L 1 U 404/02

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 10 U 708/01
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 404/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 22. März 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der Kläger ist 1968 geboren und war im Jahre 2000 als Assistenzarzt in der Chirurgischen Klinik des H.-Krankenhauses G. beschäftigt. Laut Unfallanzeige vom 18. Juli 2000 zog er sich am 1. Juli 2000 bei einem von den H.-Kliniken organisierten Fußballturnier in V. ein Rotationstrauma im linken Kniegelenk und ein Trauma des rechten Kniegelenkes zu.

Laut Durchgangsarztbericht von Dr. B. vom 19. Juli 2000 war der Kläger bei diesem betrieblich organisierten Fußballspiel mit dem Gegner zusammengestoßen und gestürzt. Diagnostiziert wurde eine vordere Kreuzbandteilruptur linkes Kniegelenk, ein Innenmeniskushinterhorneinriss linkes Kniegelenk und ein Kniebinnenschaden rechtes Kniegelenk.

Laut Ausschreibung der Konzernleitung wurde anlässlich der Veranstaltung in V. neben einem Fußballturnier ein Volleyballturnier, ein Stadtbummel und eine Schifffahrt auf dem Main angeboten. Organisiert waren auch ein Sommernachtsfest und eine Abschlussfeier.

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens holte die Beklagte weitere Auskünfte des H.-Krankenhauses G. zu Art und Umfang der betrieblichen Veranstaltung ein. Mitgeteilt wurde, dass 550 Personen im Krankenhaus G. beschäftigt seien. 25 Personen hätten sich an der Veranstaltung, die vom 30. Juni 2000 bis zum 2. Juli 2000 stattgefunden habe, beteiligt. Jeder Beschäftigte habe einen Umlauf erhalten, wo er seine Teilnahme hätte eintragen können. Es habe sich um ein Fußballspiel/Turnier aller 18 H.-Kliniken Deutschlands gehandelt. Diese Veranstaltung sei von der Hauptverwaltung veranlasst worden. Das Turnier habe zum zweiten Mal stattgefunden. Ob es künftig weiter durchgeführt werde, sei fraglich, weil es das letzte Mal mehrere Verletzte gegeben habe. Das Turnier solle der Verbundenheit der 18 Kliniken dienen.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Das Ereignis vom 1. Juli 2000 könne nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden. Die Teilnahme am Betriebssport stehe nur dann in innerem Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis und somit unter Versicherungsschutz, wenn die sportliche Betätigung der Betriebsangehörigen geeignet sei, die durch die Tätigkeit bedingte körperliche Belastung auszugleichen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfinde und in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Beschäftigung stehe. Dieser Zusammenhang werde in der Regel durch einen im Wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkten Teilnehmerkreis sowie durch die der Beschäftigung entsprechenden Zeit und Dauer der Übung begründet. Nach Angaben des Arbeitgebers werde kein regelmäßiger Sport ausgeübt. Eine gewisse Regelmäßigkeit, unabdingbare Voraussetzung zur Anerkennung eines Unfalls während einer sportlichen Betätigung als Arbeitsunfall, liege somit nicht vor. Des Weiteren könne die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung in innerem Zusammenhang zum Beschäftigungsverhältnis stehen und Versicherungsschutz begründen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung dann anzunehmen, wenn die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und der Belegschaft sowie der Betriebsangehörigen untereinander diene und grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offen stehe, von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihr als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werde. Nach den Ausführungen des Sicherheitsingenieurs der H.-Klinik G. sei das Fußballturnier in V. nicht dazu bestimmt gewesen, die Verbundenheit der Betriebsangehörigen untereinander zu pflegen. Von 550 Beschäftigten der G. Klinik hätten lediglich 25 Personen an der Veranstaltung teilgenommen. Hierbei handele es sich um eine nicht angemessene Teilnehmerzahl, die keine Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft zu begründen vermöge.

Den Widerspruch des Klägers, dass bei der Entscheidung darauf abzustellen sei, dass die H.-Gruppe als Dienstleistungskonzern bundesweit 19 Kliniken betreibe und allen Mitarbeitern die Teilnahme offen gestanden habe, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2001 zurück. Die im Widerspruchsverfahren durchgeführten Ermittlungen hätten ergeben, dass auch die für die gesamte H.-Gruppe zu fordernde Mindestbeteiligung nicht vorliege. Insgesamt seien 8200 Personen bei der H.-Gruppe beschäftigt. Davon hätten lediglich 350 bis 370 Personen an dem Fußballturnier teilgenommen. Auch unter Berücksichtigung des Dreischichtsystems stehe die Teilnehmerzahl damit in einem auffälligen Missverhältnis zur Gesamtzahl der Beschäftigten. Insoweit könne der eigentlich betriebsbezogene Umstand für eine solche Veranstaltung, die Pflege der Gemeinschaft der Mitarbeiter untereinander oder zur Geschäftsleitung, nicht in erforderlichem Umfang erfüllt sein.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 22. März 2002 verpflichtet, bei dem Kläger die am 1. Juli 2000 erlittenen Verletzungen beider Kniegelenke als Unfallfolgen anzuerkennen und ausgeführt, dass entscheidend für die Frage des Versicherungsschutzes die Handlungstendenz des Versicherten sei. Grundsätzlich müsse die zum Unfall führende Verrichtung subjektiv betriebsdienlich gewesen sein. Auf die subjektiven Vorstellungen könne allerdings dann nicht abgestellt werden, wenn die objektiven Verhältnisse die Absicht nicht hinreichend stützten. Der Kläger habe zum Zeitpunkt des Unfalls davon ausgehen können, dass er an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung teilnehme und die Beteiligung nicht so gering gewesen sei, dass die Förderung betrieblicher Interessen schon deshalb ausgeschlossen war. Der Kläger habe weder bei Antritt der Reise noch bei Ankunft am Veranstaltungsort erkennen können, welche Teilnahmequote die Veranstaltung erreiche. Eine tatsächliche Teilnehmerzahl von etwa 350 bis 370 Personen vermittle auch nicht den Eindruck einer sehr geringen Beteiligung. Im Übrigen sei für den Teilnehmer dieser Veranstaltung die tatsächliche Besucherzahl aus den einzelnen Klinikbereichen nicht zu übersehen gewesen. Laut Ausschreibung sei nicht nur ein Fußballturnier veranstaltet worden. Es habe nämlich zahlreiche weitere Angebote gegeben, die von den Beschäftigten wahrgenommen werden konnten. Es sei zusätzlich ein Volleyballturnier, eine Stadtrundfahrt oder eine Bootstour auf dem Main angeboten worden. Im Übrigen sei eine ein- oder mehrtägige Teilnahme möglich gewesen.

Mit der Berufungserhebung hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Bei insgesamt 8.292 Beschäftigten in 19 Kliniken und einer Teilnehmerzahl von 350 bis 370 Personen liege das Teilnahmeverhältnis auf Konzernebene bei 4,46 v. H. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in den Kliniken der Schichtbetrieb aufrecht erhalten werden müsse, werde die nach den durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen erforderliche Mindestanzahl von 20 v. H. der Beschäftigten bei weitem nicht erreicht. Selbst wenn man von einer für den Kläger sehr günstigen Quote von nur einem Drittel der Beschäftigten ausgehe, die die Veranstaltung hätten besuchen können, so ergebe sich bei der Teilnahme von 350 bis 370 Beschäftigten von 2762 (ein Drittel von 8292) nur eine Teilnahmequote von rund 13 v. H. Zu beachten sei bei dieser Quote aber auch, dass Personengruppen, die nicht in das Schichtsystem mit einbezogen seien, wie zum Beispiel Verwaltungs- und Therapiepersonal, nicht herausgerechnet worden seien, so dass es sich um eine großzügige Berechnung handele und in Wirklichkeit von einer noch geringeren Prozentzahl auszugehen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 22. März 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung und vertritt die Auffassung, dass eine Mindestquote nicht erreicht werden müsse.

Der Senat hat im Rahmen der Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes beim Arbeitgeber angefragt. Auf die Antwort Blatt 62 und 63 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts - und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht ist zu Recht von dem Vorliegen eines Arbeitsunfalls ausgegangen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Sie verletzten den Kläger in seinen Rechten und waren deshalb - wie erstinstanzlich geschehen - aufzuheben. Der Kläger stand bei Eintritt des Gesundheitsschadens unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Er nahm an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung teil.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 begründenden Tätigkeit.

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass die unfallbringende Handlung des Versicherten der versicherten Sphäre zuzurechnen ist. Dieser so genannte innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. BSGE 58, 76, 77; BSGE 61, 127, 128).

Die Tätigkeit, bei der sich der Kläger verletzt hat, steht - wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt - nicht unter dem Aspekt des Betriebssportes unter Versicherungsschutz. Zum versicherten Betriebssport gehört notwendig der Ausgleichscharakter der sportlichen Tätigkeit (im Gegensatz zum Wettkampf) und eine gewisse Regelmäßigkeit (vgl. beispielhaft BSGE 16, 1). Daran fehlt es bei der Ausrichtung des H. Cups. Gleichwohl bestand für dessen Teilnehmer Versicherungsschutz, weil es sich dabei in Anbetracht der konkreten Ausgestaltung des Treffens um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt hat.

In sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteil vom 7. Dezember 2004, Az.: B 2 U 47/03R) kann die Teilnahme von Beschäftigten an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit damit gleichgesetzt werden. Dazu ist erforderlich, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dient. Die Veranstaltung muss deshalb allen Beschäftigten des Unternehmens - bei Großbetrieben mindestens allen Beschäftigten einzelner Abteilungen oder anderer betrieblicher Einheiten - offen stehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung getragen werden (vgl. BSGE 1, 179, 182; BSGE 17, 280, 281).

Für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung dem genügt, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der (vgl. auch dazu Urteil BSG vom 7. Dezember 2004, Az.: B 2 U 47/03R) von Folgendem auszugehen ist: Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität der Unternehmensleitung getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht oder nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung oder für diese handelt. Die Unternehmensleitung muss dabei nicht selbst Veranstalter sein; es genügt, dass sie die Veranstaltung billigt und fördert. Die Billigung der Unternehmensleitung muss sich nicht nur auf die wegen der Durchführung einer Veranstaltung erforderlichen betrieblichen Änderungen (z. B. der Arbeitszeit, das Benutzen betrieblicher Räume) erstrecken, sondern die Durchführung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihr gewollt sein, zumal mögliche Unfälle bei solchen Veranstaltungen Auswirkungen auf die Beitragshöhe haben können. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen, die in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens erfolgen, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten verfügt, genügt es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert. Diese Voraussetzungen liegen hier zweifellos vor. Der H. Cup wurde auf Konzernebene von der Geschäftsleitung als Gemeinschaftsveranstaltung zentral für alle zugehörigen Kliniken initiiert und organisiert. Bei einem derartigen Vorgehen tritt deutlich zu Tage, dass eine solche Veranstaltung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gewollt ist (unter in Kaufnahme der darin liegenden Risikoerhöhung).

Um die für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen wesentliche "betriebliche Zielsetzung" - Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander - zu erreichen, muss die Veranstaltung grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens offen stehen, von besonderen Fallgestaltungen in Großbetrieben, Versorgungsunternehmen usw. abgesehen (vgl. auch BSG SozR 2200 § 548 Nr. 69). Es reicht nicht aus, dass allen Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme an einer für sie und nicht für alle Beschäftigten des Unternehmens oder Unternehmensteils ausgerichteten Veranstaltung offen steht (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 21). Auch dies ist vorliegend nicht streitig. Grundsätzlich stand nach Auskunft der Konzernleitung allen Mitarbeitern die Teilnahme an der Veranstaltung in V. frei. Natürlich ist die Teilnahme aller Mitarbeiter eines solchen Konzerns nur im Rahmen eines funktionierenden Betriebsablaufs für das betroffene Wochenende möglich. Dies ändert aber nichts daran, dass keine Personengruppe von vornherein ausgegrenzt war.

Eine Anwesenheit der Unternehmensleitung während der gesamten Veranstaltung ist nicht erforderlich. Die Veranstaltung ist von der Autorität der Unternehmensleitung auch zu einer Zeit getragen, in der sie nicht selbst anwesend ist. Grundsätzlich muss die Unternehmensleitung oder Teile von ihr aber an der Veranstaltung teilnehmen, damit die betriebliche Zielsetzung, Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten, erreicht werden kann. Zusammenkünfte, welche der Pflege der Verbundenheit nur der Beschäftigten eines Unternehmens untereinander dienen, reichen daher nicht aus, um die Teilnahme an ihnen einer betrieblichen Tätigkeit gleichzustellen (vgl. BSG SozR Nr. 25 und 66 zu § 542 RVO a. F.). Nach den Angaben der Konzernleitung dient der H. Cup gerade dem Zweck, den Kontakt der Mitarbeiter zu der Konzernleitung zu fördern, so dass es sich nicht nur um eine Veranstaltung für die Mitarbeiter handelt. Bei einem so großen Konzern wie der H. Gruppe ist eine solche Gemeinschaftsveranstaltung unter Umständen allein auf Grund der räumlichen Distanz, die einzige Möglichkeit, ungezwungenen Kontakt zur Geschäftsleitung herzustellen. Dies zeigt, wie wichtig bei solchen Betriebsgrößen derartige Veranstaltungen sind.

Zwar ist ein Teilnahmezwang naturgemäß nicht vorhanden, jedoch wird eine bestimmte Mindestbeteiligung zu fordern sein, um noch tatsächlich von einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung sprechen zu können. Das BSG hat eine Teilnahme von drei bis fünfzehn Personen, am Unfalltag drei Personen, von 150 Betriebsangehörigen als eindeutiges Missverhältnis bezeichnet (vgl. BSG SozR Nr. 25 zu § 542 RVO a. F.), bei einer Beteiligungsquote von 26,5 bzw. 40 v. H. hatte es keine Bedenken gegen eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung (vgl. BSGE 7, 249). Eine feste Mindestbeteiligungsquote ist keiner dieser Entscheidungen zu entnehmen. Eine feste Grenze ist angesichts der Verschiedenartigkeit der von der gesetzlichen Unfallversicherung umfassten Unternehmen auf Grund ihrer Größe und Struktur auch nicht festlegbar. Entscheidend sind immer die konkreten Verhältnisse im Einzelfall im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung.

Im Übrigen ist bei einem möglichen Missverhältnis zu beachten, dass der Versicherungsschutz für die einzelnen Teilnehmer einer Veranstaltung, zu der das Unternehmen als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung eingeladen hat und bei der die übrigen Voraussetzungen für eine solche erfüllt sind, an der aber zu wenig Beschäftigte teilnehmen, dass der Gemeinschaftscharakter fraglich wird, auf Vertrauensschutz beruhen kann, zumal die geringe Anzahl der Teilnehmer ggf. erst bei Beginn der Veranstaltung festgestellt wird (Brackmann/Krasney, § 8 RdNr. 121).

Unter Versicherungsschutz stehen bei einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung alle Verrichtungen, die mit dem Zweck der Veranstaltung vereinbar sind. Dies werden oft Verrichtungen sein, die sonst mit der betrieblichen Tätigkeit nicht im unmittelbaren, inneren Zusammenhang stehen, z. B. Tanzen beim Betriebsfest, Spazieren gehen und Baden beim Betriebsausflug.

Form und Ort der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung sind nicht eng begrenzt, wie Weihnachtsfeiern, Jubiläen und Betriebsausflüge zeigen. Ebenso ist der Zeitpunkt der Gemeinschaftsveranstaltung für den Versicherungsschutz unerheblich, sie kann deshalb auch an einem Sonntag stattfinden (vgl. BSGE 7, 249, 253) oder wie hier an einem Wochenende.

Unter Versicherungsschutz stehen die Teilnehmer an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nur bei den Tätigkeiten, die mit dem Gesamtzweck der Veranstaltung, der sich auch auf die körperliche Entspannung und Erholung erstreckt, vereinbar bzw. vorgesehen oder üblich sind. Sportliche Betätigungen mit spielerischem Charakter sind unter diesen Voraussetzungen versichert, wenn sie der Förderung des Gemeinsinns oder des Zusammengehörigkeitsgefühls aller Beschäftigten und nicht allein dem persönlichen Interesse des Betroffenen dienen. Dabei spielt es wiederum keine Rolle, ob der oder die Teilnehmer die besondere Aktivität allein bzw. unter sich entfalten oder ob sie ihre besonderen Fähigkeiten etwa einzelnen, einigen oder gar allen anderen Teilnehmern der Gemeinschaftsveranstaltung vorführen oder vorführen wollen. Allein wenn eine derartige Vorführung zur Unterhaltung oder Belustigung aller übrigen Teilnehmer als Teil der Gemeinschaftsveranstaltung vorgesehen oder üblich war, kann sie als der Gemeinschaftspflege dienend in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehend beurteilt werden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 40).

Es muss sich jedoch insgesamt um eine Veranstaltung handeln, welche nach ihrer Programmgestaltung an sich geeignet ist, zur Förderung des Gemeinschaftsgedankens im Unternehmen beizutragen, indem sie die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Interessentenkreis der Beschäftigten anspricht. Auch eine Werbewirkung des Unternehmens, die im Zusammenhang mit einer im Interesse der Beschäftigten durchgeführten sportlichen Veranstaltung in Erscheinung tritt, wäre hierbei nicht außer Betracht zu lassen (vgl. BSG vom 28. August 1968 - 2 RU 68/68 -, BG 1969, 276, 277). Die Teilnahme an Freizeit- und Erholungsveranstaltungen hingegen ist nicht deshalb versichert, weil diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden. Ein Tagesprogramm - wie hier - mit Sportveranstaltungen (Fußball und Volleyball) sowie einem Stadtbummel und einer Bootstour auf dem Main bietet für jeden Teilnehmer etwas, und dient dem Zusammenhalt durch gemeinschaftliches Erleben (ähnlich einem Betriebausflug). Förderlich sind insoweit auch das Sommernachtsfest und die Abschlussfeier. All dies sind klassische Möglichkeiten, Kontakte zwischen den Mitarbeitern untereinander und zur Geschäftsleitung herzustellen und zu fördern. Es handelt sich dabei gerade nicht um eine rein sportliche Gemeinschaftsveranstaltung, die nicht versichert wäre (vgl. BSG Urteil vom 7. Dezember 2004, Az.: B 2 U 47/03R).

Unter Berücksichtigung dessen liegen alle sonstigen Voraussetzungen für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung vor. Das wird letztlich von der Beklagten auch nicht bestritten. Die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung scheitert auch nicht an der von der Beklagten monierten zu geringen Beteiligungsquote. Ein offensichtliches Missverhältnis liegt im konkreten Fall nicht vor. Bei ca. 8.300 Mitarbeitern zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls (auf Konzernebene) bedeutet dies, dass überhaupt nur etwa der Hälfte des Personenkreises aus dienstlichen Gründen eine Teilnahme offen steht (4.150 Personen). Wegen Krankheit oder familiären Verpflichtungen ist davon wiederum ein Teil an der Teilnahme gehindert. Ein weiterer Personenkreis nimmt erfahrungsgemäß aus grundsätzlichen Erwägungen heraus niemals an solchen Gemeinschaftsveranstaltungen teil. Unter Berücksichtigung dessen bedeutet eine Teilnahme von 361 Personen eine Beteiligungsquote von etwa 10 v.H. Eine solche ist im konkreten Fall durchaus geeignet, den Kontakt zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern zu fördern, zumal der H. Cup erst zum zweiten Mal durchgeführt wurde und eine solche Veranstaltung (mit Anfahrt und Übernachtung) sich auch erst einmal etablieren muss, um von der Belegschaft in noch größerem Maße angenommen zu werden. Das dies hier zutrifft, zeigt sich am Beispiel der H. Klinik G., wo sich die Teilnehmerquote im Vergleich zum Vorjahr von Null Teilnehmern auf 25 Teilnehmer gesteigert hatte.

Zudem ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass eine Beteiligung von 20 v.H., wie sie die Beklagte fordert, bei einem Konzern dieser Größe an die Grenzen des organisatorisch Machbaren und auch des zielorientiert Wünschenswerten stößt (wobei es bereits keine feststehende Grenze gibt). Die Veranstaltung würde zu groß und zu unübersichtlich. Der Kontakt mit der Konzernleitung würde nicht erleichtert, sondern erschwert. Dem Problem versucht man seitens des Konzerns jedoch dadurch gerecht zu werden, dass die Veranstaltung jedes Jahr durchgeführt wird, so dass jeder Mitarbeiter irgendwann einmal daran teilnehmen kann. Wenn in solchen Fällen jedoch kein Versicherungsschutz existieren würde, so hätte dies erfahrungsgemäß Auswirkungen auf die Anzahl der Teilnehmer (wiederum sinkende Teilnehmerzahlen), was von Seiten der Gesellschaft bestimmt nicht gewünscht ist. Letztlich wäre es dem Unternehmen aber schon allein auf Grund seiner Größe verwehrt, eine (versicherte) betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung in der gewählten Form durchzuführen. Dies ist mit der Rechtsprechung des BSG nicht vereinbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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