L 6 RA 1001/04

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 2 RA 241/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 RA 1001/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der VEB Werkzeugmaschinenfabrik Zeulenroda wurde am 22. Juni 1990 aus dem Register der Volkseigenen Wirtschaft gelöscht. Ein Kläger der am 30. Juni 1990 bei dem Nachfolgebetrieb (Werkzeugmaschinen GmbH Zeulenroda) beschäftigt war, erfüllt nicht die betriebliche Voraussetzung nach § 1 ZAVO-techInt i.V.m. § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. September 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG die Beschäftigungszeiten vom 1. September 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.

Der 1943 geborene Kläger schloss sein Fernstudium in der Fachrichtung Technologie des Maschinenbaus an der Ingenieurschule für Maschinenbau L. am 14. September 1971 als Ingenieur ab. Bereits seit 1969 bis Januar 1972 war er im VEB Chemieanlagenbau- und Montagekombinat L., Betrieb Industriemontagen M., zunächst als Schlosser und ab dem 15. Dezember 1971 als Operativtechnologe tätig. Vom 1. Februar 1972 bis zum 26. April 1974 arbeitete er als Betriebsmitteltechnologe und Gruppenleiter für Fertigungskontrolle im VEB Spinnereimaschinenbau K. Vom 1. Mai 1974 bis zum 30. Mai 1975 war er Mitarbeiter der Gruppe für wissenschaftliche Arbeitsorganisation bei dem VEB Werkzeugmaschinenfabrik Union K. Vom 1. Juni 1975 bis zum einen 30. Dezember 1980 arbeitete er als Technologe im VEB Montagewerk L., Betrieb des VEB Kombinats Kraftwerksanlagenbau, Außenstelle K. Seit dem 14. Januar 1981, mit Ausnahme der Zeit vom 1. Februar 1982 bis zum 31. März 1982, war der Kläger als Objektingenieur im VEB Werkzeugmaschinenfabrik Z. tätig. Laut Register der volkseigenen Wirtschaften des Bezirkes G. beendete dieser Betrieb am 21. Juni 1990 seine Rechtsfähigkeit und wurde gemäß § 7 der Umwandlungsverordnung vom 1. März 1990 (GBl. I Nr. 14) am 22. Juni 1990 von Amts wegen gelöscht. Als Rechtsnachfolger wurde die Werkzeugmaschinen GmbH Z. eingetragen. Der Kläger war bis zum 30. Juni 1990 und darüber hinaus dort beschäftigt.

Eine Versorgungszusage erhielt er vor Schließung der Versorgungssysteme nicht. Vom 1. Dezember 1988 bis zum 30. Juni 1990 zahlte er Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).

Im Januar 2001 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften bei der Beklagten.

Mit Bescheid vom 27. August 2003 lehnte diese die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem ab. Der VEB Werkzeugmaschinenfabrik Z. sei bereits vor dem 30. Juni 1990 privatisiert worden. Er sei damit nicht mehr im Geltungsbereich der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz tätig gewesen. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2004).

Im Klageverfahren hat der Kläger ausgeführt, ein Abstellen auf den Stichtag des 30. Juni 1990 lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Mit Urteil vom 14. September 2004 hat das Sozialgericht Altenburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht mehr in einem volkseigenen Produktionsbetrieb, sondern bei der Werkzeugmaschinenbau GmbH Z. beschäftigt gewesen. Die VEB Werkzeugmaschinenfabrik Z. sei mit der Eintragung der GmbH am 22. Juni 1990 nach § 7 der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (GBl. I Seite 107, im Folgenden: UmwandlungsVO) erloschen. Da es für die Feststellung eines fiktiven Anspruchs auf die Erteilung einer Versorgungszusage nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf die Sachlage am 30. Juni 1990 ankomme, könne die Umwandlung nicht außer Betracht gelassen werden. Bei der Werkzeugmaschinenfabrik GmbH Z. habe sich auch nicht um einen gleich gestellten Betrieb gehandelt.

Mit seiner Berufung vertritt der Kläger die Ansicht, die eigentliche Privatisierung sei mit Kaufvertrag vom 9. Dezember 1993 zwischen der ehemaligen Treuhand und der Firma "D. W. W." in Kraft getreten. Im Übrigen sei der nach der UmwandlungsVO "umgewandelte" Betrieb Rechtsnachfolger des VEB Werkzeugmaschinenfabrik Z. Die Beschäftigungszeit bei den anderen Betrieben in den Jahren 1971 bis 1981 sei bei der Beurteilung nicht berücksichtigt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. September 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen die Beschäftigungszeit vom 1. September 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 (zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) nach Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) und die in dieser Zeit erzielten Entgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie darauf, dass der Kläger am 30. Juni 1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb noch in einem gleich gestellten Betrieb beschäftigt war und daher die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz nicht gegeben sind.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, weil dieser mit der Ladung nach § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Beschäftigungszeit vom 1. September 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt. Das AAÜG ist auf ihn nicht anwendbar.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gilt, war ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, dieser Verlust als nicht eingetreten.

Der Kläger erfüllt nach dem Wortlaut der Vorschrift beide Voraussetzungen nicht. Er war am 1. August 1991, dem Datum des Inkrafttretens des AAÜG, nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war liegt nicht vor. Er hat weder eine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt, noch hatte er eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts. Der Kläger war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Ein Anwendungsfall einer gesetzlich fingierten Anwartschaft ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Beschäftigung in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatte, sondern der Betroffene muss nach den Regeln des Versorgungssystems tatsächlich einbezogen worden und nach erfolgter Einbeziehung später ausgeschieden sein (Bundessozialgericht (BSG) vom 29. Juli 2004 - Az.: B 4 RA 12/04 R, nach juris). Nach § 3 Abs. 5 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (nachfolgend: 2. DB z. ZAVO-techInt, GBl. Nr. 62, S. 487) erfolgte die Erteilung einer Versorgungszusage ausschließlich durch Aushändigung eines "Dokuments über die zusätzliche Altersversorgung". Ein solches Dokument (Versicherungsurkunde) ist dem Kläger nicht ausgehändigt worden. Mangels vorheriger Einbeziehung konnte der Kläger daher nicht aus einem Versorgungssystem in diesem Sinne ausscheiden (vgl. BSG, a.a.O.).

Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft, wie sie sich aus der vom 4. Senat des Bundessozialgerichts vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG herleitet.

Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (BSG vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 34/01 R, Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris).

Der Kläger hat am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (ZAVO-techInt GBl. Nr. 93 S. 844) nicht erfüllt.

Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 ZAVO-techInt i. V. m. § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung (persönlichen Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung). Die Tätigkeit oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung - BSG vom 18. Juni 2003 - Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z.B.: BSG vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 - Az.: B 4 RA 10/02 R oder vom 18. Juni 2003 - Az.: B 4 RA 50/02 R).

Es kann hier dahinstehen, ob der Kläger die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt hat. Es fehlt jedenfalls an der betrieblichen Voraussetzung. Der Kläger war am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens, sondern in einer GmbH beschäftigt. Ein Betrieb dieser Rechtsform unterliegt nicht dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt (vgl. BSG vom 29. Juli 2004 - Az.: B 4 RA 12/04 R, nach juris). Entscheidend ist die Eintragung im Register der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes G. Nach § 7 der UmwandlungsVO wird die Umwandlung mit der Eintragung der GmbH bzw. AG in das Register wirksam. Mit der Eintragung wird die GmbH bzw. AG Rechtsnachfolger des umgewandelten Betriebes. Der vor der Umwandlung bestehende Betrieb ist damit erloschen. Das Erlöschen des bestehenden Betriebes ist von Amts wegen in das Register der volkseigenen Wirtschaft einzutragen.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob der nach der UmwandlungsVO umgewandelte Betrieb, die Werkzeugmaschinen GmbH Z., wie im Registerauszug vermerkt, Rechtsnachfolger des vorhergehenden VEB geworden ist. Der mit einer solchen Rechtsnachfolge verbundene Übergang u.a. aller Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen kann niemals Ansprüche beziehungsweise Anwartschaften aus dem Zusatzversorgungssystem betroffen haben. Hierbei handelte es sich nicht um einen arbeitsrechtlichen Anspruch, den der Betrieb zu erfüllen hatte. Anspruchsverpflichteter konnte nur der Versorgungsträger sein (vgl. BSG vom 29. Juli 2004 - Az.: B 4 RA 12/04 R).

Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Werkzeugmaschinenfabrik GmbH Z. um einen gleich gestellten Betrieb i.S. des § 1 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt handelt, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) liegt gegenüber denjenigen die mit entsprechender Qualifikation in das Zusatzversorgungssystems einbezogen wurden und gegenüber den Personen, die diese drei Voraussetzungen nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage erfüllten, nicht vor.

Das Bundessozialgericht hat § 1 Abs. 1 AAÜG verfassungskonform ausdehnend so ausgelegt, dass eine Versorgungsanwartschaft "aufgrund der Zugehörigkeit" bei am 30. Juni Nichteinbezogenen nicht nur in den Fällen der Gleichstellung durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG und der Versorgungsanwartschaften aus Systemen ohne konkreten Einbeziehungsakt besteht, sondern auch dann, wenn jemand auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der am 31. Juli 1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage einen "Anspruch auf Versorgungszusage" nach den bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte, wenn derjenige also am 30. Juni 1990 kraft Gesetzes Leistungen aus dem Versorgungssystem hätte beanspruchen können, das heißt obligatorisch im Sinne einer "gebundenen Verwaltung" und ohne Entscheidung des Versorgungsträgers in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätte einbezogen werden müssen (vgl. stellvertretend hierzu: Urteil des BSG vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 31/01 R, nach juris).

Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen, die - wie etwa der Kläger - am 30. Juni 1990 die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt haben und deshalb nach den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen die Voraussetzungen für eine (fiktive) Versorgungsanwartschaft Nichteinbezogener nicht erfüllten, ist nach dem Grundgesetz nicht geboten (vgl. BSG vom 8. Juni 2004 - Az.: B 4 RA 56/03 R, nach juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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