Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 JVEG 590/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
§ 191 SGG, § 4 Abs. 1 JVEG, § 5 JVEG, § 21 JVEG , § 22 JVEG, § 6 JVEG,
Sozialgerichtliches Verfahren - Entschädigung eines Beteiligten - Übernachtungsgeld - Notwendigkeit einer auswärtigen Übernachtung - Zumutbarkeit einer Hin- oder Rückreise am selben Tag - Fahrtdauer - Sicherheitspuffer
Leitsatz
1. Die Notwendigkeit einer auswärtigen Übernachtung ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15 – juris).
2. Eine objektive Notwendigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht zugemutet werden kann (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15 –, juris). Dabei orientiert sich der Senat an den Vollzugsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz.
Sozialgerichtliches Verfahren - Entschädigung eines Beteiligten - Übernachtungsgeld - Notwendigkeit einer auswärtigen Übernachtung - Zumutbarkeit einer Hin- oder Rückreise am selben Tag - Fahrtdauer - Sicherheitspuffer
Leitsatz
1. Die Notwendigkeit einer auswärtigen Übernachtung ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15 – juris).
2. Eine objektive Notwendigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht zugemutet werden kann (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15 –, juris). Dabei orientiert sich der Senat an den Vollzugsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz.
Die Entschädigung des Erinnerungsführers für die Teilnahme an der Begutachtung am 8. Januar 2020 wird auf 387,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Erinnerungsführer ist Berufungskläger im Verfahren L 1 U 915/19. Mit Beweisanordnung vom 14. Oktober 2019 ordnete der Berichterstatter des Verfahrens eine Begutachtung aufgrund ambulanter Untersuchung durch St im J in E an. Die ambulante Untersuchung ist am 8. Januar 2020 in E in der Zeit von 11.45 Uhr bis 12.45 Uhr durchgeführt worden. Anschließend erfolgte noch die Anfertigung eines bildgebenden Befundes.
Mit beim Landessozialgericht am 11. Februar 2020 eingegangenem Entschädigungsantrag beantragte der Erinnerungsführer eine Entschädigung in Höhe von 434,59 EUR für die Teilnahme an dem Begutachtungstermin (Fahrtkosten 205,00 EUR, Verdienstausfall für zwei Tage 345,34 EUR brutto, Übernachtungskosten 75,00 EUR = insgesamt 625,34 EUR).
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bewilligte nach Vorlage einer Bescheinigung des Sachverständigen hinsichtlich der Zeitdauer der Begutachtung und einer Auskunft dazu, dass die Röntgenabteilung sich im Haus direkt über seiner Gutachtenspraxis befindet, eine Entschädigung in Höhe von 385,00 EUR. Fahrtkosten seien in Höhe von 205,00 EUR, Verdienstausfall in Höhe von 168,00 EUR (8 Stunden á 21,00 EUR) und ein Tagegeld in Höhe von 12,00 EUR zu entschädigen. Die Hotelkosten könnten nicht übernommen werden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Rückfahrt nach G am Untersuchungstag nicht möglich gewesen wäre, selbst unter Einbeziehung einer Pause. Daher sei die Erstattung der Hotelübernachtung und Verdienstausfall für den 9. Januar 2020 nicht möglich. Für den Verdienstausfall sei die Höchstgrenze von 21,00 EUR pro Stunde zu beachten. Hiergegen hat der Erinnerungsführer am 6. Juli 2020 Erinnerung eingelegt. Die Übernachtungskosten seien erstattungsfähig. Sein Meister habe ihn darauf hingewiesen, dass eine Versicherung nach zehn Stunden nicht mehr in Kraft trete. Bei einer Rückfahrt nach der Untersuchung würden die zehn Stunden erheblich überschritten. Vor Fahrtantritt habe er sich im Übrigen auch bei der B kundig gemacht, und es sei ihm von einer L bestätigt wurden, dass in einem solchen Fall eine Übernachtung nötig und erstattungsfähig sei.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
die Entschädigung für seine Teilnahme an der Begutachtung am 8. Januar 2020 auf 625,34 EUR festzusetzen.
Die Erinnerungsgegnerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Auf die Erinnerung hin war die Entschädigung auf 387,00 EUR festzusetzen.
Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1).
Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 8 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet (Satz 2).
Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder den Antrag der Beteiligten gebunden; es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Februar 2018 – L 1 JVEG 867/15, zitiert nach Juris).
Die Entschädigung errechnet sich danach wie folgt:
Der Fahrtkostenersatz beträgt gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG bei einer Fahrtstrecke von insgesamt 820 km (0,25 EUR je gefahrenen km) 205,00 EUR.
Die Entschädigung für Verdienstausfall ist nach § 22 JVEG ausgehend vom Bruttoverdienst und unter Berücksichtigung der Deckelung auf höchstens 21,00 EUR auf 168,00 EUR (8 Stunden á 21,00 EUR) festzusetzen.
Nicht zu erstatten sind der Verdienstausfall für den 9. Januar 2020 und die Übernachtungskosten in Höhe von 75,00 EUR, weil dem Erinnerungsführer die Rückreise nach der durchgeführten Begutachtung am 8. Januar 2020 zumutbar war.
Nach §§ 191 SGG, 19 Abs. 1 Nr. 2 JVEG und 6 JVEG kann der Erinnerungsführer zwar grundsätzlich auch den Ersatz von Übernachtungskosten beanspruchen. Dies setzt aber die Notwendigkeit einer solchen voraus.
Eine auswärtige Übernachtung ist notwendig, wenn dem Erinnerungsführer die Hin- und Rückreise am gleichen Tag objektiv nicht möglich ist (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15 –, nach Juris). Zu berücksichtigen ist dabei der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der im Bereich des gesamten Kosten-rechts, also auch der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten, ehrenamtlichen Richtern und Beteiligten gilt, und das daraus resultierende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 27. September 2005 - L 6 SF 408/05). Die Frage der Notwendigkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 2. April 2007 - L 6 B 116/06 SF; BayLSG, B. v. 4. November 2014 - L 15 SF 198/14 m. w. N., nach Juris). Eine objektive Notwendigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht zugemutet werden kann. Die Bestimmung des Zumutbaren orientiert sich an den Vollzugsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz. Nach Ziffer 3.1.4. S. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz (BRKGVwV) des Bundesministerium des Innern vom 1. Juni 2005 - D I 5 - 222 101 - 1/16 sollen Dienstreisen grundsätzlich nicht vor 6 Uhr anzutreten und nicht nach 24 Uhr zu beenden sein (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15, nach Juris). Dabei ist grundsätzlich auch ein gewisser zeitlicher "Sicherheitspuffer" zu berücksichtigen, bei einer normalen Reisedauer von knapp vier Stunden ist ein Zeitraum von 45 min. bis zu 1 h 15 min. angemessen (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15 –, nach Juris).
Bei einer einfachen Wegstrecke von vier Stunden und einem erforderlichen Sicherheitspuffer musste der Erinnerungsführer die Reise am Begutachtungstag (Ladung auf 11.45 Uhr) nicht vor 6.00 Uhr antreten. Der Erinnerungsführer hat nach seinen eigenen Angaben die Hinreise am 8. Januar 2020 bereits um 5.00 Uhr angetreten. Für die Übernachtung nach Durchführung der Begutachtung bestand keine objektive Notwendigkeit. Ausweislich der Bescheinigung des Sachverständigen St war die Begutachtung um 12.45 Uhr beendet. Soweit der Erinnerungsführer danach noch die Röntgenabteilung im selben Haus aufgesucht hat, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies eine mögliche Abreise um mehr als eine Stunde verzö-gert hat. Der Senat geht daher davon aus, dass der Erinnerungsführer das Krankenhausgebäude gegen 13.45 Uhr verlassen konnte. Unter Zubilligung einer Pause - insbesondere zur Nahrungsaufnahme - konnte die Rückfahrt mit dem eigenen PKW daher unproblematisch gegen 15.00 Uhr angetreten werden. Anhaltspunkte dafür, dass auch unter Einbeziehung großzügiger Pausen auf der Rückfahrt eine Rückkehr erst nach 24.00 Uhr erfolgt wäre, bestehen nicht. Vielmehr kann von einer Beendigung der Rückfahrt gegen 20.00 Uhr ausgegangen werden. Daher hätte eine Rückreise am 8. Januar 2020 zumutbarerweise erfolgen können. Soweit der Erinnerungsführer geltend macht, dass im Arbeitszeitgesetz geregelt sei, dass pro Tag maximal zehn Stunden gearbeitet werden dürfe, sind diese Vorschriften in diesem Zusammenhang nicht anwendbar. Abzustellen ist allein auf die entsprechende Anwendung der Vorgaben des Bundesreisekostengesetzes. Anhaltspunkte dafür, dass die Durchführung der Untersuchung derart kräftezehrend war, dass hier ausnahmsweise eine Rückfahrt nicht zumutbar war, bestehen nicht. Derartiges lässt sich dem Sachverständigengutachten nicht entnehmen und wurde auch vom Erinnerungsführer nicht vorgetragen. Soweit der Erinnerungsführer sich auf eine Auskunft der Berufsgenossenschaft beruft, kann diese - auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten - nicht zu seinen Gunsten eingreifen. Dem Erinnerungsführer hätte es vielmehr oblegen, vorher bei der Geschäftsstelle des Thüringer Landessozialgerichts Erkundigungen einzuziehen. Abgesehen davon hängt die Entscheidung darüber, ob eine Übernachtung notwendig ist, von den Umständen des Einzelfalles (Länge der Begutachtung) ab, die in vielen Fällen erst nach Durchführung der Begutachtung selbst beurteilt werden kann.
Zu entschädigen ist des Weitern nach §§ 191 SGG, 19 Abs. 1 Nr. 2 JVEG, 6 Abs. 1 JVEG ein Tagegeld in Höhe von 14,00 EUR aufgrund einer notwendigen Abwesenheit von mehr als acht und unter 24 Stunden am Kalendertag i. V. m. § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 des Einkommenssteuergesetzes in der ab dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung des Gesetzes zur weiteren steuerli-chen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I 2019 S. 2451).
Die Entschädigung des Erinnerungsführers für die Teilnahme an der Begutachtung am 8. Januar 2020 ist daher wie folgt festzusetzen:
Fahrtkosten § 5 JVEG: 205,00 EUR Verdienstausfall § 21 JVEG: 168,00 EUR Tagegeld § 6 Abs. 1 JVEG: 14,00 EUR Insgesamt: 387,00 EUR
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Gründe:
I.
Der Erinnerungsführer ist Berufungskläger im Verfahren L 1 U 915/19. Mit Beweisanordnung vom 14. Oktober 2019 ordnete der Berichterstatter des Verfahrens eine Begutachtung aufgrund ambulanter Untersuchung durch St im J in E an. Die ambulante Untersuchung ist am 8. Januar 2020 in E in der Zeit von 11.45 Uhr bis 12.45 Uhr durchgeführt worden. Anschließend erfolgte noch die Anfertigung eines bildgebenden Befundes.
Mit beim Landessozialgericht am 11. Februar 2020 eingegangenem Entschädigungsantrag beantragte der Erinnerungsführer eine Entschädigung in Höhe von 434,59 EUR für die Teilnahme an dem Begutachtungstermin (Fahrtkosten 205,00 EUR, Verdienstausfall für zwei Tage 345,34 EUR brutto, Übernachtungskosten 75,00 EUR = insgesamt 625,34 EUR).
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bewilligte nach Vorlage einer Bescheinigung des Sachverständigen hinsichtlich der Zeitdauer der Begutachtung und einer Auskunft dazu, dass die Röntgenabteilung sich im Haus direkt über seiner Gutachtenspraxis befindet, eine Entschädigung in Höhe von 385,00 EUR. Fahrtkosten seien in Höhe von 205,00 EUR, Verdienstausfall in Höhe von 168,00 EUR (8 Stunden á 21,00 EUR) und ein Tagegeld in Höhe von 12,00 EUR zu entschädigen. Die Hotelkosten könnten nicht übernommen werden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Rückfahrt nach G am Untersuchungstag nicht möglich gewesen wäre, selbst unter Einbeziehung einer Pause. Daher sei die Erstattung der Hotelübernachtung und Verdienstausfall für den 9. Januar 2020 nicht möglich. Für den Verdienstausfall sei die Höchstgrenze von 21,00 EUR pro Stunde zu beachten. Hiergegen hat der Erinnerungsführer am 6. Juli 2020 Erinnerung eingelegt. Die Übernachtungskosten seien erstattungsfähig. Sein Meister habe ihn darauf hingewiesen, dass eine Versicherung nach zehn Stunden nicht mehr in Kraft trete. Bei einer Rückfahrt nach der Untersuchung würden die zehn Stunden erheblich überschritten. Vor Fahrtantritt habe er sich im Übrigen auch bei der B kundig gemacht, und es sei ihm von einer L bestätigt wurden, dass in einem solchen Fall eine Übernachtung nötig und erstattungsfähig sei.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
die Entschädigung für seine Teilnahme an der Begutachtung am 8. Januar 2020 auf 625,34 EUR festzusetzen.
Die Erinnerungsgegnerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Auf die Erinnerung hin war die Entschädigung auf 387,00 EUR festzusetzen.
Nach § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1).
Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 8 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet (Satz 2).
Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder den Antrag der Beteiligten gebunden; es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Februar 2018 – L 1 JVEG 867/15, zitiert nach Juris).
Die Entschädigung errechnet sich danach wie folgt:
Der Fahrtkostenersatz beträgt gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG bei einer Fahrtstrecke von insgesamt 820 km (0,25 EUR je gefahrenen km) 205,00 EUR.
Die Entschädigung für Verdienstausfall ist nach § 22 JVEG ausgehend vom Bruttoverdienst und unter Berücksichtigung der Deckelung auf höchstens 21,00 EUR auf 168,00 EUR (8 Stunden á 21,00 EUR) festzusetzen.
Nicht zu erstatten sind der Verdienstausfall für den 9. Januar 2020 und die Übernachtungskosten in Höhe von 75,00 EUR, weil dem Erinnerungsführer die Rückreise nach der durchgeführten Begutachtung am 8. Januar 2020 zumutbar war.
Nach §§ 191 SGG, 19 Abs. 1 Nr. 2 JVEG und 6 JVEG kann der Erinnerungsführer zwar grundsätzlich auch den Ersatz von Übernachtungskosten beanspruchen. Dies setzt aber die Notwendigkeit einer solchen voraus.
Eine auswärtige Übernachtung ist notwendig, wenn dem Erinnerungsführer die Hin- und Rückreise am gleichen Tag objektiv nicht möglich ist (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15 –, nach Juris). Zu berücksichtigen ist dabei der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der im Bereich des gesamten Kosten-rechts, also auch der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten, ehrenamtlichen Richtern und Beteiligten gilt, und das daraus resultierende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 27. September 2005 - L 6 SF 408/05). Die Frage der Notwendigkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 2. April 2007 - L 6 B 116/06 SF; BayLSG, B. v. 4. November 2014 - L 15 SF 198/14 m. w. N., nach Juris). Eine objektive Notwendigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht zugemutet werden kann. Die Bestimmung des Zumutbaren orientiert sich an den Vollzugsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz. Nach Ziffer 3.1.4. S. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz (BRKGVwV) des Bundesministerium des Innern vom 1. Juni 2005 - D I 5 - 222 101 - 1/16 sollen Dienstreisen grundsätzlich nicht vor 6 Uhr anzutreten und nicht nach 24 Uhr zu beenden sein (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15, nach Juris). Dabei ist grundsätzlich auch ein gewisser zeitlicher "Sicherheitspuffer" zu berücksichtigen, bei einer normalen Reisedauer von knapp vier Stunden ist ein Zeitraum von 45 min. bis zu 1 h 15 min. angemessen (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 11. Januar 2016 – L 6 JVEG 1340/15 –, nach Juris).
Bei einer einfachen Wegstrecke von vier Stunden und einem erforderlichen Sicherheitspuffer musste der Erinnerungsführer die Reise am Begutachtungstag (Ladung auf 11.45 Uhr) nicht vor 6.00 Uhr antreten. Der Erinnerungsführer hat nach seinen eigenen Angaben die Hinreise am 8. Januar 2020 bereits um 5.00 Uhr angetreten. Für die Übernachtung nach Durchführung der Begutachtung bestand keine objektive Notwendigkeit. Ausweislich der Bescheinigung des Sachverständigen St war die Begutachtung um 12.45 Uhr beendet. Soweit der Erinnerungsführer danach noch die Röntgenabteilung im selben Haus aufgesucht hat, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies eine mögliche Abreise um mehr als eine Stunde verzö-gert hat. Der Senat geht daher davon aus, dass der Erinnerungsführer das Krankenhausgebäude gegen 13.45 Uhr verlassen konnte. Unter Zubilligung einer Pause - insbesondere zur Nahrungsaufnahme - konnte die Rückfahrt mit dem eigenen PKW daher unproblematisch gegen 15.00 Uhr angetreten werden. Anhaltspunkte dafür, dass auch unter Einbeziehung großzügiger Pausen auf der Rückfahrt eine Rückkehr erst nach 24.00 Uhr erfolgt wäre, bestehen nicht. Vielmehr kann von einer Beendigung der Rückfahrt gegen 20.00 Uhr ausgegangen werden. Daher hätte eine Rückreise am 8. Januar 2020 zumutbarerweise erfolgen können. Soweit der Erinnerungsführer geltend macht, dass im Arbeitszeitgesetz geregelt sei, dass pro Tag maximal zehn Stunden gearbeitet werden dürfe, sind diese Vorschriften in diesem Zusammenhang nicht anwendbar. Abzustellen ist allein auf die entsprechende Anwendung der Vorgaben des Bundesreisekostengesetzes. Anhaltspunkte dafür, dass die Durchführung der Untersuchung derart kräftezehrend war, dass hier ausnahmsweise eine Rückfahrt nicht zumutbar war, bestehen nicht. Derartiges lässt sich dem Sachverständigengutachten nicht entnehmen und wurde auch vom Erinnerungsführer nicht vorgetragen. Soweit der Erinnerungsführer sich auf eine Auskunft der Berufsgenossenschaft beruft, kann diese - auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten - nicht zu seinen Gunsten eingreifen. Dem Erinnerungsführer hätte es vielmehr oblegen, vorher bei der Geschäftsstelle des Thüringer Landessozialgerichts Erkundigungen einzuziehen. Abgesehen davon hängt die Entscheidung darüber, ob eine Übernachtung notwendig ist, von den Umständen des Einzelfalles (Länge der Begutachtung) ab, die in vielen Fällen erst nach Durchführung der Begutachtung selbst beurteilt werden kann.
Zu entschädigen ist des Weitern nach §§ 191 SGG, 19 Abs. 1 Nr. 2 JVEG, 6 Abs. 1 JVEG ein Tagegeld in Höhe von 14,00 EUR aufgrund einer notwendigen Abwesenheit von mehr als acht und unter 24 Stunden am Kalendertag i. V. m. § 9 Abs. 4a Satz 3 Nr. 3 des Einkommenssteuergesetzes in der ab dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung des Gesetzes zur weiteren steuerli-chen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I 2019 S. 2451).
Die Entschädigung des Erinnerungsführers für die Teilnahme an der Begutachtung am 8. Januar 2020 ist daher wie folgt festzusetzen:
Fahrtkosten § 5 JVEG: 205,00 EUR Verdienstausfall § 21 JVEG: 168,00 EUR Tagegeld § 6 Abs. 1 JVEG: 14,00 EUR Insgesamt: 387,00 EUR
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
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