladene um Klärung der beantragten Leistungen als trägerübergreifendes Budgets, weil eine Einbindung der Antragsgegnerin seitens der Beigeladenen bislang nicht erfolgt sei und telefonische Klärungsversuche nicht zustande gekommen seien. Mit Schreiben vom 18. September 2018 bat die Beigeladene die Antragsgegnerin, die Beteiligung am persönlichen Budget in Höhe von 1.250 EUR zu bestätigen. Dies führte im Bereich der Antragsgegnerin zunächst zu internen Abstimmungsprozessen. Weitere Kontaktaufnahmen mit der Beigeladenen gehen aus den Verwaltungsakten nicht hervor.
In Folge einer Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Dresden (S 21 SO 73/20) wies die Antragsgegnerin schließlich mit Bescheid vom 13. Juni 2019 den Antrag auf Zahlung von Pflegegeld ab dem 1. Dezember 2016 zurück. Der Antrag sei fristgemäß gemäß § 14 SGB IX an die Beigeladene weitergeleitet worden. Mit dieser sei ein persönliches Budget im Arbeitgebermodell vereinbart worden. Damit seien alle Leistungen abgedeckt, die in Verbindung mit der Pflege stehen. Eine Einbindung der Antragsgegnerin seitens der Beigeladenen sei bisher nicht erfolgt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2020 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage ist unter dem Az. S 23 SO 135/20 beim Sozialgericht Dresden anhängig.
Mit Schreiben vom 7. März 2019 beantragte die Antragstellerin bei der Beigeladenen die Anpassung des Budgets, weil es mit dem bisherigen Stundenlohn kaum möglich sei, Fachkräfte zu finden. Mit Bescheid vom 17. Juni 2019 bewilligte die Beigeladene der Antragstellerin auf der Grundlage der Zielvereinbarung vom 9. Mai 2019 häusliche Krankenpflege für täglich 24 Stunden in der Form eines persönlichen Budgets in Höhe von monatlich 17.800 EUR. Auf die von der Antragstellerin erhobene Untätigkeitsklage hat das Sozialgericht Dresden die Beigeladene mit (rechtskräftig gewordenem) Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2020 (Az. S 38 KR 387/20) verurteilt, über den am 23. November 2016 eingegangenen Antrag auf Bewilligung eines trägerübergreifenden Budgets zu entscheiden. Infolge dessen bewilligte die Beigeladene mit Bescheid vom 7. August 2020 für den Zeitraum 1. Dezember 2016 bis zum 31. Mai 2020 ein trägerübergreifendes persönliches Budget, das Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) und Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege umfasste und für die Zeit bis zum 31. Mai 2019 monatlich 17.000 EUR und für den Zeitraum 1. Juni 2019 bis 31. Mai 2020 monatlich 17.800 EUR betrug.
Auf Antrag vom 23. April 2020 auf Budgeterhöhung bewilligte die Beigeladene mit Bescheid vom 30. Juli 2020 auf der Grundlage der Zielvereinbarung vom 25. Juni 2020 der Antragstellerin ein trägerübergreifendes persönliches Budget für die Zeit vom 1. Juni 2020 bis zum 30. Juni 2021 in Höhe von 23.000 EUR monatlich zur Sicherstellung des 24-stündigen Versorgungsbedarfes. Die Erhöhung beruhte auf gestiegenen Lohnkosten. Ausweislich des Vortrages der Beigeladenen liegt dem zugrunde, dass die Antragstellerin je zur Hälfte durch selbst angestellte Kräfte (Stundenlohn inkl. Nebenkosten: 28,66 EUR) und durch über einen Personaldienstleister beschaffte Kräfte (Stundenlohn 36 EUR) betreut werde. Daraus wurde ein monatlicher Bedarf von 23.603,49 EUR errechnet. Unter Berücksichtigung des Pflegegeldbezuges wurde das Budget auf 23.000 EUR monatlich festgesetzt. Das persönliche Budget umfasst ausweislich der Zielvereinbarung anteilig Leistungen der häuslichen Krankenpflege sowie Leistungen der Eingliederungshilfe in Verbindung mit Leistungen der Hilfe zur Pflege. Ausweislich Ziffer 7.2. und 7.3. der Zielvereinbarung enthält das persönliche Budget eine Schwankungsreserve, die dazu diene, außergewöhnliche Kosten (z. B. Lohnfortzahlung bei Krankenhausaufenthalt, doppelte Ausgaben im Urlaubsfall der Pflegekraft oder über die kalkulierten Regiekosten hinausgehende Mehraufwendungen) abzudecken. Unter Berücksichtigung der Kostenabgrenzungsrichtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 17 Abs. 1b SGB XI vom 16. Dezember 2016 entfielen 21.342,08 EUR monatlich auf die Behandlungspflege (22,27 Stunden täglich) und 1.657,91 EUR monatlich auf die Eingliederungshilfe mit Leistungen der Hilfe zur Pflege (1,73 Stunden täglich). Hierüber informierte die Beigeladene die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 4. August 2020 mit der Bitte um Mitteilung, ob der Kostenaufteilung zugestimmt werde. Gleichzeitig meldete die Beigeladene ihren Erstattungsanspruch an.
Bereits am 14. Mai 2020 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Dresden, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Pflegegeld ab Antragstellung, zumindest jedoch ab dem 1. Januar 2020 in Höhe von monatlich 242,67 EUR zu zahlen. Die Voraussetzungen des § 64a SGB XII lägen vor. Insbesondere seien nicht alle Leistungen durch die Beigeladene abgedeckt. Die Antragsgegnerin sei bis zur abschließenden Entscheidung der Beigeladenen für die Bewilligung des beantragten Pflegegeldes zuständig. Die bewilligten Mittel genügten nicht für die Begleichung der Kosten ihrer Betreuung und Pflegebedürftigkeit, weshalb sie private Darlehen aufgenommen habe.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2020 hat das Sozialgericht Dresden den Antrag abgelehnt, weil es bereits an einem Anordnungsgrund fehle. Für die zurückliegenden Zeiträume seien keine schweren unwiederbringlichen Nachteile ersichtlich, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Auch im Übrigen drohten nach den festgestellten Vermögensverhältnissen der Antragstellerin, insbesondere der durchgehenden Verfügbarkeit über nicht unerhebliche Kontoguthaben (17.658,98 EUR auf dem Budgetkonto und 811,75 EUR auf dem Girokonto) keine wesentlichen Nachteile. Der geltend gemachte zusätzliche monatliche Bedarf der Antragstellerin könne aus diesen Vermögenswerten sowie den bezogenen Leistungen ohne weiteres längere Zeit bestritten werden. Eine etwaige dem Antrag entsprechende Differenz sei nicht glaubhaft gemacht. Zudem sei seit Antragstellung und Ablehnung des Antrags geraume Zeit verstrichen, ohne dass etwaige nicht wieder gutzumachende Nachteile eingetreten seien. Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs könne dahinstehen und bleibe dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Hierbei sei allerdings die Passivlegitimation der Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der Regelungen des § 14 SGB IX eingehend zu hinterfragen.
Gegen den ihr am 10. Juli 2020 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der am 3. August 2020 eingelegten Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht. Sie müsse sich nicht auf die vom Sozialgericht aufgezeigten Einnahmequellen verweisen lassen, weil Leistungen der Grundsicherung und Kindergeld nicht anrechenbar seien. Auch das Assistenzkonto könne hierfür nicht herangezogen werden, weil das Pflegegeld zum privaten Vermögen gehöre. Das gekürzte Pflegegeld sei erforderlich für eine besondere Pflegekraft, also eine Person, die sich speziell mit der Antragstellerin auskenne. Die Antragstellerin benötige in bestimmten Situationen zwei Assistenzkräfte, z. B. bei Massenveranstaltungen oder größeren Unternehmungen. Bei längeren Strecken müsse Gepäck (z. B. ein zweites Beatmungsgerät, Notfallmaterial) mitgenommen werden. Auch WC-Gänge schaffe die Antragstellerin nicht allein. Es habe Vorfälle gegeben, bei denen der Schlauch aus Versehen abgezogen worden sei. Bei Einkäufen müsse sie stets einen Notfallrucksack (10 kg) mitführen. Wenn sie mit dem Leihauto unterwegs sei, müsse jemand im Notfall absaugen können oder sie in Kurven festhalten. Bei Anpassung der Sitzschale müsse die Antragstellerin mehrmals umgesetzt werden, was ein Assistent allein nicht bewältigen könne. Beim Duschen müsse im Notfall schnell reagiert werden, falls Wasser in die Öffnung der Trachealkanüle laufe, wofür ebenfalls ein zweiter Assistent notwendig sei. Zudem sei aufgrund des Arbeitgebermodells regelmäßig Schriftverkehr zu führen, zu sortieren und abzuheften. Dies könne aus Datenschutzgründen nicht das Stammpersonal erledigen. Die Antragstellerin habe seit 2017 zahlreiche Ausgaben (z. B. Zahlungen an Personen für bestimmte Hilfeleistungen, Tickets für den öffentlichen Nahverkehr) aus privaten Mitteln finanzieren müssen. Im Jahr 2020 habe es sich dabei um Beträge zwischen 573,30 EUR und 911,97 EUR monatlich gehandelt. Seit Beginn des Jahres 2020 habe sie private Darlehen zur Deckung des Lebensunterhaltes und der gestiegenen Pflegekosten aufnehmen müssen. Die Antragstellerin benötige eine Reserve auf dem Girokonto, um außergewöhnliche Kosten abzudecken, etwa Lohnfortzahlung bei Krankenhausaufenthalten, doppelte Ausgaben im Urlaubsfall der Pflegekraft oder Mehraufwendungen über die kalkulierten Regiekosten hinaus. Der Aufwand für Hygiene- und Gesundheitsartikeln und die hierfür aufzuwendenden Kosten seien aufgrund der Corona-Pandemie erheblich gestiegen. Auch in dem zwischenzeitlich bewilligten trägerübergreifenden persönlichen Budget seien Kosten für eine zweite Pflegekraft nicht enthalten.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 10. Juli 2020 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Pflegegeld gemäß § 64a SGB XII ab Antragstellung vorläufig zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Richtiger Antragsgegner sei die Beigeladene. Aufgrund des seitens der Beigeladenen nunmehr angemeldeten Erstattungsanspruchs erfolge derzeit die Bedarfsermittlung.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, die Akten des Sozialgerichts Dresden (Az.: S 38 KR 387/20) und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und form- und fristgerecht erhoben worden, §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Außerdem kann das Gericht dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und der Antragstellerin nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was sie im Hauptsacheverfahren erreichen kann. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass dann, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können und wenn sich das Gericht in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren will, die Sach- und Rechtslage abschließend geprüft werden muss. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005 -1 BvR 569/05 – juris Rn. 25, 26). Letzteres bestätigend hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 25. Februar 2009 (Az.: 1 BvR 120/09, juris Rn. 11) weiter ausgeführt, dass das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition umso weniger zurückgestellt werden darf, je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind. Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlange auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage der Antragstellerin unzumutbar erscheinen lässt, die Antragstellerin zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller, a. a. O., § 86b Rn. 27a).
Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht auf Grund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Antragstellerin ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und sie deshalb im Hauptsacheverfahren mit demselben Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhalten sie sich in einer Wechselbeziehung zueinander, in welcher die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (des Anordnungsgrundes) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Hessisches LSG, Beschluss vom 29. September 2005 - Az. L 7 AS 1/05 ER – juris Rn. 28; Keller a. a. O., § 86b Rn. 27 und 29 m. w. N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, hat das Gericht im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist.
Zulässiger Streitgegenstand ist vorliegend die Gewährung von Pflegegeld gem. § 64a SGB XII ab dem 1. Dezember 2016. Der Streitgegenstand des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht weiter gehen als in dem Hauptsacheverfahren, dem es folgt (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. Juli 2012 - L 11 AS 323/12 B ER – juris Rn. 10). Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens ist der Bescheid vom 13. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2020. Dieser betrifft die Ablehnung der Bewilligung von Pflegegeld ab dem 1. Dezember 2016. Wird eine Leistung ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt und begrenzt der Kläger seinerseits nicht den Zeitraum, für den Leistungen begehrt werden, entscheidet das Gericht grundsätzlich darüber, ob der Kläger während der gesamten bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichenen Zeit einen Anspruch hatte. Unterbrochen wird dieser Zeitraum nur, wenn zwischenzeitlich ein neuer Antrag gestellt und beschieden wird, denn dieser Bescheid fällt nicht unter § 96 SGG (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – juris Rn. 9). Dass vorliegend nach dem Widerspruchsbescheid vom 29. April 2019 ein neuer Antrag gestellt wurde, ist nicht ersichtlich.
Auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Zahlung des gekürzten Pflegegeldes gem. §§ 64a Abs. 1, 63b Abs. 5 SGB XII zusteht. Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen dem Anspruch auf ein trägerübergreifendes persönliches Budget gem. § 29 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - SGB IX, in das das Pflegegeld gem. § 64a SGB XII einbezogen werden soll und dem Anspruch auf die dem Budget zu Grunde liegenden Einzelleistung nach § 64a Abs. 1 SGB XII.
Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen aufbringen (§ 61 S. 1 SGB XII). Diese allgemeinen Voraussetzungen, die für sämtliche Leistungen der Hilfe zur Pflege gelten, sind hier erfüllt. Die Antragstellerin ist bedürftig, nachdem sie von der Antragsgegnerin bereits Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII erhält.
Sie ist auch pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII. Seit dem 1. Januar 2017 hat die Pflegekasse bei der Antragstellerin den Pflegegrad 4 anerkannt. An die Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad ist der Antragsgegnerin gemäß § 62a S. 1 SGB XII gebunden.
Gem. § 64a Abs. 1 Satz 1 SGB XII haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 bei häuslicher Pflege Anspruch auf Pflegegeld in Höhe des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 1 SGB XI. Weitere Voraussetzung ist gem. § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII, dass die Pflegebedürftigen die erforderliche Pflege mit dem Pflegegeld in geeigneter Weise selbst sicherstellen.
Diese Voraussetzungen liegen nach summarischer Prüfung vor. Die Antragstellerin hat den Pflegegrad 4. Sie wird in häuslicher Pflege und nicht in einer stationären Einrichtung gepflegt. Auf welche Weise die Pflege mit dem Pflegegeld sichergestellt wird, ob durch Angehörige oder professionelle Pflegekräfte, bleibt dem Pflegebedürftigen überlassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die pflegebedürftige Person den gesamten pflegerischen Bedarf mit dem Pflegegeld abdecken kann und faktisch auch abdeckt. § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII steht einem Anspruch auf Pflegegeld auch nicht entgegen, wenn der Pflegebedürftige ausschließlich von professionellen Pflegekräften versorgt wird, selbst wenn dies "Rund um die Uhr" erfolgt (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl. 2020, § 64a Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 5 C 7.02 – juris Rn. 13). Denn dies führt nicht ohne weiteres zu der Annahme, dass keinerlei Pflegebedarf mehr in Eigenverantwortung abgedeckt wird. Entscheidend ist lediglich, dass die Möglichkeit besteht, dass pflegerischer Bedarf selbst sichergestellt werden kann und muss. Diese Voraussetzung ist aber auch schon dann zu bejahen, wenn in verbleibenden Zeiträumen bei Nichtanwesenheit einer Pflegefachkraft nachbar- oder verwandtschaftliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss oder aber ein unvorhergesehener Pflegebedarf von der Antragstellerin selbst sicherzustellen ist. Daher können trotz professioneller Pflege Zwischenräume verbleiben, in denen Pflege auch noch selbst zu organisieren ist. Schon für diese müssen der pflegebedürftigen Person die finanziellen Anreize durch das Pflegegeld zur Verfügung stehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich Pflege durch Verwandte oder Nachbarn in Anspruch genommen wird. Es muss lediglich immer wieder die Möglichkeit bestehen, dass es dazu kommt (vgl. Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 64a SGB XII Rn. 22).
Das Pflegegeld ist nicht zur Entlohnung von Pflegepersonen oder Pflegekräften, sondern in erster Linie zur Förderung bzw. Erhaltung der Pflegebereitschaft bestimmt (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 – 5 C 82/88 – juris Rn. 11). Außerdem soll der mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängende Aufwand für Kosten für Geschenke, mit denen sich der Pflegebedürftige gegenüber pflegenden Besuchern erkenntlich zeigen will, für vermehrte Telefonate in Folge fehlender Mobilität usw. abgedeckt werden können. Dabei müssen keine messbaren wirtschaftlichen Belastungen vorliegen, auf die (in gleicher Höhe) mit dem Pflegegeld zu reagieren wäre (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Januar 2006 – L 23 B 1009/05 SO ER – juris Rn. 27 mit Verweis auf die bereits zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung: BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 5 C 7.02 – juris Rn. 13; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. Februar 2004 – 10 UZ 2985/02 –, juris Rn. 4ff). Um Doppelleistungen zu vermeiden, kann das Pflegegeld jedoch um bis zu zwei Drittel gekürzt werden, soweit die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich ist, § 63b Abs. 5 SGB XII. Dabei handelt es sich um die Fälle, in denen Leistungen gem. § 64b oder – wie hier – gem. § 64f Abs. 3 SGB XII übernommen werden. Das Arbeitgebermodell soll in erster Linie die Sachleistung durch Inanspruchnahme eines (zugelassenen) ambulanten Pflegedienstes ersetzen. Mithin kommt auch bei Sicherstellung der Pflege im Rahmen des Arbeitgebermodells grundsätzlich nur eine Kürzung des Pflegegeldes um bis zu zwei Drittel in Betracht. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Pflege im Arbeitgebermodell im Rahmen eines persönlichen Budgets gewährt wird. Zwar darf vorliegend der unverbrauchte Teil des Monatsbudgets bis zur einfachen Höhe des Monatsbudgets als Schwankungsreserve für außergewöhnliche Kosten aufgebaut werden. Wird bei einer Prüfung des Budgets festgestellt, dass das Budget nicht ausgeschöpft wurde, ist es jedoch zurückzuzahlen (vgl. Ziffer 7 der Zielvereinbarung vom 25. Juni 2020). Ein Einzelnachweis des nach § 64a Abs. 1 SGB XII gezahlten Pflegegeldes ist jedoch grundsätzlich nicht vorgesehen.
Die Vorschrift § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII dient hauptsächlich der Qualitätssicherung und soll eine Zweckverfehlung der Pflegegeldgewährung etwa in Folge bestimmungswidriger Verwendung des Pflegegeldes oder bei Mängeln der selbst organisierten Pflege verhindern (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Januar 2006 – L 23 B 1009/05 SO ER – juris Rn. 27 m. w. N.). Es soll gewährleistet werden, dass der Pflegebedürftige die notwendige Pflege auch tatsächlich erhält. Eine Zweckverfehlung kann etwas darin liegen, dass eine Selbstorganisation einer weiteren Pflege nicht möglich ist und daher selbst ein Pflegegeldanteil nicht pflegebezogen eingesetzt werden kann, oder die selbst organisierte Pflege dauernd zu menschenunwürdigen Zuständen führt. Auch kommen hier diejenigen Fälle in Betracht, in denen die hilfebedürftige Person Auskünfte über die Verwendung des Pflegegeldes verweigert, so dass die zweckentsprechende Verwendung nicht geklärt werden kann. Nur in derart drastischen Fällen darf die Zahlung von Pflegegeld versagt oder eingestellt werden (vgl. Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 64a SGB XII Rn. 24; Palsherm in: LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, SGB XII § 64a Rn. 8). Auch bei fehlender tatsächlicher Inanspruchnahme des Pflegegeldes kann sich die Frage nach der Sicherstellung der Pflege i. S. v. § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII stellen. Dem steht jedoch entgegen, dass das Pflegegeld als eine Art Pauschale anzusehen ist und somit ein konkreter Verwendungsnachweis grundsätzlich nicht vorgesehen ist (Palsherm in: LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, SGB XII § 64a Rn. 10). Vorliegend stellt die Antragstellerin ihren Pflege- und Assistenzbedarf im Rahmen des Arbeitgebermodells selbst sicher. Hierfür hat der Sozialhilfeträger gem. § 64f Abs. 3 SGB XII die angemessenen Kosten zu übernehmen. Letztlich ersetzt das Arbeitgebermodell jedoch die Form der Erbringung der Sachleistung durch ambulante Pflegedienste. Gerade bei der Erbringung der Leistungen in der Form des persönlichen Budgets sind planbare, regelmäßig anfallende Bedarf einkalkuliert. Somit ist es grundsätzlich auch neben der Sicherstellung der Pflege im Arbeitgebermodell denkbar, dass noch Bedarf für das Pflegegeld nach § 64a SGB XII entstehen kann.
Die Gewährung von Pflegegeld ausschließende Umstände sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Nach dem Vortrag der Antragstellerin soll das Pflegegeld für Situationen eingesetzt werden, in denen eine zweite Pflegekraft notwendig ist, etwa beim Einkaufen, beim Duschen, bei WC-Gängen oder bei der Teilnahme an Massenveranstaltungen bzw. zur Erledigung von Schreibarbeiten. Dabei ist allerdings fraglich, weshalb neben einer im persönlichen Budget enthaltenen Budgetassistenz noch Bedarf für eine weitere Pflegeperson für die Erledigung von Schreibarbeiten im Zusammenhang mit der Stellung der Antragstellerin als Arbeitgeberin besteht. Die Teilnahme an Veranstaltungen dürfte zudem vorrangig einen Bedarf im Rahmen der Eingliederungshilfe und nicht im Rahmen der Hilfe zur Pflege darstellen. Insofern stellt sich die Frage, weshalb die Antragstellerin ihren Anspruch auf Erbringung (höherer) Leistungen der Eingliederungshilfe bzw. der Hilfe zur Pflegebedarf in Form eines höheren persönlichen Budgets nicht gegen die Beigeladene weiterverfolgt, nachdem nach dem Vortrag der Antragstellerin regelmäßiger Bedarf für eine zweite Pflegekraft in bestimmten Situationen anfällt und entsprechende Leistungen im Rahmen des persönlichen Budgets beantragt wurden, jedoch dort nicht enthalten sind. Für den grundsätzlichen Anspruch auf Pflegegeld nach § 64a SGB XII ist dies nach den oben dargelegten Grundsätzen jedoch ohne Belang. Es ist jedenfalls derzeit grundsätzlich möglich, dass zusätzlicher Pflegebedarf anfällt, der mit dem Pflegegeld sichergestellt werden kann. Eine Verfehlung des Zweckes, die Pflege sicherzustellen, ist jedenfalls nicht ersichtlich.
Der Anspruch auf Zahlung von Pflegegeld nach § 64a Abs. 1 SGB XII ist auch nicht durch die Anrechnung des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI gem. § 63b Abs. 1 SGB XII ausgeschlossen. Wird die Pflege – wie hier – im Rahmen des Arbeitgebermodells sichergestellt, erfolgt die Anrechnung des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI zunächst auf die Leistungen der Hilfe zur Pflege, § 63b Abs. 6 Satz 2 SGB XII. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand entfallen mindestens 1,73 Stunden täglich auf die Hilfe zur Pflege. Selbst bei Zugrundelegung des geringsten Bruttostundensatzes von 14,50 EUR (ohne Zuschläge) ist ersichtlich, dass das monatliche Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI in Höhe von 728 EUR bereits hierdurch vollständig verbraucht wird und somit für eine Anrechnung auf das Pflegegeld nach § 64a Abs. 1 SGB XII gemäß § 63b Abs. 1 SGB XII nicht mehr in Betracht kommt.
Einer Inanspruchnahme der Antragsgegnerin steht auch nicht entgegen, dass die Gewährung des Pflegegeldes im Rahmen eines trägerübergreifenden Budgets beantragt worden ist. Zwar formuliert auch die Antragstellerin im Antrags- und Beschwerdeschriftsatz, dass am 28. November 2016 die Gewährung eines Pflegegeldes im Rahmen eines trägerübergreifenden Budgets beantragt worden sei. Dies ist aber nach dem Inhalt dieses Antrags fraglich. Mit Schreiben vom 28. November 2016 wird zwar ein trägerübergreifendes Budget beantragt. Inhaltlich verhält sich der Antrag jedoch nur zu den im Arbeitgebermodell zu berücksichtigenden Assistenzstunden, insbesondere den Leistungen der Eingliederungshilfe. Das Pflegegeld ist nicht erwähnt. Allerdings hat die Antragstellerin bereits am 21. Februar 2016 und 4. August 2016 bei der Beigeladenen die Bewilligung eines trägerübergreifenden Budgets beantragt. Dabei wurde auch das pauschalierte Pflegegeld beantragt, womit das Pflegegeld nach dem SGB XII gemeint sein kann. Es hätte bereits zu diesem Zeitpunkt der Beigeladenen – die den Antrag soweit ersichtlich nicht an einen anderen Träger weitergeleitet hat – als nach § 14 SGB IX zuständigen Träger oblegen, in einem Gespräch mit der Antragstellerin zu klären, welche konkreten Leistungen Teil des persönlichen Budgets sein sollen und gem. § 17 Abs. 4 SGB IX a. F. i. V. m. § 3 BudgetV die anderen Leistungsträger, insbesondere die Antragsgegnerin, einzubinden und gemeinsam mit der Antragstellerin in einem trägerübergreifenden Bedarfsfeststellungsverfahren die Ergebnisse der von ihnen getroffenen Feststellungen zu beraten. Dies ist bis heute nicht erfolgt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Beigeladene überhaupt jemals Anstrengungen unternommen hat, den unzweifelhaft mitbeantragten Bedarf für die Eingliederungshilfe und eine zweite Pflegekraft konkret festzustellen. Ab dem 1. Januar 2018 folgt diese Verpflichtung aus § 29 Abs. 2 Satz 6 SGB IX. Danach muss das persönliche Budget den individuell nach § 14 Abs. 2, § 13 SGB IX festgestellten "Rehabilitationsbedarf" des Leistungsberechtigten decken und die erforderliche Beratung und Unterstützung sicherstellen (vgl. O Sullivan in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 29 SGB IX, Rn. 32). Hierzu ist ein Teilhabeplan zu erstellen, §§ 19 ff. SGB IX. Es genügt nicht, den oder die beteiligten Leistungsträger nach Bewilligung des persönlichen Budgets lediglich zur Kostenerstattung aufzufordern. Auch wenn dies für das vorliegende Verfahren keine unmittelbare Bedeutung hat, ist zu bemerken, dass die Verwaltungsakte der Beigeladenen, mit denen der Antragstellerin ein trägerübergreifendes persönliches Budget bewilligt wurde, damit bereits formell rechtswidrig sein dürften (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 – B 2 U 1/11 R – juris Rn. 34).
Der Gesetzgeber ist bei § 29 Abs. 3 SGB IX davon ausgegangen, dass ein persönliches Budget im Regelfall beantragt wird, um bereits bewilligte Leistungen zu ersetzen (vgl. Schneider in: Hauck/Noftz, SGB, 10/19, § 29 SGB IX, Rn. 28). Allerdings ist auch die erstmalige oder erneute Beantragung einer Leistung direkt in der Form des persönlichen Budgets möglich, wofür dann der nach § 14 SGB IX zuständige Leistungsträger eine Entscheidung treffen müsste. Nachdem jedoch vorliegend die Antragstellerin ausdrücklich gegenüber der Antragsgegnerin die Einzelleistung Pflegegeld nach § 64a SGB XII geltend macht, ist darin eine Teilrücknahme des Antrags auf Gewährung des persönlichen Budgets zu sehen (vgl. Schneider in: Hauck/Noftz, SGB, 10/19, § 29 SGB IX, Rn. 40a für den Fall der Geltendmachung im gerichtlichen Verfahren). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Pflegegeld nach § 64a SGB XII als "Muss-Leistung" keinen Antrag voraussetzt, § 18 Abs. 1 SGB XII.
Es ist auch nach den dem persönlichen Budget zugrunde liegenden Kalkulationen nicht ersichtlich, dass das § 64a SGB XII Pflegegeld darin bereits berücksichtigt worden ist. Somit kann sich die Antragsgegnerin auch nicht gegenüber der Antragstellerin darauf berufen, der Anspruch aus § 64a SGB XII sei durch die seitens der Beigeladenen bewilligten Leistungen des persönlichen Budgets bereits erfüllt.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Da ihr keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen, kann sie zur Durchsetzung ihres Anspruchs nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, ohne dass ihr durch Zeitablauf Nachteile drohen, die im Nachhinein nicht ausgeglichen werden können. Auf das Guthaben auf dem Budgetkonto kann sie nicht verwiesen werden, weil dieses zur Deckung der im Budget einkalkulierten Ausgabenpositionen vorgesehen ist, was im Wege der Budgetabrechnung auch gegenüber der Beigeladenen nachzuweisen ist. Das Pflegegeld soll die Antragstellerin in die Lage versetzen, die Abdeckung eines (zusätzlichen) Pflegebedarfs zeitnah zu organisieren. Die Leistung von Pflegegeld war jedoch längstens bis zum 30. Juni 2021 zu befristen, weil zu diesem Zeitpunkt das derzeit bewilligte persönliche Budget ausläuft und bis dahin eine neue Bedarfsfeststellung – idealiter in der gesetzlich vorgesehenen, oben aufgezeigten Weise – zu erfolgen hat.
Für vergangene Zeiträume besteht allerdings kein Anordnungsgrund. Ein solcher besteht regelmäßig nur, soweit Leistungen für die Gegenwart oder die nahe Zukunft begehrt werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. September 2012 – L 13 AS 3794/12 ER-B – juris Rn. 3; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Februar 2011 – L 13 AS 628/11 ER-B – juris Rn.2). Durch eine einstweilige Anordnung sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, mithin gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich sind (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. August 2016 – L 11 KR 487/16 B ER – juris Rn. 11). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gilt dies auch für den Zeitraum ab Antragstellung beim Sozialgericht, weil Verzögerungen bis zur gerichtlichen Entscheidung, auf die die Antragstellerin keinen Einfluss hat, ihr nicht zum Nachteil gereichen sollen. Für die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit besteht demgegenüber regelmäßig kein Anordnungsgrund (LSG Bayern, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – L 11 AS 712/16 B ER – juris Rn. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Dezember 2016 – L 29 AS 2544/16 B ER – juris Rn. 20; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – L 11 KR 259/16 B ER – juris Rn. 29; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. August 2016 – L 11 KR 487/16 B ER – juris Rn. 11). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn ein besonderer Nachholbedarf besteht, weil die fehlenden Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirken und eine gegenwärtige Notlage begründen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2017 – L 13 AS 26/17 B ER – juris Rn. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Januar 2017 – L 19 AS 2381/16 B ER – juris Rn. 26; LSG Bayern, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – L 11 AS 712/16 B ER – juris Rn. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. September 2016 – L 32 AS 1688/16 B ER – juris Rn. 28; Sächsisches LSG, Beschluss vom 16. April 2013 – L 3 AS 1311/12 B ER – juris Rn. 21). Es muss dann ein noch gegenwärtiger schwerer, ohne Erlass der einstweiligen Anordnung irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht werden (LSG Bayern, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – L 11 AS 712/16 B ER – juris Rn. 12). Gegenüber Dritten bestehende Verbindlichkeiten reichen für die Annahme eines solchen Nachteils regelmäßig nicht aus (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2017 – L 13 AS 26/17 B ER – juris Rn. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – L 11 KR 259/16 B ER – juris Rn. 29 m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. November 2011 – L 9 KR 284/11 B ER – juris Rn. 2). Allein daraus, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit eigene Mittel für Aufwendungen einsetzte, für die sie sonst das Pflegegeld verwendete, begründet einen solchen Nachholbedarf nicht. Insoweit ist es für die Antragstellerin zumutbar, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Gleiches gilt nach den vorstehend beschriebenen Maßstäben hinsichtlich ihres Vortrages, sie habe spätestens seit Januar 2020 hierfür private Darlehen aufnehmen müssen. Soweit die Gläubiger nicht bereit sein sollten, der Antragstellerin die geschuldeten Zahlungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu stunden, wird diese durch §§ 708 ff. und 850 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ausreichend geschützt. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bezweckt grundsätzlich nicht, den durch diese Schuldnerschutzvorschriften gewährten Schutz des Vermögens der Antragstellerin zu erweitern (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02. November 2011 – L 9 KR 284/11 B ER – juris Rn. 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 und Abs. 2 SGG, für die Beigeladene aus § 193 Abs. 4 SGG. Sie folgt dem Verfahrensausgang. Bei einem teilweisen Erfolg ist die Bildung einer Quote angemessen, ohne dass diese zwingend an den Beträgen auszurichten ist, mit denen die Antragstellerin unterliegt bzw. obsiegt. Nachdem die Antragstellerin vorliegend zwar mit einem erheblichen Teil der Forderung für die Vergangenheit unterliegt, für die Gegenwart und Zukunft jedoch weitgehend obsiegt, entspricht eine hälftige Kostenteilung billigem Ermessen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
II. Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Zahlung von Pflegegeld nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Die 1984 geborene und bei der Beigeladenen gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin leidet u. a. an Muskeldystrophie mit fortschreitender Funktionseinschränkung der Muskulatur und ausgeprägter Beteiligung der Atem- und Herzmuskulatur. Sie wird 24 Stunden am Tag invasiv-heimbeatmet. Von der Antragsgegnerin erhält sie Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII in Höhe von monatlich 1.062,60 EUR. Zudem bezieht sie Pflegegeld nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) in Höhe von monatlich 728,00 EUR (Pflegegrad 4). Grundlage hierfür bilden das Gutachten des MDK Sachsen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 28. Juli 2016 und das Schreiben der Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung zur Überleitung in den Pflegegrad 4 vom 15. Dezember 2016.
Bis zum 30. November 2016 nahm die Antragstellerin Pflegesachleistungen nach dem SGB XI in Anspruch. Zugleich gewährte die Beigeladene Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungspflege, 24-h-Krankenbeobachtung) unter Anrechnung der auf die Grundpflege entfallenden Zeitanteile im Umfang von 22 Stunden täglich. Daneben bewilligte ihr die Antragsgegnerin, zuletzt mit Bescheid vom 10. Januar 2017, bis zum 30. November 2016 Leistungen der Hilfe zur Pflege im Umfang von 2 Stunden täglich (abzüglich der von der Pflegekasse gewährten Sachleistungen in Höhe eines Betrages von 1.612 EUR) sowie ein um zwei Drittel gekürztes Pflegegeld in Höhe von 242,67 EUR. Zumindest bis zum 31. Dezember 2018 erhielt die Antragstellerin von der Antragsgegnerin Leistungen für ein Assistenzzimmer in Höhe von zuletzt 68,51 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2016 und 4. August 2016 stellte die Antragstellerin bei der Beigeladenen einen Antrag auf Intensivpflege im Arbeitgebermodell in der Form eines persönlichen Budgets, wobei die Teilbereiche medizinische Behandlungspflege, pflegerische Hilfen, lebenspraktische Begleitung und Freizeit berührt seien. Außerdem benötige sie eine Budgetassistenz. Als möglicherweise beteiligte Leistungsträger wurden die Beigeladene, die Pflegekasse und die Antragsgegnerin benannt. Auf der Grundlage einer mit der Beigeladenen geschlossenen Zielvereinbarung vom 2. November 2016 und des Bescheides vom 25. November 2016 erhielt die Antragstellerin Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungspflege) in der Form des Arbeitgebermodells im Umfang von 22 Stunden täglich als Persönliches Budget in Höhe von monatlich 17.000,00 EUR.
Mit Schreiben vom 20. November 2016, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 23. November 2016, beantragte die damalige Betreuerin der Antragstellerin mit Verweis auf dieses Budget "zunächst formlos und fristwahrend" einen Antrag auf ergänzende Leistungen des trägerübergreifenden persönlichen Budgets im Arbeitgebermodell und der Ankündigung, dass eine genaue Aufstellung in den nächsten Tagen erfolgen werde. Diesen Antrag leitete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24. November 2016 an die Beigeladene weiter. Mit Schreiben vom 28. November 2016 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin erneut ergänzende Leistungen im trägerübergreifenden Budget und spezifizierte – wie angekündigt – den Antrag: Sie erhalte 22 Assistenzstunden täglich als medizinische Behandlungspflege durch die Beigeladene. Weil sie jedoch 24 Stunden Behandlungs- und sonstige Pflege und Assistenz benötige, beantrage sie die Übernahme der Kosten für die verbleibenden zwei Stunden täglich sowie für 30 Stunden im Monat für Pflegesituationen, in denen zwei Pflegekräfte notwendig seien. Für bestimmte Situationen, z. B. das tägliche Duschen, mehrmals notwendiger WC-Gang täglich, Trachealkanülenpflege und –wechsel benötige sie zwei Pflegekräfte. Darüber hinaus beantrage sie die ihr durch die notwendige ständige Begleitperson und Assistenz entstehenden Zusatzkosten (Strom-, Wasser- und sonstige Kosten, Fahrtkosten der Begleitperson), Urlaubsbegleitung mit Übernachtungs- und Verpflegungskosten, zwei Pflegekräfte während des Urlaubs und die Begleitung bei Ausflügen und als Mitglied der E-Rollstuhl-Fußballmannschaft sowie eine Budgetassistenz als ergänzende Leistungen des persönlichen Budgets. Dem Antrag beigefügt war eine Kalkulation mit monatlichen Kosten in Höhe von 6.667,90 EUR. Auch diesen Antrag leitete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 unter Hinweis auf § 14 SGB IX an die Beigeladene weiter.
Mit Schreiben vom 19. April 2017 fragte die Antragstellerin nach dem Sachstand der Zahlung des Pflegegeldes und der ergänzenden Leistungen. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin mit, dass seit dem 1. Dezember 2016 alle Leistungen durch den Budgetvertrag mit der Beigeladenen abgedeckt seien. Mit Schreiben vom 20. August 2017 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin erneut Pflegegeld. Daraufhin teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 31. August 2017 mit, dass zunächst eine Arbeitsanweisung zu den am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen zahlreichen Änderungen des SGB XII abgewartet werde. Erst dann könne über den Antrag auf Pflegegeld entschieden werden. Weitere Sachstandsanfragen erfolgten mit E-Mail vom 18. Januar 2018, mit Schreiben vom 10. Mai 2018, ein erneuter Antrag auf Pflegegeld mit Schreiben vom 1. Mai 2019. Die Antragsgegnerin verwies wiederum auf die Beigeladene. Mit Schreiben vom 10. Juli 2018 bat die Antragsgegnerin die Beigeladene um Klärung der beantragten Leistungen als trägerübergreifendes Budgets, weil eine Einbindung der Antragsgegnerin seitens der Beigeladenen bislang nicht erfolgt sei und telefonische Klärungsversuche nicht zustande gekommen seien. Mit Schreiben vom 18. September 2018 bat die Beigeladene die Antragsgegnerin, die Beteiligung am persönlichen Budget in Höhe von 1.250 EUR zu bestätigen. Dies führte im Bereich der Antragsgegnerin zunächst zu internen Abstimmungsprozessen. Weitere Kontaktaufnahmen mit der Beigeladenen gehen aus den Verwaltungsakten nicht hervor.
In Folge einer Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Dresden (S 21 SO 73/20) wies die Antragsgegnerin schließlich mit Bescheid vom 13. Juni 2019 den Antrag auf Zahlung von Pflegegeld ab dem 1. Dezember 2016 zurück. Der Antrag sei fristgemäß gemäß § 14 SGB IX an die Beigeladene weitergeleitet worden. Mit dieser sei ein persönliches Budget im Arbeitgebermodell vereinbart worden. Damit seien alle Leistungen abgedeckt, die in Verbindung mit der Pflege stehen. Eine Einbindung der Antragsgegnerin seitens der Beigeladenen sei bisher nicht erfolgt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2020 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage ist unter dem Az. S 23 SO 135/20 beim Sozialgericht Dresden anhängig.
Mit Schreiben vom 7. März 2019 beantragte die Antragstellerin bei der Beigeladenen die Anpassung des Budgets, weil es mit dem bisherigen Stundenlohn kaum möglich sei, Fachkräfte zu finden. Mit Bescheid vom 17. Juni 2019 bewilligte die Beigeladene der Antragstellerin auf der Grundlage der Zielvereinbarung vom 9. Mai 2019 häusliche Krankenpflege für täglich 24 Stunden in der Form eines persönlichen Budgets in Höhe von monatlich 17.800 EUR. Auf die von der Antragstellerin erhobene Untätigkeitsklage hat das Sozialgericht Dresden die Beigeladene mit (rechtskräftig gewordenem) Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2020 (Az. S 38 KR 387/20) verurteilt, über den am 23. November 2016 eingegangenen Antrag auf Bewilligung eines trägerübergreifenden Budgets zu entscheiden. Infolge dessen bewilligte die Beigeladene mit Bescheid vom 7. August 2020 für den Zeitraum 1. Dezember 2016 bis zum 31. Mai 2020 ein trägerübergreifendes persönliches Budget, das Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) und Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege umfasste und für die Zeit bis zum 31. Mai 2019 monatlich 17.000 EUR und für den Zeitraum 1. Juni 2019 bis 31. Mai 2020 monatlich 17.800 EUR betrug.
Auf Antrag vom 23. April 2020 auf Budgeterhöhung bewilligte die Beigeladene mit Bescheid vom 30. Juli 2020 auf der Grundlage der Zielvereinbarung vom 25. Juni 2020 der Antragstellerin ein trägerübergreifendes persönliches Budget für die Zeit vom 1. Juni 2020 bis zum 30. Juni 2021 in Höhe von 23.000 EUR monatlich zur Sicherstellung des 24-stündigen Versorgungsbedarfes. Die Erhöhung beruhte auf gestiegenen Lohnkosten. Ausweislich des Vortrages der Beigeladenen liegt dem zugrunde, dass die Antragstellerin je zur Hälfte durch selbst angestellte Kräfte (Stundenlohn inkl. Nebenkosten: 28,66 EUR) und durch über einen Personaldienstleister beschaffte Kräfte (Stundenlohn 36 EUR) betreut werde. Daraus wurde ein monatlicher Bedarf von 23.603,49 EUR errechnet. Unter Berücksichtigung des Pflegegeldbezuges wurde das Budget auf 23.000 EUR monatlich festgesetzt. Das persönliche Budget umfasst ausweislich der Zielvereinbarung anteilig Leistungen der häuslichen Krankenpflege sowie Leistungen der Eingliederungshilfe in Verbindung mit Leistungen der Hilfe zur Pflege. Ausweislich Ziffer 7.2. und 7.3. der Zielvereinbarung enthält das persönliche Budget eine Schwankungsreserve, die dazu diene, außergewöhnliche Kosten (z. B. Lohnfortzahlung bei Krankenhausaufenthalt, doppelte Ausgaben im Urlaubsfall der Pflegekraft oder über die kalkulierten Regiekosten hinausgehende Mehraufwendungen) abzudecken. Unter Berücksichtigung der Kostenabgrenzungsrichtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 17 Abs. 1b SGB XI vom 16. Dezember 2016 entfielen 21.342,08 EUR monatlich auf die Behandlungspflege (22,27 Stunden täglich) und 1.657,91 EUR monatlich auf die Eingliederungshilfe mit Leistungen der Hilfe zur Pflege (1,73 Stunden täglich). Hierüber informierte die Beigeladene die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 4. August 2020 mit der Bitte um Mitteilung, ob der Kostenaufteilung zugestimmt werde. Gleichzeitig meldete die Beigeladene ihren Erstattungsanspruch an.
Bereits am 14. Mai 2020 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Dresden, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Pflegegeld ab Antragstellung, zumindest jedoch ab dem 1. Januar 2020 in Höhe von monatlich 242,67 EUR zu zahlen. Die Voraussetzungen des § 64a SGB XII lägen vor. Insbesondere seien nicht alle Leistungen durch die Beigeladene abgedeckt. Die Antragsgegnerin sei bis zur abschließenden Entscheidung der Beigeladenen für die Bewilligung des beantragten Pflegegeldes zuständig. Die bewilligten Mittel genügten nicht für die Begleichung der Kosten ihrer Betreuung und Pflegebedürftigkeit, weshalb sie private Darlehen aufgenommen habe.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2020 hat das Sozialgericht Dresden den Antrag abgelehnt, weil es bereits an einem Anordnungsgrund fehle. Für die zurückliegenden Zeiträume seien keine schweren unwiederbringlichen Nachteile ersichtlich, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Auch im Übrigen drohten nach den festgestellten Vermögensverhältnissen der Antragstellerin, insbesondere der durchgehenden Verfügbarkeit über nicht unerhebliche Kontoguthaben (17.658,98 EUR auf dem Budgetkonto und 811,75 EUR auf dem Girokonto) keine wesentlichen Nachteile. Der geltend gemachte zusätzliche monatliche Bedarf der Antragstellerin könne aus diesen Vermögenswerten sowie den bezogenen Leistungen ohne weiteres längere Zeit bestritten werden. Eine etwaige dem Antrag entsprechende Differenz sei nicht glaubhaft gemacht. Zudem sei seit Antragstellung und Ablehnung des Antrags geraume Zeit verstrichen, ohne dass etwaige nicht wieder gutzumachende Nachteile eingetreten seien. Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs könne dahinstehen und bleibe dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Hierbei sei allerdings die Passivlegitimation der Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der Regelungen des § 14 SGB IX eingehend zu hinterfragen.
Gegen den ihr am 10. Juli 2020 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der am 3. August 2020 eingelegten Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht. Sie müsse sich nicht auf die vom Sozialgericht aufgezeigten Einnahmequellen verweisen lassen, weil Leistungen der Grundsicherung und Kindergeld nicht anrechenbar seien. Auch das Assistenzkonto könne hierfür nicht herangezogen werden, weil das Pflegegeld zum privaten Vermögen gehöre. Das gekürzte Pflegegeld sei erforderlich für eine besondere Pflegekraft, also eine Person, die sich speziell mit der Antragstellerin auskenne. Die Antragstellerin benötige in bestimmten Situationen zwei Assistenzkräfte, z. B. bei Massenveranstaltungen oder größeren Unternehmungen. Bei längeren Strecken müsse Gepäck (z. B. ein zweites Beatmungsgerät, Notfallmaterial) mitgenommen werden. Auch WC-Gänge schaffe die Antragstellerin nicht allein. Es habe Vorfälle gegeben, bei denen der Schlauch aus Versehen abgezogen worden sei. Bei Einkäufen müsse sie stets einen Notfallrucksack (10 kg) mitführen. Wenn sie mit dem Leihauto unterwegs sei, müsse jemand im Notfall absaugen können oder sie in Kurven festhalten. Bei Anpassung der Sitzschale müsse die Antragstellerin mehrmals umgesetzt werden, was ein Assistent allein nicht bewältigen könne. Beim Duschen müsse im Notfall schnell reagiert werden, falls Wasser in die Öffnung der Trachealkanüle laufe, wofür ebenfalls ein zweiter Assistent notwendig sei. Zudem sei aufgrund des Arbeitgebermodells regelmäßig Schriftverkehr zu führen, zu sortieren und abzuheften. Dies könne aus Datenschutzgründen nicht das Stammpersonal erledigen. Die Antragstellerin habe seit 2017 zahlreiche Ausgaben (z. B. Zahlungen an Personen für bestimmte Hilfeleistungen, Tickets für den öffentlichen Nahverkehr) aus privaten Mitteln finanzieren müssen. Im Jahr 2020 habe es sich dabei um Beträge zwischen 573,30 EUR und 911,97 EUR monatlich gehandelt. Seit Beginn des Jahres 2020 habe sie private Darlehen zur Deckung des Lebensunterhaltes und der gestiegenen Pflegekosten aufnehmen müssen. Die Antragstellerin benötige eine Reserve auf dem Girokonto, um außergewöhnliche Kosten abzudecken, etwa Lohnfortzahlung bei Krankenhausaufenthalten, doppelte Ausgaben im Urlaubsfall der Pflegekraft oder Mehraufwendungen über die kalkulierten Regiekosten hinaus. Der Aufwand für Hygiene- und Gesundheitsartikeln und die hierfür aufzuwendenden Kosten seien aufgrund der Corona-Pandemie erheblich gestiegen. Auch in dem zwischenzeitlich bewilligten trägerübergreifenden persönlichen Budget seien Kosten für eine zweite Pflegekraft nicht enthalten.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 10. Juli 2020 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Pflegegeld gemäß § 64a SGB XII ab Antragstellung vorläufig zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Richtiger Antragsgegner sei die Beigeladene. Aufgrund des seitens der Beigeladenen nunmehr angemeldeten Erstattungsanspruchs erfolge derzeit die Bedarfsermittlung.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, die Akten des Sozialgerichts Dresden (Az.: S 38 KR 387/20) und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und form- und fristgerecht erhoben worden, §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Außerdem kann das Gericht dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und der Antragstellerin nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was sie im Hauptsacheverfahren erreichen kann. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass dann, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können und wenn sich das Gericht in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren will, die Sach- und Rechtslage abschließend geprüft werden muss. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005 -1 BvR 569/05 – juris Rn. 25, 26). Letzteres bestätigend hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 25. Februar 2009 (Az.: 1 BvR 120/09, juris Rn. 11) weiter ausgeführt, dass das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition umso weniger zurückgestellt werden darf, je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind. Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlange auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage der Antragstellerin unzumutbar erscheinen lässt, die Antragstellerin zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller, a. a. O., § 86b Rn. 27a).
Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht auf Grund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Antragstellerin ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und sie deshalb im Hauptsacheverfahren mit demselben Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhalten sie sich in einer Wechselbeziehung zueinander, in welcher die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (des Anordnungsgrundes) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Hessisches LSG, Beschluss vom 29. September 2005 - Az. L 7 AS 1/05 ER – juris Rn. 28; Keller a. a. O., § 86b Rn. 27 und 29 m. w. N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, hat das Gericht im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist.
Zulässiger Streitgegenstand ist vorliegend die Gewährung von Pflegegeld gem. § 64a SGB XII ab dem 1. Dezember 2016. Der Streitgegenstand des einstweiligen Rechtsschutzes kann nicht weiter gehen als in dem Hauptsacheverfahren, dem es folgt (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. Juli 2012 - L 11 AS 323/12 B ER – juris Rn. 10). Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens ist der Bescheid vom 13. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2020. Dieser betrifft die Ablehnung der Bewilligung von Pflegegeld ab dem 1. Dezember 2016. Wird eine Leistung ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt und begrenzt der Kläger seinerseits nicht den Zeitraum, für den Leistungen begehrt werden, entscheidet das Gericht grundsätzlich darüber, ob der Kläger während der gesamten bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichenen Zeit einen Anspruch hatte. Unterbrochen wird dieser Zeitraum nur, wenn zwischenzeitlich ein neuer Antrag gestellt und beschieden wird, denn dieser Bescheid fällt nicht unter § 96 SGG (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – juris Rn. 9). Dass vorliegend nach dem Widerspruchsbescheid vom 29. April 2019 ein neuer Antrag gestellt wurde, ist nicht ersichtlich.
Auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes ist überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Zahlung des gekürzten Pflegegeldes gem. §§ 64a Abs. 1, 63b Abs. 5 SGB XII zusteht. Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen dem Anspruch auf ein trägerübergreifendes persönliches Budget gem. § 29 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - SGB IX, in das das Pflegegeld gem. § 64a SGB XII einbezogen werden soll und dem Anspruch auf die dem Budget zu Grunde liegenden Einzelleistung nach § 64a Abs. 1 SGB XII.
Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen aufbringen (§ 61 S. 1 SGB XII). Diese allgemeinen Voraussetzungen, die für sämtliche Leistungen der Hilfe zur Pflege gelten, sind hier erfüllt. Die Antragstellerin ist bedürftig, nachdem sie von der Antragsgegnerin bereits Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII erhält.
Sie ist auch pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII. Seit dem 1. Januar 2017 hat die Pflegekasse bei der Antragstellerin den Pflegegrad 4 anerkannt. An die Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad ist der Antragsgegnerin gemäß § 62a S. 1 SGB XII gebunden.
Gem. § 64a Abs. 1 Satz 1 SGB XII haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 bei häuslicher Pflege Anspruch auf Pflegegeld in Höhe des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 1 SGB XI. Weitere Voraussetzung ist gem. § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII, dass die Pflegebedürftigen die erforderliche Pflege mit dem Pflegegeld in geeigneter Weise selbst sicherstellen.
Diese Voraussetzungen liegen nach summarischer Prüfung vor. Die Antragstellerin hat den Pflegegrad 4. Sie wird in häuslicher Pflege und nicht in einer stationären Einrichtung gepflegt. Auf welche Weise die Pflege mit dem Pflegegeld sichergestellt wird, ob durch Angehörige oder professionelle Pflegekräfte, bleibt dem Pflegebedürftigen überlassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die pflegebedürftige Person den gesamten pflegerischen Bedarf mit dem Pflegegeld abdecken kann und faktisch auch abdeckt. § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII steht einem Anspruch auf Pflegegeld auch nicht entgegen, wenn der Pflegebedürftige ausschließlich von professionellen Pflegekräften versorgt wird, selbst wenn dies "Rund um die Uhr" erfolgt (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl. 2020, § 64a Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 5 C 7.02 – juris Rn. 13). Denn dies führt nicht ohne weiteres zu der Annahme, dass keinerlei Pflegebedarf mehr in Eigenverantwortung abgedeckt wird. Entscheidend ist lediglich, dass die Möglichkeit besteht, dass pflegerischer Bedarf selbst sichergestellt werden kann und muss. Diese Voraussetzung ist aber auch schon dann zu bejahen, wenn in verbleibenden Zeiträumen bei Nichtanwesenheit einer Pflegefachkraft nachbar- oder verwandtschaftliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss oder aber ein unvorhergesehener Pflegebedarf von der Antragstellerin selbst sicherzustellen ist. Daher können trotz professioneller Pflege Zwischenräume verbleiben, in denen Pflege auch noch selbst zu organisieren ist. Schon für diese müssen der pflegebedürftigen Person die finanziellen Anreize durch das Pflegegeld zur Verfügung stehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich Pflege durch Verwandte oder Nachbarn in Anspruch genommen wird. Es muss lediglich immer wieder die Möglichkeit bestehen, dass es dazu kommt (vgl. Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 64a SGB XII Rn. 22).
Das Pflegegeld ist nicht zur Entlohnung von Pflegepersonen oder Pflegekräften, sondern in erster Linie zur Förderung bzw. Erhaltung der Pflegebereitschaft bestimmt (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 – 5 C 82/88 – juris Rn. 11). Außerdem soll der mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängende Aufwand für Kosten für Geschenke, mit denen sich der Pflegebedürftige gegenüber pflegenden Besuchern erkenntlich zeigen will, für vermehrte Telefonate in Folge fehlender Mobilität usw. abgedeckt werden können. Dabei müssen keine messbaren wirtschaftlichen Belastungen vorliegen, auf die (in gleicher Höhe) mit dem Pflegegeld zu reagieren wäre (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Januar 2006 – L 23 B 1009/05 SO ER – juris Rn. 27 mit Verweis auf die bereits zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung: BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 5 C 7.02 – juris Rn. 13; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. Februar 2004 – 10 UZ 2985/02 –, juris Rn. 4ff). Um Doppelleistungen zu vermeiden, kann das Pflegegeld jedoch um bis zu zwei Drittel gekürzt werden, soweit die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich ist, § 63b Abs. 5 SGB XII. Dabei handelt es sich um die Fälle, in denen Leistungen gem. § 64b oder – wie hier – gem. § 64f Abs. 3 SGB XII übernommen werden. Das Arbeitgebermodell soll in erster Linie die Sachleistung durch Inanspruchnahme eines (zugelassenen) ambulanten Pflegedienstes ersetzen. Mithin kommt auch bei Sicherstellung der Pflege im Rahmen des Arbeitgebermodells grundsätzlich nur eine Kürzung des Pflegegeldes um bis zu zwei Drittel in Betracht. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Pflege im Arbeitgebermodell im Rahmen eines persönlichen Budgets gewährt wird. Zwar darf vorliegend der unverbrauchte Teil des Monatsbudgets bis zur einfachen Höhe des Monatsbudgets als Schwankungsreserve für außergewöhnliche Kosten aufgebaut werden. Wird bei einer Prüfung des Budgets festgestellt, dass das Budget nicht ausgeschöpft wurde, ist es jedoch zurückzuzahlen (vgl. Ziffer 7 der Zielvereinbarung vom 25. Juni 2020). Ein Einzelnachweis des nach § 64a Abs. 1 SGB XII gezahlten Pflegegeldes ist jedoch grundsätzlich nicht vorgesehen.
Die Vorschrift § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII dient hauptsächlich der Qualitätssicherung und soll eine Zweckverfehlung der Pflegegeldgewährung etwa in Folge bestimmungswidriger Verwendung des Pflegegeldes oder bei Mängeln der selbst organisierten Pflege verhindern (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Januar 2006 – L 23 B 1009/05 SO ER – juris Rn. 27 m. w. N.). Es soll gewährleistet werden, dass der Pflegebedürftige die notwendige Pflege auch tatsächlich erhält. Eine Zweckverfehlung kann etwas darin liegen, dass eine Selbstorganisation einer weiteren Pflege nicht möglich ist und daher selbst ein Pflegegeldanteil nicht pflegebezogen eingesetzt werden kann, oder die selbst organisierte Pflege dauernd zu menschenunwürdigen Zuständen führt. Auch kommen hier diejenigen Fälle in Betracht, in denen die hilfebedürftige Person Auskünfte über die Verwendung des Pflegegeldes verweigert, so dass die zweckentsprechende Verwendung nicht geklärt werden kann. Nur in derart drastischen Fällen darf die Zahlung von Pflegegeld versagt oder eingestellt werden (vgl. Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 64a SGB XII Rn. 24; Palsherm in: LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, SGB XII § 64a Rn. 8). Auch bei fehlender tatsächlicher Inanspruchnahme des Pflegegeldes kann sich die Frage nach der Sicherstellung der Pflege i. S. v. § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII stellen. Dem steht jedoch entgegen, dass das Pflegegeld als eine Art Pauschale anzusehen ist und somit ein konkreter Verwendungsnachweis grundsätzlich nicht vorgesehen ist (Palsherm in: LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, SGB XII § 64a Rn. 10). Vorliegend stellt die Antragstellerin ihren Pflege- und Assistenzbedarf im Rahmen des Arbeitgebermodells selbst sicher. Hierfür hat der Sozialhilfeträger gem. § 64f Abs. 3 SGB XII die angemessenen Kosten zu übernehmen. Letztlich ersetzt das Arbeitgebermodell jedoch die Form der Erbringung der Sachleistung durch ambulante Pflegedienste. Gerade bei der Erbringung der Leistungen in der Form des persönlichen Budgets sind planbare, regelmäßig anfallende Bedarf einkalkuliert. Somit ist es grundsätzlich auch neben der Sicherstellung der Pflege im Arbeitgebermodell denkbar, dass noch Bedarf für das Pflegegeld nach § 64a SGB XII entstehen kann.
Die Gewährung von Pflegegeld ausschließende Umstände sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Nach dem Vortrag der Antragstellerin soll das Pflegegeld für Situationen eingesetzt werden, in denen eine zweite Pflegekraft notwendig ist, etwa beim Einkaufen, beim Duschen, bei WC-Gängen oder bei der Teilnahme an Massenveranstaltungen bzw. zur Erledigung von Schreibarbeiten. Dabei ist allerdings fraglich, weshalb neben einer im persönlichen Budget enthaltenen Budgetassistenz noch Bedarf für eine weitere Pflegeperson für die Erledigung von Schreibarbeiten im Zusammenhang mit der Stellung der Antragstellerin als Arbeitgeberin besteht. Die Teilnahme an Veranstaltungen dürfte zudem vorrangig einen Bedarf im Rahmen der Eingliederungshilfe und nicht im Rahmen der Hilfe zur Pflege darstellen. Insofern stellt sich die Frage, weshalb die Antragstellerin ihren Anspruch auf Erbringung (höherer) Leistungen der Eingliederungshilfe bzw. der Hilfe zur Pflegebedarf in Form eines höheren persönlichen Budgets nicht gegen die Beigeladene weiterverfolgt, nachdem nach dem Vortrag der Antragstellerin regelmäßiger Bedarf für eine zweite Pflegekraft in bestimmten Situationen anfällt und entsprechende Leistungen im Rahmen des persönlichen Budgets beantragt wurden, jedoch dort nicht enthalten sind. Für den grundsätzlichen Anspruch auf Pflegegeld nach § 64a SGB XII ist dies nach den oben dargelegten Grundsätzen jedoch ohne Belang. Es ist jedenfalls derzeit grundsätzlich möglich, dass zusätzlicher Pflegebedarf anfällt, der mit dem Pflegegeld sichergestellt werden kann. Eine Verfehlung des Zweckes, die Pflege sicherzustellen, ist jedenfalls nicht ersichtlich.
Der Anspruch auf Zahlung von Pflegegeld nach § 64a Abs. 1 SGB XII ist auch nicht durch die Anrechnung des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI gem. § 63b Abs. 1 SGB XII ausgeschlossen. Wird die Pflege – wie hier – im Rahmen des Arbeitgebermodells sichergestellt, erfolgt die Anrechnung des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI zunächst auf die Leistungen der Hilfe zur Pflege, § 63b Abs. 6 Satz 2 SGB XII. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand entfallen mindestens 1,73 Stunden täglich auf die Hilfe zur Pflege. Selbst bei Zugrundelegung des geringsten Bruttostundensatzes von 14,50 EUR (ohne Zuschläge) ist ersichtlich, dass das monatliche Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI in Höhe von 728 EUR bereits hierdurch vollständig verbraucht wird und somit für eine Anrechnung auf das Pflegegeld nach § 64a Abs. 1 SGB XII gemäß § 63b Abs. 1 SGB XII nicht mehr in Betracht kommt.
Einer Inanspruchnahme der Antragsgegnerin steht auch nicht entgegen, dass die Gewährung des Pflegegeldes im Rahmen eines trägerübergreifenden Budgets beantragt worden ist. Zwar formuliert auch die Antragstellerin im Antrags- und Beschwerdeschriftsatz, dass am 28. November 2016 die Gewährung eines Pflegegeldes im Rahmen eines trägerübergreifenden Budgets beantragt worden sei. Dies ist aber nach dem Inhalt dieses Antrags fraglich. Mit Schreiben vom 28. November 2016 wird zwar ein trägerübergreifendes Budget beantragt. Inhaltlich verhält sich der Antrag jedoch nur zu den im Arbeitgebermodell zu berücksichtigenden Assistenzstunden, insbesondere den Leistungen der Eingliederungshilfe. Das Pflegegeld ist nicht erwähnt. Allerdings hat die Antragstellerin bereits am 21. Februar 2016 und 4. August 2016 bei der Beigeladenen die Bewilligung eines trägerübergreifenden Budgets beantragt. Dabei wurde auch das pauschalierte Pflegegeld beantragt, womit das Pflegegeld nach dem SGB XII gemeint sein kann. Es hätte bereits zu diesem Zeitpunkt der Beigeladenen – die den Antrag soweit ersichtlich nicht an einen anderen Träger weitergeleitet hat – als nach § 14 SGB IX zuständigen Träger oblegen, in einem Gespräch mit der Antragstellerin zu klären, welche konkreten Leistungen Teil des persönlichen Budgets sein sollen und gem. § 17 Abs. 4 SGB IX a. F. i. V. m. § 3 BudgetV die anderen Leistungsträger, insbesondere die Antragsgegnerin, einzubinden und gemeinsam mit der Antragstellerin in einem trägerübergreifenden Bedarfsfeststellungsverfahren die Ergebnisse der von ihnen getroffenen Feststellungen zu beraten. Dies ist bis heute nicht erfolgt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Beigeladene überhaupt jemals Anstrengungen unternommen hat, den unzweifelhaft mitbeantragten Bedarf für die Eingliederungshilfe und eine zweite Pflegekraft konkret festzustellen. Ab dem 1. Januar 2018 folgt diese Verpflichtung aus § 29 Abs. 2 Satz 6 SGB IX. Danach muss das persönliche Budget den individuell nach § 14 Abs. 2, § 13 SGB IX festgestellten "Rehabilitationsbedarf" des Leistungsberechtigten decken und die erforderliche Beratung und Unterstützung sicherstellen (vgl. O Sullivan in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 29 SGB IX, Rn. 32). Hierzu ist ein Teilhabeplan zu erstellen, §§ 19 ff. SGB IX. Es genügt nicht, den oder die beteiligten Leistungsträger nach Bewilligung des persönlichen Budgets lediglich zur Kostenerstattung aufzufordern. Auch wenn dies für das vorliegende Verfahren keine unmittelbare Bedeutung hat, ist zu bemerken, dass die Verwaltungsakte der Beigeladenen, mit denen der Antragstellerin ein trägerübergreifendes persönliches Budget bewilligt wurde, damit bereits formell rechtswidrig sein dürften (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 – B 2 U 1/11 R – juris Rn. 34).
Der Gesetzgeber ist bei § 29 Abs. 3 SGB IX davon ausgegangen, dass ein persönliches Budget im Regelfall beantragt wird, um bereits bewilligte Leistungen zu ersetzen (vgl. Schneider in: Hauck/Noftz, SGB, 10/19, § 29 SGB IX, Rn. 28). Allerdings ist auch die erstmalige oder erneute Beantragung einer Leistung direkt in der Form des persönlichen Budgets möglich, wofür dann der nach § 14 SGB IX zuständige Leistungsträger eine Entscheidung treffen müsste. Nachdem jedoch vorliegend die Antragstellerin ausdrücklich gegenüber der Antragsgegnerin die Einzelleistung Pflegegeld nach § 64a SGB XII geltend macht, ist darin eine Teilrücknahme des Antrags auf Gewährung des persönlichen Budgets zu sehen (vgl. Schneider in: Hauck/Noftz, SGB, 10/19, § 29 SGB IX, Rn. 40a für den Fall der Geltendmachung im gerichtlichen Verfahren). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Pflegegeld nach § 64a SGB XII als "Muss-Leistung" keinen Antrag voraussetzt, § 18 Abs. 1 SGB XII.
Es ist auch nach den dem persönlichen Budget zugrunde liegenden Kalkulationen nicht ersichtlich, dass das § 64a SGB XII Pflegegeld darin bereits berücksichtigt worden ist. Somit kann sich die Antragsgegnerin auch nicht gegenüber der Antragstellerin darauf berufen, der Anspruch aus § 64a SGB XII sei durch die seitens der Beigeladenen bewilligten Leistungen des persönlichen Budgets bereits erfüllt.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Da ihr keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen, kann sie zur Durchsetzung ihres Anspruchs nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, ohne dass ihr durch Zeitablauf Nachteile drohen, die im Nachhinein nicht ausgeglichen werden können. Auf das Guthaben auf dem Budgetkonto kann sie nicht verwiesen werden, weil dieses zur Deckung der im Budget einkalkulierten Ausgabenpositionen vorgesehen ist, was im Wege der Budgetabrechnung auch gegenüber der Beigeladenen nachzuweisen ist. Das Pflegegeld soll die Antragstellerin in die Lage versetzen, die Abdeckung eines (zusätzlichen) Pflegebedarfs zeitnah zu organisieren. Die Leistung von Pflegegeld war jedoch längstens bis zum 30. Juni 2021 zu befristen, weil zu diesem Zeitpunkt das derzeit bewilligte persönliche Budget ausläuft und bis dahin eine neue Bedarfsfeststellung – idealiter in der gesetzlich vorgesehenen, oben aufgezeigten Weise – zu erfolgen hat.
Für vergangene Zeiträume besteht allerdings kein Anordnungsgrund. Ein solcher besteht regelmäßig nur, soweit Leistungen für die Gegenwart oder die nahe Zukunft begehrt werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. September 2012 – L 13 AS 3794/12 ER-B – juris Rn. 3; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Februar 2011 – L 13 AS 628/11 ER-B – juris Rn.2). Durch eine einstweilige Anordnung sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, mithin gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich sind (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. August 2016 – L 11 KR 487/16 B ER – juris Rn. 11). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gilt dies auch für den Zeitraum ab Antragstellung beim Sozialgericht, weil Verzögerungen bis zur gerichtlichen Entscheidung, auf die die Antragstellerin keinen Einfluss hat, ihr nicht zum Nachteil gereichen sollen. Für die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit besteht demgegenüber regelmäßig kein Anordnungsgrund (LSG Bayern, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – L 11 AS 712/16 B ER – juris Rn. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Dezember 2016 – L 29 AS 2544/16 B ER – juris Rn. 20; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – L 11 KR 259/16 B ER – juris Rn. 29; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. August 2016 – L 11 KR 487/16 B ER – juris Rn. 11). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn ein besonderer Nachholbedarf besteht, weil die fehlenden Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirken und eine gegenwärtige Notlage begründen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2017 – L 13 AS 26/17 B ER – juris Rn. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Januar 2017 – L 19 AS 2381/16 B ER – juris Rn. 26; LSG Bayern, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – L 11 AS 712/16 B ER – juris Rn. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. September 2016 – L 32 AS 1688/16 B ER – juris Rn. 28; Sächsisches LSG, Beschluss vom 16. April 2013 – L 3 AS 1311/12 B ER – juris Rn. 21). Es muss dann ein noch gegenwärtiger schwerer, ohne Erlass der einstweiligen Anordnung irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht werden (LSG Bayern, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – L 11 AS 712/16 B ER – juris Rn. 12). Gegenüber Dritten bestehende Verbindlichkeiten reichen für die Annahme eines solchen Nachteils regelmäßig nicht aus (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2017 – L 13 AS 26/17 B ER – juris Rn. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – L 11 KR 259/16 B ER – juris Rn. 29 m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. November 2011 – L 9 KR 284/11 B ER – juris Rn. 2). Allein daraus, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit eigene Mittel für Aufwendungen einsetzte, für die sie sonst das Pflegegeld verwendete, begründet einen solchen Nachholbedarf nicht. Insoweit ist es für die Antragstellerin zumutbar, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Gleiches gilt nach den vorstehend beschriebenen Maßstäben hinsichtlich ihres Vortrages, sie habe spätestens seit Januar 2020 hierfür private Darlehen aufnehmen müssen. Soweit die Gläubiger nicht bereit sein sollten, der Antragstellerin die geschuldeten Zahlungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu stunden, wird diese durch §§ 708 ff. und 850 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ausreichend geschützt. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bezweckt grundsätzlich nicht, den durch diese Schuldnerschutzvorschriften gewährten Schutz des Vermögens der Antragstellerin zu erweitern (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02. November 2011 – L 9 KR 284/11 B ER – juris Rn. 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 und Abs. 2 SGG, für die Beigeladene aus § 193 Abs. 4 SGG. Sie folgt dem Verfahrensausgang. Bei einem teilweisen Erfolg ist die Bildung einer Quote angemessen, ohne dass diese zwingend an den Beträgen auszurichten ist, mit denen die Antragstellerin unterliegt bzw. obsiegt. Nachdem die Antragstellerin vorliegend zwar mit einem erheblichen Teil der Forderung für die Vergangenheit unterliegt, für die Gegenwart und Zukunft jedoch weitgehend obsiegt, entspricht eine hälftige Kostenteilung billigem Ermessen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved