L 1 SF 740/20 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 12 SF 105/19 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 740/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Juli 2020 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewäh-rende Vergütung für das Verfahren S 13 AS 2355/11 auf 119,00 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für neun beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesene Verfahren des von dem Beschwerdeführer vertretenen Klägers.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2010 beantragte der Beschwerdeführer die Überprüfung der Bewilligungs- und Änderungsbescheide für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. November 2009 (Globalüberprüfungsantrag). Mit Überprüfungsbescheiden vom 20. Oktober 2010 lehnte das beklagte Jobcenter den Überprüfungsantrag ab. Es teilte mit, dass die zu überprüfenden Bescheide nicht zu beanstanden seien. Mit Widerspruchsbescheiden vom 9. Februar 2011 wurden entsprechende Widersprüche des Klägers vom beklagten Jobcenter zurückgewiesen. Die gewährte Regelleistung sowie die berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung seien nicht zu beanstanden. Gleiches gelte auch für die Einkommensverhältnisse. Dagegen erhob der Kläger am 9. März 2011, vertreten durch den Beschwerdeführer, neun Klagen vor dem Sozialgericht Nordhausen (Az. S 13 AS 2350/11, S 13 AS 2351/11, S 13 AS 2352/11, S 13 AS 2353/11, S 13 AS 2354/11, S 13 AS 2355/11, S 13 AS 2356/11, S 13 AS 2357/11 und S 13 AS 2371/11). Gegenstand des hier zur Entscheidung anstehenden Kostenverfahrens ist das Hauptsacheverfahren S 13 AS 2355/11, welches den Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2008 bis 30. April 2009 umfasst. In allen neun Verfahren wurde eine zweiseitige Kla-geschrift eingereicht, aus welcher sich nur das Datum des angefochtenen Bescheides und Widerspruchsbescheides unter Beifügung einer Kopie des letzteren ergibt und Akteneinsicht be-antragt wurde. Nach Erlass einer Betreibensaufforderung durch das SG Nordhausen vom 8. September 2011 reichte der Beschwerdeführer eine etwas mehr als zweiseitige Klagebegründung ein, mit welcher ein Klageantrag ohne Bezifferung der Höhe der monatlich zustehenden Leistungen ("den klägerischen Parteien die ihnen für den streitgegenständlichen Zeitraum jeweils gesetzlich zustehenden monatlichen Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu gewähren") enthalten war. Geltend gemacht wurde eine fehlerhafte Einstellung der nachgewiesenen Kosten der Unterkunft und Heizung in der Bedarfsermittlung. Hingewiesen wurde auf eine nach wie vor fehlende Akteneinsicht. Das beklagte Jobcenter führte mit Schrift-satz vom 20. Februar 2012 aus, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung korrekt ermittelt worden seien. Es wies dabei darauf hin, dass der vom Beschwerdeführer vertretene Kläger keine abgeschlossene Wohneinheit bei seinen Großeltern bewohne. Eine Stellungnahme durch den Beschwerdeführer zu diesem Vortrag erfolgte nicht. Am 25. Oktober 2013 führte das Sozialgericht Nordhausen in allen neun Verfahren und in drei weiteren Verfahren des Klägers einen Erörterungstermin im Zeitraum 09:15 Uhr bis 11:51 Uhr durch. In den neun Verfahren hinsichtlich des Globalüberprüfungsantrages vom 8. Februar 2010 erteilte das Sozialgericht hinsichtlich der Höhe der Kosten der Unterkunft einen gerichtlichen Hinweis und hat sodann mit Beschluss dem Kläger zur Durchführung der Verfahren Az. S 13 AS 2350/11, S 13 AS 2351/11, S 13 AS 2352/11, S 13 AS 2353/11, S 13 AS 2354/11, S 13 AS 2355/11, S 13 AS 2356/11, S 13 AS 2357/11 und S 13 AS 2371/11 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt P mit Wirkung vom 2. Februar 2012 bewilligt, die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden und das Verfahren S 13 AS 2350/11 zum führenden Verfahren bestimmt. Anschließend haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, worin sich das beklagte Jobcenter verpflichtete, ohne Neuverbescheidung an den Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. November 2009 einen weiteren Betrag in Höhe von insgesamt 4.700,00 Euro zu zahlen und drei Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Unter dem 20. Dezember 2016 beantragte der Beschwerdeführer in allen Klageverfahren die Festsetzung von Gebühren. Im Verfahren S 13 AS 2355/11 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 170,00 Euro Erhöhung Nr. 1008 VV 51,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 100,00 Euro Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro Fahrtkosten 4,05 Euro Abwesenheitsgeld Nr. 1005 VV RVG 2,50 Euro Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 66,03 Euro Gesamtbetrag 413,58 Euro

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. November 2017 (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) die Vergütung auf 0,00 Euro fest. Die Verfahren S 13 AS 2350/11 bis S 13 AS 2357/11 sowie S 13 AS 2371/11 bildeten eine gebührenrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG. Gegenstand der Verfahren seien die Kosten der Unterkunft. Die Entschädigung erfolge daher ausschließlich im Verfahren S 13 AS 2350/11.

Im Verfahren S 13 AS 2350/11 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 28. November 2017 die zu zahlende Vergütung auf 617,97 Euro fest. Gewährt wurde eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe der Mit-telgebühr von 170,00 Euro, eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG ebenfalls in Höhe der Mittelgebühr in Höhe von 190,00 Euro, eine Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 100,00 Euro und die Fahrtkosten und Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7003 bzw. 7005 VV RVG anteilig bezogen auf die neun Verfahren zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Dieser Vergütungsfestsetzungsbeschluss ist rechtskräftig geworden.

Dagegen hat der Beschwerdeführer am 28. November 2018 Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, dass durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe es ausgeschlossen sei, dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG anzunehmen.

Mit Beschluss vom 14. Juli 2020 hat das Sozialgericht die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen und die zu erstattende Vergütung für das Klageverfahren S 13 AS 2352/11 auf 0,00 Euro festgesetzt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe stehe der Annahme derselben Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG nach der Rechtsprechung des Thüringer Landessozialgerichts nicht entgegen. Für eine gesonderte Festsetzung der Vergütung in den Klageverfahren S 13 AS 2351/11 bis 2357/11 und S 13 AS 2371/11 sei kein Raum, weil es sich um eine gebührenrechtlich einheitliche Angelegenheit mit dem Verfahren S 13 AS 2350/11 handele. Ausgangspunkt sei ein Auftrag des Klägers an den Erinnerungsführer im Hinblick auf eine Globalüberprüfung für einen bestimmten Zeitraum hinsichtlich der Verfas-sungswidrigkeit der Regelleistung und der Kosten der Unterkunft gewesen. Eine Differenzierung zwischen einzelnen Bewilligungszeiträumen sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Sämtliche Klagebegründungen seien inhaltsgleich gewesen und stützten sich auf die Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft ohne eine Bezifferung vorzunehmen oder zwischen den einzelnen Bewilligungsabschnitten zu differenzieren. Dass das beklagte Jobcenter durch Auseinanderreißen eines Globalüberprüfungsantrages in unterschiedliche Zeiträume möglicherweise Veranlassung zu getrennten Klageerhebungen gegeben habe, sei für die Frage der Entstehung der Vergütung unerheblich.

Gegen den am 20. Juli 2020 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 21. Juli 2020 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle augenscheinlich versucht habe, mit ihrer Festsetzung für das Verfahren S 13 AS 2350/11 den gesamten Aufwand für alle Verfahren zu berücksichtigen. Sie habe es unterlassen, dem Be-schwerdeführer vorher einen Hinweis zukommen zu lassen, dass in dem Ausgangsverfahren S 13 AS 2350/11 eine höhere als die beantragte Festsetzung bei Annahme von derselben Angelegenheit infrage komme. Der Beschluss des Sozialgerichts berücksichtige zudem nicht hinreichend, dass für das Verfahren S 13 AS 2355/11 Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei. Durch die bewilligte Prozesskostenhilfe stehe bindend fest, dass die Klageerhebung nicht gegen die Verpflichtung zur kostensparenden Rechtsverfolgung verstoße.

Die Staatskasse als Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass hinsichtlich der ursprünglichen Klageverfahren dieselbe Angelegenheit vorliege. Aus Gründen der prozessualen Fairness sei zu beachten, dass der Beschwerdeführer vor Festsetzung seiner Vergütung nicht zur Korrektur seiner Vergütungsanträge aufgefordert worden sei. Die Terminsgebühr sei im Ergebnis zu niedrig festgesetzt. Eine weitere Vergütung in Höhe von 214, 20 EUR sei daher festzusetzten.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde des Beschwerdeführers nicht abgeholfen (Beschluss vom 6. August 2020) und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des Senats.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung bis zum 31. Juli 2013 (alte Fassung), denn der Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit war auch vor diesem Zeitpunkt erteilt worden. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. So verhält es sich hier, denn die Prozessvollmacht datiert vom 9. März 2011.

Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist teilweise begründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Klägerin war kostenprivilegierte Beteiligte i. S. d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v. H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; Thüringer Landessozialgericht, Beschlüsse vom 19. März 2012 - L 6 SF 1983/11 B und 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Auflage 2019, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums - wie hier - objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer Landessozialgericht vom 17. Dezember 2010 - L 6 SF 808/10 B); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Bei den neun beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesenen Klageverfahren handelt es sich nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG. Der Kläger hatte sich in den zugrundeliegenden neun Verfahren gegen die Ablehnung eines Überprüfungsbegehrens für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. November 2009 gewandt und die Gewährung höherer Leistungen zur Grundsicherung mit der Begründung begehrt, dass die Höhe der Regelleistung nicht verfassungskonform sei und die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht in dem erforderlichen Umfang übernommen worden seien. Zu diesem Zweck hat er gegen die jeweiligen Bescheide in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide Klage erhoben.

Von derselben Angelegenheit wird regelmäßig dann ausgegangen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R m. w. N., nach juris). Dies gilt auch für Individualansprüche nach dem SGB II; die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft löst lediglich eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG aus (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R, 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R, 27. September 2011 - B 4 AS 155/10 R, juris; a.A. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, § 15 Rdnr. 23). Ent-scheidend ist, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Entsprechend hat das BVerwG im Urteil vom 9. Mai 2000 (11 C 1/99, juris) ausgeführt, "dieselbe Angelegenheit" komme vor allem in Fällen paralleler Verwaltungsverfahren in Betracht, wenn dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und Rechtsgrund in engem zeitlichen Zusammenhang objektbezogen erlässt, so dass einen Adressaten mehrere Verwaltungsakte erreichen, die auch zusammengefasst in einem einzigen Bescheid hätten ergehen können. Beauftrage dann der Adressat einen Rechtsanwalt damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich gegen alle Verwaltungsakte vorzugehen, werde dieser, sofern keine inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren geboten sei, in "derselben Angelegenheit" tätig. Unerheblich sei, ob der Rechtsanwalt die Widersprüche in einem einzigen, alle Verfahren betreffenden Schreiben oder in mehreren, die jeweiligen Einzelverfahren betreffenden Schreiben, die sich nur hinsichtlich der jeweiligen Verfahrensangabe (Objekt, Aktenzeichen) unterscheiden, einlege und begründe. Anders sei es allerdings, wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß unterschiedliche Einwände gegen die jewei-ligen Verwaltungsakte vortrage oder nennenswert unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten habe. Fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen mehreren, an einen Adressaten gerichteten Verwaltungsakten, scheide schon aus diesem Grund die Annahme "derselben Angelegenheit" aus.

Der Rechtsprechung des BSG ist der 6. Senat des Thüringer Landessozialgerichts gefolgt und hat sie dergestalt weiterentwickelt, dass auch bei getrennten Klageverfahren "dieselbe Ange-legenheit" vorliegen kann (vgl. Beschlüsse vom 15. April 2015 - L 6 SF 331/15 B, 6. Januar 2015 - L 6 SF 1221/14 B, 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an, denn es ist nicht einsichtig, formal selbständige Klage-verfahren stets kostenrechtlich getrennt zu behandeln (so auch FG Baden-Württemberg, Be-schluss vom 12. Juni 2014 - 8 KO 1022/12, juris).

Im vorliegenden Fall ist aus objektiven Gründen kein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit zu bejahen. Zwar stellten sich in allen neun Klageverfahren die gleichen materiell-rechtlichen Probleme hinsichtlich der Höhe der gewährten Leistung. Insbesondere war in allen Verfahren streitig, ob das beklagte Jobcenter die Kosten der Unterkunft und Heizung korrekt ermittelt hatte. Die Aufteilung des Globalüberprüfungsantrages durch das beklagte Jobcenter orientierte sich dabei an den verschiedenen Bewilligungszeiträumen. Da grundsätzlich andere Zeiträume betroffen waren, waren die Ansprüche insbesondere hinsichtlich der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung für jeden Zeitraum gesondert zu prüfen. Die Voraussetzungen des § 96 SGG für eine Einbeziehung der weiteren Bescheide in ein anhängiges Klageverfahren lagen ersichtlich mangels Ersetzung oder Abänderung der anderen Verwaltungsakte nicht vor. Selbst wenn sich hierbei im Vergleich zum ersten Fall in der Sache tatsächlich keine Änderung ergab, so waren doch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung jeweils eigenständig zu prüfen. Für die Annahme derselben Angelegenheit reicht es auch nicht aus, dass aufgrund der direkt aneinander anschließenden Zeiträume und der Tatsache, dass hinsichtlich der Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung nur die Problematik der Zahlungen des Klägers an den Großvater und deren Berücksichtigung zu klären war, einiges dafür spricht, dass von einem einheitlichen Lebenssachverhalt auszugehen ist. Denn auch dies ändert nichts daran, dass die jeweiligen Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sich auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum bezogen und für diesen Zeitraum einen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen verneint haben. Daher konnten diese unterschiedlichen Regelungen jeweils ein eigenes prozessuales Schicksal erleiden. Offen bleiben kann im vorliegenden Fall mangels Erheblichkeit, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ablehnung des Überprüfungsantrages in einem einzigen Bescheid eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Wird ein Überprüfungsantrag durch das beklagte Jobcenter ausgehend von den vorhergehenden Bewilligungszeiträumen in getrennten Bescheiden abgehandelt, handelt es sich um einzelne Angelegenheiten, die gegen einen einheitli-chen Tätigkeitsrahmen sprechen. Auch das Vorliegen identischer Widerspruchs- und Klagebegründungen führt nicht zwingend auf einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen, weil einheitlicher Vortrag in mehreren Verfahren nur das Ergebnis, aber nicht Inhalt und Umfang der anwaltlichen Prüfung dokumentiert. Nach der Rechtsprechung (vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. November 2020 - 4 VO 67/18, zitiert nach Juris) kann nicht im Nachhinein im Wege einer expost-Betrachtung aus mehreren Angelegenheiten deshalb eine Angelegenheit werden, weil der Vortrag im Ergebnis gleichgelagert ist. Entscheidend ist in einem solchen Fall darauf abzustellen, ob von einem einheitlichen Auftrag eines Mandanten ausgegangen werden kann, eine Angelegenheit nur unter einem bestimmten identischen rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Liegt dies nicht vor, ist ein Prozessbevollmächtigter entsprechend seinen zivilrechtlichen Verpflichtungen aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag gehalten, den Fall zur Vorbereitung seiner Begründung unter jedem tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Dies schließt die Prüfung ein, ob auch individuelle, bescheidbezogene, nur einen bestimmten Leistungszeitraum betreffende Einwände zu berücksichtigen sind. An-haltspunkte dafür, dass der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten seinerzeit damit beauftragt hat, sich gegen die Ablehnung des Überprüfungsantrages nur mit dem gleichgelagerten Argument der Verfassungswidrigkeit der Regelleistungshöhe und der nicht ordnungsgemäßen Abrechnung der Kosten der Unterkunft und Heizung zu wenden und ansonsten keine Überprüfung der Richtigkeit der Berechnung in den streitgegenständlichen Bescheiden vorzunehmen, bestehen nicht.

Der Beschwerdeführer hat für das Verfahren Anspruch auf eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe der doppelten Mindestgebühr (40,00 Euro). Eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren ist vorausgegangen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Ver-gleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren deutlich unterhalb des Durchschnitts. Die zu keinem Zeitpunkt bezifferte Klage wurde am 9. März 2011 beim Sozialgericht Nordhausen eingereicht. Die Klagebegründung enthält nur einen nicht bezifferten Antrag, ohne auch nur den Bewilligungszeitraum zu benennen und den allgemeinen Hinweis auf eine fehlerhafte Einstellung der nachgewiesenen Kosten der Unterkunft und Heizung in der Bedarfsermittlung. Auf die Klageerwiderung durch das beklagte Jobcenter vom 20. Februar 2012, worin dieses im Hinblick auf die besondere Wohnsituation des Klägers bei seinen Großeltern konkrete Ausführungen gemacht hatte, erfolgte keinerlei Reaktion. Die mehrfachen Verlegungsanträge hinsichtlich eines anberaumten Erörterungstermins können keine Berücksichtigung finden. Hinsichtlich des Umfangs des Verfahrens fällt erheblich ins Gewicht, dass die anstehende Problematik sich in allen neun Verfahren gleichermaßen stellte. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass die grundsätzliche Einarbeitung in die sich in allen Verfahren stellenden gleichgelagerten rechtlichen und tatsächlichen Probleme im Verfahren S 13 AS 2350/11 erfolgte. Die daraus resultierenden erheblichen Synergieeffekte sind zu berücksichtigen und mindern den Aufwand in diesem Verfahren nochmals erheblich. Von einer besonders schwierigen anwaltlichen Tätigkeit kann nicht ausgegangen werden. Es ging um die allgemeine Frage, inwieweit Kosten der Unterkunft und Heizung glaubhaft gemacht worden sind. Das Verfahren hatte für den Kläger als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II allerdings eine überdurchschnittliche Bedeutung, denn es ging um höhere Leistungen hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung von 100,00 Euro monatlich. Die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse werden dadurch kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich. Nr. 3103 VV RVG berücksichtigt einen Betragsrahmen von 20,00 bis 320,00 Euro. Nach der gebotenen Gesamtabwägung steht dem Beschwerdeführer eine Verfahrensgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr in Höhe von 40,00 Euro zu. Eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG scheidet aus. Neben dem Kläger waren weitere Personen an dem Rechtsstreit nicht beteiligt.

Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG berücksichtigt einen Betragsrahmen von 20,00 bis 380,00 Euro. Nach der gebotenen Gesamtabwägung steht auch hier dem Beschwerdeführer eine Terminsgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr von 40,00 Euro zu. Auch hier kommt es nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG auf alle relevanten Umstände des Einzelfalles an. Auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr wird Bezug genommen. Bei einer Verhandlungsdauer von 156 Minuten und zwölf verhandelten Verfahren ergibt sich eine durchschnittliche Dauer von 13 Minuten, was ebenfalls weit unterdurchschnittlich ist.

Des Weiteren kann der Beschwerdeführer die Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG und die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG beanspruchen. Erstattung der Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes nach Nr. 7003 bzw. 7005 VV RVG ist in diesem Verfahren nicht zu gewähren, da die auf diese neun Verfahren resultierenden Fahrtkosten dem Beschwerdeführer im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. November 2017 im Verfahren S 13 AS 2350/11 vollumfänglich erstattet worden sind.

Damit errechnet sich die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 40,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 40,00 Euro Pauschale Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 19,00 Euro Gesamtbetrag 119,00 Euro

Die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und § RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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