L 1 SF 531/20 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 49 SF 285/19 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 531/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Normen: § 56 RVG


Prozesserklärung, Auslegung, Anerkenntnis, Teilanerkenntnis, teilbarer prozessualer Anspruch, Bindung, Gericht, Unstreitigstellen unselbständiger Berechnungselemente





1. Die Auslegung einer Prozesserklärung als (Teil)Anerkenntnis erfordert den unbedingten Bindungswillen des Anerkennenden, auch für den Fall, dass das (Teil)Anerkenntnis nicht angenommen wird.

2. Im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nach § 56 RVG ist ein Teilanerkenntnis mangels eines teilbaren prozessualen Anspruchs nicht möglich. Gegenstand des Erinnerungs- und des Beschwerdeverfahrens nach § 56 RVG ist die gesamte Kostenfestsetzung, nicht nur die einzelne Gebühr. Ebenso scheidet eine Teilrücknahme oder Erklärung der Teilerledigung des Verfahrens aus.

3. Eine Bindung des Gerichts an die von den Beteiligten geäußerte Auffassung zur Höhe der Vergütung bzw. hinsichtlich einzelner Gebühren/Auslagenpositionen besteht nicht. Eine rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs durch das "Unstreitigstellen" bestimmter unselbstständiger Berechnungselemente innerhalb eines einheitlichen Anspruchs ist nicht möglich.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 11. Mai 2020 aufgehoben und die dem Beschwerdeführer für das Verfahren S 49 AS 2412/16 zu erstattende Vergütung aus der Staatskasse auf insgesamt 526,58 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

Auf die nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zulässige Beschwerde wird die dem Beschwerdeführer für das Verfahren S 49 AS 2412/16 zu erstattende Vergütung aus der Staatskasse auf insgesamt 526,58 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Den Schriftsätzen der Staatskasse vom 21. August 2020 und dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 23. September 2020 kann weder ein Teilanerkenntnis noch eine Teilerledigung des Beschwerdeverfahrens entnommen werden. Bereits dem Wortlaut des Schriftsatzes vom 21. August 2020 lässt sich ein Teilanerkenntnis nicht entnehmen.

Ein Anerkenntnis ist das im Wege einseitiger Erklärung abgegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit dem Rechtsbehelf geltend gemachte prozessuale Anspruch besteht (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 101 Rn. 20). Es muss als Prozesshandlung gegenüber dem Gericht abgegeben werden. Dies kann in einem Schriftsatz, zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts (§ 122 SGG i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) erfolgen. Die Erklärung muss stets durch den unbedingten Bindungswillen des Anerkennenden gekennzeichnet sein, und zwar auch für den Fall, dass das Anerkenntnis nicht angenommen wird. Erforderlich ist, dass sich ein darauf gerichteter Wille hinreichend deutlich aus dem gesamten Inhalt der Äußerung und aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 16/09 R –, m.w.N., Juris).

Eine solche ausdrückliche Prozesserklärung hat der Beschwerdegegner nicht abgegeben. Er hat lediglich mit Schriftsatz vom 21. August 2020 ausgeführt, dass er eine höhere Terminsgebühr für angemessen hält, der Beschwerde daher insoweit abgeholfen werden kann und sie im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen ist. Der erforderliche unbedingte Bindungswille kann dem nicht entnommen werden. Unabhängig davon, ist ein Teilanerkenntnis im RVG-Verfahren nicht möglich. Denn es fehlt an einem teilbaren prozessualen Anspruch. Gegenstand des Erinnerungs- und des Beschwerdeverfahrens nach § 56 RVG ist die gesamte Kos-tenfestsetzung, nicht nur die einzelne Gebühr, gegen deren Versagung sich die Erinnerung bzw. die Beschwerde richtet. Begrenzt wird die Überprüfung allerdings ggf. durch den Antrag des Rechtsanwalts und das Verbot der "reformatio in peius" (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15. April 2015 – L 6 SF 331/15 B –, Juris). Legt die Staatskasse selbst keine Beschwerde ein, garantiert letzteres nur die Festsetzung auf die Gesamthöhe der von der Vorinstanz zuerkannten Gebühren (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Februar 2014 - L 2 AS 432/13 B, nach Juris), nicht jedoch die - nicht angegriffene - Höhe einzelner. Ebenso scheidet eine Teilrücknahme bzw. die Erklärung einer Teilerledigung des Antrages auf gerichtliche Festsetzung aus. Das Gericht ist in jedem Fall verpflichtet, die Höhe der Vergütung oder Entschädigung voll umfänglich zu prüfen. Eine Bindung des Senats an die von den Beteiligten geäußerte Auffassung zur Höhe der Vergütung besteht nicht. Eine rechtliche Einschränkung des Prüfungsumfangs durch das "Unstreitigstellen" bestimmter unselbstständiger Berechnungselemente innerhalb eines einheitlichen Anspruchs ist nicht mög-lich. Das "Unstreitigstellen" solcher Teilaspekte hat nicht zur Folge, dass das Gericht hieran gebunden ist (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 68/07 R –, BSGE 102, 258-263). Dies "steuert" die Amtsermittlung des Gerichts bzw. in Kostenverfahren den Umfang der gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit des Vergütungsansatzes durch den Pro-zessbevollmächtigten. Dieser Ansatz ist dem Kostenrecht nicht fremd. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung hinsichtlich der geltend gemachten Gebührenhöhe nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, wobei ihm ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v. H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m. w. N., Juris; Senatsbeschluss vom 19. November 2019 – L 1 SF 1122/18 B –, Juris).

Da der Beschwerdeführer und die Staatskasse eine Festsetzung in der tenorierten Höhe für angemessen halten und eine nach den vorhergehenden Kriterien durch den Senat erfolgte Überprüfung der Angemessenheit der Höhe der Vergütung keine Notwendigkeit einer abweichenden Festlegung aufzeigt, wird von einer Begründung des Beschlusses abgesehen. Bereits erfolgte Zahlungen sind anzurechnen.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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