L 3 B 144/04 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 10 RA 261/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 B 144/04 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Juni 2004 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Wert des Streitgegenstandes wird – insoweit unter Abänderung des Beschlusses vom 22. Juni 2004 – für beide Instanzen auf 16.278,80 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegenüber einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.

Bei einer durch das Hauptzollamt Hamburg-Stadt - Bekämpfung illegaler Beschäftigung - auf dem Bauvorhaben S. in N. durchgeführten Baustellenprüfung wurden am 18. Januar 2000 mehrere Personen angetroffen, die dort für die Antragsstellerin Montagearbeiten ausführten, ohne im Besitz einer gültigen Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung zu sein. Weitere Ermittlungen des Hauptzollamtes in der Folgezeit brachten zutage, dass im Zeitraum vom Februar 1998 bis zum Prüftage mehr als 100.000,- DM an diese und andere ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beschäftigte Personen ausgezahlt worden waren, ohne dass hierfür Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt wurden.

Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 14. Juni 2002 (145 – 565/01) wurde der Geschäftsführer der Antragstellerin im Hinblick auf diesen Vorgang wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Einschleusen von Ausländern in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Er hatte gestanden, als verantwortlicher Geschäftsführer der Firma F. S.- und B. GmbH, S.-Strasse, H., Arbeitnehmeranteile zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung für eine Reihe polnischer Arbeitnehmer im Zeitraum von Juni 1999 bis September 2000 in einer Gesamthöhe von 24.986,13 DM nicht an die zuständige Versicherung als Einzugsstelle abgeführt zu haben.

Nach entsprechender Berechnung kündigte die Antragsgegnerin Beitragsnachforderungen in Höhe von 48.836,42 EUR an, gab Gelegenheit zur Stellungnahme und zog mit Bescheid vom 2. Januar 2003 die F. S.- und B. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer R., S.-Strasse, H., unter Hinweis auf §§ 28 p Abs. 1, 107 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für den Zeitraum vom 2. Februar 1998 bis zum 9. September 2000 zu einer Nachforderung an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 48.836,42 EUR - einschließlich darin enthaltener Säumniszuschläge in Höhe von 14.458,99 EUR - heran. Der Vertreter der Antragstellerin habe als verantwortlicher Geschäftsführer in diesem Zeitraum mehrere Arbeitnehmer beschäftigt, ohne diese der Sozialversicherung gemeldet zu haben. Auf den Bescheid (Bl. 54 der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin) wird ergänzend Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Widerspruch. Aus dem im Widerspruchsverfahren von der Antragsgegnerin eingeholten Handelsregisterauszug des in Anspruch genommenen Betriebes ergibt sich, dass das Vermögen der F. S.- und B1 GmbH, Sitz: S., als Ganzes im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme gemäß Verschmelzungsvertrag vom 18. August 1999 und des Beschlusses der Gesellschafterversammlungen der übertragenen und der übernehmenden Gesellschaften vom selben Tage auf die F. GmbH & Co. KG übertragen wurde.

Mit dem an die Antragstellerin gerichteten Widerspruchsbescheid vom 16. April 2004 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen ihren Beitragsbescheid zurück.

Die Antragstellerin hat fristgerecht Klage erhoben und vorliegend um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Sie macht geltend, die Antragsgegnerin habe verkannt, dass die frühere F. S.- und B1 GmbH unter dem 29.11.1999 erloschen sei. Diese habe mithin zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides nicht mehr existiert, welcher somit in Ermangelung eines beteiligtenfähigen Adressaten nichtig sei.

Das Sozialgericht hat den auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Antrag abgelehnt. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Beitragsbescheides überwiege. Die Ansprüche der Versichertengemeinschaft auf Zahlung von Beiträgen für die von der F. S.- und B1 GmbH beschäftigten Arbeitnehmer seien durch den Verschmelzungsvertrag auf die Antragstellerin übergegangen. Die Firma sei nicht zum 1.1.1999 erloschen, sondern es seien - wie sich aus dem vorliegenden Vertrag ergebe - alle Rechte und Pflichten dieser Firma auf die Antragstellerin übergegangen. Angesichts der rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg vom 14. Juni 2002 bestünden im Übrigen für das anhängige Klageverfahren auch nur geringe Erfolgsaussichten.

Die Antragstellerin hat gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 24. Juni 2004 zugestellten Beschluss am 29. Juni 2004 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Die Antragsgegnerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte zu dem vorliegenden Verfahren sowie auf diejenige zu dem Verfahren S 10 RA 239/04 und die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Beratung und Beschlussfassung des Senats gewesen.

II.

Die statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig. Der Antragstellerin steht namentlich ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Nachforderungsbescheid erhobenen Anfechtungsklage zur Seite. Die Antragsgegnerin hat auf den entsprechenden Antrag die Aussetzung der Vollziehung aus dem Beitragsbescheid abgelehnt. Vollstreckungsmaßnahmen seitens der beigeladenen Einzugsstelle stehen unmittelbar bevor. Der Antrag ist aber nicht begründet.

Nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben - einschließlich der darauf entfallenen Nebenkosten - keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde kann nach § 86 a Abs. 3 SGG die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie bei der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben soll dies nur dann geschehen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte zur Folge hätte. Diese Maßstäbe gelten in gleicher Weise für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom Widerspruch und Anfechtungsklage durch das Gericht nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.

Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig und so auch hier nur gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage begegnet der angegriffene Nachforderungsbescheid in der Fassung, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (§ 95 SGG), keinen ernstlichen Zweifeln hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit.

Der Bescheid leidet nicht unter formellen Mängeln. Es ist namentlich ausschließlich die Antragstellerin wegen der Beitragsnachforderung in Anspruch genommen worden. Wie sich aus dem vorliegenden Handelsregisterauszug und dem Verschmelzungsvertrag ergibt, war zwar die als Adressatin des Ausgangsbescheides genannte F. S.- und B1 GmbH bereits zum Zeitpunkt der Baustellenprüfung rechtlich nicht mehr existent und es konnten in ihrer Person nach dem Zeitpunkt der Verschmelzung keinerlei Beitragspflichten mehr entstehen. Auch soweit im Verfahren festgestellt wurde, dass für Zeiträume vor der Verschmelzung durch die F. S.- und B1 GmbH Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden, kann die entsprechende Nachforderung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr gegenüber der erloschenen Firma geltend gemacht werden. Ebenso wenig war es – worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist – noch möglich, ihr Beitragsbescheide zuzustellen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens beruht aber die Adressierung des Ausgangsbescheides an die F. S.- und B1 GmbH auf einem bloßen Versehen der Antragsgegnerin, die sich offensichtlich hinsichtlich der Benennung des Schuldners an dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg orientiert hatte, jedoch ausschließlich die Antragstellerin als Rechtspersönlichkeit in Anspruch nehmen wollte, an deren Anschrift auch zugestellt wurde. Diese offenbare Unrichtigkeit des Ausgangsbescheides im Sinne des § 38 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) hat die Antragsgegnerin durch den Widerspruchsbescheid zulässigerweise korrigiert.

Der Beitragsbescheid erweist sich bei summarischer Überprüfung auch nicht in materieller Hinsicht als fehlerhaft. Die Antragstellerin ist Schuldnerin der gesamten Nachforderung. Ausweislich des Verschmelzungsvertrages ist sie Rechtsnachfolgerin der F. S.- und B1 GmbH und übernimmt deren Vermögen. Dies dürfte zur Folge haben, dass sie nicht nur für die aufgrund illegaler Beschäftigung in ihrer Person, sondern auch für die in der Person der mit ihr verschmolzenen F. S.- und B1 GmbH entstandenen Beitragspflichten haftet und ferner, dass die Antragsgegnerin sowohl die vor der Verschmelzung als auch die danach fällig gewordenen Beiträge ihr gegenüber geltend machen kann. Wegen der Einwendungen zur Höhe der Beitragsforderung und zur Erhebung von Säumniszuschlägen wird auf die Ausführungen der Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid – denen der beschließende Senat folgt – Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 1 62 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung. Es entsprach der Billigkeit, die Antragstellerin auch mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da diese in gleicher Weise wie die Antragsgegnerin obsiegt hat.

Die Festsetzung des Streitwerts, die der Senat von Amts wegen auch auf die erstinstanzliche Festsetzung erstreckt (§ 63 Abs. 3 Gerichtskostengesetz – GKG –), beruht auf § 63 Abs. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, 3 GKG. Dabei war der mit dem Bescheid angeforderte Betrag zur Grundlage der Wertfestsetzung zu machen und dieser im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der vorliegenden Entscheidung angemessen - auf ein Drittel - zu reduzieren.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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