L 3 AL 494/00

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 7 AL 1944/99
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 494/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 9. Mai 2000 aufgehoben, soweit das Sozialgericht die Beklagte dazu verurteilt hat, der Klägerin vom 1. Oktober 1998 bis zum 11. November 1998 Arbeitslosengeld zu zahlen und insoweit den Sperrzeitbescheid vom 26. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 1999 aufgehoben hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin ¾ der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit (und Zahlung von Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum) und die Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs der Klägerin nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag.

Die 1943 geborene Klägerin war vom 8. Januar 1964 bis zum 30. September 1998 bei der T.-AG (T.) bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sie war ursprünglich als Ingenieurin für Transportoptimierung und Leiterin des Transportbüros tätig. Zuletzt arbeitete sie ab 1. August 1996 als Sachbearbeiterin im Innendienst/Debitorenbuchhaltung im Kundenzentrum in Schleiz. Diesbezüglich teilte die T. der Klägerin mit einem als "Änderung ihres Arbeitsvertrages" bezeichneten Schreiben vom 16. Juli 1996 mit, dass ihr die Tätigkeit als Mitarbeiterin Innendienst übertragen werde. Ihre monatliche Tabellenvergütung in der Vergütungsgruppe 9, Stufe 3 werde beibehalten. Ende 1998 entfiel der von der Klägerin zuletzt besetzte Arbeitsplatz nach Angaben der T. im Zuge von Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen. Für die Parteien galt der Manteltarifvertrag MTV Energie vom 28. März 1995, der bei einer Beschäftigungszeit von mindestens 12 Jahren eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende vorsah.

Unter dem 12. März 1998 schloss die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber eine als Aufhebungsvertrag bezeichnete und auf den 26. Februar 1998 datierte Vereinbarung. Diese sah die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Beachtung der tariflichen Kündigungsfrist zum 30. September 1998 im gegenseitigen Einvernehmen aus "dringenden betriebsbedingten Gründen" vor. In dem Vertrag war weiter vereinbart, dass die Klägerin für den Verlust ihres Arbeitsplatzes Anspruch auf Leistungen "aus der betrieblichen Regelung vom 8. Februar 1994" haben sollte.

Die Klägerin meldete sich am 9. September 1998 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Sie fügte ihrem Antrag ein auf den 31. März 1998 datiertes Schreiben der T. bei, wonach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dringenden betriebsbedingten Gründen vereinbart worden sei. Ohne eine solche Vereinbarung wäre zum gleichen Termin eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen, zu der der Betriebsrat gehört worden sei und der dieser nicht widersprochen habe, ausgesprochen worden. Ferner füllte die Klägerin unter dem 24. September 1998 einen Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aus. Danach erklärte sie, dass das Beschäftigungsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet worden sei. Durch Rationalisierung und Umstrukturierungsmaßnahmen sei ihr Arbeitsplatz ersatzlos entfallen. Eine Sozialauswahl sei durchgeführt worden. Der Betriebsrat sei angehört worden. Er habe einer betriebsbedingten Kündigung nicht widersprochen. Im Unternehmen stehe kein freier Arbeitsplatz, der vergleichbar sei, zur Verfügung. Ihr Arbeitsverhältnis ende zeitgleich mit dem Wegfall ihres Arbeitsplatzes. Eine Weiterbeschäftigung in der T. wäre auch nach einer Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme nicht möglich gewesen, da es keinen freien vergleichbaren Arbeitsplatz gebe. In der Erklärung führte die Klägerin schließlich aus, dass sie davon ausgegangen sei, dass die anderenfalls erfolgte arbeitgeberseitige Kündigung rechtmäßig gewesen wäre, zumal ihre Entlassung aus zwingenden betriebsbedingten Gründen erfolgt wäre und alle vergleichbaren Mitarbeiter entlassen worden seien.

Der Beklagten lag ein Schreiben der T. vom November 1998 vor, in dem die Namen der Mitarbeiter aufgeführt worden sind, mit denen zeitgleich Aufhebungsverträge geschlossen wurden. Der Name der Klägerin befindet sich in der Spalte, die mit der Bemerkung versehen ist, dass es für diese Mitarbeiter nicht nötig gewesen sei, eine Sozialauswahl durchzuführen, weil es keine mit ihnen vergleichbaren Mitarbeiter im Unternehmen gebe.

Unter dem 15. Januar 1999 erklärte die T., dass monatlich garantierte Arbeitgeberleistungen (Aufstockungszahlungen zu den Leistungen der Arbeitsverwaltung) ein Differenzbetrag zwischen 92 v. H. der durchschnittlichen Nettovergütung und dem Arbeitslosengeld sei.

Mit Bescheid vom 26. Mai 1999 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. Oktober bis 23. Dezember 1998 fest. Im Bescheid heißt es, dass die Klägerin Leistungen erst nach Ablauf der Sperrzeit erhalte. Ferner stellte die Beklagte eine Minderung der Anspruchsdauer um 242 Tage (1/4 der Anspruchsdauer) fest.

Mit Bescheid vom 26. Mai 1999 stellte die Beklagte ein weiteres Ruhen des Leistungsanspruchs im Anschluss an den Sperrzeitzeitraum bis zum 26. Februar 1999 fest, weil die Klägerin von ihrem bisherigen Arbeitgeber wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen in Höhe von 62.842,24 DM erhalten bzw. zu beanspruchen habe. Durch den gleichzeitigen Eintritt einer Sperrzeit ruhe der Anspruch des Weiteren für die Zeit vom 27. Februar 1999 bis zum 9. April 1999.

Im Rahmen des Verfahrens zog die Beklagte ein Schreiben der T. vom 1. Juni 1999 bei. Die Tätigkeit der Klägerin sei mit einer weiteren Mitarbeiterin vergleichbar. Bei beiden Mitarbeitern sei das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen beendet worden. Ferner lag der Beklagten ein Schreiben der T. vom 23. Februar 1998 vor, das als Anhörung gemäß § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz überschrieben und an den Betriebsrat der Firma gerichtet ist. Danach wird dem Betriebsrat die beabsichtigte Kündigung der Klägerin mitgeteilt.

Die Klägerin legte gegen den Sperrzeitbescheid und den Ruhensbescheid unter dem 17. Juni 1999 Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 15. Juli 1999 stellte die Beklagte das Ruhen des Leistungsanspruches vom 24. Dezember 1998 bis 6. März 1999 sowie eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um weitere 73 Tage fest, weil die Klägerin wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen in Höhe von 73.011,66 DM erhalten bzw. zu beanspruchen gehabt habe.

Mit Bescheid vom 15. Juli 1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 7. März 1999 Arbeitslosengeld in Höhe von 462,00 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt von 1.120,00 DM und der Leistungsgruppe C.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Sperrzeitbescheid vom 26. Mai 1999 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 15. November 1999 beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Das Verfahren wurde dort unter Aktenzeichen S 7 AL 1944/99 geführt.

Mit Widerspruchsbescheid, ebenfalls vom 14. Oktober 1999, hat die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin gegen die Ruhensbescheide vom 26. Mai 1999 und 15. Juli 1999 insoweit stattgegeben, als sie ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bis zum 6. März 1999 festgestellt und im Übrigen den Widerspruch zurückgewiesen hat.

Hiergegen hat die Klägerin ebenfalls am 15. November 1999 beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Dieses Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 7 AL 1943/99 geführt.

Mit Beschluss vom 9. Mai 2000 hat das Sozialgericht beide Verfahren unter dem Aktenzeichen S 7 AL 1944/99 miteinander verbunden.

Mit Urteil vom 9. Mai 2000 hat das Sozialgericht den Sperrzeitbescheid vom 26. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 1999 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis 23. Dezember 1998 Arbeitslosengeld zu zahlen. Ferner hat das Sozialgericht den Ruhensbescheid vom 15. Juli 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 1999 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 24. Dezember 1998 bis 6. März 1999 Arbeitslosengeld zu zahlen. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Klägerin genau zum selben Zeitpunkt, zu dem sie das Beschäftigungsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag beendet habe, eine betriebsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber gedroht habe. Die Klägerin habe keine andere Wahl gehabt, als die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30. September 1998 in irgendeiner Form hinzunehmen. Der Klägerin habe auch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Kündigung gedroht.

Gegen das der Beklagten am 4. August 2000 zugestellte Urteil hat sie am 29. August 2000 Berufung eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2004 hat die Beklagte ihre Berufung gegen das Urteil vom 9. Mai 2000 insoweit beschränkt, als das Sozialgericht den Sperrzeitbescheid vom 26. Mai 1999 aufgehoben hat und die Berufung, soweit das Sozialgericht den Ruhensbescheid nach § 117 a AFG aufgehoben hat, zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 9. Mai 2000 aufzuheben soweit auch der Sperrzeitbescheid vom 26. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 1999 aufgehoben wurde und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend sei. Die Klägerin führt insbesondere aus, dass sie einen wichtigen Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag gehabt habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2004 hat der Senat die Zeuginnen W. und R. vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten lag vor und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.

Gegenstand der Berufung ist nur (noch) der Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 26. Mai 1999. Dieser ist insoweit rechtmäßig, als für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 11. November 1998 eine sechswöchige Sperrzeit eingetreten ist und der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld in dieser Zeit ruhte. Das Urteil des Sozialgerichtes vom 9. Mai 2000 war in diesem Umfang aufzuheben. Im Übrigen ist der Sperrzeitbescheid vom 26. Mai 1999 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 23. Dezember 1998 richtet sich nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Auch die Fragen des Eintritts einer Sperrzeit und der Minderung der Anspruchsdauer sind nach Maßgabe des § 144 SGB III bzw. des § 128 SGB III zu beurteilen, da das sperrzeitbegründende Ereignis – die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses – erst 1998 und damit nach Inkrafttreten des SGB III eingetreten ist (vgl. BSG Urteil vom 25. April 2002, Az.: B 11 AL 100/01 R). Die Klägerin hat ab dem 1. Oktober 1998 die Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld nach §§ 117 ff. SGB III erfüllt, denn sie war arbeitslos, hatte sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt. Es besteht darüber hinaus kein Anlass zu Zweifeln am Vorliegen von Arbeitslosigkeit im Sinne der §§ 118, 119 SGB III, zumal die beklagte Bundesagentur der Klägerin ab dem 7. Februar 1999 Arbeitslosengeld bewilligt hat.

Gleichwohl ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 11. November 1998 wegen des Eintritts einer sechswöchigen Sperrzeit. Eine zwölfwöchige Sperrzeit ist hingegen nicht eingetreten.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Die Klägerin hat ihr Beschäftigungsverhältnis durch den am 12. März 1998 geschlossenen Aufhebungsvertrag mit Ablauf des 30. September 1998 im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gelöst und dadurch wenigstens grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Hinsichtlich der Kausalität für die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit kann nicht auf die nach Angaben der Klägerin und ihres Arbeitgebers drohende Kündigung abgestellt werden, da der tatsächliche Geschehensablauf maßgebend ist (vgl. BSGE 84, 225, 231).

Die Klägerin hatte für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses keinen wichtigen Grund.

Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des Versichertenrisikos Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt oder zu vertreten haben; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 16).

Ein wichtiger Grund kann nicht ohne weiteres darin gesehen werden, dass der Arbeitnehmer dem Ausspruch einer drohenden Kündigung des Arbeitgebers zuvor kommt; grundsätzlich ist es dem Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die Kündigung abzuwarten, sofern nicht besondere Umstände vorliegen. Solche besonderen Umstände können z.B. dann gegeben sein, wenn dem Arbeitnehmer eine nach Arbeitsrecht rechtmäßige Kündigung aus einem von seinem Verhalten unabhängigen Grund für den Zeitpunkt droht, zu dem er das Arbeitsverhältnis löst und er durch eine einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses Nachteile vermeiden kann, die sich durch eine Kündigung des Arbeitgebers für sein berufliches Fortkommen ergeben; andere besondere Umstände, die zur Annahme eines wichtigen Grundes führen können, sind denkbar. Allein in der Zahlung einer Abfindung oder ähnlichen Leistungen liegt aber noch kein wichtiger Grund (Urteil des BSG vom 25. April 2002, Az.: B 11 AL 100/01 R).

Anhand der Aktenlage und unter Berücksichtigung der Aussagen der durch den Senat in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeuginnen R. und W. ist der Senat davon überzeugt, dass der Klägerin keine rechtmäßige Kündigung aus einem von ihrem Verhalten unabhängigen Grund für den Zeitpunkt drohte, zu dem sie das Arbeitsverhältnis löste.

Dies ergibt sich aus Folgendem: Die Rechtmäßigkeit der Kündigung richtete sich hier nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis wie hier in demselben Betrieb des Unternehmens länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung unter anderem dann, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG). Das betriebliche Erfordernis muss einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht nur in seinem alten Tätigkeitsbereich, sondern in diesem Betrieb entgegenstehen und zwar zu unveränderten oder zu geänderten Bedingungen. Andernfalls hätten Versetzung oder Änderungskündigung als milderes Mittel Vorrang (vgl. Quecke in Hessler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrechtskommentar, 1. Auflage 2004, KSchG § 1 Rz. 274). Die anderweitige Weiterbeschäftigung bezieht sich allerdings nur auf freie Arbeitsplätze (Quecke, a. a. O., Rz. 275).

Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen in diesem Sinne gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG).

Eine Kündigung ist daher betriebsbedingt sozial gerechtfertigt, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens der Arbeitsplatz entfällt auf Grund einer (jedenfalls arbeits)gerichtlich grundsätzlich nicht überprüfbaren unternehmerischen Entscheidung, zweitens scheidet eine Weiterbeschäftigung mangels freiem Arbeitsplatz aus, drittens ist, wenn mehrere vergleichbare Arbeitnehmer vorhanden sind, die für den Arbeitsplatzverlust in Betracht kommen, zwischen ihnen eine soziale Auswahl zu treffen und schließlich viertens eine Interessenabwägung vorzunehmen (Fiebig in Handkommentar zum KSchG, 1. Auflage 2000, HaKO – Fiebig, vor § 1 Teil F Rn. 593).

Die als dritte Voraussetzung genannte soziale Auswahl ist in drei Abschnitte einzuteilen: Zunächst ist festzustellen, welche Arbeitnehmer in die soziale Auswahl einzubeziehen sind, zweitens welche Sozialdaten bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen sind und wie sie gewichtet werden und drittens welche Arbeitnehmer aus betriebstechnischen, wirtschaftlichen oder sonstigen berechtigten betrieblichen Bedürfnissen für den Betrieb notwendig sind.

Der einer solchen Beurteilung zu Grunde liegende Sachverhalt ließ sich zunächst nicht bereits anhand der Aktenlage ermitteln, weil sich die Mitarbeiter der T. sowohl im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren im Hinblick auf eine soziale Rechtfertigung einer drohenden Kündigung der Klägerin widersprüchlich geäußert haben. Sie haben unter anderem in einem Schreiben vom November 1998 behauptet, eine Sozialauswahl habe nicht stattgefunden, es habe keine vergleichbare Mitarbeiterin gegeben. In diesem Sinne hat sich auch die Zeugin R. geäußert. Demgegenüber wurde unter anderem in einem Schreiben vom 1. Juni 1999 sinngemäß dargelegt, dass eine Sozialauswahl stattgefunden und es eine vergleichbare Mitarbeiterin gegeben habe. In diesem Sinne hat sich die Zeugin W. geäußert.

Für den Senat steht jedoch fest, dass eine soziale Rechtfertigung einer der Klägerin angedrohten Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes von der T. schon gar nicht geprüft wurde. Ebenso wenig wurde eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der Klägerin auf einem freien Arbeitsplatz ernstlich in Erwägung gezogen.

Für den Senat ist nicht zweifelhaft, dass die T. im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen Mitarbeiter abbauen wollte. Bei der Auswahl der Mitarbeiter hat sich der Arbeitgeber jedoch nicht an den Grundsätzen des Kündigungsschutzgesetzes orientiert, sondern nur am Alter ihrer Mitarbeiter. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den im Verfahren vorgelegten Listen der betroffenen Arbeitnehmer und den Aussagen der Zeuginnen R. und W. Das Verfahren gestaltete sich so, dass zunächst die Arbeitnehmer, die einem bestimmten Jahrgang angehörten, zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ausgewählt wurden. Diesen Arbeitnehmern wurde anschließend angeboten, zu einem bestimmten Termin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Ob gleichzeitig eine Kündigung angedroht wurde, kann dahinstehen. Jedenfalls bestimmten sich die ausgewählten Jahrgänge nach einem Sozialplan aus dem Jahr 1994; dieser gestattete es, den ausgeschiedenen Mitarbeitern bestimmter Altersgruppen weitere Leistungen neben dem Arbeitslosengeld zukommen zu lassen. Dieses Verfahren wurde sowohl von der T. als auch von den betroffenen Mitarbeitern als eine Art "Vorruhestandsmodell" aufgefasst und teilweise auch so bezeichnet. Aus Sicht der T. handelte es sich um eine für ihre Mitarbeiter sozial verträgliche Lösung, weil die Sozialplanleistungen neben einer Abfindung die zeitweise Zahlung eines Teils der Differenz zwischen Arbeitslosengeld und letztem Nettogehalt erlaubten, wobei die Firma übersieht, dass dieses Vorgehen erstens nicht mit dem KSchG in Einklang zu bringen ist (deshalb eine der Klägerin drohende Kündigung rechtswidrig gewesen wäre) und zweitens zu Lasten der Versichertengemeinschaft erfolgte. Daneben wurden nur in unwesentlichem Umfang Mitarbeiter gekündigt, wobei die Zeuginnen R. und W. nicht nachvollziehbar erklären konnten, aus welchem Grund den außerhalb der "Jahrgangsmethode" gekündigten Mitarbeitern nicht ebenfalls Aufhebungsverträge angeboten worden sind. Im Falle der Klägerin wurde die vergleichbare Mitarbeiterin nach Aussage der Zeuginnen R. und W. noch bis zu dem Zeitpunkt weiterbeschäftigt, bis diese zu dem im Sozialplan genannten Jahrgang gehörte. Anschließend beendete auch sie das Arbeitsverhältnis durch eine Vereinbarung. Abgesehen davon, dass diese Aussagen der Zeuginnen R. und W. mit früheren schriftlichen Äußerungen nicht übereinstimmen, weil dort sinngemäß ausgeführt wurde, die Kündigung der Klägerin wäre sozial gerechtfertigt gewesen, weil der Arbeitsplatz der vergleichbaren Mitarbeiterin zeitgleich entfallen sei, hätte die T. auf Grund des KSchG eine soziale Auswahl zumindest zwischen diesen beiden auch nach Auffassung des Arbeitgebers vergleichbaren Arbeitnehmerinnen durchführen müssen und sich nicht nur am Jahrgang der Arbeitnehmer und dem Sozialplan orientieren dürfen.

Der Senat ist im Übrigen davon überzeugt, dass sich die T. durchaus darüber bewusst war, dass zumindest teilweise Kündigungen der jahrgangsweise ausgesuchten Mitarbeiter sozial nicht zu rechtfertigen gewesen wären. Nur so ist zu erklären, dass die Arbeitsverhältnisse durch einen Aufhebungsvertrag beendet werden sollten, weil ansonsten Arbeitsgerichtsprozesse mit ungewissem Ausgang gedroht hätten, wodurch möglicherweise die geplante Umstrukturierung in Gefahr geraten wäre. In diesem Zusammenhang ist der Senat auch davon überzeugt, dass die Initiative zum Abschluss derartiger Vereinbarungen von der T. ausging.

Soweit die Zeugin R. das Vorgehen der T., Arbeitsverhältnisse älterer Arbeitnehmer beenden zu wollen, mit dem Argument, man habe auf eine ausgewogene Altersstruktur achten müssen, zu rechtfertigen suchte und dabei offensichtlich Bezug auf die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ( in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung) genommen hat, wonach in die soziale Auswahl Arbeitnehmer nicht einzubeziehen sind, deren Weiterbeschäftigung zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, kann dies hier nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Dieses Argument hat die T. in anderen Fällen, in denen eine soziale Auswahl schon offensichtlich zugunsten der Arbeitnehmer erfolgt wäre, ohne nähere Erläuterung als pauschalen Rechtfertigungsgrund genannt. Dabei wird verkannt, dass der Einwand einer ausgewogenen Personalstruktur bereits nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur einen individuellen Rechtfertigungsgrund darstellt, um einzelne Arbeitnehmer, die bei einer sozialen Auswahl an sich gerechtfertigt entlassen werden könnten, aus betrieblichen Gründen zu Lasten eines Anderen weiterbeschäftigen zu können und nicht das Aushebeln der sozialen Auswahl für ganze Arbeitnehmergruppen ermöglicht. Ferner bedeutet eine "ausgewogene" Personalstruktur im Sinne des KSchG nicht, sozial gerechtfertigt zugunsten einer jungen Belegschaft nur ältere Arbeitnehmer aus dem Betrieb entlassen zu können. Vielmehr soll die Bestimmung ein vernünftiges Verhältnis aller Altersgruppen gewährleisten. Schließlich ist dieses Argument nicht geeignet, die der Klägerin angedrohte rechtswidrige Kündigung nachträglich sozial zu rechtfertigen.

Auf die Frage einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit kommt es nach dem oben Gesagten nicht (mehr) an. Anhand der Aussagen der Zeuginnen R. und W. ist der Senat aber davon überzeugt, dass eine derartige Alternative für die Vergütungsgruppe der Klägerin sogar bestanden hätte. Denn auf Nachfrage konnten sie nicht ausschließen, dass freie Arbeitsplätze, die der Qualifikation und sogar der Vergütungsgruppe der Klägerin entsprochen hätten, im Betrieb vorhanden waren.

Zwar kann in Einzelfällen ein wichtiger Grund auch bei einer drohenden oder feststehenden, aber noch nicht erfolgten rechtswidrigen Kündigung auf Grund sonstiger Umstände, etwa des Verhaltens des Arbeitgebers vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002, Az: B 7 AL 92/01 R). Derartige besondere Umstände sind hier aber nicht ersichtlich. Auch andere wichtige Gründe im Sinne des § 144 Abs. 1 SGB III sind für das Verhalten der Klägerin nicht festzustellen.

Die Sperrzeit umfasst allerdings sechs Wochen, denn eine Sperrzeit von zwölf Wochen würde für die Klägerin nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten (§ 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Zur Beurteilung der Frage, ob der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit nach den für ihren Eintritt maßgeblichen Tatsachen für den Arbeitslosen eine besondere Härte bedeutet, ist auf eine Beurteilung der Gesamtumstände des Einzelfalles abzustellen. Die Annahme einer besonderen Härte ist gerechtfertigt, wenn nach den Gesamtumständen der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer im Hinblick auf die für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (BSG SozR 3 – 4100 § 119 Nr. 14). Derartige Umstände liegen im Falle der Klägerin vor. Sie hat nach ihren glaubhaften Einlassungen um den Erhalt ihres Arbeitsplatzes gekämpft. Ferner hat sie sich sowohl was die Aussichten eines Arbeitsgerichtsprozesses im Falle einer Kündigung betrifft, als auch bezüglich eines möglichen Eintritts einer Sperrzeit im Falle eines Aufhebungsvertrages vielfach um Auskunft bemüht. Sie selbst war davon überzeugt, dass eine Kündigung rechtmäßig wäre und für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ein wichtiger Grund vorliege. Damit befand sie sich im Hinblick auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes in einem unverschuldeten Irrtum. Eine zwölfwöchige Sperrzeit wäre im Falle der Klägerin deshalb unverhältnismäßig.

Die Sperrzeit umfasst hingegen nicht lediglich drei Wochen; denn der Senat ist nicht davon überzeugt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet hat, ohne eine Sperrzeit geendet hätte (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass der Klägerin zunächst nicht gekündigt worden wäre. Der Senat hält sowohl die schriftlichen Angaben als auch die Aussagen der Zeuginnen R. und W. insoweit nicht für glaubhaft. Die T. hätte im Falle einer Kündigung damit rechnen müssen, in einem Arbeitsgerichtsverfahren zu unterliegen. Das Arbeitsverhältnis der mit der Klägerin vergleichbaren Arbeitnehmerin wurde erst Monate später nach dem 30. September 1998 beendet. Die den Arbeitsplatz der Klägerin betreffenden Umstrukturierungen erfolgten gleitend. Die Klägerin hätte nach Überzeugung des Senates daher zumindest zeitweise weiterbeschäftigt werden können. Hätte die Klägerin nicht zum 30. September 1998 einen Aufhebungsvertrag geschlossen, ist für den Senat kein überzeugender Grund vorgetragen worden, weshalb die Klägerin zu diesem Termin entlassen worden wäre. Die zuvor vorgetragene Begründung, wonach zu diesem Zeitpunkt der Arbeitsplatz weggefallen sei, ist zumindest nicht schlüssig, denn die Kollegin der Klägerin wurde – wie bereits oben dargelegt - noch weiterbeschäftigt. Das neugeschaffene Callcenter wurde nach Aussage der Zeugin R. erst 1999 eingeführt. Im Übrigen war der Termin vom 30. September 1998 offensichtlich durch die Bestimmungen des Sozialplanes und nicht durch betriebswirtschaftliche Gründe vorgegeben, zumal die Arbeitsverhältnisse aller betroffenen Mitarbeiter durch Aufhebungsverträge zum 30. September 1998 aufgelöst wurden.

Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld der Klägerin (§ 144 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III mindert sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Quote entspricht dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten im Verfahren.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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