L 6 B 30/04 KR

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 2243/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 B 30/04 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zur Berechnung des Streitwerts bei wiederkehrenden Leistungen (hier: bei einer Vergütung nach § 132a Abs. SGB V).

2. Im Beschwerdeverfahren gegen die Festsetzung des Streiwerts kann das Beschwerdegericht einen höheren als den beantragten Streiwert festsetzen.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 19. März 2004 aufgehoben und der Streitwert auf 102.534,24 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung eines höheren Streitwertes für das erstinstanzliche Verfahren.

Zwischen den Beteiligten des Hauptsacheverfahrens war die Höhe der Vergütung nach § 132a Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) streitig.

Die Klägerin, die D.-Häusliche Krankenpflege & Seniorenbetreuung, Inhaberin D. G., hat mit der am 5. Dezember 2002 beim Sozialgericht eingegangenen Klage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr künftig für ärztlich verordnete und bewilligte Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V eine Vergütung zu gewähren, wie sie den in der "LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen” zusammengeschlossenen Sozialstationen für ärztlich verordnete und bewilligte Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V gewährt wird (Klageantrag zu 1). Des Weiteren hat sie beantragt, ihr dem Grunde nach den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der unterschiedlichen Vergütung für vertragsärztlich verordnete, bewilligte und ab dem 1. Dezember 1999 erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V gegenüber den in der "LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen” zusammengeschlossenen Sozialstationen einerseits und gegenüber ihr andererseits entstanden ist (Klageantrag zu 2).

Mit Beschluss vom 14. April 2003 hat das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung (ZPO) angeordnet.

Am 4. Juli 2003 hat die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch für die Zeit von Januar 2000 bis einschließlich November 2002 auf 53.375,73 EUR beziffert.

Mit Schriftsatz vom 9. März 2004 hat sie mitgeteilt, die Parteien hätten den Rechtsstreit außergerichtlich beigelegt. Die Klage werde daher zurückgenommen. Es werde beantragt, den Streitwert auf 70.000,- EUR festzusetzen. Der Streitwert rechtfertige sich aus der Höhe des Schadensersatzes zuzüglich des voraussichtlichen Wertes der mit der Klage ebenfalls beantragten Verpflichtung der Gleichbehandlung für die Zukunft.

Mit Beschluss vom 19. März 2004 hat das Sozialgericht den Streitwert auf 53.375,73 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass es für die Festsetzung eines höheren Streitwertes keine ausreichenden Anhaltspunkte gebe.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer im eigenen Namen beim Sozialgericht Beschwerde eingelegt. Dieses hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 20. April 2004) und sie dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Beschwerdeführer beanstandet, dass der festgesetzte Streitwert nur diejenigen Differenzbeträge berücksichtige, die aus der Ungleichbehandlung bei der Vergütung bis zum Dezember 2002 entstanden waren. Es sei in dem Klageverfahren nicht nur um Schadensersatz für die Vergangenheit, sondern um die Gewährung einer gleichen Vergütung wie gegenüber den Sozialstationen für die Zukunft gegangen. Es fehle also nicht nur an der Berücksichtigung der Vergütung für Leistungen vom 1. Dezember 2002 bis zur Klagerücknahme am 9. März 2004, sondern auch an einer Berücksichtigung der weiteren Zukunft. Dabei dürfe davon ausgegangen werden, dass das wirtschaftliche Interesse für diese Zeiten mindestens ebenso hoch sei wie die Differenzbeträge, die in der Zeit von Januar 2002 bis November 2002 entstanden und spezifiziert worden seien (14.537,14 EUR). Der Streitwert sei durch Hochrechnung der Schadensersatzforderungen zu ermitteln. Der Antrag zur Streitwertfestzetzung auf 70.000 EUR sei deshalb mehr als moderat gewesen. Die Differenzbeträge für Januar bis Dezember 2003 hätten 12.000,- EUR und für Januar bis März 2004 2.900,- EUR betragen.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 19. März 2004 aufzuheben und den Streitwert auf 70.000,- EUR festzusetzen.

Die Staatskasse hat den Beschluss vom 19. März 2004 nicht beanstandet.

Die Beteiligten sowie die Staatskasse sind vom Gericht darauf hingewiesen worden, dass auf die Beschwerde des Bevollmächtigten der Klägerin beabsichtigt ist, den Streitwert auf 102.534,24 EUR festzusetzen.

II.

Die Beschwerde ist nach § 25 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. § 5 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 gültigen Fassung (= a.F.) zulässig. Der Beschwerdeführer hat nach § 9 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung ein eigenes Antragsrecht, sofern er – wie hier – die Heraufsetzung des Streitwerts verlangt.

Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das die BRAGO abgelöst hat, findet keine Anwendung, weil das Rechtsmittel in einem Verfahren, in dem der Beschwerdeführer schon vor dem 1. Juli 2004 tätig war, vor dem 30. Juni 2004 eingelegt wurde (§ 61 RVG).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 197a SGG werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Dies war hier der Fall.

§ 197a SGG findet nach seinem zeitlichen Geltungsbereich Anwendung. Die Bestimmung wurde durch das 6. SGG-Änderungsgesetz (6. SGG-ÄndG) vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 2144) mit Wirkung ab dem 2. Januar 2002 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des 6. SGG-ÄndG) eingeführt und gilt für Verfahren, die – wie der vorliegende Rechtsstreit – ab dem 2. Januar 2002 rechtshängig geworden sind (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG; vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 30. Januar 2002 – Az.: B 6 KA 73/00 R, nach juris).

Nach § 13 Abs. 1 GKG (a.F.) ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert vorbehaltlich der nachfolgenden Vorschriften nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (Satz 1). Bietet der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 4.000,- EUR anzunehmen (Satz 2). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (Abs. 2).

Soweit das Sozialgericht für den Klageantrag zu 2) den Streitwert auf 53.375,73 EUR festgesetzt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Es fehlt jedoch an einer Festsetzung eines Streitwerts für den Klageantrag zu 1). Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, dies könne wegen der fehlenden Bezifferung des Klageantrags zu 1) nicht erfolgen, ist nicht haltbar.

Zu folgen ist ihm nur insoweit, als es zum Zeitpunkt des Klageeingangs im Dezember 2002 und auch danach an einer Bezifferung des Antrags fehlte. Dies schließt lediglich eine Festsetzung des Streitwertes nach § 13 Abs. 2 GKG (a.F.), nicht jedoch eine Festsetzung nach § 13 Abs. 1 GKG (a.F.) aus.

Für eine Festsetzung des Streitwertes nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (a.F.) bestehen insoweit Anhaltspunkte, als die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch für die Zeit von Januar 2000 bis einschließlich November 2002 auf 53.375,73 EUR und von Januar 2003 bis einschließlich März 2004 auf insgesamt 14.900,- EUR beziffert hat. Diese Zeiträume umfassen 50 Kalendermonate. Daraus errechnet sich ein durchschnittlicher jährlicher Differenzbetrag von 16.386.17 EUR (53.375,73 EUR + 14.900,- EUR: 50 x 12). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass für den Zeitraum ab April 2004 durchschnittlich ein geringerer Differenzbetrag hinsichtlich der Vergütung der von der Klägerin erbrachten Leistungen im Vergleich zu den von der "LIGA der freien Wohlfahrtspflege" erbrachten Leistungen entstanden wäre.

Geht es wie im vorliegenden Fall um wiederkehrende Leistungen ist eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 3 GKG (a.F.), wonach der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend ist, gerechtfertigt.

Nach § 17 Abs. 3 GKG (a.F.) ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, einer Dienstpflicht oder einer Tätigkeit, die an Stelle einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden kann, bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sowie in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

Die Klägerin des Hauptsacheverfahrens hat mit der Klage Schadensersatz für die Vergangenheit sowie die künftige Zahlung einer höheren Vergütung entsprechend der Vergütung, die den in der "LIGA der freien Wohlfahrtspflege" zusammengeschlossenen Sozialstationen gezahlt wird, beantragt. Eine zeitliche Begrenzung des Vergütungsanspruchs für die Zukunft ist nicht erfolgt.

Der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen bemisst sich demnach im vorliegenden Fall auf 49.158,51 EUR. Ihm werden in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG (a.F.) die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge, die das Sozialgericht der angefochtenen Streitwertfestsetzung zugrunde gelegt hat, hinzugerechnet.

Der Streitwert war danach auf 102.534,24 EUR festzusetzen.

Ohne Belang ist, dass der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde lediglich eine Heraufsetzung des Streitwerts auf 70.000,- EUR begehrt. Das Beschwerdegericht entscheidet nämlich über den Streitwert, ohne gemäß § 123 SGG an eventuelle Anträge gebunden zu sein (vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 13. Auflage 2003, § 88 Rdnr. 8), zumal eine Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung durch das Rechtsmittelgericht gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG (a.F.) sogar von Amts wegen, also ohne entsprechenden Antrag möglich wäre.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei und eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 25 Abs. 4 GKG (a.F.)).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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