L 1 U 625/02

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 18 U 767/01
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 625/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 23. Mai 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin bei einem Verkehrsunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand und aus diesem Grunde Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.

Die 1953 geborene Klägerin ist als Sozialversicherungsfachangestellte bei der Beigeladenen in G. beschäftigt. Ihr erster Wohnsitz befindet sich in der W. Straße in G. Ein Nebenwohnsitz besteht für die Wohnung B. in N.

Am 13. Oktober 2000 erlitt die Klägerin auf dem Weg zwischen G. und N. auf der A 4 im Raum A. in Richtung G. fahrend einen Auffahrunfall. Laut Durchgangsarztbericht von Dr. S. wurde ein HWS-Schleudertrauma diagnostiziert.

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gab die Klägerin an, mit ihrem Mazda, amtliches Kennzeichen, auf dem Weg zu ihrem Zweitwohnsitz in N. gewesen zu sein. Sie sei von ihrer Arbeitsstelle bei der Beigeladenen in der B. Straße in G. gekommen. Die geplante Wegstrecke sei von G. über E. und G. in Richtung L., K., M. mit dem Ziel N. gewesen (Erklärung vom 6. November 2000).

Unter dem 12. Dezember 2000 führte sie auf Nachfrage der Beklagten zu ihren konkreten Lebensumständen aus, dass sie abwechselnd ein Wochenende in N. verbringe und ihr Lebenspartner das andere Wochenende nach G. komme und dies seit neun Jahren. Sie hätten sich in beiden Wohnungen häuslich eingerichtet (dies schließe alle persönlichen und unpersönlichen Gegenstände ein). Alle Unkosten würden gemeinsam getragen. Sie hätten sowohl in G. als auch in N. gemeinsame Bekannte und Verwandte und nähmen in beiden Orten am gesellschaftlichen Leben teil.

Mit Bescheid vom 2. Januar 2001 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 13. Oktober 2000 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass für den Weg von G. nach N. kein Versicherungsschutz bestanden habe. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten nicht erbracht werden, weil ein Arbeitsunfall nicht stattgefunden habe. Das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung sei nur dann versichert, wenn der Arbeitnehmer wegen der Entfernung der Familienwohnung vom Arbeitsort eine Unterkunft am Ort seiner Tätigkeit habe. Voraussetzung hierfür sei, dass es sich bei der Wohnung am Arbeitsort tatsächlich nur um eine Unterkunft handele und dass der Lebensmittelpunkt der Lebensverhältnisse am Ort der ständigen Familienwohnung anzusiedeln sei. Da die Klägerin mitgeteilt habe, in beiden Orten (N. und G.) häuslich eingerichtet zu sein, lasse sich ein eindeutiger Mittelpunkt der Lebensverhältnisse nicht feststellen. Daher habe die Wohnung in G. auch nicht lediglich Unterkunftscharakter. Die Wohnung in N. könne folglich auch nicht als ständige Familienwohnung angesehen werden.

Den Widerspruch der Klägerin wegen des Vorliegens eines erweiterten häuslichen Bereichs wies die Beklagte aus den Gründen des Ausgangsbescheides mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2001 zurück.

Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht Altenburg nach Beiladung der Arbeitgeberin (als zuständigem Krankenversicherungträger) mit Urteil vom 23. Mai 2002 die Beklagte verurteilt, den Unfall vom 13. Oktober 2000 (A 5 A., Fahrtrichtung K. - richtig müsste es G. heißen -) als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) anzuerkennen und über die gesetzlich zustehenden Leistungen nach Eintritt des Versicherungsfalles zu entscheiden. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Nach Sinn und Zweck der Bestimmung komme als Ziel beim Rückweg von der Arbeit jeder Punkt in Betracht, dessen Wahl rechtlich wesentlich bedingt sei durch die Absicht, den Ort der Tätigkeit nach dem Arbeitsende zu verlassen. Dieser rechtlich wesentliche Zusammenhang zwischen der Wahl des Ausgangspunktes für den Hinweg und des Zieles bei Rückkehr von der Arbeit sei hinsichtlich der Wohnung des Versicherten als gewissermaßen natürlichem Bezugspunkt stets gegeben, sofern - wie hier - ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Zurücklegung des Weges und der Arbeitstätigkeit bzw. dem Ende der Arbeitstätigkeit gegeben sei. Es handele sich dabei um den so genannten erweiterten häuslichen Bereich.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung durch das Sozialgericht. Versicherungsschutz habe nicht bestanden. Es handele sich weder um die Fahrt zur Familienwohnung noch zu einem Teilbereich des häuslichen Wirkungskreises. N. gehöre auch nicht zu dem erweiterten häuslichen Bereich. Es habe auch kein versicherungsrechtlich geschützter Weg zu einem dritten Ort vorgelegen. Da Versicherungsschutz nicht bestanden habe, komme auch keine Leistungsgewährung in Betracht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 23. Mai 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen

Die Klägerin und die Beigeladene halten die Ausführungen des Sozialgerichts zum Vorliegen des Versicherungsschutzes für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2004 entscheiden, weil sie in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (vgl. §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG ). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts war aufzuheben. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat am 13. Oktober 2000 keinen Arbeitsunfall erlitten, als sie auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte in G. nach N. infolge eines Verkehrsunfalls auf der A 4 bei Alsfeld ein Schleudertrauma erlitt. Sie stand auf diesem Weg nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Zur Beurteilung der Rechtslage sind die Vorschriften des SGB VII anzuwenden. Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (Versichertentätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit und nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben. Insofern diese Vorschriften inhaltlich im Wesentlichen mit der früher geltenden Regelungen des § 548 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 550 Abs. 1 und 3 RVO übereinstimmen, kann die hierzu ergangene Rechtsprechung auch für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeits- und Wegeunfällen nach dem Inkrafttreten des SGB VII zum 1. Januar 1997 herangezogen werden (vgl. beispielhaft BSG in SozR 3-2700 § 8 Nr. 1 und 3).

Bei dem Unfall, den die Klägerin am 13. Oktober 2000 erlitten hat, stand sie weder nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII noch nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht ist der Endpunkt des unfallbringenden Weges nicht die ständige Familienwohnung der Klägerin mit der Folge, dass ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII ausscheidet. Ständige Familienwohnung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 550 Abs. 3 RVO, die entsprechend herangezogen werden kann, eine Wohnung, die für "nicht unerhebliche Zeit" den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet. Die Beurteilung, ob die hiernach erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, richtet sich nach der tatsächlichen Gestaltung der Lebensverhältnisse des Versicherten zur Unfallzeit, die insbesondere durch die soziologischen und psychologischen Gegebenheiten ihren Ausdruck findet (vgl. BSG in SozR 3-2200 § 550 Nr. 13). Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse ist dabei nicht anhand des Familienstandes im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches festzustellen; auch unverheiratete Personen können eine Familienwohnung haben (vgl. BSGE 17, 270, 272).

Wie bereits die Klägerin vorgetragen hat, ist ihr Lebensmittelpunkt nicht in N. und es existiert auch nicht nur eine bloße Unterkunft in G. Nach ihren eigenen Ausführungen, an denen sich der Senat bei der Rechtsfindung orientieren muss, könnte man - wenn dies denn möglich wäre - von zwei Lebensmittelpunkten ausgehen. Die Klägerin nimmt sowohl in G. als auch in N. am gesellschaftlichen Leben teil. Sowohl hier wie dort existiert ein gemeinsamer Freundeskreis. Ein Wochenende verlebt sie gemeinsam mit ihrem Lebenspartner in G., das nächste in N. Beide Wohnungen sind gleichwertig, die Kosten werden geteilt.

Zwei Lebensmittelpunkte kann es begrifflich aber nicht geben. Der Schwerpunkt der persönlichen Beziehungen konzentriert sich auf einen Ort, wobei die Schwierigkeit darin bestehen kann, bei Inbetrachtkommen mehrerer Orte den richtigen zu wählen. Die das Leben der Klägerin bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse belegen, dass es einen solchen Schwerpunkt gibt. Letztlich spielt sich ihr Leben hauptsächlich in G. ab. Lediglich an zwei Wochenenden im Monat verbringt sie ihre Zeit gemeinsam mit ihrem Lebenspartner in N. Das jeweils andere Wochende verlebt sie - was wiederum einen Lebensmittelpunkt in G. untermauert - gemeinsam mit ihrem Lebenspratner an ihrem Hauptwohnsitz, wo sie sich ansonsten auch die Woche über in einer voll ausgestatteten Wohnung aufhält.

Es handelt sich dabei nicht um einen geteilten Lebensmittelpunkt mit der Folge, dass sich beide Teile zu einer Einheit ergänzen und der eine ohne den anderen nicht bestehen könnte. Nach den Ausführungen der Klägerin sind beide Wohnungen voll ausgestattet und einander ebenbürtig, so dass sie dem Aufenthalt zweier Personen über einen längeren Zeitraum nicht nur behelfsmäßig gerecht zu werden in der Lage sind.

Man könnte einen wöchentlich wechselnden Lebensmittelpunkt in Betracht ziehen (nämlich immer dort, wo sich beide Lebenspartner gerade gemeinsam aufhalten), was jedoch nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führt, weil man den Lebenmittelpunkt zwar verlagern, aber nicht unabhängig von den übrigen äußeren Umständen und tatsächlichen Gegebenheiten definieren kann.

Der Senat kann auch nicht die jeweils andere Wohnung nur als Unterkunft bewerten, abhängig davon, wer von den beiden Lebenspartnern jeweils das Risiko einer unfallbringenden Fahrt auf sich nimmt. Wenn man hier mit einem (wechselnden) Lebensmittelpunkt argumentieren wollte, so wäre gerade immer der Lebenspartner versichert, der sich nach der Arbeit auf die möglicherweise unfallbringende Fahrt zum Wohn- oder Aufentahltsort des jeweils anderen begibt. Dies würde zu einem aus Sicht des Versicherten wünschenswertem Ergebnis führen, wird jedoch vom Gesetz in dieser Form nicht vorgesehen, insbesondere nicht von § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII und würde zudem den Risikobereich des Arbeitgebers unzulässig ausweiten.

Ohne Belang ist, dass dann, wenn die Klägerin vorgetragen hätte, N. als ihren Lebensmittelpunkt anzusehen und ihrer Wohnung in G. lediglich Unterkunftscharakter beizumessen, die unfallbringende Fahrt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden haben könnte. Der Senat kann die Angaben der Klägerin nicht außer Acht lassen. Richtig ist, dass eine Fallkonstellation wie diese wohl die Ausnahme ist. Richtig ist auch, dass durch die steigende Flexibilität im Arbeitsleben auch die Anforderungen an den Gesetzgeber steigen, der Lebenswirklichkeit gerecht zu werden. Gleichwohl muss der konkrete Sachverhalt auch unter Berücksichtigung sich wandelnder Lebensmodelle an den - bestehenden -gesetzlichen Vorschriften gemessen werden. Wenn diese nicht mehr passen sollten, so wäre - einzig und allein - der Gesetzgeber gefordert.

Die Klägerin stand auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter Versicherungsschutz. Danach ist - wie nach der Vorgängervorschrift des § 550 Abs. 1 RVO - der Versicherungsschutz für die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt. Die Vorschrift verlangt nur, dass die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt des Weges ist - nach wie vor - gesetzlich nicht festgelegt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 39). Allerdings hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist es auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII darüber hinaus erforderlich, dass der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen (rechtlich) zusammenhängt, das heißt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. Dies wäre hier der Fall, weil die Klägerin den Weg angetreten hat, um nach der Arbeit zu ihrem Lebensgefährten zu gelangen. Aber allein wegen des Umstandes, dass Zielpunkt der Fahrt von der Arbeitsstätte ein "dritter Ort" war, kann die Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht als versichert angesehen werden. Wenn nicht der häusliche Bereich, sondern ein dritter Ort den Ausgangspunkt bzw. den Endpunkt des nach oder von dem Ort der Tätigkeit angetretenen Weges bildet, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des Versicherten, von der Arbeit zurückzukehren, rechtlich geprägt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nicht von oder nach der Wohnung angetretener Weg nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen muss. Die Beurteilung dieser Angemessenheit ist nach der Verkehrsanschauung vorzunehmen (vgl. BSG in SozR 3-2700 § 8 Nr. 6). Im Rahmen der Bewertung der Prägung des unfallbringenden Weges berücksichtigt die neuere Rechtsprechung des BSG anders als die frühere, die stärker auf die unterschiedlichen Entfernungen an sich zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einerseits und drittem Ort und Arbeitsstätte andererseits abgestellte, zwar weiterhin die genannten Entfernungen, misst ihnen aber ausdrücklich nicht die allein entscheidende Bedeutung zu und verlangt, dass die Umstände des jeweiligen Einzelfalles stärker zu berücksichtigen sind (vgl. BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 6). Dabei kommt insbesondere der Frage eine besondere Bedeutung zu, ob am dritten Ort Verrichtungen des täglichen Lebens erledigt wurden oder werden sollen, die keinerlei Bezug zur versicherten Tätigkeit an sich haben, oder ob es sich um Verrichtungen handelt, die zumindest mittelbar auch dem Betrieb zugute kommen sollen, wie z. B. dringende Arztbesuche zur Erhaltung der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Diese betriebsbezogenen Umstände beeinflussen zwar nicht die Beurteilung der Angemessenheit des Weges vom dritten Ort, können ihn jedoch im Sinne einer Betriebsähnlichkeit prägen. Allerdings kann hier nicht jeder Zweck des Aufenthaltes am dritten Ort, der in irgendeiner mittelbaren Weise auch dem Betrieb bzw. der Ausbildung zugute kommen kann, ausreichen, sondern die betreffende Verrichtung muss sich zumindesten unmittelbar auf die körperlich und/oder geistige Leistungsfähigkeit, die für die versicherte Tätigkeit benötigt wird, in positiver Weise auswirken und so mittelbar dem Betrieb nutzen. Dabei müssen im Interesse einer hinreichend klaren Grenzziehung und zur Vermeidung einer mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr zu vereinbarenden Ausweitung des Wegeunfallversicherungsschutzes von vornherein in einer generalisierenden Betrachtung solche Verrichtungen am dritten Ort ausscheiden, die nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht primär zur Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der für die versicherte Tätigkeit benötigten körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit, sondern lediglich der geistigen Anregung, der Entspannung oder etwa der Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen sollen, mögen diese auch mittelbar das körperliche bzw. geistige Wohlbefinden heben und so auch die Leistungsfähigkeit verbessern. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt kann der innere Zusammenhang im Unfallzeitpunkt nicht angenommen werden. Die Entfernungen stehen schon nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Beim Vergleich der Entfernungen im dargelegten Sinne ist einerseits eine Differenz von mehr als 400 Kilometer zu berücksichtigen. Während es sich bei der Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte nur um einige Kilometer handelt, beträgt die Entfernung zwischen G. und N. ein Vielfaches. Dies ist eine gravierende Abweichung. Zudem ist der Aufenthalt der Klägerin am dritten Ort nicht hinreichend betriebsbezogen, sondern überwiegend eigenwirtschaftlich geprägt. Sie dient in erster Linie der Aufrechterhaltung ihrer Lebenspartnerschaft.

Die Wohnung in N. gehört - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - auch nicht zum erweiterten häuslichen Bereich. Welche Voraussetzungen an einen erweiterten hauslichen Bereich überhaupt zu stellen und welche Entfernungen hier überhaupt noch akzeptabel sind, kann der Senat offen halten. Die Entfernung zwischen G. und N. von mehr als 400 Kilometr ist zu groß, um überhaupt einen erweiterten häuslichen Bereich in Betracht ziehen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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