Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 10 U 99/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1608/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Juli 2015 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen - hat.
Die 1972 geborene Klägerin absolvierte von 1988 bis 1991 eine Ausbildung zur Zahnarzthel-ferin und war bis Dezember 2009 als Zahnarzthelferin bei verschiedenen Arbeitgebern tätig.
Im Jahre 1992 ließ sich die Klägerin sämtliche Amalgamfüllungen in ihrem eigenen Gebiss durch Herausbohren ohne Amalgamausleitung entfernen. Mit Verfügung vom 12. August 2009 leitete die Beklagte wegen Atemwegsbeschwerden ein Verfahren hinsichtlich einer BK 4301 (durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen) ein. In diesem Zusammenhang wurde auf eine bei der Klägerin bestehende Amalgamallergie hingewiesen. Der Pneumologe und Umweltmediziner Prof. Dr. H. stellte in einem Gutachten vom 1. April 2010 eine rezidivierende Pansinusitis und eine obstruktive Rhinopathie fest. Einen Anhalt für eine obstruktive Atemwegserkrankung fand er nicht. Des Weiteren diagnostizierte er eine somatoforme Erschöpfung mit reaktiver Depression und Verdacht auf ein MCS-Syndrom nach Amalgamextraktion in 1992. Des Weiteren führte er aus, dass Quecksilber keine Typ-I-allergischen Reaktionen an der Bronchialschleimhaut und/oder an der Haut hervorrufe. Hinweise für eine chronische Quecksilberintoxikation hätten sich nicht ergeben. Die Versicherte gehöre in psychiatrische Behandlung wegen ihrer Amalgamangst. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 12. April 2010 teilte er der Beklagten mit, dass sich toxikologisch ein relevanter Quecksilberspiegel weder im Urin noch im Vollblut habe nachweisen lassen.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2010 die Anerkennung einer Erkrankung der Atemwege als Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 (durch chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung) ab. Im anschließenden Klageverfahren (Az.: S 10 U 7612/10) beauftragte das Sozialgericht Nordhausen Prof. Dr. G.-L. auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Dieser führt in seinem Gutachten vom 24. Juli 2012 aus, dass Quecksilberallergien sehr selten vorzufinden seien. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand führe Quecksilber in der Form von Amalgam nicht zu einer Typ-I-Allergiereaktion. Sowohl bei der akuten als auch bei der chronischen Vergiftung mit Quecksilber sei die Entwicklung einer Nasennebenhöhlenerkrankung nicht beschrieben. Die chronische Nasennebenhöhlenentzündung (chronische Sinusitis) sei nicht berufsbedingt. Daraufhin hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2013 ihre Klage zurückgenommen (S 10 U 7612/10).
Zugleich hat die Beklagte ein Verfahren hinsichtlich der BK 1102 eingeleitet und Analyseer-gebnisse aus dem Jahre 1991 und 1994 (Bl. 41/42 der Verwaltungsakte) beigezogen. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 23. August 2010 die Zahnärzte benannt, bei denen sie beruflich tätig gewesen ist (Bl. 63 ff. des Verwaltungsvorgangs). Die angeschriebenen Zahnärzte machten dabei Angaben zu der konkret von der Klägerin bis 2009 ausgeübten Tätigkeit. In einer Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 7. Juni 2011 führte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten aus, dass im Fall der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in Zahnarztpraxen ab 4. Januar 1993 bis zum 15. Juli 2009 die Grenzwerte für Quecksilber sicher eingehalten wurden. Sie sei in diesem Zeitraum bei sieben Zahnärzten tätig gewesen. Zwei hätten kein Amalgam als Füllung verwendet und die anderen vorgefertigte Amalgamkapseln eingesetzt. Hinsichtlich des Zeitraums ihrer Ausbildung von 1988 bis 1991 sei eine Aussage zur Exposition aufgrund zu allgemeiner Angaben nicht möglich.
Der Mund-Kiefer-Chirurg Dr. M. teilte mit Befundbericht vom 1. März 2011 mit, dass er die Klägerin im Zeitraum 5. November bis 13. Dezember 1994 wegen neuralgieformer Be-schwerden des gesamten linken Oberkiefers behandelt habe. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 schlug die Beklagte der Klägerin drei Gutachter zur Auswahl vor. In einem Telefonat vom 2. März 2012 benannte ein Bekannter im Auftrag der Klägerin Dr. K., eine Neurologin, als Gutachterin. Diese wurde mit Schreiben vom 2. März 2012 mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens durch die Beklagte beauftragt. Sie führt in ihrem Gutachten vom 17. Juni 2012 die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen, wie eine rezidivierende Pansinusitis (= eine Erkrankung der Nasennebenhöhlen), ein chronifizierter Gesichtsschmerz mit sensiblen Ausfallerscheinungen, neurologische Ausfallerscheinungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten infolge Intoxikation, eine Hirnleistungsschwäche und chronische Entzündungen in verschiedenen Organsystemen auf die berufliche Belastung mit Quecksilberamalgam im Sinne der BK 1102 zurück. Bereits sechs Jahre nach Aufnahme der Ausbildung hätten sich bei der Klägerin allergische Reaktionen auf Quecksilber abgezeichnet. Es liege daher eine ausgeprägte Allergie sowie toxische Belastung durch Quecksilber vor. Die Symptomatik sei arbeitsplatzbezogen. Ein ursächlicher Zusammenhang sei zu bejahen, da sich die ersten Symptome einer Unverträglichkeit des Amalgams bei Aufnahme der Berufsausbildung bereits abgezeichnet hätten.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 1102 der Anlage 1 zur BKV ab. Bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Anerken-nung dieser Berufskrankheit lägen nicht vor. In der Ausbildungszeit von 1988 bis 1991 habe keine über dem Arbeitsplatzgrenzwert liegende Einwirkung von Quecksilber oder Amalgam festgestellt werden können. Der für Quecksilber geltende biologische Grenzwert betrage 100 µg Quecksilber/Liter Urin. Die Analysewerte aus dem Jahre 1991 und 1994 lägen beide Male darunter. Auch die durchgeführte private Zahnsanierung habe ein erhebliches Risiko einer Intoxikation mit Quecksilber beinhaltet. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2012 zurück. Erneut verwies sie darauf, dass über dem Arbeitsplatzgrenzwert liegende Einwirkungen mit Quecksilber am Arbeitsplatz nicht nachgewiesen werden könnten. Das Gutachten der Neurologin Dr. K. sei in sich nicht stimmig. Es gehe von einer Überschreitung der Grenzwerte aus. Für den Zeitraum von 1993 bis 2009 habe eine Gefährdung durch Quecksilber am Arbeitsplatz ausgeschlossen werden können. Zur damaligen Zeit sei entweder kein Amalgam als Füllung verwendet oder vorgefertigte Amalgamkapseln eingesetzt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 10. Januar 2013 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat ein Sachverständigengutachten der Arbeitsmediziner Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. vom 1. April 2014 eingeholt. Darin führen sie aus, dass im Rahmen einer Behandlung in der Klinik für Neurologie der Universität G. vom 31. Mai bis 26. Juni 1992 eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems ausgeschlossen werden konnte. Es handle sich am ehesten um ein psychosomatisches Geschehen. Diagnostiziert wurde der Verdacht auf einen rezidivierenden Pansinusitis, ein Verdacht auf psychosomatische Beschwerden/Depression, neurologische Auffälligkeiten im Bereich der linken Körperhälfte, Tachykardie, Verdacht auf Lungenüberblähung, leichte Eosinophilie und Leukozyturie, Proteinurie. Die aktuellen Ergebnisse der Blut- und Urinuntersuchung auf Quecksilber hätten Werte wie bei beruflich nicht belasteten Personen der allgemeinen Bevölkerung ergeben. Hinweise für eine erhebliche aktuelle Quecksilberbelastung hätten sich nicht gefunden. Eine Allergie gegenüber Quecksilber bzw. Amalgam könne nicht mit der geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit als Ursache für die früher geklagten Beschwerden angesehen werden. Für die Beurteilung möglicher toxikologischer Effekte sei die Höhe der beruflichen Exposition entscheidend. Dies könne in einem arbeitsmedizinischen Fachgutachten nicht sicher abgeschätzt werden. Die 1991 bzw. 1994 ermittelten Quecksilberwerte seien sehr hoch. Ob diese korrekt erhoben worden seien, könne nicht beurteilt werden. Die Entfernung mehrerer Amalgamfüllungen in den Jahren 1991 und 1992 müsse ebenfalls berücksichtigt werden. Die von der Klägerin geschilderten Beschwerden seien vielgestaltig und diagnostisch schwer einzuordnen. Dies treffe insbesondere für eine mögliche Einordnung der Beschwerden im Zusammenhang mit einer Quecksilberexposition zu. Ein möglicher Einschluss der früheren Quecksilberexposition auf die jetzigen Beschwerden im Sinne einer Schädigung des vegetativen, zentralen oder peripheren Nervensystems könne allenfalls dann vermutet werden, wenn eine relevante berufliche Quecksilberexposition vorgelegen habe. Dies sei für Tätigkeiten ab 1993 nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes zu verneinen. Für den Fall, dass eine relevante berufliche Quecksilberexposition nicht sicher ausgeschlossen werden könne, sei ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten erforderlich. Das Gutachten von Dr. K. vom 17. Juni 2012 sei nicht geeignet, eine Schädi-gung des zentralen Nervensystems nachzuweisen.
In einer weiteren Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 8. August 2014 gelangte der TAD der Beklagten zu dem Ergebnis, dass für den Zeitraum von 1988 bis 1991 unter Berücksichtigung der Einwirkzeiten der Versicherten (80 % Verwaltungstätigkeit, 20 % Tätigkeit am Behandlungsstuhl) zu erwarten sei, dass die heute gültigen Kurzzeitwertanforderungen eingehalten worden seien. Hinsichtlich des Zeitraumes von Juli 1991 bis Januar 1993 könne von einer Einhaltung des Grenzwertes ebenfalls ausgegangen werden.
Mit Urteil vom 14. Juli 2015 hat das Sozialgericht Nordhausen die Klage abgewiesen. Eine relevante Exposition im Zeitraum von 1988 bis 2009 könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Der Präventionsdienst der Beklagten habe in Auswertung sämtlicher Arbeitsverhältnisse der Klägerin eine derartige Exposition nachvollziehbar verneint. Im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Fachschule N. habe die Klägerin in der Zeit von 1988 bis 1999 während der praktischen Ausbildung lediglich zu 20 % ihrer Arbeitszeit Tätigkeiten am Behandlungsstuhl ausgeübt. Mangels Messungen vor Ort müsse von der Einhaltung der heute gültigen Kurzzeitwertanforderungen ausgegangen werden. Für die Zeit von 1991 bis 2009 könne eine relevante Arbeitsplatzexposition ebenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Zwei Ärzte hätten Amalgam als Füllung gar nicht verwendet. Die übrigen Ärzte hätten vorgefertigte Amalgamkapseln zum Einsatz gebracht.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie habe im Rahmen der Ausbildung von 1988 bis 1991 nicht zu 80 % Verwaltungstätigkeit ausgeübt. Die Ausbildung sei vielmehr so verlaufen, dass in 14-tägigen Blöcken entweder eine Theorieausbildung in der Fachschule selbst oder eine Ausbildung in der Poliklinik in Berufspraxis erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Juli 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2012 aufzuheben und festzustellen, dass eine BK 1102 vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
Der Berichterstatter des Senats hat die Arbeitskollegin der Klägerin in den Jahren 1988 bis 1991 - die Zeugin H. - über den Ablauf der Ausbildung gehört. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift in der Gerichtsakte verwiesen. Daraufhin hat der Präventionsdienst der Beklagten am 6. April 2017 eine weitere Stellungnahme abgegeben. Darin führt dieser aus, dass für den Zeitraum 1988 bis 1991 für den Fall, dass man von 1.800 neu gelegten Amalgamfüllungen im Jahr ausgehe und das Anmischen mit der Lederläppchenmethode berücksichtige, die Werte einen durchschnittlichen Arbeitsumfang für Arbeitsplätze dieser Art in Zahnarztpraxen zur damaligen Zeit darstellten. Daher seien die in der Literatur beschriebenen Schichtmittelwerte als Vergleichsmaterial geeignet. Die Literaturwerte zu manuellen Mischtechniken könnten herangezogen werden. Das Nachkneten sei immer der Folgeschritt des manuellen Anmischens. Aus den Angaben der Versicherten ergebe sich kein ungewöhnlich hoher Umfang der Amalgamverarbeitung. Im Rahmen ihrer ca. dreijährigen Ausbildungszeit habe die Versicherte etwa drei Jahre lang zu 50 % praktisch am Stuhl gearbeitet. Sie sei daher insgesamt 1,5 Jahre lang einer Quecksilberbelastung ausgesetzt gewesen. Nach allen vorliegenden Erkenntnissen müsse von der Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes ausgegangen werden. In der ehemaligen DDR habe ein im Vergleich zur Bundesrepublik niedrigerer Grenzwert von 5 µg/m³ bzw. 50 µg/m³ ab 1986 gegolten.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass Arbeitsplatzgrenzwerte keineswegs eingehalten worden seien. Sie habe bis zu 25 Amalgamfüllungen täglich herausgebohrt und zwar ohne geeignete Schutzmaßnahmen. Hierbei seien quecksilberhaltige Dämpfe entstanden. Ein Grenzwert, der Sicherheit gewährleiste, existiere nicht, das gelte auch für im zahnärztlichen Bereich Tätige. Die Ausführungen der Neurologin Dr. K. in ihrem Gutachten seien nach wie vor überzeugend. Es liege eine Berufskrankheit, verursacht durch Quecksilber im Sinne der BK 1102 vor. Die Gesamt-MdE betrage 50 - 60 v.H. Auch unterhalb eines Grenzwertes könne eine Berufskrankheit entstehen. Die angebliche Intoxikationsphobie laut Prof. H. sei in Wahrheit eine PTBS nach 30-jähriger Quecksilberbelastung beruflicher Art.
Der Senat hat Sachverständigengutachten der Neurologin Dr. K. vom 9. November 2015 und des Psychiaters Dr. B. vom 31. Mai 2017 aus einem Verfahren mit der gesetzlichen Renten-versicherung Az.: S 16 R 1037/13 beigezogen. Dr. K. diagnostiziert eine MCS-Erkrankung bei der Klägerin; Dr. B. eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung bei anhaltendem hypochondrischen Wahnsystem. Die Klägerin sieht durch die Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. eine Verursachung ihrer Erkrankungen durch Noxen am Arbeitsplatz als belegt an. Die von Dr. B. angenommene Traumatisierung in der Kindheit sei unzutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvor-gang, die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens S 10 U 7612/10, welche Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 143, 151 SGG) hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung einer BK 1102 abgelehnt.
Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versi-cherter bei einer in den §§ 2, 3 und 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet. Nach § 1 der BKV sind Berufskrankheiten die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten (sogenanntes Listenprinzip). In der Anlage 1 zur BKV vom 31.10.1997 (BGB I, S. 2623), die sich insoweit nicht mehr geändert hat, ist die BK 1102 als "Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen" bezeichnet.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 1102 der Anlage 1 zur BKV liegen nicht vor. Rechtsgrundlage für die Anerkennung dieser BK ist § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. BK Nr. 1102. BK Nr. 1102 lautet: "Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen". Der Tatbestand der BK 1102 enthält darüber hinaus weder normative Vorgaben in Form einer Mindestdosis oder Mindestdauer der Einwirkung noch eine inhaltliche Eingrenzung der möglichen Krankheitsbilder. Nach § 9 Abs. 1 S 1 SGB VII sind Berufskrankheiten nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Für die Feststellung einer Listen-BK ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Die Voraussetzungen der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 26, Rn. 10 mwN.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.
Die Klägerin arbeitete von 1988 bis 2009 als Beschäftigte in Zahnarztpraxen. In dieser Tätigkeit war sie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung. Während und aufgrund dieser versicherten Tätigkeit unterlag sie den im Tatbestand der BK Nr. 1102 genannten Einwirkungen "Quecksilber und seinen Verbindungen" durch den Kontakt mit Amalgam in grundsätzlicher Form.
Die in Zahnarztpraxen grundsätzlich verwandten Amalgamfüllungen sind Legierungen des Quecksilbers mit Silber und gegebenenfalls Kupfer. Nach den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen (vgl. Merkblatt zur BK 1102, abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, BKV, Komm., Stand Januar 2017, M 1102, Ziff. 3.5) entstehen Quecksilberintoxikationen im Zahnarztbereich durch die allgemeine Raumbelüftung in Praxisräumen durch Quecksilberverschmutzungen, das Amalgamansetzen, das Entfernen oder Neumischen von Amalgamfüllungen und das Ausdünsten aus allen Bauteilen, die mit Amalgam in Kontakt kommen. Nach Auswertung aller medizinischen Unterlagen und insbesondere des Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. D. bzw. Prof. Dr. Sch. ist bei der Klägerin von folgenden Diagnosen auszugehen: 1. Verdacht auf rezidivierende Pansinusitis. 2. Verdacht auf psychosomatische Beschwerden/Depression. 3. Neurologische Auffälligkeiten im Bereich der linken Körperhälfte bei der körperli-chen Untersuchung. 4. Tachykardie, auskultatorisch Systolikum. 5. Verdacht auf Lungenüberblähung. 6. Leichte Eosinophilie. 7. Leukozyturie, Proteinurie.
Keine dieser Erkrankungen ist in dem beschriebenen Sinne durch Quecksilber verursacht. Zu beachten ist, dass es sich bei der BK Nr. 1102 um einen sogenannten offenen BK-Tatbestand handelt, der unter anderem keine konkrete Erkrankung benennt, die bei den Versicherten diagnostiziert werden muss, um den BK-Tatbestand bejahen zu können. Anerkennungsfähig sind deshalb alle Krankheiten, die durch die benannten Einwirkungen potentiell verursacht werden können (BSG, Urteil vom 30. März 2017, B 2 U 6/15 R; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015, B 2 U 11/14 R, BSGE 120, 230).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Berufskrank-heitenrecht wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung die Theorie der wesentli-chen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn auf dieser sog ersten Stufe feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier die Einwirkung durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Ursache der Krankheit ist, stellt sich auf der sog zweiten Stufe die Frage, ob die Einwirkung auch rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr ist (BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 6/15 R –, Juris).
Hinsichtlich der gesichert vorliegenden Beschwerden der Klägerin im Bereich der Nasenne-benhöhlen bzw. des Kiefers im Sinne einer chronischen Sinusitis bzw. rezidivierenden Pansinusitis ist zu beachten, dass nach dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. vom 1. April 2014 mögliche allergische Reaktionen durch Quecksilber ausgeschlossen sind. Sie haben insoweit ausdrücklich ausgeführt, dass eine Allergie gegenüber Quecksilber bzw. Amalgam nicht mit der geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit als Ursache für in der Vergangenheit geklagte Beschwerden angesehen werden kann. Dies steht im Einklang mit den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. H., der in seinem im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der BK 4301 bzw. 4302 eingeholten Gutachten vom 1. April 2010 ausgeführt hat, dass Quecksilber keine Typ-I allergischen Reaktionen an der Bronchialschleimhaut und/oder an der Haut hervorruft. Dies wird auch durch den Sachverständigen und HNO-Arzt Prof. Dr. G.-L. in seinem Gutachten vom 10. Juli 2012 im Verfahren S 10 U 7612/10 bestätigt, wonach die bei der Klägerin vorliegenden chronischen Nasennebenhöhlenerkrankungen auf einer allergischen Typ-I Reaktion basieren können. Jedoch führt Quecksilber nach seinen Ausführungen im Einklang mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand in der Form von Amalgam nicht zu einer Typ-I Allergiereaktion. Prof. Dr. G.-L. führt sodann weiter aus, dass auch bei einer chronischen Vergiftung mit Amalgam eine Nasennebenhöhlenerkrankung in der Literatur nicht beschrieben ist. Ferner weist er noch darauf hin, dass bei der Klägerin eine Belüftungsstörung der Nase anatomischer Natur vorliegt, welche auch mit Allergien in Verbindung gebracht werden kann. Hinsichtlich der weiteren bei der Klägerin diagnostizierten Erkrankungen wie u.a. Verdacht auf Lungenüberblähung, Tachykardie, Systolikum, Nykturie, Husten, Eosinophilie, Leukozyturie, Proteinurie ist festzuhalten, dass diese ebenfalls nicht potentiell durch Quecksilber verursacht werden können. Insoweit haben die Sachverständigen Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. eine Abklärung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung empfohlen. Dies steht im Einklang mit dem Merkblatt zur BK 1102. Keine der genannten Erkrankungen ist dort als typisch für eine quecksilberbedingte Erkrankung aufgeführt. Somit verbleibt als Diagnose, die hinsichtlich der BK 1102 relevant ist, ausschließlich die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen auf neurologischem Fachgebiet, insbesondere des Nervensystems. In diesem Zusammenhang ist darauf abzustellen, dass anlässlich einer stationären Behandlung im Mai/Juni 1992 an der Universität G. eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems ausgeschlossen wurde. Es wurde vielmehr die Diagnose psychosomatischer Beschwerden gestellt. Hinsichtlich der Frage, ob auf neurologischem Gebiet Folgen einer Quecksilberintoxikation vorliegen, ist nach den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. entscheidend, ob eine relevante berufliche Belastung durch Quecksilber festzustellen ist. Dies bezieht sich vor allen Dingen auf den Zeitraum 1988 bis 1991, der zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens noch nicht durch eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes unterlegt war. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach dem Merkblatt für die BK 1102 (abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand Januar 2017, Ziff. 3.5.) nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht eindeutig feststeht, ob aus Amalgamfüllungen freigesetzte Metalle ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorrufen können. Ausgehend von den Ergebnissen der weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Situation am Arbeitsplatz im Rahmen der Aus-bildung von 1988 bis 1991 ist der Präventionsdienst der Beklagten zu dem Ergebnis gekom-men, dass der Arbeitsplatzgrenzwert eingehalten worden ist. Diesem kommt nach dem Merkblatt zur BK 1102 eine erhebliche Bedeutung zu. Danach beträgt die zulässige maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) hinsichtlich Quecksilbers 100 µg/m³ Raumluft. Nach der wissenschaftlichen Untersuchung "Quecksilber in Zahnarztpraxen": Stand August 2010, ist für die Beurteilung von Gefahrstoffkonzentrationen ein Stoffindex zu errechnen, der sich als Verhältnis aus der ermittelten Konzentration und dem Grenzwert ergibt. Daraus ergibt sich ein Stoffindex für Quecksilber von kleiner/gleich 0,1 g bzw. 100 µg/m³ Raumluft. Dann kann davon ausgegangen werden, dass der jeweilige Gefahrstoffgrenzwert dauerhaft eingehalten ist. Dies war nach der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 6. April 2017, die im Übrigen von der gleichen Verfasserin wie der Quecksilberreport verfasst worden ist, auch für die Verhältnisse in den Jahren 1988 - 1991 der Fall. Die Beweisergebnisse aus der durchgeführten Beweisaufnahme wurden dabei verwertet. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Ausbildung etwa 1,5 Jahre lang einer Quecksilberbelastung ausgesetzt war. Wesentlich ist, dass ein Zusammenhang zwischen der Art der Mischtechnik und dem gemessenen Quecksilbergehalt der Luft nicht festgestellt wurde. Insoweit haben Untersuchungen aus dem Jahre 1964 aufgezeigt, dass der durchschnittliche Schichtmittelwert bei manueller Anmischung bei 0,01 µg/m³ Raumluft lag. Insoweit braucht der Senat nicht darauf einzugehen, inwieweit in der ehemaligen DDR aufgrund des niedrigeren Grenzwertes von einem besonders hohen Schutzniveau auszugehen ist. Diesen Feststellungen ist die Klägerin nicht nachhaltig entgegengetreten. Auch dem Senat stehen weitere Ermittlungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht nicht mehr zur Verfügung. Daraus folgt, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Umgang der Klägerin mit Amalgam bzw. Quecksilber und den bei ihr festge-stellten neurologischen Ausfallerscheinungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Entsprechend den Ausführungen im Sachverständigengutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. ist die Einholung eines neurologischen Gutachtens daher nicht erforderlich.
Die Ausführungen von Dr. K. in ihrem Gutachten sowohl im Verfahren der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in diesem Verfahren überzeugen hingegen bereits deshalb nicht, da sie selbst ausführt, dass die bei der Klägerin bestehende Symptomatik anders als durch Annahme beruflicher Belastungen nicht hinreichend erklärbar sei. Dies widerspricht den Beweisgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung. Danach muss ein Ursachenzusammenhang hinreichend belegt sein. Soweit sie die Probleme im Bereich der Nasennebenhöhlen und des Bronchialsystems mit Amalgam in Verbindung bringt, ist dies durch die Gutachten von Prof. Dr. D., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. G.-L. widerlegt. Danach kann nach dem gesicherten medizinischen Erkenntnissand Quecksilber keine Typ-I allergischen Reaktionen an der Bronchialschleimhaut und/oder an der Haut oder eine Nasennebenhöhlenerkrankung hervorrufen. Inwieweit Dr. B. und seinen Ausführungen im Gutachten vom 31. Mai 2017 zu folgen ist, dass die Klägerin an einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung bei anhaltendem hypochondrischen Wahnsystem leidet, kann offenbleiben. Jedenfalls ergeben sich deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Ängste vor Amalgam entwickelt hat, die im psychiatrischen Fachgebiet zu verorten sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen - hat.
Die 1972 geborene Klägerin absolvierte von 1988 bis 1991 eine Ausbildung zur Zahnarzthel-ferin und war bis Dezember 2009 als Zahnarzthelferin bei verschiedenen Arbeitgebern tätig.
Im Jahre 1992 ließ sich die Klägerin sämtliche Amalgamfüllungen in ihrem eigenen Gebiss durch Herausbohren ohne Amalgamausleitung entfernen. Mit Verfügung vom 12. August 2009 leitete die Beklagte wegen Atemwegsbeschwerden ein Verfahren hinsichtlich einer BK 4301 (durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen) ein. In diesem Zusammenhang wurde auf eine bei der Klägerin bestehende Amalgamallergie hingewiesen. Der Pneumologe und Umweltmediziner Prof. Dr. H. stellte in einem Gutachten vom 1. April 2010 eine rezidivierende Pansinusitis und eine obstruktive Rhinopathie fest. Einen Anhalt für eine obstruktive Atemwegserkrankung fand er nicht. Des Weiteren diagnostizierte er eine somatoforme Erschöpfung mit reaktiver Depression und Verdacht auf ein MCS-Syndrom nach Amalgamextraktion in 1992. Des Weiteren führte er aus, dass Quecksilber keine Typ-I-allergischen Reaktionen an der Bronchialschleimhaut und/oder an der Haut hervorrufe. Hinweise für eine chronische Quecksilberintoxikation hätten sich nicht ergeben. Die Versicherte gehöre in psychiatrische Behandlung wegen ihrer Amalgamangst. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 12. April 2010 teilte er der Beklagten mit, dass sich toxikologisch ein relevanter Quecksilberspiegel weder im Urin noch im Vollblut habe nachweisen lassen.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2010 die Anerkennung einer Erkrankung der Atemwege als Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 (durch chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung) ab. Im anschließenden Klageverfahren (Az.: S 10 U 7612/10) beauftragte das Sozialgericht Nordhausen Prof. Dr. G.-L. auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Dieser führt in seinem Gutachten vom 24. Juli 2012 aus, dass Quecksilberallergien sehr selten vorzufinden seien. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand führe Quecksilber in der Form von Amalgam nicht zu einer Typ-I-Allergiereaktion. Sowohl bei der akuten als auch bei der chronischen Vergiftung mit Quecksilber sei die Entwicklung einer Nasennebenhöhlenerkrankung nicht beschrieben. Die chronische Nasennebenhöhlenentzündung (chronische Sinusitis) sei nicht berufsbedingt. Daraufhin hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2013 ihre Klage zurückgenommen (S 10 U 7612/10).
Zugleich hat die Beklagte ein Verfahren hinsichtlich der BK 1102 eingeleitet und Analyseer-gebnisse aus dem Jahre 1991 und 1994 (Bl. 41/42 der Verwaltungsakte) beigezogen. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 23. August 2010 die Zahnärzte benannt, bei denen sie beruflich tätig gewesen ist (Bl. 63 ff. des Verwaltungsvorgangs). Die angeschriebenen Zahnärzte machten dabei Angaben zu der konkret von der Klägerin bis 2009 ausgeübten Tätigkeit. In einer Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 7. Juni 2011 führte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten aus, dass im Fall der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in Zahnarztpraxen ab 4. Januar 1993 bis zum 15. Juli 2009 die Grenzwerte für Quecksilber sicher eingehalten wurden. Sie sei in diesem Zeitraum bei sieben Zahnärzten tätig gewesen. Zwei hätten kein Amalgam als Füllung verwendet und die anderen vorgefertigte Amalgamkapseln eingesetzt. Hinsichtlich des Zeitraums ihrer Ausbildung von 1988 bis 1991 sei eine Aussage zur Exposition aufgrund zu allgemeiner Angaben nicht möglich.
Der Mund-Kiefer-Chirurg Dr. M. teilte mit Befundbericht vom 1. März 2011 mit, dass er die Klägerin im Zeitraum 5. November bis 13. Dezember 1994 wegen neuralgieformer Be-schwerden des gesamten linken Oberkiefers behandelt habe. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 schlug die Beklagte der Klägerin drei Gutachter zur Auswahl vor. In einem Telefonat vom 2. März 2012 benannte ein Bekannter im Auftrag der Klägerin Dr. K., eine Neurologin, als Gutachterin. Diese wurde mit Schreiben vom 2. März 2012 mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens durch die Beklagte beauftragt. Sie führt in ihrem Gutachten vom 17. Juni 2012 die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen, wie eine rezidivierende Pansinusitis (= eine Erkrankung der Nasennebenhöhlen), ein chronifizierter Gesichtsschmerz mit sensiblen Ausfallerscheinungen, neurologische Ausfallerscheinungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten infolge Intoxikation, eine Hirnleistungsschwäche und chronische Entzündungen in verschiedenen Organsystemen auf die berufliche Belastung mit Quecksilberamalgam im Sinne der BK 1102 zurück. Bereits sechs Jahre nach Aufnahme der Ausbildung hätten sich bei der Klägerin allergische Reaktionen auf Quecksilber abgezeichnet. Es liege daher eine ausgeprägte Allergie sowie toxische Belastung durch Quecksilber vor. Die Symptomatik sei arbeitsplatzbezogen. Ein ursächlicher Zusammenhang sei zu bejahen, da sich die ersten Symptome einer Unverträglichkeit des Amalgams bei Aufnahme der Berufsausbildung bereits abgezeichnet hätten.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 1102 der Anlage 1 zur BKV ab. Bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Anerken-nung dieser Berufskrankheit lägen nicht vor. In der Ausbildungszeit von 1988 bis 1991 habe keine über dem Arbeitsplatzgrenzwert liegende Einwirkung von Quecksilber oder Amalgam festgestellt werden können. Der für Quecksilber geltende biologische Grenzwert betrage 100 µg Quecksilber/Liter Urin. Die Analysewerte aus dem Jahre 1991 und 1994 lägen beide Male darunter. Auch die durchgeführte private Zahnsanierung habe ein erhebliches Risiko einer Intoxikation mit Quecksilber beinhaltet. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2012 zurück. Erneut verwies sie darauf, dass über dem Arbeitsplatzgrenzwert liegende Einwirkungen mit Quecksilber am Arbeitsplatz nicht nachgewiesen werden könnten. Das Gutachten der Neurologin Dr. K. sei in sich nicht stimmig. Es gehe von einer Überschreitung der Grenzwerte aus. Für den Zeitraum von 1993 bis 2009 habe eine Gefährdung durch Quecksilber am Arbeitsplatz ausgeschlossen werden können. Zur damaligen Zeit sei entweder kein Amalgam als Füllung verwendet oder vorgefertigte Amalgamkapseln eingesetzt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 10. Januar 2013 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat ein Sachverständigengutachten der Arbeitsmediziner Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. vom 1. April 2014 eingeholt. Darin führen sie aus, dass im Rahmen einer Behandlung in der Klinik für Neurologie der Universität G. vom 31. Mai bis 26. Juni 1992 eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems ausgeschlossen werden konnte. Es handle sich am ehesten um ein psychosomatisches Geschehen. Diagnostiziert wurde der Verdacht auf einen rezidivierenden Pansinusitis, ein Verdacht auf psychosomatische Beschwerden/Depression, neurologische Auffälligkeiten im Bereich der linken Körperhälfte, Tachykardie, Verdacht auf Lungenüberblähung, leichte Eosinophilie und Leukozyturie, Proteinurie. Die aktuellen Ergebnisse der Blut- und Urinuntersuchung auf Quecksilber hätten Werte wie bei beruflich nicht belasteten Personen der allgemeinen Bevölkerung ergeben. Hinweise für eine erhebliche aktuelle Quecksilberbelastung hätten sich nicht gefunden. Eine Allergie gegenüber Quecksilber bzw. Amalgam könne nicht mit der geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit als Ursache für die früher geklagten Beschwerden angesehen werden. Für die Beurteilung möglicher toxikologischer Effekte sei die Höhe der beruflichen Exposition entscheidend. Dies könne in einem arbeitsmedizinischen Fachgutachten nicht sicher abgeschätzt werden. Die 1991 bzw. 1994 ermittelten Quecksilberwerte seien sehr hoch. Ob diese korrekt erhoben worden seien, könne nicht beurteilt werden. Die Entfernung mehrerer Amalgamfüllungen in den Jahren 1991 und 1992 müsse ebenfalls berücksichtigt werden. Die von der Klägerin geschilderten Beschwerden seien vielgestaltig und diagnostisch schwer einzuordnen. Dies treffe insbesondere für eine mögliche Einordnung der Beschwerden im Zusammenhang mit einer Quecksilberexposition zu. Ein möglicher Einschluss der früheren Quecksilberexposition auf die jetzigen Beschwerden im Sinne einer Schädigung des vegetativen, zentralen oder peripheren Nervensystems könne allenfalls dann vermutet werden, wenn eine relevante berufliche Quecksilberexposition vorgelegen habe. Dies sei für Tätigkeiten ab 1993 nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes zu verneinen. Für den Fall, dass eine relevante berufliche Quecksilberexposition nicht sicher ausgeschlossen werden könne, sei ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten erforderlich. Das Gutachten von Dr. K. vom 17. Juni 2012 sei nicht geeignet, eine Schädi-gung des zentralen Nervensystems nachzuweisen.
In einer weiteren Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 8. August 2014 gelangte der TAD der Beklagten zu dem Ergebnis, dass für den Zeitraum von 1988 bis 1991 unter Berücksichtigung der Einwirkzeiten der Versicherten (80 % Verwaltungstätigkeit, 20 % Tätigkeit am Behandlungsstuhl) zu erwarten sei, dass die heute gültigen Kurzzeitwertanforderungen eingehalten worden seien. Hinsichtlich des Zeitraumes von Juli 1991 bis Januar 1993 könne von einer Einhaltung des Grenzwertes ebenfalls ausgegangen werden.
Mit Urteil vom 14. Juli 2015 hat das Sozialgericht Nordhausen die Klage abgewiesen. Eine relevante Exposition im Zeitraum von 1988 bis 2009 könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Der Präventionsdienst der Beklagten habe in Auswertung sämtlicher Arbeitsverhältnisse der Klägerin eine derartige Exposition nachvollziehbar verneint. Im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Fachschule N. habe die Klägerin in der Zeit von 1988 bis 1999 während der praktischen Ausbildung lediglich zu 20 % ihrer Arbeitszeit Tätigkeiten am Behandlungsstuhl ausgeübt. Mangels Messungen vor Ort müsse von der Einhaltung der heute gültigen Kurzzeitwertanforderungen ausgegangen werden. Für die Zeit von 1991 bis 2009 könne eine relevante Arbeitsplatzexposition ebenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Zwei Ärzte hätten Amalgam als Füllung gar nicht verwendet. Die übrigen Ärzte hätten vorgefertigte Amalgamkapseln zum Einsatz gebracht.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie habe im Rahmen der Ausbildung von 1988 bis 1991 nicht zu 80 % Verwaltungstätigkeit ausgeübt. Die Ausbildung sei vielmehr so verlaufen, dass in 14-tägigen Blöcken entweder eine Theorieausbildung in der Fachschule selbst oder eine Ausbildung in der Poliklinik in Berufspraxis erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Juli 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2012 aufzuheben und festzustellen, dass eine BK 1102 vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil.
Der Berichterstatter des Senats hat die Arbeitskollegin der Klägerin in den Jahren 1988 bis 1991 - die Zeugin H. - über den Ablauf der Ausbildung gehört. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift in der Gerichtsakte verwiesen. Daraufhin hat der Präventionsdienst der Beklagten am 6. April 2017 eine weitere Stellungnahme abgegeben. Darin führt dieser aus, dass für den Zeitraum 1988 bis 1991 für den Fall, dass man von 1.800 neu gelegten Amalgamfüllungen im Jahr ausgehe und das Anmischen mit der Lederläppchenmethode berücksichtige, die Werte einen durchschnittlichen Arbeitsumfang für Arbeitsplätze dieser Art in Zahnarztpraxen zur damaligen Zeit darstellten. Daher seien die in der Literatur beschriebenen Schichtmittelwerte als Vergleichsmaterial geeignet. Die Literaturwerte zu manuellen Mischtechniken könnten herangezogen werden. Das Nachkneten sei immer der Folgeschritt des manuellen Anmischens. Aus den Angaben der Versicherten ergebe sich kein ungewöhnlich hoher Umfang der Amalgamverarbeitung. Im Rahmen ihrer ca. dreijährigen Ausbildungszeit habe die Versicherte etwa drei Jahre lang zu 50 % praktisch am Stuhl gearbeitet. Sie sei daher insgesamt 1,5 Jahre lang einer Quecksilberbelastung ausgesetzt gewesen. Nach allen vorliegenden Erkenntnissen müsse von der Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes ausgegangen werden. In der ehemaligen DDR habe ein im Vergleich zur Bundesrepublik niedrigerer Grenzwert von 5 µg/m³ bzw. 50 µg/m³ ab 1986 gegolten.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass Arbeitsplatzgrenzwerte keineswegs eingehalten worden seien. Sie habe bis zu 25 Amalgamfüllungen täglich herausgebohrt und zwar ohne geeignete Schutzmaßnahmen. Hierbei seien quecksilberhaltige Dämpfe entstanden. Ein Grenzwert, der Sicherheit gewährleiste, existiere nicht, das gelte auch für im zahnärztlichen Bereich Tätige. Die Ausführungen der Neurologin Dr. K. in ihrem Gutachten seien nach wie vor überzeugend. Es liege eine Berufskrankheit, verursacht durch Quecksilber im Sinne der BK 1102 vor. Die Gesamt-MdE betrage 50 - 60 v.H. Auch unterhalb eines Grenzwertes könne eine Berufskrankheit entstehen. Die angebliche Intoxikationsphobie laut Prof. H. sei in Wahrheit eine PTBS nach 30-jähriger Quecksilberbelastung beruflicher Art.
Der Senat hat Sachverständigengutachten der Neurologin Dr. K. vom 9. November 2015 und des Psychiaters Dr. B. vom 31. Mai 2017 aus einem Verfahren mit der gesetzlichen Renten-versicherung Az.: S 16 R 1037/13 beigezogen. Dr. K. diagnostiziert eine MCS-Erkrankung bei der Klägerin; Dr. B. eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung bei anhaltendem hypochondrischen Wahnsystem. Die Klägerin sieht durch die Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. eine Verursachung ihrer Erkrankungen durch Noxen am Arbeitsplatz als belegt an. Die von Dr. B. angenommene Traumatisierung in der Kindheit sei unzutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvor-gang, die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens S 10 U 7612/10, welche Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 143, 151 SGG) hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung einer BK 1102 abgelehnt.
Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versi-cherter bei einer in den §§ 2, 3 und 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet. Nach § 1 der BKV sind Berufskrankheiten die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten (sogenanntes Listenprinzip). In der Anlage 1 zur BKV vom 31.10.1997 (BGB I, S. 2623), die sich insoweit nicht mehr geändert hat, ist die BK 1102 als "Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen" bezeichnet.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 1102 der Anlage 1 zur BKV liegen nicht vor. Rechtsgrundlage für die Anerkennung dieser BK ist § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. BK Nr. 1102. BK Nr. 1102 lautet: "Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen". Der Tatbestand der BK 1102 enthält darüber hinaus weder normative Vorgaben in Form einer Mindestdosis oder Mindestdauer der Einwirkung noch eine inhaltliche Eingrenzung der möglichen Krankheitsbilder. Nach § 9 Abs. 1 S 1 SGB VII sind Berufskrankheiten nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Für die Feststellung einer Listen-BK ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Die Voraussetzungen der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 26, Rn. 10 mwN.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.
Die Klägerin arbeitete von 1988 bis 2009 als Beschäftigte in Zahnarztpraxen. In dieser Tätigkeit war sie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung. Während und aufgrund dieser versicherten Tätigkeit unterlag sie den im Tatbestand der BK Nr. 1102 genannten Einwirkungen "Quecksilber und seinen Verbindungen" durch den Kontakt mit Amalgam in grundsätzlicher Form.
Die in Zahnarztpraxen grundsätzlich verwandten Amalgamfüllungen sind Legierungen des Quecksilbers mit Silber und gegebenenfalls Kupfer. Nach den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen (vgl. Merkblatt zur BK 1102, abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, BKV, Komm., Stand Januar 2017, M 1102, Ziff. 3.5) entstehen Quecksilberintoxikationen im Zahnarztbereich durch die allgemeine Raumbelüftung in Praxisräumen durch Quecksilberverschmutzungen, das Amalgamansetzen, das Entfernen oder Neumischen von Amalgamfüllungen und das Ausdünsten aus allen Bauteilen, die mit Amalgam in Kontakt kommen. Nach Auswertung aller medizinischen Unterlagen und insbesondere des Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. D. bzw. Prof. Dr. Sch. ist bei der Klägerin von folgenden Diagnosen auszugehen: 1. Verdacht auf rezidivierende Pansinusitis. 2. Verdacht auf psychosomatische Beschwerden/Depression. 3. Neurologische Auffälligkeiten im Bereich der linken Körperhälfte bei der körperli-chen Untersuchung. 4. Tachykardie, auskultatorisch Systolikum. 5. Verdacht auf Lungenüberblähung. 6. Leichte Eosinophilie. 7. Leukozyturie, Proteinurie.
Keine dieser Erkrankungen ist in dem beschriebenen Sinne durch Quecksilber verursacht. Zu beachten ist, dass es sich bei der BK Nr. 1102 um einen sogenannten offenen BK-Tatbestand handelt, der unter anderem keine konkrete Erkrankung benennt, die bei den Versicherten diagnostiziert werden muss, um den BK-Tatbestand bejahen zu können. Anerkennungsfähig sind deshalb alle Krankheiten, die durch die benannten Einwirkungen potentiell verursacht werden können (BSG, Urteil vom 30. März 2017, B 2 U 6/15 R; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015, B 2 U 11/14 R, BSGE 120, 230).
Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Berufskrank-heitenrecht wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung die Theorie der wesentli-chen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn auf dieser sog ersten Stufe feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier die Einwirkung durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Ursache der Krankheit ist, stellt sich auf der sog zweiten Stufe die Frage, ob die Einwirkung auch rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr ist (BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 6/15 R –, Juris).
Hinsichtlich der gesichert vorliegenden Beschwerden der Klägerin im Bereich der Nasenne-benhöhlen bzw. des Kiefers im Sinne einer chronischen Sinusitis bzw. rezidivierenden Pansinusitis ist zu beachten, dass nach dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. vom 1. April 2014 mögliche allergische Reaktionen durch Quecksilber ausgeschlossen sind. Sie haben insoweit ausdrücklich ausgeführt, dass eine Allergie gegenüber Quecksilber bzw. Amalgam nicht mit der geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit als Ursache für in der Vergangenheit geklagte Beschwerden angesehen werden kann. Dies steht im Einklang mit den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. H., der in seinem im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der BK 4301 bzw. 4302 eingeholten Gutachten vom 1. April 2010 ausgeführt hat, dass Quecksilber keine Typ-I allergischen Reaktionen an der Bronchialschleimhaut und/oder an der Haut hervorruft. Dies wird auch durch den Sachverständigen und HNO-Arzt Prof. Dr. G.-L. in seinem Gutachten vom 10. Juli 2012 im Verfahren S 10 U 7612/10 bestätigt, wonach die bei der Klägerin vorliegenden chronischen Nasennebenhöhlenerkrankungen auf einer allergischen Typ-I Reaktion basieren können. Jedoch führt Quecksilber nach seinen Ausführungen im Einklang mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand in der Form von Amalgam nicht zu einer Typ-I Allergiereaktion. Prof. Dr. G.-L. führt sodann weiter aus, dass auch bei einer chronischen Vergiftung mit Amalgam eine Nasennebenhöhlenerkrankung in der Literatur nicht beschrieben ist. Ferner weist er noch darauf hin, dass bei der Klägerin eine Belüftungsstörung der Nase anatomischer Natur vorliegt, welche auch mit Allergien in Verbindung gebracht werden kann. Hinsichtlich der weiteren bei der Klägerin diagnostizierten Erkrankungen wie u.a. Verdacht auf Lungenüberblähung, Tachykardie, Systolikum, Nykturie, Husten, Eosinophilie, Leukozyturie, Proteinurie ist festzuhalten, dass diese ebenfalls nicht potentiell durch Quecksilber verursacht werden können. Insoweit haben die Sachverständigen Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. eine Abklärung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung empfohlen. Dies steht im Einklang mit dem Merkblatt zur BK 1102. Keine der genannten Erkrankungen ist dort als typisch für eine quecksilberbedingte Erkrankung aufgeführt. Somit verbleibt als Diagnose, die hinsichtlich der BK 1102 relevant ist, ausschließlich die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen auf neurologischem Fachgebiet, insbesondere des Nervensystems. In diesem Zusammenhang ist darauf abzustellen, dass anlässlich einer stationären Behandlung im Mai/Juni 1992 an der Universität G. eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems ausgeschlossen wurde. Es wurde vielmehr die Diagnose psychosomatischer Beschwerden gestellt. Hinsichtlich der Frage, ob auf neurologischem Gebiet Folgen einer Quecksilberintoxikation vorliegen, ist nach den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. entscheidend, ob eine relevante berufliche Belastung durch Quecksilber festzustellen ist. Dies bezieht sich vor allen Dingen auf den Zeitraum 1988 bis 1991, der zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens noch nicht durch eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes unterlegt war. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach dem Merkblatt für die BK 1102 (abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand Januar 2017, Ziff. 3.5.) nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht eindeutig feststeht, ob aus Amalgamfüllungen freigesetzte Metalle ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorrufen können. Ausgehend von den Ergebnissen der weiteren Ermittlungen hinsichtlich der Situation am Arbeitsplatz im Rahmen der Aus-bildung von 1988 bis 1991 ist der Präventionsdienst der Beklagten zu dem Ergebnis gekom-men, dass der Arbeitsplatzgrenzwert eingehalten worden ist. Diesem kommt nach dem Merkblatt zur BK 1102 eine erhebliche Bedeutung zu. Danach beträgt die zulässige maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) hinsichtlich Quecksilbers 100 µg/m³ Raumluft. Nach der wissenschaftlichen Untersuchung "Quecksilber in Zahnarztpraxen": Stand August 2010, ist für die Beurteilung von Gefahrstoffkonzentrationen ein Stoffindex zu errechnen, der sich als Verhältnis aus der ermittelten Konzentration und dem Grenzwert ergibt. Daraus ergibt sich ein Stoffindex für Quecksilber von kleiner/gleich 0,1 g bzw. 100 µg/m³ Raumluft. Dann kann davon ausgegangen werden, dass der jeweilige Gefahrstoffgrenzwert dauerhaft eingehalten ist. Dies war nach der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 6. April 2017, die im Übrigen von der gleichen Verfasserin wie der Quecksilberreport verfasst worden ist, auch für die Verhältnisse in den Jahren 1988 - 1991 der Fall. Die Beweisergebnisse aus der durchgeführten Beweisaufnahme wurden dabei verwertet. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Ausbildung etwa 1,5 Jahre lang einer Quecksilberbelastung ausgesetzt war. Wesentlich ist, dass ein Zusammenhang zwischen der Art der Mischtechnik und dem gemessenen Quecksilbergehalt der Luft nicht festgestellt wurde. Insoweit haben Untersuchungen aus dem Jahre 1964 aufgezeigt, dass der durchschnittliche Schichtmittelwert bei manueller Anmischung bei 0,01 µg/m³ Raumluft lag. Insoweit braucht der Senat nicht darauf einzugehen, inwieweit in der ehemaligen DDR aufgrund des niedrigeren Grenzwertes von einem besonders hohen Schutzniveau auszugehen ist. Diesen Feststellungen ist die Klägerin nicht nachhaltig entgegengetreten. Auch dem Senat stehen weitere Ermittlungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht nicht mehr zur Verfügung. Daraus folgt, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Umgang der Klägerin mit Amalgam bzw. Quecksilber und den bei ihr festge-stellten neurologischen Ausfallerscheinungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Entsprechend den Ausführungen im Sachverständigengutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Sch. ist die Einholung eines neurologischen Gutachtens daher nicht erforderlich.
Die Ausführungen von Dr. K. in ihrem Gutachten sowohl im Verfahren der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in diesem Verfahren überzeugen hingegen bereits deshalb nicht, da sie selbst ausführt, dass die bei der Klägerin bestehende Symptomatik anders als durch Annahme beruflicher Belastungen nicht hinreichend erklärbar sei. Dies widerspricht den Beweisgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung. Danach muss ein Ursachenzusammenhang hinreichend belegt sein. Soweit sie die Probleme im Bereich der Nasennebenhöhlen und des Bronchialsystems mit Amalgam in Verbindung bringt, ist dies durch die Gutachten von Prof. Dr. D., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. G.-L. widerlegt. Danach kann nach dem gesicherten medizinischen Erkenntnissand Quecksilber keine Typ-I allergischen Reaktionen an der Bronchialschleimhaut und/oder an der Haut oder eine Nasennebenhöhlenerkrankung hervorrufen. Inwieweit Dr. B. und seinen Ausführungen im Gutachten vom 31. Mai 2017 zu folgen ist, dass die Klägerin an einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung bei anhaltendem hypochondrischen Wahnsystem leidet, kann offenbleiben. Jedenfalls ergeben sich deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Ängste vor Amalgam entwickelt hat, die im psychiatrischen Fachgebiet zu verorten sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
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Aus
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