S 11 AS 25/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 25/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T gewährt. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Erstausstattung der Wohnung Cstraße 00 in 00000 I einen Betrag von 355,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 3/5.

Gründe:

Dem Antragsteller war für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu gewähren, da die Rechtsverfolgung – wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt – hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a Sozialgerichtsgesetz – SGG – in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung – ZPO – hat.

Der Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen war er abzulehnen.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem der Antragsteller eigene Rechte – insbesondere Leistungsansprüche – ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Antrag zulässig. Insbesondere liegt ein Rechtschutzbedürfnis vor. Zwar fehlt das Rechtschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG in aller Regel, wenn der Antragsteller nicht vorher bei der zuständigen Behörde oder Widerspruchsbehörde sein Anliegen vorgetragen bzw. entsprechende Leistungen konkret beantragt hat (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2003 § 123 Rdnr. 22 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte; Krodel, das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Auflage 2005, Rdnr. 29; Berlit, info also, 2005, 3 (4). Die Antragsgegnerin hat zutreffend daraufhin hingewiesen, dass der Antragsteller im Rahmen seiner Veränderungsmitteilung vom 22.02.2005 noch keinen Antrag auf Gewährung von Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB II –), sondern vielmehr mitgeteilt hat, dass er noch klären wollte, welche Dinge er aus der ehelichen Wohnung mitnehmen könne. Angesichts dessen konnte der angefochtene Bescheid zu der hier einschlägigen Streitfrage keine Regelung treffen. Allerdings hat der Antragsteller durch seinen am 15.03.2005 erhobenen Widerspruch erstmals ausdrücklich und für die Antragsgegnerin erkennbar Leistungen zur Erstausstattung seiner neuen Wohnung beantragt und die Antragsgegnerin hat den Widerspruch auch in diesem Sinne ausgelegt, wie sich aus dem Schreiben vom 01.04.2005 ergibt. Vor Erhebung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes am 24.03.2005 ist die Antragsgegnerin folglich mit dem Leistungsbegehren befasst worden. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem internen Vermerk vom 22.03.2005.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin handelt es sich vorliegend nicht nur um die Anmietung einer anderen – angemessenen – Wohnung, auch wenn der Antragsteller vor Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft bereits Mieter einer Wohnung war. Abzustellen ist nämlich vielmehr darauf, dass er durch seinen Umzug in die Cstraße 00 einen Haushalt neu gegründet und nicht nur eine Verlagerung eines – bereits bestehenden - Haushaltes vorgenommen hat. Hierfür hatte er auch sachliche Gründe, wie die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft zeigt. Es handelt sich hier somit um einen neu entstandenen Bedarf, der aufgrund außergewöhnlicher Umstände – der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft wegen des Scheitern der Ehe – entstanden ist (vgl. hierzu Hofmann in Münder, LPK-SGB II, § 23 Rdnr. 22/23).

§ 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II betrifft nicht nur Einrichtungsgegenstände wie Küchenherde, Kühlschränke, Schränke, Betten etc., sondern darüber hinaus auch die Ausstattung mit erforderlichen Fußbodenbelägen, Beleuchtungseinrichtungen, Tapeten usw. (Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, § 23, Rdnr. 21; Sauer in Jahn, SGB II, Rdnr. 25). Vor diesem Hintergrund werden nicht nur die von dem Antragsteller begehrten Einrichtungsgegenstände (Herd, Spüle, Kühlschrank, Schränke, Esstisch, Stühle, Lampen, Bett einschließlich Matratze und Lattenrost, Sofa und Kleiderhaken) von der Leistung nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II umfasst, sondern auch Teppichböden, Rauhfasertapeten und Farbe. Der Höhe nach stellen sich die geltend gemachten Kosten als durchaus angemessen dar, zumal der Antragsteller auf das günstigste Angebot verwiesen und im Übrigen dargelegt hat, dass er sich die Möbel vom Möbelhof besorgen wolle.

Die Kammer teilt die Auffassung der Antragsgegnerin, dass sich Hilfebedürftige, die getrennt leben, vor Geltendmachung eines Anspruchs auf Erstausstattung einer Wohnung zunächst um eine Teilung des Hausrates zu bemühen haben (diese Obliegenheit folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und in diesem Rahmen nötigenfalls gerichtlichen Rechtschutz in Anspruch nehmen müssen (Berlit in LPK-SGB II, § 2, Rn. 17). In der vorliegenden Sachverhaltskonstellation ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Ehefrau des Antragsstellers pflegebedürftig ist und Leistungen nach der Pflegestufe III (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches – SGB XI –) bezieht. Zur Überzeugung der Kammer ist es in diesem Fall nachvollziehbar, dass der Antragsteller vor Inanspruchnahme der Antragsgegnerin davon abgesehen hat, einen hier nur möglicherweise bestehenden Anspruch auf Hausratteilung gerichtlich geltend zu machen. Im Übrigen erscheint es bei summarischer Prüfung zumindest als zweifelhaft, ob notwendige Einrichtungsgegenstände aus der ehelichen Wohnung bei Ausübung billigen Ermessens unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (§ 2 der Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats – HausratsVO –)tatsächlich dem Antragsteller zugesprochen werden könnten. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass auch Gegenstände, die im Alleineigentum des Antragstellers stehen, seiner Ehefrau zugesprochen werden könnten (vgl. § 9 Abs. 1 HausratsVO), wobei zweifelhaft bleibt, ob in einem solchen Fall der an sich bestehende Anspruch auf Ausgleichzahlung (§ 9 Abs. 2 HausratsVO) tatsächlich durchsetzbar wäre.

Im Hinblick auf die Kosten für den Wohnzimmerschrank (30,00 EUR), zwei Stühle (10,00 EUR), Teppichböden (48,00 EUR), Tapete (100,00 EUR), Kleister (16,00 EUR) und Farbe (16,00 EUR) hat der Antragsteller jedoch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Was diese Positionen betrifft, hat die Kammer eine Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, die eine sofortige (positive) Entscheidung unumgänglich macht, nicht erkennen können. Soweit nämlich der Antragsteller Renovierungskosten in Höhe von 180,00 EUR für die Anschaffung eines Fußbodenbelags (24 qm) und für die Tapezierung bzw. den Anstrich der Wohnung begehrt, ist die Vorwegnahme des Hauptsacheergebnisses nicht gerechtfertigt, da die Verweisung auf die Hauptsache nicht mit unzumutbaren Nachteilen verbunden ist. Durch die Nichtgewährung von Renovierungskosten im einstweiligen Anordnungsverfahren ist der Umzug des Antragstellers bzw. der Verbleib in der angemieteten Wohnung nicht gefährdet. Denn Renovierungsmaßnahmen können regelmäßig auch noch nach dem Bezug einer Wohnung vorgenommen werden, ohne dass dies zu schweren und unzumutbaren Nachteilen für die Bewohner führt (vgl. Verwaltungsgericht – VG – Gelsenkirchen, Beschluss vom 05.07.2001 – Az.: 15 L 1174/01). Der Antragsteller hat zwar vorgetragen, dass sich die Wohnung in einem komplett unrenovierten Zustand befindet und das der Boden aus alten, verdreckten und teilweisen defekten Holzdielen bestehe. Daraus ergibt sich allerdings nicht die vollständige Unbewohnbarkeit der Wohnung; insbesondere Verschmutzungen können durch eine grobe Reinigung beseitigt werden.

Auch im Hinblick auf den begehrten Wohnzimmerschrank und zwei der vier geltend gemachten Stühle sieht die Kammer nicht die Notwendigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller einen Kleiderschrank aus der ehelichen Wohnung mitnehmen konnte, so dass seine Kleidung dort problemlos untergebracht werden kann. Zwei weitere Stühle sind – jedenfalls nicht im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – erforderlich, zumal der Antragsteller ein Sofa zugesprochen erhält und vor diesem Hintergrund ausreichend Sitzgelegenheit bestehen dürfte. Die weiterhin geltend gemachten und nachfolgend aufgelisteten Einrichtungsgegenstände stellen sich jedoch nach Ansicht der Kammer als erforderlich dar, um die Wohnung für den Antragsteller einigermaßen bewohnbar zu machen, so dass insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtschutzgarantie des Artikel 19 Grundgesetz – GG – die Vorwegnahme der Hauptsache geboten ist.

Nach alledem waren dem Antragsteller folgende Leistungen zu gewähren:

Herd: 30,00 EUR
Spüle: 30,00 EUR
Kühlschrank: 30,00 EUR
Schrank: 50,00 EUR
Esstisch: 20,00 EUR
Zwei Stühle: 10,00 EUR
Vier Lampen: 40,00 EUR
Bett (einschließlich Matratze und Lattenrost): 100,00 EUR
Sofa: 40,00 EUR
Kleiderhaken: 5,00 EUR
Gesamt: 355,00 EUR

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das gegenseitige Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.
Rechtskraft
Aus
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