L 6 B 59/04 SF

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 2 AL 79/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 B 59/04 SF
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ist im PKH-Bewilligungsbeschluss kein konkreter Termin für den Beginn der Ratenzahlungen festgelegt, hat der Berechtigte sie von dem Tag an zu leisten, ab dem ihm die Aufforderung der Staatskasse zugeht, sie auf ein bestimmtes Konto zu überweisen (vgl. OLG Brandenburg vom 27. März 2000 - Az.: 10 WF 35/99).

2. Eine Abänderung der Raten nach § 120 Abs. 4 ZPO setzt voraus, dass der PKH-Empfänger bis zur Verschlechterung der Verhältnisse seiner Zahlungsverpflichtung nachgekommen war oder nicht so lange im Rückstand ist, dass die PKH-Bewilligung nach § 124 Nr. 4 ZPO aufgehoben werden könnte.

3. Grundsätzlich muss der Betroffene vor der Aufhebung der PKH nach § 124 Nr. 4 ZPO angehört und auf die Rückstände hingewiesen werden. Ist dies nicht geschehen, kann eine entsprechender Verfahrensfehler im Beschwerdeverfahren geheilt werden (entgegen OLG Brandenburg vom 29. Januar 2001 - Az.: 10 WF 3/01).
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 1. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

In dem Hauptsacheverfahren des Klägers vor dem Sozialgericht Gotha begehrt der Kläger die Zahlung von Insolvenzgeld.

Mit Beschluss vom 12. November 2003 bewilligte ihm das Sozialgericht Prozesskostenhilfe (PKH) unter Zahlung von Raten in Höhe von 30,00 Euro und ordnete Rechtsanwalt H. bei. Der Beschluss wurde diesem am 18. November 2003 zugestellt. Unter dem 14. November 2003 teilte ihm die Urkunsbeamtin der Geschäftsstelle mit, die erste Rate sei am 1. November 2003 fällig. Der Kläger wurde gebeten, die Raten auf ein angegebenes Konto zu überweisen.

Nach einem Vermerk im PKH-Heft vom 14. Januar 2004 wurden nach Mitteilung der Staatskasse bis zum 5. Januar 2004 keine Raten eingezahlt. Daraufhin verfügte die Vorsitzende der 2. Kammer am 15. Januar 2004 u.a. an den beigeordneten Rechtsanwalt: " das Gericht weist darauf hin, dass der Kläger bisher seiner Ratenverpflichtung nicht nachgekommen ist. Die PKH-Bewilligung kann widerrufen werden, wenn der Kläger mehr als drei Monate in Verzug ist".

Nach einem Vermerk im PKH-Heft vom 10. Juli 2004 wurden bis zum 25. Mai 2004 keine Raten gezahlt.

Mit Beschluss vom 1. Juli 2004 hat das Sozialgericht den Beschluss vom 12. November 2003 nach § 124 Nr. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben, weil der Kläger "bis heute" trotz Erinnerung keine Ratenzahlung geleistet habe.

Dagegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt und ausgeführt, er sei nicht in der Lage, die festgesetzten Raten aufzubringen. Dies habe er auch mehrfach telefonisch mitgeteilt. Er habe bis 22. Juli 2004 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 703,80 Euro bezogen; seitdem erhalte er Arbeitslosenhilfe in Höhe von monatlich 663,60 Euro.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 5. Juli 2004 aufzuheben, den Beschluss vom 12. November 2003 abzuändern und ihm Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren.

Die Beklagte hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Bezirksrevisorin am Thüringer Landessozialgericht hat für den Freistaat Thüringen darauf hingewiesen, dass die Bedingungen des Beschlusses vom 12. November 2003 bis zur Aufhebung zu erfüllen waren. Eine Ratenzahlung aus dem jetzt laufenden Einkommen des Klägers komme nicht in Betracht.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Vorsitzende hat die Beteiligten mit Verfügungen vom 12. und 25. Oktober 2004 auf die Probleme der Anhörung durch das Sozialgericht hingewiesen sowie auf die Tatsache, dass die Änderung der Verhältnisse zum 22. Juli 2004 unerheblich sei, weil dann bereits Verzug vorliege.

II.

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde wird zurückgewiesen. Zwar ist der Beschluss des Sozialgerichts verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Durch das Beschwerdeverfahren werden die relevanten Fehler jedoch geheilt.

Nach § 124 Nr. 4 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist. Diese Voraussetzung lag zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts vor.

Der Kläger war am 1. Juli 2004 unzweifelhaft mehr als drei Monate mit der Zahlung der Raten im Verzug. Insofern ist es unerheblich, dass der Rückstand zum Zeitpunkt der gerichtlichen Verfügung vom 15. Januar 2004 noch nicht vorlag. Er konnte erst drei Monate nach dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Kläger verpflichtet war, die festgesetzen Raten zu entrichten. Hierfür war im Bewilligungsbeschluss kein konkreter Termin genannt worden. Dann sind diese von dem Tag an zu zahlen, ab dem dem Berechtigten die Aufforderung der Staatskasse zugeht, auf ein bestimmtes Konto die Zahlungen zu überweisen (vgl. OLG Brandenburg vom 27. März 2000 – Az.: 10 WF 35/99; Philippi in Zöller, Zivilprozessordnung, 24. Auflage 2004, § 120 Rdnr. 8), hier also ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens vom 14. November 2003. Der von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle genannte Termin (1. November 2003) war unerheblich und fehlerhaft. Er beinhaltete eine dem PKH-Bewilligungsbeschluss entgegenstehende Verpflichtung zur rückwirkenden Ratenzahlung. Zu einer solchen Verpflichtung wäre selbst die Richterin nicht berechtigt gewesen.

Die von dem Kläger geltend gemachte (unstreitige) Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse ab dem Zeitpunkt der Gewährung von Arbeitslosenhilfe (ab 22. Juli 2004) steht der Aufhebung nicht entgegen. Zwar kann ein Hilfsbedüftiger bei einer Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich eine Neufestsetzung der Raten oder deren Wegfall nach § 120 Abs. 4 ZPO beantragen. Eine positive Entscheidung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn er bis zu ihrem Eintritt seiner Zahlungsverpflichtung nachgekommen war oder nicht so lange im Rückstand ist, dass die PKH-Bewilligung nach § 124 Nr. 4 ZPO aufgehoben werden könnte (vgl. OLG Brandenburg vom 27. März 2000; a.a.O.; OLG Stuttgart vom 9. Dezember 1986 – Az.: 8 W 80/86 in: FamRZ 1987, 403, 404). Dies ist hier aber der Fall.

Der Rückstand beruht auch auf einem - notwendigen (vgl. BGH vom vom 9. Januar 1997- Az.: IX ZR 61/94 m.w.N. in: NJW 1997, 1077 = Rpfleger 1997, 265; LAG Hamm vom 10. März 2003 – Az.: 18 Ta 60/03, nach juris; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Auflage 2003 Rdnr. 849) - Verschulden des Klägers.

Dieser hat nicht vorgetragen, dass er die Raten bis zum Juli 2004 aus finanziellen Gründen nicht aufbringen konnte. Es sind auch für den Senat keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse von Anfang an ungünstiger waren, als es das Sozialgericht angenommen hatte oder dass die Raten im Beschluss vom 12. November 2003 von Anfang an fehlerhaft festgesetzt worden wurden.

Die Aufhebung entfällt auch nicht deshalb, weil die Vorinstanz den Kläger nicht ausreichend angehört hat. Grundsätzlich muss der Betroffene nach Art. 103 des Grundgesetzes (GG) vor Aufhebung der PKH angehört und auf die Rückstände hingewiesen werden, um durch diese nicht überrascht zu werden (vgl. OLG Bandenburg vom 29. Januar 2001 – Az.: 10 WF 3/01 in: FamRZ 2002, 1419; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rdnr. 850; Philippi in Zöller, a.a.O., § 124 Rdnr. 21). Die Verfügung des Sozialgerichts vom 15. Januar 2004 war fehlerhaft, denn sie war inhaltlich ungenau und es war offen, ob Konsequenzen folgen würden (" kann widerrufen werden "). Erforderlich wäre es jedoch gewesen, diese für den Kläger klar erkennbar festzulegen (vgl. LAG Hamm vom 19. März 2003 – Az.: 18 Ta 60/03, nach juris).

Dieser Verfahrensfehler ist allerdings im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geheilt worden. Der Senat teilt nicht die Ansicht, dass die Anhörung nicht nachgeholt werden kann, weil Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Aufhebungsentscheidung sei (so aber im Ergebnis OLG Brandenburg vom 29. Januar 2001, a.a.O.). Hiergegen spricht, dass die Beschwerdeinstanz als Tatsacheninstanz sogar das bei § 124 ZPO bestehende Ermessen der Vorinstanz (h.M. vgl. OLG Düsseldorf vom 5. April 1991 – Az.: 9 W 16/91 in: MDR 1991, 791; Philippi in Zöller, a.a.O., § 124 Rdnr. 3; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rdnr. 831; a.A. Hartmann in Baumbach, Zivilprozessordnung, 62. Auflage 2004, § 124 Rdnr. 16) abändern oder ersetzen kann, denn sie hat die gleichen Rechte wie die Vorinstanz (vgl. BFH vom 31. August 1993 – Az.: XI B 31/93 in: NJW 1994, 751, 752; Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 1999 – Az.: L 6 B 38/99 SF in: E-LSG B-161 und 7. Oktober 1999 – Az.: L 6 B 8/99 S). Sie hat zudem alle, sogar neue im Beschwerdeverfahren entstandene Tatsachen (z.B. die nachträgliche Zahlung der Raten – vgl. OLG Koblenz vom 22. Januar 1999 – Az.: 13 WF 32/99 in: JurBüro 1999, 371; OLG Karlsruhe vom 12. Dezember 2001 – Az.: 16 WF 123/01 in: FamRZ 2002, 1199, OLG Brandenburg vom 29. Januar 2001, a.a.O.; Philippi in Zöller, a.a.O., § 124 Rdnr. 19) zu berücksichtigen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 177 SGG)
Rechtskraft
Aus
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