L 3 B 46/05 ER SO

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 50 SO 82/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 B 46/05 ER SO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 2. März 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe:

Die statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist nicht begründet.

1. Das Sozialgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG zu Recht abgelehnt. Der Antragsteller hat auch nach der Überzeugung des Senats nicht mit der im sozialhilferechtlichen Eilverfahren notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft gemacht, dass ihm der mit dem Antrag geltend gemachte Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe nach dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) zusteht. Nach dem Kenntnisstand des vorliegenden Eilverfahrens kann er weder Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 ff. SGB XII (a) noch Leistungen der Grundsicherung bei voller Erwerbsminderung nach den §§ 41 ff. SGB XII (b) beanspruchen. Vielmehr hat ihn die Antragsgegnerin zu Recht darauf verwiesen, zunächst bei der Beigeladenen um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) nachzusuchen. Dem Beschwerdevorbringen sind keine (neuen) Gesichtspunkte zu entnehmen, die eine andere Entscheidung in der Sache rechtfertigen würden.

a) Nach §§ 8, 19 SGB XII erhalten Sozialhilfe in der Gestalt der Hilfe zum Lebensunterhalt diejenigen Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen können. Die Leistungen der Sozialhilfe sind nach der zum 1. Januar 2005 wirksam gewordenen Neuordnung der sozialen Sicherungssysteme als ein gegenüber der Grundsicherung für Arbeitsuchende des SGB II insgesamt grundsätzlich nachrangiges Leistungssystem zu begreifen. Dies folgt aus § 21 SGB XII, wonach Leistungen für den Lebensunterhalt nicht erhält, wer als Erwerbsfähiger in eigener Person oder als Angehöriger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, § 21, Rdnr. 4, 7). So liegt es bei dem Antragsteller. Zwar macht er geltend, nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II, d.h. außerstande zu sein, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, jedoch ist gerade dies zwischen den Beteiligten streitig und lässt sich auch in dem vorliegenden Eilverfahren nicht abschließend klären. Insoweit kann sich der Antragsteller zum Beleg der behaupteten vollen Erwerbsunfähigkeit nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm im Jahre 1986 wegen einer schizophrenen Psychose die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Er kann sich ferner auch nicht mit Erfolg auf den bis zum 31. Dezember 2004 erfolgten Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz berufen. Beide Umstände mögen Zweifel an der Erwerbsfähigkeit wecken, sie schließen diese jedoch nicht (vollen Umfanges) aus. Weder die Straßenverkehrsbehörde noch der Träger der Sozialhilfe haben in der Vergangenheit Feststellungen im Sinne des § 8 SGB II getroffen. Aktuelle ärztliche Unterlagen, denen Anhaltspunkte für ein aufgehobenes Leistungsvermögen zu entnehmen wären, liegen ebenfalls nicht vor. Demgegenüber legen Umfang und Inhalt der im gerichtlichen Verfahren eingereichten und von dem Antragsteller nach aufwändigen Recherchen in öffentlich zugänglichen Bibliotheken selbst gefertigten Schriftsätze nahe, dass dieser in der Lage ist, mehrere Stunden am Tag konzentriert zu arbeiten. Bei dieser Sachlage ist dem Antragsteller zuzumuten, die ihm verbliebene Arbeitskraft zu verwerten und sich, solange er keine Beschäftigung gefunden hat, zunächst an den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu wenden, dort um Leistungen nachzusuchen und so seine Hilfebedürftigkeit abzuwenden. Denn im Falle der Konkurrenz von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII obliegt nach § 44 a Satz 1 SGB II die Feststellung der Erwerbsfähigkeit nach dem Willen des Gesetzgebers allein dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Hilfebedürftige erhält nach § 44 a Satz 3 SGB II bis zur Klärung des Grades der Erwerbsminderung vorläufige Leistungen nach dem SGB II, die sowohl von der Agentur für Arbeit als auch von dem kommunalen Träger zu erbringen sind und zu deren Bewilligung nach § 44 b SGB II die Beigeladene verpflichtet ist. Dieser Umstand schließt den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt auch dann aus, wenn der Hilfebedürftige sich weigert, den nach § 37 Abs. 1 SGB II für den Bezug der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erforderlichen Antrag zu stellen. Denn es kann nicht in der Hand des Hilfeempfängers liegen, durch Verweigerung der Mitwirkung im Verfahren das Eintreten eines anderen Sozialleistungsträgers zu erzwingen (vgl. auch § 2 SGB XII – Nachrang der Sozialhilfe). Das von dem Antragsteller für sich reklamierte Wahlrecht besteht nach dem Willen des Gesetzgebers nicht. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die angewandten Vorschriften verfassungswidrig sind, weil langjährige Bezieher von Sozialhilfe aufgrund der Neuregelung gezwungen sind, nunmehr eine Überprüfung ihrer Leistungsfähigkeit durchführen zu lassen.

b) Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Antragsteller Leistungen der Grundsicherung bei dauerhafter voller Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII ebenso wenig in Anspruch nehmen kann. Dem steht in gleicher Weise entgegen, dass der Antragsteller nach dem Kenntnisstand des Eilverfahrens (jedenfalls noch teilweise) erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II ist und in zumutbarer Weise durch die Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende seine Bedürftigkeit überwinden kann.

c) Auch das Vorbringen der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Allerdings weist diese zutreffend darauf hin, dass die Antragsgegnerin zunächst in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat, ob in der Person des Antragstellers die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII vorliegen. Sie weist ferner zu Recht darauf hin, dass es nicht ausreicht, wenn die Antragsgegnerin sich insoweit lediglich auf das Fehlen von Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit durch einen Rentenversicherungsträger nach § 45 Abs. 1 SGB XII beruft. Die Antragsgegnerin wird eigene Feststellungen im Widerspruchsverfahren nachzuholen haben. Nach dem gegenwärtigen Stande des Verfahrens erweist es sich aber – wie dargelegt – unabhängig von dem Fehlen eigener Feststellungen der Antragsgegnerin nicht als wahrscheinlich, dass dem Antragsteller die Erwerbsfähigkeit fehlt. Dies rechtfertigt die Entscheidung der Antragsgegnerin und verbietet es, ihr im Eilverfahren eine vorläufige Verpflichtung zur Leistung aufzuerlegen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung folgt aus § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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