L 1 U 1556/18

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 9 U 460/17
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1556/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
L 1 U 1556/18
Anl. 1 Nr. 4302 BKV, § 9 Abs. 1 SGB 7

Gesetzliche Unfallversicherung - Berufskrankheit gem. BKV Anl. 1 Nr. 4302 - obstruktive Atemwegserkrankung - Krankheitsbild - COPD - haftungsbegründende Kausalität - Nachweis - Theorie der wesentlichen Bedingung - Bitumen-Exposition - Straßenbauarbeiter - Erreichen bestimmter Grenzwerte - plausibler zeitlicher Zusammenhang - Voraussetzungen einer Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolger - Abänderung oder Ergänzung der Kostenentscheidung der Vorinstanz von Amts wegen - Reformatio in peius -

1. Nach neueren wissenschaftlichen Untersuchungen ist von einer potentiell chemisch-irritativen Wirkung der Bitumendämpfe und Aerosole auf die Atemwege auszugehen.

2. Der Verordnungsgeber hat bei der Berufskrankheit 4302 hinsichtlich der erforderlichen Einwirkungen von chemisch-irritativen oder toxischen Stoffen keinen Schwellenwert festgeschrieben, der Voraussetzung für eine Anerkennung der BK 4302 ist. Die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit zwischen Exposition und Erkrankung setzt einen plausiblen zeitlichen Zusammenhang zwischen der stattgehabten Exposition und dem Beginn sowie dem Verlauf der Erkrankung voraus.

3. Eine Kostenprivilegierung im Sozialgerichtsprozess als Sonderrechtsnachfolger setzt voraus, dass fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen Streitgegenstand sind (Anschluss an BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2016 – B 2 U 45/16 B).

4. Das Rechtsmittelgericht ist zu einer Abänderung oder Ergänzung der Kostenentscheidung der Vorinstanz von Amts wegen befugt. Das Verbot der Reformatio in peius gilt insoweit nicht.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Okto-ber 2018 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für beide Rechtszüge wird jeweils auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4302 (durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursäch-lich waren oder sein können) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen ist und Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren sind.

Die Klägerin ist die Witwe des 1950 geborenen und am 28. Oktober 2014 an den Folgen einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) verstorbenen Versicherten. Sie lebte zur Zeit seines Todes mit dem Versicherten in einem Haushalt. Der Versicherte war nach Absolvierung einer Lehre bei der LPG und des Wehrdienstes bei der NVA von 1972 bis 1975 im Straßenbau als Asphaltierer tätig. Von 1975 bis 1987 schloss sich eine Tätigkeit im Großhandel H. als Lagerist und von 1987 bis 1990 eine Tätigkeit im VEB Obstbau an. Nach einer kurzen Tätigkeit von 1990 bis 1991 in einer Schreinerei war der Versicherte von 1991 bis 2001 im Straßenbau tätig. 1999 wurde bei dem Versicherten eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung festgestellt. Er beantragte am 7. Februar 2013 bei der damals zuständigen VBG die Anerkennung einer Berufskrankheit. Diese leitete den Antrag zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter. Die Beklagte leitete ein Verfahren hinsichtlich der Berufskrankheit BK Nr. 4302 ein und zog medizinische Befunde bei. In einer Stellungnahme vom 10. April 2013 schilderte der Versicherte seinen beruflichen Werdegang von 1964 bis 2008 und in einem Gespräch am 3. Februar 2014 die Einzelheiten seiner jeweiligen beruflichen Tätigkeit von 1964 bis 2013. Mit Schreiben vom 31. März 2014 teilte die Beklagte der VBG die Übernahme der Bearbeitung des Falles mit. Am 4. Juli 2014 fand zuhause beim Versicherten ein erneutes Gespräch zwischen diesem und einem Mitarbeiter des Technischen Aufsichtsdienstes der BG Bau über die Art und Weise seiner Tätigkeit in den Jahren 1972 bis 1975 und 1991 bis 1998 hinsichtlich der Mitgliedsfirmen statt, die dem Zuständigkeitsbereich der BG Bau unterfallen. Daraufhin führte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) in einer Stellungnahme vom 29. August 2014 aus, dass die Beurteilung, ob die ermittelten Expositionen für eine BK Nr. 4302 ausreichten, dem medizinischen Gutachter obliege. Kontakt zu Bitumen habe der Versicherte beim Einbau von Schwarzdecken im Freien von April bis Dezember in den Jahren von 1972 bis 1975 an zwei bis drei Tagen die Woche und von April 1991 bis Dezember 1995, Juli 1996 bis Januar 1997 und April 1997 bis Januar 1998 täglich gehabt. Von 1972 bis 1995 sei beim Mischen von Beton gelegentlich auch Kontakt zu Zement entstanden.

Daraufhin schlug die Beklagte mit Schreiben vom 10. September 2014 dem Versicherten zwei Sachverständige zur Auswahl nach § 200 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) vor. Die Prozessbevollmächtigte des Versicherten benannte mit Schriftsatz vom 22. September 2014 den Arzt für Lungenheilkunde Dr. Pf. in Bad N. Aufgrund des Todes des Versicherten am 28. Oktober 2014 konnte eine persönliche Untersuchung desselben durch den Sachverständigen nicht mehr stattfinden.

Deshalb beauftragte die Beklagte am 20. Januar 2015 Dr. Pf. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage. Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2015 teilte die Prozessbevollmächtigte mit, dass die Klägerin das Verfahren zur Überprüfung des Vorliegens einer Berufskrankheit fortsetzen möchte. Dr. Pf. zeigte der Beklagten an, dass er aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage sei, das Gutachten zu erstellen. Daraufhin hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 10. März 2015 erneut zur Gutachterauswahl an. Mit Schriftsatz vom 9. April 2015 schlug die Klägerin Prof. Dr. O. als Sachverständigen vor, der von der Beklagten beauftragt wurde. In seinem Gutachten nach Aktenlage vom 5. Mai 2015 bejahte Prof. Dr. O. eine ausreichende Exposition im Sinne der BK 4302 im Fall des Versicherten. Hier sei insbesondere die Exposition gegenüber Bitumen zu nennen, die zur Entwicklung einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung führen könne. Konkurrierende Faktoren wie stärkeres inhalatives Rauchen seien nicht zu erkennen. Die schwere chronisch obstruktive Atemwegserkrankung sei der BK Nr. 4302 zuzuordnen. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 24. Juni 2015 gegen seine Ausführungen verschiedene Einwände erhoben hatte, führte Prof. Dr. O. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. Juli 2015 aus, dass bereits Ende 1998 beim Versicherten ein schweres Lungenemphysem mit hochgradiger Obstruktion vorgelegen habe. Der Beginn der Erkrankung müsse also Jahre zurückliegen und habe sicher zum Zeitpunkt der Exposition bereits bestanden. Unter Hinweis auf vorliegende Berichte der H. Kliniken vom 16. Juli 2008 ergäben sich erhebliche Anhaltspunkte für einen nicht unerheblichen Nikotinmissbrauch durch den Versicherten. Daher seien weitere Angaben zum Nikotinkonsum erforderlich. Daraufhin übermittelte die Beklagte dem Sachverständigen verschiedene Auszüge aus Krankenhausberichten hinsichtlich des Nikotinkonsums des Versicherten. Ebenso wurde ein Reha-Entlassungsbericht aus dem Jahre 2013 vorgelegt, wo von einem langjährigen chronischen Niktotinabusus die Rede ist. Nach Vorlage dieser Unterlagen führte Prof. Dr. O. in einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 16. Oktober 2015 aus, dass der Nikotinkonsum sehr viel stärker ausgeprägt gewesen sei, als von dem Versicherten selbst angegeben. Ein solcher Nikotinkonsum sei durchaus in der Lage eine obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen oder wesentlich zu verschlimmern. Demgegenüber müsse die Exposition im Sinne der BK 4302 als nicht sehr ausgeprägt eingestuft werden. Wesentlich sei die Exposition gegenüber Bitumen im Zeitraum 1972/75 an zwei bis drei Tagen pro Woche sowie täglich von 1991 bis 1998. Insgesamt liege daher eine leichtgradige Exposition im Sinne der BK 4302 vor. Der Nikotinkonsum sei daher als Schädigungsfaktor dominierend. Mit Stellungnahme vom 13. Januar 2016 lehnte die Gewerbeärztin Dr. W. die Anerkennung einer BK 4302 ab. Ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Bitumen und dem Beginn der Erkrankung könne nicht wahrscheinlich gemacht werden.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2016 lehnte die Beklagte sinngemäß die Anerkennung einer BK 4302 ab. Sie verneinte einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu Lebzeiten des Versicherten, der auf die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin hätte übergehen können. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Versicherte nicht an den Folgen einer Berufskrankheit verstorben sei und deshalb kein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestehe. Die Atemwegsbeschwerden des Versicherten seien nicht durch berufsbedingte Einwirkung verursacht oder richtungsgebend verschlimmert worden. Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten daher nicht gewährt werden. Ein zeitlich plausibler Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Bitumen und dem Beginn und Verlauf der Erkrankung sei nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Zudem komme der Sachverständige Prof. Dr. O. zu dem Schluss, dass der Nikotinkonsum durchaus in der Lage gewesen sei, die Erkrankung auszulösen. Ein Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2017 zurückgewiesen. Erneut wurde ein zeitlich plausibler Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung verneint.

Hiergegen hat die Klägerin am 13. März 2017 Klage erhoben. Der Nikotinkonsum des Versicherten sei nicht als dominierender Schädigungsfaktor anzusehen. Die Ermittlungen der Beklagten zu Art und Umfang des Nikotinkonsums seien nicht zutreffend. Das Sozialgericht hat den Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 18. September 2017 aus, dass die Schadstoffexposition gegenüber Bitumen als wesentliche Ursache für die Entwicklung der COPD beim Versicherten angesehen werden könne. Zumindest seien diese eine Teilursache für die BK 4302. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Nikotinkonsums. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S. widersprach diesen Feststellungen in einer Stellungnahme vom 7. November 2017. Aufgrund der wechselnden Arbeitsverhältnisse des Versicherten seien längere Zeitabschnitte vorhanden gewesen, in denen Schadstoffeinwirkungen im Sinne der BK 4302 nicht festzustellen seien. Daher sei eine Exposition im Sinne der BK Nr. 4302 seit dem Jahre 1972 nur mit größeren Unterbrechungen festzustellen. Der Versicherte habe sich erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung bei einem Arzt vorgestellt, als die Erkrankung bereits einen deutlichen Schweregrad erreicht habe. Die Angaben zum Nikotinkonsum seien sehr unterschiedlich. Insgesamt fehlten Hinweise für einen Bezug von Atembeschwerden zur beruflichen Tätigkeit und insbesondere zu bestimmten Einwirkungen im Rahmen unterschiedlicher Verrichtungen. Ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen der Exposition und dem Beginn sowie dem Verlauf der Erkrankung sei nicht nachzuweisen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 17. Januar 2018 führte der Sachverständige Dr. K. dazu aus, dass eine ausreichende Exposition im Sinne der BK 4302 ausweislich der verschiedenen TAD-Berichte vorgelegen habe. Die berufliche Ursache sei jedenfalls wesentliche Teilursache. Insoweit komme es auf das Rauchverhalten des Versicherten im Einzelnen nicht an. In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 20. März 2018 hielt der Beratungsarzt Dr. S. daran fest, dass ein arbeitskongruenter Verlauf nicht nachzuweisen sei. Dies sei auch jenseits der Diskussion über das Rauchverhalten des Versicherten festzuhalten. Nicht jede Exposition im Sinne der BK 4302 führe zwangsläufig zur Anerkennung einer Berufskrankheit. Nach den Reichenhaller Empfehlungen sei dem arbeitskongruenten Verlauf große Bedeutung zuzumessen. Dem Zeit-punkt des erstmaligen Auftretens von Beschwerden zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Exposition und Auftreten sei nachzugehen.

Durch Urteil vom 29. Oktober 2018 hat das Sozialgericht Meiningen die Klage abgewiesen. Die Anerkennung einer BK 4302 scheitere daran, dass für den Zeitraum 1975 bis 1991 Brückensymptome für die sich später entwickelnde COPD fehlten. Sowohl aus dem Sozialversicherungsausweis des Versicherten als auch seinen eigenen Angaben ergäben sich keine An-haltspunkte für Atemwegserkrankungen in dieser Zeit. Daher sei die Exposition im Zeitraum 1972 bis 1975 nicht für die 1998 gesichert vorliegende COPD verantwortlich zu machen. Die Exposition des Versicherten von 1991 bis 1998 könne die COPD bereits deshalb nicht verursacht haben, weil diese nach medizinischen Erkenntnissen schleichend sich über viele Jahre entwickle. Die Kammer habe außerdem erhebliche Zweifel daran, ob Bitumen überhaupt geeignet sei, eine COPD zu verursachen. Der Sachverständige Dr. K. habe zudem das seit dem Jugendalter ausgeübte Rauchen nicht ausreichend berücksichtigt. Seinen Ausführungen zur Teilursächlichkeit der beruflichen Belastung folge die Kammer ausdrücklich nicht. Eine wesentliche Verursachung der COPD durch berufliche Ursachen sei nicht festzustellen. Rauchen sei hauptursächlich für die Entstehung von COPD. Ein erheblicher Nikotinabusus sei beim Versicherten nachgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Das Sozialgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Versicherte nach erster Dokumentation seiner Atemwegserkrankung im Jahre 1998 bei verschiedenen Behandlungen mitgeteilt habe, dass es ihm im Zusammenhang mit irritativen Arbeitsstoffen, wie Teer, schlechter gehe. Ferner sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass der Versicherte im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit den Teer per Hand mit der Schaufel verladen habe. Er sei daher den Dämpfen unmittelbar ausgesetzt gewesen. Das Sozialgericht lasse mit seinen Ausführungen zum Rauchverhalten des Versicherten zudem die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unberücksichtigt, wonach eine rechtliche Wesentlichkeit der Einwirkung nicht allein deshalb verneint werden könne, weil eine außerberufliche Einwirkung wie das Rauchen ebenfalls geeignet sei, die Erkrankung des Versicherten hervorzurufen. Die COPD habe einen schleichenden Verlauf. Daher werde diese Erkrankung oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Oktober 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2017 aufzuheben und das Vorliegen einer BK 4302 der Anlage 1 zur BKV hinsichtlich des Versicherten anzuerkennen, für die Zeit bis zu dessen Versterben am 28. Oktober 2014 Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen und der Klägerin Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil des Sozialgerichts. Im Berufungsverfahren hat der Senat ein Gutachten nach Aktenlage der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. K. vom 29. November 2019 eingeholt. Diese führte darin aus, dass arbeitsmedizinisch relevante berufliche Expositionen für die Entstehung einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung in erster Linie die Exposition gegenüber den bei Asphaltierarbeiten aufgetretenen Bitumendämpfen und Aerosolen sei. Nach neueren Untersuchungen hätten bei Asphaltarbeiten entzündliche Veränderungen an den tieferen Atemwegen und geringe Lungenfunktionseinschränkungen nachgewiesen werden können, die mit denen bei Rauchern vergleichbar seien. Von einer potentiell chronisch-irritativen entzündlichen Wirkung von Bitumendämpfen und Aerosolen im Sinne der BK 4302 auf die unteren Atemwege sei daher aus-zugehen. Häufigste Ursache für die Entstehung einer COPD und eines Lungenemphysems sei mit fast 90 % das Rauchen. Weitere Faktoren seien die Einwirkung von Stäuben und chemisch irritativ wirkenden Stoffen sowie ein genetisch bedingter Mangel an Alpha-1-Antitrypsin. Das Vorliegen eines Alpha-1-Antitrypsinmangels sei laborchemisch mehrfach ausgeschlossen worden. Gehäufte Atemwegsinfekte vor Erkrankungsbeginn oder Entzündungen im Bereich der Nasen-Nebenhöhlen seien nicht dokumentiert. Die tatsächliche Höhe des Niktotinkonsums des Versicherten sei aus der Akte nicht eindeutig zu rekonstruieren. Der Versicherte sei als Asphaltierer beim Einbau von Schwarzdecken im Freien tätig gewesen und habe dort Kontakt zu Bitumendämpfen und Aerosolen in den Zeiträumen Mai 1972 bis April 1975 an zwei bis drei Tagen pro Woche sowie täglich von April 1991 bis Dezember 1995, Juli 1996 bis Januar 1997 und April 1997 bis Januar 1998 gehabt. Der Zeitraum umfasse insgesamt sieben Jahre, wobei Zeiten der Winterpause nicht berücksichtigt seien. Es bestünden aus arbeitsmedizinischer Sicht bereits erhebliche Zweifel, dass diese Exposition über weniger als sieben Jahre geeignet sei, eine so schwere Lungenerkrankung wie beim Versicherten hervorzurufen. Als außerberuflicher Risikofaktor für die Entstehung der COPD sei das langjährige Rauchen anzusehen. Der Tabakkonsum des Versicherten sei durchaus geeignet, eine Erkrankung in diesem Ausmaß zu verursachen. Relevant für die Beurteilung, ob die beim Versicherten bestehende Atemwegserkrankung durch berufliche Exposition gegenüber den Bitumendämpfen als Asphaltierer verursacht wurde, sei der zeitliche Verlauf der Atemwegserkrankung im Bezug zur beruflichen Exposition. Die erste Dokumentation bezüglich der Atemwegserkrankung sei am 1. Dezember 1998 erfolgt. Bereits damals sei ein schweres Lungenemphysem dokumentiert worden. Dieser Befund deute auf eine bereits weit fortgeschrittene Erkrankung hin. Aus medizinischer Sicht könne das 1998 bereits ausgeprägt vorhandene Lungenemphysem nicht auf die berufliche Exposition zu den Bitumendämpfen ab 1991 zurückgeführt werden. Die eher geringe und kurzzeitige berufliche Belastung durch Bitumendämpfe in den 70-er Jahren sei für die Entstehung eines so schweren Lungenemphysems nicht anzuschuldigen. Gegen eine berufliche Verursachung der Lungenerkrankung spreche außerdem, dass es ab 2008 zu einer rasch fortschreitenden Progredienz der Lungenerkrankung gekommen sei, obwohl die berufliche Exposition gegenüber Bitumendämpfen bereits seit Januar 1998 beendet gewesen sei. Daher könne ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen der Exposition und dem Beginn und Verlauf der Erkrankung nicht festgestellt werden.

Die Beklagte hält die Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. für nachvollziehbar und sieht dadurch ihre Entscheidung bestätigt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Sachverständige nicht hinreichend berücksichtig habe, dass der Versicherte während seiner Tätigkeit im Straßenbau bei der Bezirksdirektion für Straßenwesen S. in den 70-er Jahren den Teer selbst im Teerwagen habe abholen müssen. Dies sei auch so dem Präventionsdienst durch den Versicherten selbst mitgeteilt worden. Der Versicherte habe im Rahmen des Abholvorgangs mit seinen normalen Arbeitsschuhen in dem heißen Teergut stehen müssen. Auch beim Entladen sei ein direkter Kontakt zu den Teerdämpfen vorhanden gewesen. Die Sachverständige habe diese verhältnismäßig starke Exposition nicht hinreichend ihren Ausführungen zugrunde gelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht Meiningen hat die Klage gegen den Bescheid vom 23. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2017 zu Recht abgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung des Vorliegens einer BK 4302 hinsichtlich des Versicherten, einen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen für den Zeitraum bis zu dessen Tod am 28. Oktober 2014 und einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen verneint. Zulässige Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Verpflichtungsklage.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte das Vorliegen eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV hinsichtlich des Versicherten anerkennt.

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer in den §§ 2, 3 und 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet. Nach § 1 der BKV sind Berufskrankheiten die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten (sogenanntes Listenprinzip).

Für die Feststellung einer Listen-BK ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 11/14 R, nach Juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach Juris). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.

Zwar war der Versicherte vor seinem Tod am 28. Oktober 2014 an einer obstruktiven Atem-wegserkrankung im Sinne der BK 4302 erkrankt. Jedoch kann nicht festgestellt werden, dass diese Erkrankung mit der zu fordernden hinreichenden Wahrscheinlichkeit durch berufsbedingte Einwirkungen im Sinne der BK 4302 verursacht worden ist.

Für die Feststellung einer BK 4302 ist Voraussetzung, dass eine obstruktive Atemwegserkrankung im Vollbeweis gesichert ist. Die Krankheit "obstruktive Atemwegserkrankung" ist ein Sammelbegriff für verschiedene akute und chronische Krankheiten des bronchopulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen. Obstruktive Atemweg-serkrankungen beziehen sich auf eine Erkrankung der Bronchen oder der Lungen. Ist eine Obstruktion nicht vorhanden, sind die Voraussetzungen für eine obstruktive Atemwegserkrankung zu verneinen. Denn der Verordnungsgeber wollte nur Atemwegserkrankungen mit einem bestimmten Schweregrad erfassen (vgl. BSG vom 21.03.2006, B 2 U 24/04 zitiert nach Juris Rn. 14). Unter den Begriff obstruktive Atemwegserkrankungen im Sinne der BK 4302 fallen insbesondere die Krankheitsbilder Asthma bronchiale und chronic obstructive pulmonary disease (COPD), wobei der Begriff COPD für eine chronisch obstruktive Bronchitis mit oder ohne relevantes Emphysem steht (Schönberger /Mehrtens /Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 1111 ff.). Die unspezifische bronchiale Hyperirritabilität bzw. Hyperreagibilität, die eine Variante der normalen Eigenschaft der Bronchialschleimhaut sind und eine Übersteigerung der Auslösbarkeit des Bronchialsystems darstellen, können die Lunge ebenfalls beeinträchtigen. Die unspezifische bronchiale Hyperreaktivität ist kein selbstständiges Krankheitsbild, sondern ein bedeutsames Merkmal der obstruktiven Atemwegserkrankung; als solcher wurde sie als wesentlicher Eigenschaftsbestandteil in die Begriffsdefinition der obstruktiven Atemwegserkrankung aufgenommen (Schönberger /Mehrtens /Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 1116).

Unter Würdigung aller vorliegenden Behandlungsberichte hinsichtlich des Versicherten und der in diesem Verfahren eingeholten Gutachten von Dr. K. und Dr. K. als auch des Verwaltungsgutachters Prof. Dr. O. steht fest, dass beim Versicherten eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne einer COPD vollbeweislich gesichert vorliegt. Beispielhaft ist insoweit nur auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. in ihrem Gutachten vom 29. November 2019 zu verweisen, wonach das Vorliegen einer chronisch obstruktive Atemwegserkrankung erstmals im Rahmen einer lungenfachärztlichen Vorstellung am 1. Dezember 1998 gesichert worden ist. Bereits damals lag ein schweres Lungenemphysem mit deutlich peripherer Obstruktion vor. Insbesondere ab dem Jahre 2008 ist die Erkrankung rasch fortge-schritten und machte wiederholt stationäre Aufenthalte, u.a. im Thorax Zentrum M., notwen-dig.

Darüber hinaus war der Versicherte chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen im Sin-ne der BK 4302 ausgesetzt gewesen. Insoweit teilt der Senat nicht die vom Sozialgericht Meiningen in seinem Urteil geäußerten Zweifel, ob Bitumen an sich überhaupt geeignet ist, eine COPD zu verursachen. Die Sachverständige Dr. K. hat in ihrem Gutachten vom 29. No-vember 2019 dargelegt, dass nach neueren wissenschaftlichen Untersuchungen von einer potentiell chemisch-irritativen Wirkung der Bitumendämpfe und Aerosole auf die Atemwege ausgegangen werden kann. Der Senat kann sich allerdings nicht die erforderliche Überzeugung verschaffen, dass die beim Versicherten vorliegende obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BK 4302 mit der zu fordernden hinreichenden Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Exposition verursacht worden ist. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4302 im Fall des Versicherten liegen dabei grundsätzlich vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber bei der Berufskrankheit 4302 hinsichtlich der erforderlichen Einwirkungen von chemisch-irritativen oder toxischen Stoffen gerade keinen Schwellenwert festgeschrieben hat, der Voraussetzung für eine Anerkennung der BK 4302 ist (vgl. zur BK 1103 insoweit BSG, Urteil vom 30. März 2017, B 2 U 6/15 R, BSGE 123/24-35). Die Anerkennung dieser BK ist damit nicht von der Erreichung bestimmter Grenzwerte abhängig gemacht. Die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit zwischen Exposition und Erkrankung ist hier aber deshalb zu verneinen, weil ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen der stattgehabten Exposition und dem Beginn sowie dem Verlauf der Erkrankung nicht festgestellt werden kann.

Hinsichtlich der stattgehabten Exposition geht der Senat aufgrund der im Verwaltungsverfahren durchgeführten Ermittlungen davon aus, dass der Kläger in den Jahren 1972 bis 1975 und 1991 bis 1998 einer Exposition gegenüber Bitumendämpfen und Aerosolen ausgesetzt war. Der Senat bezieht sich insoweit auf das Gesprächsprotokoll vom 7. Juli 2014 hinsichtlich eines am 4. Juli 2014 zwischen einer Mitarbeiterin des Technischen Aufsichtsdienstes der BG Bau und dem Versicherten in Anwesenheit der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin geführten Gesprächs zuhause. Daraus ergibt sich, dass der Versicherte von Mai 1972 bis April 1975 bei der Bezirksdirektion für Straßenwesen S. tätig war. In den Wintermonaten war er als Einsatzleiter tätig. Zu einer Bitumenbelastung ist es in diesem Zeitraum nicht gekommen. Im Zeitraum von April bis Mitte Dezember erfolgte an bis zu drei Tagen der Einbau von Heißteer zur Ausbesserung von Straßenbelägen bzw. im Rahmen des Neubaus. Das Mischgut wurde von der Mischanlage in H., gelegentlich auch von M. geholt. Die Einbautemperatur lag bei 70/80 °C. Die übrige Zeit bediente er ca. drei bis vier Stunden am Tag einen Bagger oder half beim Verlegen von Betonrohren. Hinsichtlich der Tätigkeit bei drei Firmen im Zeitraum April 1991 bis Januar 1998 wird auf die Angaben in dem Gesprächsprotokoll verwiesen. Hinsichtlich der sonstigen beruflichen Tätigkeiten kann eine Exposition gegenüber chemisch- irritativen oder toxischen Stoffen im Sinne der BK 4302 nicht festgestellt werden.

Unter Zugrundelegung dieser tatsächlichen Feststellungen hat die Sachverständige Dr. K. in ihrem Gutachten vom 29. November 2019 ausgeführt, dass das 1998 bereits ausgeprägt vorliegende Lungenemphysem beim Versicherten nicht auf die berufliche Exposition zu den Bitumendämpfen ab 1991 zurückgeführt werden könne. Zur Begründung führt sie im Einklang mit dem medizinischen Erkenntnisstand aus, dass eine chronisch obstruktive Bronchitis allmählich progredient verläuft und über Jahrzehnte zu einer manifesten Obstruktion der Atemwege und zur Entwicklung eines Lungenemphysems führt. Da bereits bei der Lungenfunktionsanalyse Anfang Dezember 1998 eine hochgradige periphere Obstruktion und eine hochgradige alveoläre Überblähung festgestellt worden ist, ist ihre Schlussfolgerung, dass eine weit fortgeschrittene Erkrankung vorliegt, mehr als nachvollziehbar. Hinsichtlich der beruflichen Exposition in den Jahren 1972 bis 1975 hat die Sachverständige Dr. K. ebenfalls nachvollziehbar einen hinreichenden Zusammenhang mit der Erkrankung an COPD ab dem Jahre 1998 verneint. Sie hat insoweit in ihrem Gutachten vom 29. November 2019 ausgeführt, dass die geringe kurzzeitige berufliche Belastung durch Bitumendämpfe in diesen Jahren für die Entstehung eines so schwer ausgeprägten Lungenemphysems nicht anzuschuldigen sei. Sie hat dabei hinsichtlich möglicher Verlaufsformen (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 1115) dargelegt, dass chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe im Sinne der BK 4302 entweder zu einem akuten Krankheitsbild mit massiver Einwirkung mit Reversibilität der Symptome oder Irreversibilität der Symptome oder einem schleichendem beginnenden Krankheitsbild nach chronischer Einwirkung ebenfalls mit Reversibilität oder Irreversibilität der Symptome führen können. Insoweit ist nach dem geltenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand in Analogie zur COPD des Rauchers ein direkter Arbeitsbezug der Beschwerden bei obstruktiven Atemwegserkrankungen nicht zu fordern, vielmehr kann auch von einem chronischen Summationsschaden ausgegangen werden (vgl. Positionspapier der DGAUM zur Diagnostik und Beurteilung obstruktiver Atemwegserkrankungen durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe, ASU 43 2008, S. 516/519). Voraussetzung hierfür ist eine bestimmte Expositionshöhe und Dauer. Diese Forderung der Sachverständigen steht ebenfalls mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand in Einklang (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 1111 ff.). Auch die Gewerbeärztin Dr. W. und der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S. haben entsprechende Anforderungen gestellt und dargelegt, dass ein plausibler zeitlicher Zusammenhang zwischen der Exposition und dem Beginn sowie dem Verlauf der Erkrankung nicht festgestellt werden kann. Zuletzt ist noch darauf hinzuweisen, dass die Sachverständige Dr. K. in ihrem Gutachten dargelegt hat, dass es ab 2008 zu einer rasch fortschreitenden Progredienz der Lungenerkrankung des Versicherten gekommen ist, obwohl eine Exposition ge-genüber Bitumendämpfen bereits seit Januar 1998 beendet war. Auch dies stellt keinen zeitlich plausiblen Verlauf dar.

Inwieweit die weiteren Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. in ihrem Gutachten vom 29. November 2019, wonach davon auszugehen ist, dass die COPD im Fall des Versicherten wesentlich auf seine langjährigen Rauchgewohnheiten zurückzuführen sind, zutreffend ist, bedarf keiner Entscheidung durch den Senat. Zu beachten ist insoweit, dass, wie bereits ausgeführt, bei der BK 4302 der Verordnungsgeber keine Grenzwerte bestimmt hat. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass bei der Feststellung der rechtlichen Wesentlichkeit einer Ursache die unterschiedlichen Erkrankungsrisiken (Einwirkungen hier durch chemisch-irritative oder toxische Stoffe und durch Nikotinkonsum) nicht ausschließlich rein mathematisch gegenüber gestellt und abgewogen werden dürfen. Hintergrund hierfür ist, dass im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der Versicherte in dem gesundheitlichen Zustand geschützt wird, in denen er mit den gefährdenden Stoffen konfrontiert wird. Daher kann ein naturwissenschaftlicher Kausalzusammenhang zwischen einer beruflichen Einwirkung und einer Erkrankung nicht deshalb verneint werden, weil eine außerberufliche Einwirkung - hier der Nikotinkonsum - ebenfalls geeignet war, die Erkrankung des Versicherten hervorzurufen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30. März 2017, B 2 U 6/15 R, BSG-E 123/24-35). Es ist ausreichend, wenn der Senat sich - aus den dargelegten Gründen - nicht die Überzeugung verschaffen kann, dass die festgestellte berufliche Exposition mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu der Erkrankung des Versicherten geführt hat. Die Beklagte muss demgegenüber nicht nachweisen, dass eine unversicherte Ursache - wie der Nikotinkonsum - für die Erkrankung verantwortlich ist.

Eine ergänzende Anhörung der Sachverständigen Dr. K. im Hinblick darauf, dass der Versicherte in den 70-er Jahren im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit den Teer teilweise selbst im Teerwerk abgeholt und in bestimmter Form auf- und abladen musste, war nicht erforderlich. Die Sachverständige hat ihr Gutachten unter Berücksichtigung der Ausführungen des Versi-cherten in dem Gesprächsprotokoll vom 7. Juli 2014 unter Bezugnahme auf das Gespräch vom 4. Juli 2014 erstellt. In dem Gesprächsprotokoll enthalten ist der Hinweis des Versicherten, aufsteigenden Bitumendämpfen direkt ausgesetzt gewesen zu sein. Die Schlussfolgerungen der Sachverständigen Dr. K., dass die in den 70-er Jahren gegebene Exposition nicht ausrei-chend für die spätere Erkrankung ist und zu gering war, beruht u.a. auch im Wesentlichen darauf, dass der Versicherte, so wie er dies auch in dem Gesprächsprotokoll wiedergegeben hat, nur an zwei bis drei Tagen in der Woche mit Bitumen gearbeitet hat und im Rahmen des Winterdienstes gar nicht.

Bei dieser Sachlage hat die Klägerin - unabhängig von der Frage, ob die Klage insoweit mangels Prüfung konkreter Leistungen im Verwaltungsverfahren überhaupt zulässig sein kann - auch keinen Anspruch als Sonderrechtsnachfolgerin auf Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zum Tod des Versicherten am 28. Oktober 2014.

Ein Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen scheidet - unabhängig von der Frage, ob die Klage insoweit mangels Prüfung konkreter Leistungen im Verwaltungsverfahren überhaupt zulässig sein kann - ebenfalls aus. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod des Versi-cherten infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder (Wie-)Berufskrankheit, § 7 Abs. 1 SGB VII) eingetreten ist. Der Versicherte ist indes nicht an den Folgen einer Berufskrankheit verstorben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 159 der Verwaltungsgerichtsordnung. Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin (und auch die Be-klagte) sind nicht gemäß § 183 SGG privilegiert. Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die Klägerin ist nicht in ihrer Eigenschaft als Leistungsempfängerin am Rechtsstreit beteiligt. Sie macht in dem Rechtsstreit nämlich keinen Anspruch als Leistungsempfängerinnen oder Hinterbliebenenleistungsempfängerinnen, sondern als Rechtsnachfolgerinnen des potentiellen Leistungsempfängers (des Versicherten) geltend, ohne dass ein Fall der Sonderrechtsnachfolge (§ 56 SGB I) vorliegt. Eine Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolger gemäß § 183 Satz 1 SGG setzt nach dem Wortlaut des ausdrücklich in Bezug genommenen § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I voraus, dass Streitgegenstand fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen sind. Dem genügt das von der Klägerin geltend gemachte Begehren auf Feststellung einer Berufskrankheit selbst dann nicht, wenn damit die eigenen Ansprüche als Hinterbliebene vorbereitet würden. Denn die Vorbereitung möglicher Ansprüche durch mögliche Sonderrechtsnachfolger kann nicht der tatsächlichen Leistung auf der Grundlage eines fälligen Anspruchs gleichgesetzt werden. Die Sonderrechtsnachfolge beschränkt sich auf die Rechtsnachfolge in spezielle Einzelansprüche. Das Rechtsinstitut soll im Sinne einer Gewährleistung der mittelbaren unterhaltsrechtlichen Funktion des Sozialleistungsanspruchs die Lebensverhältnisse sicherstellen, die bestanden hätten, wenn die entsprechende Leistung rechtzeitig erbracht worden wäre. Mithin fehlt es an einer Rechtfertigung für eine kostenrechtliche Privilegierung, wenn - wie hier - lediglich die Feststellung eines Versicherungsfalls begehrt wird (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2016 – B 2 U 45/16, zitiert nach Juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte in dem Bescheid vom 23. Februar 2016 Ansprüche des Versicherten auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die auf die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin hätten übergehen können, und Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat. Ein solcher Ausspruch hat im Fall der Ablehnung der Anerkennung einer Berufskrankheit keine eigenständige Bedeutung. Insbesondere kann dies die fehlende Durchführung eines Verwaltungsverfahrens im Hinblick auf konkret vorliegende Leistungsansprüche nicht ersetzen. Weder in der Begründung des Bescheides vom 23. Februar 2016 noch der des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2017 werden konkret Leistungen benannt und ihre Voraussetzungen geprüft. Erst für den Fall einer positiven Feststellung einer Berufskrankheit hat die Beklagte anschließend ein Verwaltungsverfahren über konkret in Betracht zu ziehende Leistungen durchzuführen.

Der Senat konnte auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts ändern, obwohl diese für die Klägerin günstiger ist und nur die Klägerin Berufung eingelegt hat. Insoweit gilt das Ver-bot der sogenannten reformatio in peius nicht. Dieses Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers erstreckt sich nur auf den der Disposition der Beteiligten unterliegenden Streitgegenstand, der durch das Rechtsmittel in die höhere Instanz gelangt ist, nicht aber auf solche im angefochtenen Urteil enthaltenen Entscheidungen, die der Disposition der Beteiligten entzogen und daher ohne Rücksicht auf deren Willen von Amts wegen zu treffen sind. Über die Kosten ist im Urteil von Amts wegen zu entscheiden und zwar unabhängig von ent-sprechenden Antragstellungen der Beteiligten (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juli 2016 - L 7 AS 2261/14-; BSG, Urteil vom 10. September 1987 - 10 RAr 10/86- BSGE 62, 131 - 136).

Die Festsetzung des Streitwerts auf 5.000,00 Euro beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Kläger für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Streitgegenstand ist die Anerkennung einer Lungenerkrankung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin als BK. Bei Anerkennung sind verschiedene Leistungen an die Klägerin denkbar, deren Höhe derzeit nicht bezifferbar ist. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts - wie hier - keine genügenden Anhaltspunkte, ist daher der Auffangstreitwert i. H. v. 5.000,00 Euro gemäß § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen.

Da das Sozialgericht für das Verfahren in erster Instanz keinen Streitwert festgesetzt hat, macht der Senat in analoger Anwendung von § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von seiner Befugnis Gebrauch, den Streitwert auch für die erste Instanz erstmalig festzusetzen. Denn wenn das Rechtsmittelgericht eine erstinstanzliche Festsetzung abändern kann, muss es auch befugt sein, eine solche Festsetzung zu ersetzen. Hierfür sprechen auch prozessökonomische Gründe. Denn das Erstgericht muss sich nicht erneut mit einem bereits abgeschlossenen Verfahren befassen (BSG, Urteil vom 5.10.2006 – B 10 LW 5/05 R – juris Rn. 23; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 02. Oktober 2017 – 10 CE 17.1491 –, Juris).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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