L 1 KR 94/04

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 32 KR 540/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 94/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Mai 2004 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Kostenerstattung für eine Zahnbehandlung bzw. Versorgung mit Zahnersatz in Portugal. Daneben möchte der Kläger von der Krankenversicherung der Rentner befreit werden und begehrt in diesem Zusammenhang eine Beitragserstattung.

Der 1939 geborene Kläger ist seit dem 1. September 1982 bei der Beklagten als Rentenbezieher pflichtversichert. Er hat seit 1989 seinen ständigen Wohnsitz in Portugal und wurde durch die Beklagte zum 1. Februar 1989 bei einer portugiesischen Kasse als unbefristetes Mitglied angemeldet. Für diese Betreuung erhält die portugiesische Krankenkasse von der Beklagten einen monatlichen Pauschbetrag.

Nachdem von der portugiesischen Krankenkasse Kosten für Zahnersatz weitgehend nicht erstattet worden waren, begehrte der Kläger mit Schreiben vom 7. August 2000 für eine im Februar 1999 erfolgte Zahnbehandlung eine Kostenerstattung von der Beklagten in Höhe von DM 8.770,00. Vor Beginn der Behandlung hatte er bereits mehrfach erfolglos um Kostenübernahme bei der Beklagten nachgesucht. Gleichzeitig beantragte er die Befreiung von der Krankenversicherung der Rentner und eine Beitragserstattung für die Zeit vom 1. Februar 1989 bis zum 30. Juni 2000 (insgesamt DM 39.801,05). Unter Hinweis auf ein Ruhen des Anspruches bei Auslandsaufenthalt lehnte die Beklagte eine Kostenerstattung ab und verneinte auch einen Anspruch auf Beitragserstattung. Auch der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos.

Der Kläger hat zur Durchsetzung seiner Ansprüche am 23. Mai 2001 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Er trägt vor: Nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könne sich der Versicherte frei in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union medizinischer Leistungen bedienen. Unter dem Gesichtspunkt des freien Dienstleistungsverkehrs sei nicht danach zu unterscheiden, ob der Patient die angefallenen Kosten zahle oder später deren Erstattung beantrage oder der Leistungserbringer die Zahlung direkt von der Krankenkasse oder dem Staatshaushalt erhalte. Mitgliedstaaten, die ein Sachleistungsprinzip errichtet haben, müssten Mechanismen der nachträglichen Erstattung der Kosten für eine in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführte Behandlung vorsehen. Versicherte könnten die Übernahme der Krankheitskosten insoweit verlangen, als das Krankenversicherungssystem des Staates der Versicherungszugehörigkeit eine Deckung garantiere. Artikel 28a der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Nr. 1408/71 (VO 1408/71) entspreche nicht der geltenden Rechtslage.

Den Beitragserstattungsanspruch stützt der Kläger auf die Möglichkeit portugiesischer Rentner ab dem 60. Lebensjahr unter Beibehaltung von Leistungsansprüchen von der Beitragspflicht zur Krankenkasse befreit zu werden. Da er sich seit einiger Zeit in Portugal aufhalte, stehe auch ihm dieser Anspruch zu. Eine andere Handhabung verstoße gegen das europäische Diskriminierungsverbot.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Mai 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.484,03 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 7. August 2000 zu zahlen, hilfsweise ihn rückwirkend seit dem 1. Februar 1989 von der Beitragspflicht zur Krankenversicherung zu befreien und bereits gezahlte Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält dem Kläger entgegen, dass er als Bezieher einer deutschen Rente mit Wohnsitz im europäischen Ausland der Versicherungspflicht zur deutschen Krankenversicherung unterliege. Befreiungstatbestände erfülle er nicht. Aufgrund der Anmeldung beim portugiesischen Krankenversicherungsträger bestünden im Umfang der portugiesischen Krankenversicherung Leistungsansprüche. Die dafür anfallenden Kosten würden zwischen der deutschen und portugiesischen Krankenversicherung pauschal ausgeglichen. Ansprüche direkt aus dem EG-Vertrag, wie vom EuGH entschieden, beträfen nur die Krankenversicherungsleistungen, die bei einem vorübergehenden Aufenthalt innerhalb eines Staates der Europäischen Union in Anspruch genommen würden. Der Freizügigkeitsgrundsatz sei nicht verletzt.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 19. Januar 2005 aufgeführten Akten verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, insbesondere form- und fristgerechte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), aber nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Ihm steht keiner der begehrten Ansprüche zu.

1. Es besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung. Rechtsgrundlage hierfür könnte allenfalls § 13 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sein. Nach dieser Vorschrift, die mit Wirkung zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen. Der Kläger hat zwar die streitige Zahnbehandlung bereits 1999, d.h. vor dem Inkrafttreten der Vorschrift, durchführen lassen. Grundsätzlich ist in einem solchen Fall auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erbringung der Leistung abzustellen. Dies gilt aber vorliegend nicht, weil § 13 Abs. 4 SGB V lediglich die Urteile des Europäischen Gerichtshofes, insbesondere in den Rechtssachen "Kohll" (C-158/96) und "Decker" (C-120/95) vom 28. April 1998 (vgl. Bundessozialgericht (BSG) 13.7.2004 – B 1 KR 11/04 R, ZfS 2004, 278-279) vollzieht.

Ausgenommen von der Regelung sind jedoch ausdrücklich so genannte Residenten, d.h. diejenigen Versicherten, für die die inländischen Krankenkasse in einem anderen Mitgliedstaat einen Pauschbetrag für die Krankenversorgung zahlt (13 Abs. 4 Satz 1, letzter Halbsatz SGB V). Dies ist bei dem Kläger der Fall.

Der Kläger ist beim portugiesischen Krankenversicherungsträger angemeldet und hat Leistungsansprüche im Umfang der portugiesischem Krankenversicherung (Artikel 28 der VO 1408/71 und Artikel 20 der VO 574/72 zur Durchführung der VO 1408/71). Die Abrechnung der Leistungen erfolgt über Pauschalen zwischen der Beklagten und dem portugiesischen Krankenversicherungsträger. Einen zusätzlichen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten hat der Kläger daneben nicht. Einen solchen zuzulassen liefe auf eine nicht gerechtfertigte Doppelleistung der Beklagten – Pauschale und Kostenerstattung – hinaus.

Etwas anderes könnte gelten, wenn der Kläger Leistungen in Deutschland hätte in Anspruch nehmen wollen. Dieser Fall war hier aber nicht zu entscheiden.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherung.

Er ist als Bezieher einer deutschen Rente mit Wohnsitz im europäischen Ausland Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 3 und 6 SGB V in Verbindung mit Artikel 28a VO 1408/71). Befreiungstatbestände des SGB V (vgl. §§ 5 bis 8 SGB V) erfüllt er nicht. Aus dem vorgetragenen Recht portugiesischer Rentner auf Befreiung von der Krankenversicherung ab dem 60. Lebensjahr bei vollem Leistungsbezug kann der Kläger als Mitglied einer deutschen Krankenversicherung keine Rechte ableiten.

3. In Ermangelung eines Rechts auf Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherung scheidet auch ein Beitragserstattungsanspruch aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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