L 1 KR 84/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 KR 445/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 84/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Mai 2003 wird zurückgewiesen. 2. Die im Berufungsverfahren auf Bescheidung des Widerspruchs gegen den an den Versicherten Z. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2001 erhobene Untätigkeitsklage wird als unzulässig abgewiesen. 3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 4. Der Streitwert wird auf 133,44 EUR festgesetzt. 5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist, ob die Beklagte der Klägerin einen Widerspruchsbescheid erteilen muss.

Der bei (einer Rechtsvorgängerin) der Beklagten versicherte J. Z. (Versicherter) erhielt von einem Vertragsarzt am 5. Juni 2001 ein Microstim-Gerät (MC 9454), welches von der Klägerin, einem Unternehmen der Medizintechnik, hergestellt und vertrieben wird, für sechs Wochen zur ambulanten Heimbehandlung verordnet und am 5. Juni 2001 von der Klägerin ausgehändigt. Am 14. Juni 2001 ging bei der Beklagten der Kostenvoranschlag der Klägerin vom 12. Juni 2001 in Höhe von 261,- DM Mietkosten für die Zeit vom 5. Juni bis 19. Juli 2001 ein, mit welchem sie um Kostenübernahme nachsuchte.

Die Beklagte teilte dem Versicherten mit Schreiben vom 15. Juni 2001 mit, sie könne der Kostenübernahme nicht zustimmen, da ihr Vertragspartner, die Firma s., ein wesentlich wirtschaftlicheres Angebot habe unterbreiten können. Diese Firma werde ihm ein Gerät aus ihrem Bestand liefern. Die Beklagte sandte den Kostenvoranschlag unter dem 15. Juni 2001 an die Klägerin mit dem Vermerk zurück, dass ihm nicht entsprochen werden könne und dass der Versicherte davon und über die Rückgabe des Gerätes unterrichtet worden sei. Eine Kostenübernahme des Mietpreises vom 5. Juni 2001 bis zur Rückgabe des Gerätes lehnte die Beklagte ebenfalls ab. Die Firma s. lieferte das Gerät EMP 2 am 20. Juni 2001 an den Versicherten aus und stellte der Beklagten hierfür einen Mietpreis von 160,- DM in Rechnung, den diese übernahm.

Am 4. Januar 2002 erhob die Klägerin (ohne Unterschrift) gegen einen nicht näher bezeichneten Bescheid der Beklagten in Sachen des Versicherten Widerspruch und legte die - seine Versorgung mit dem Microstim-Gerät der Klägerin betreffende - Abtretungserklärung des Versicherten vom 30. Dezember 2001 vor, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Der Versicherte erklärte, dass er durch die Klägerin - Leistungserbringerin seiner Wahl - ordnungsgemäß versorgt worden sei.

Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unter dem 11. Januar 2002 mit, vor Auslieferung eines Hilfsmittels bedürfe es der Genehmigung der zuständigen Krankenkasse. Sie sei dazu verpflichtet, nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit zu arbeiten und habe den Kostenvoranschlag abgelehnt, weil ein anderer Anbieter ihr ein wesentlich wirtschaftlicheres Angebot gemacht habe und die Klägerin ihr preislich nicht entgegengekommen sei. Eine Begleichung der Rechnung vom 30. Juni 2001 komme nicht in Betracht.

Am 23. Januar 2002 erhob die Klägerin vorsorglich gegen den Bescheid "vom 11. Januar 2002" Widerspruch und beantragte ferner Kostenerstattung/Freistellung gem. § 13 Abs. 3 SGB Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Beklagte sei zur Kostenübernahme verpflichtet.

Die Beklagte antwortete unter dem 5. Februar 2002, dass der Versicherte den medizinisch erforderlichen Muskelstimulator zeitnah erhalten und sie dieses Gerät als zugelassenes Hilfsmittel zu keiner Zeit abgelehnt habe. Sie sei lediglich ihrer Verpflichtung nachgekommen, vorhandene Einsparpotenziale zu nutzen. Dem Versicherten seien dadurch keine Kosten entstanden. Der Muskelstimulator sei ihm durch einen Leistungserbringer ohne Zuzahlung zur Verfügung gestellt worden. Der Versicherte sei durch ihre Entscheidung in keiner Weise beschwert. Es sei überhaupt kein Widerspruchsinteresse des Versicherten erkennbar, da er zufrieden stellend versorgt worden sei. Somit könne die Abtretungserklärung, zumal sie auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, nicht greifen.

Die Klägerin erwiderte, die Beklagte übersehe, dass neben dem Wirtschaftlichkeitsgebot sowohl das Wahlrecht des Versicherten als auch die Pluralität der Leistungserbringer zu beachten seien. Sie erwarte eine Bescheidung ihres Widerspruchs vom 23. Januar 2002, andernfalls sie Untätigkeitsklage erheben werde.

Hierauf erwiderte die Beklagte unter dem 27. Februar 2002, dass das Rechtsverhältnis zwischen ihr als Leistungsträgerin und der Klägerin als Leistungsanbieterin nicht durch Verwaltungsakt beschieden werden könne. Ein Verwaltungsakt könne deshalb nur gegenüber dem Versicherten, nicht jedoch gegenüber dem Anbieter erlassen werden. Es sei zudem zweifelhaft, ob aus der Abtretungserklärung Rechte der Klägerin hergeleitet werden könnten. Außerdem sei nicht erkennbar, dass die Abtretung auch die Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln beinhalte. Zudem könnten nach § 53 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch Ansprüche auf Sachleistungen vom Versicherten nicht an Dritte übertragen werden. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V sei nicht entstanden. Ein Widerspruchsbescheid habe aus den genannten Gründen nicht zu ergehen.

Die Klägerin hat am 2. April 2002 Untätigkeitsklage erhoben, als Bescheid, gegen den sich der Widerspruch richte, das an sie gerichtete Schreiben der Beklagten vom 11. Januar 2002 vorgelegt und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch vom 3. Januar 2002, präzisiert durch Schreiben vom 23. Januar 2002, gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2002 zu bescheiden. Da sich die Beklagte weigere, den Widerspruch zu bescheiden, habe die Frist des § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht abgewartet werden müssen. Auch wenn die Beklagte den Widerspruch für unzulässig halte, so habe sie ihn doch nach § 78 SGG zu bescheiden.

Die Beklagte ist der Untätigkeitsklage mit Schriftsatz vom 4. September 2002 entgegengetreten, auf dessen Inhalt verwiesen wird.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2003 abgewiesen und den Streitwert auf 66,72 EUR festgesetzt. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 11. Januar 2002 handele sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Entscheidung in Gleichordnungsverhältnis. Eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG setze aber einen Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt voraus.

Gegen den ihr am 17. Juni 2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. Juli 2003 Berufung eingelegt. Sie habe gegen das an sie gerichtete Schreiben

der Beklagten vom 15. Juni 2001 am 3. Januar 2002 Widerspruch erhoben und diesen mit Schreiben vom 23. Januar 2002 präzisiert. Da ihr bei Erhebung des Widerspruchs das genaue Datum der gegenüber dem Versicherten ergangenen Entscheidung nicht bekannt gewesen sei, sei von ihr als Datum des mit Widerspruch angegriffenen Bescheids dasjenige der ihr erteilten Ablehnung vom 15. Juni 2001 herangezogen worden. Die Mitteilung der Beklagten an den Versicherten, die Kosten für ihr Gerät nicht zu übernehmen, sei der (mit dem Widerspruch) angegriffene Verwaltungsakt. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Antragsänderung unterliege nicht den Anforderungen des § 99 Abs. 3 SGG. Der Klagegrund bleibe derselbe. Über den Widerspruch gegen den dem Versicherten erteilten Bescheid vom 15. Juni 2001 habe die Beklagte bis heute nicht entschieden, so dass die Untätigkeitsklage begründet sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch der Klägerin vom 3. Januar 2002 gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2001 zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Klägerin führe nunmehr erstmalig an, dass sie das Schreiben an den Versicherten vom 15. Juni 2001 mit dem Widerspruch angreife. Abgesehen davon, dass damit im Nachhinein eine Konstruktion geschaffen werde, die eine Begründung für eine Klageberechtigung geben solle, sei diese Konstruktion nicht zielführend. Die auf der Abtretungsvereinbarung geleistete Unterschrift des Versicherten habe die Klägerin nicht legitimiert, für ihn Widerspruch zu erheben.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Auch wenn der Wert des abgetretenen - angeblichen - Rechts hier 500 EUR nicht übersteigt, betrifft die Klage auf Bescheidung des Widerspruchs keinen auf eine Geld- oder Sachleistung oder hierauf gerichteten Verwaltungsakt von nicht mehr als 500 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Sie betrifft vielmehr eine Dienstleistung (allgemeine Erteilung eines Widerspruchs), auf welche die Ausschließungsgründe des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht Bezug nehmen. Die Berufung bedurfte somit nicht der Zulassung durch das Sozialgericht. Dass für die Untätigkeitsklage nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) ein Streitwert von nicht mehr als 500,- EUR festgesetzt worden bzw. festzusetzen ist, ändert daran nichts. Denn dabei handelt es sich nicht um den Wert des Beschwerdegegenstandes iSd § 144 Abs. 1 SGG.

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Untätigkeitsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin einen Widerspruchsbescheid zu erteilen.

Nach § 88 Abs. 2 iVm Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Untätigkeitsklage zulässig, wenn seit der Einlegung des Widerspruchs drei Monate vergangen sind, ohne dass die Beklagte über den Widerspruch entschieden hat. Die Untätigkeitsklage ist begründet, wenn kein zureichender Grund dafür vorliegt, dass die Beklagte vor Ablauf der Frist von drei Monaten den Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen hat – die Unterlassung also rechtswidrig und die Klägerin dadurch beschwert ist (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 54 Rdnr 23). Da die Beklagte der Klägerin unter dem 27. Februar 2002 definitiv mitgeteilt hat, dass sie ihren Widerspruch nicht bescheiden werde, brauchte die Klägerin die Frist von drei Monaten (§ 88 Abs. 2 SGG) nicht abzuwar-

ten, so dass jedenfalls insoweit hinsichtlich der am 2. April 2002 erhobenen Untätigkeitsklage keine Zulässigkeitsbedenken bestehen.

Die vor dem Sozialgericht erhobene Untätigkeitsklage ist aber unzulässig, weil sich der Widerspruch der Klägerin nicht gegen einen Verwaltungsakt richtet, über dessen

Rechtmäßigkeit die Beklagte in einem Vorverfahren befinden muss. Dass § 88 Abs. 2 SGG einen Verwaltungsakt voraussetzt, über den ein Vorverfahren anhängig sein muss, ergibt sich aus folgendem: Im Fall des § 88 Abs. 2 SGG ist ein Versicherungsträger - wie die Beklagte -, wenn die Untätigkeitsklage zulässig und begründet ist, zu verurteilen, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen (nicht aber, den angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben oder den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, vgl. Meyer-Ladewig, aaO, § 88 Rdnr 9b; anders hinsichtlich § 75 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO ) Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 12. 9. 2000 – 22 A 5440/99, FEVS 52, 158). Zweck des § 88 Abs. 2 SGG ist, sicher zu stellen, dass dem Bürger aus dem säumigen Verhalten der Verwaltung keine Nachteile erwachsen (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, § 88 Rdnr 13). Er soll insbesondere keinen Nachteil dadurch erleiden, dass die Behörde vor Erhebung der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen hat (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG) und er durch die Säumnis der Behörde von der Klagerhebung abgehalten wird.

Zwar hat die Verwaltung grundsätzlich auch einen unzulässigen Widerspruch zu bescheiden, z.B. Widersprüche, die verfristet sind oder für die kein Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl. Ulmer in Hennig, SGG, § 88 Rz 22). Dies dürfte auch für Widersprüche gelten, die sich gegen Verwaltungsakte richten, mit denen die Behörde die beantragte Leistung mangels eigener Zuständigkeit abgelehnt hat (vgl. Bundessozialgericht ( BSG ) 11. 11. 2003 – B 2 U 36/02 R, SozR 4-1500 § 88 Nr. 1; Anmerkung Wagner, jurisPR-SozR 14/2004). Im Widerspruchsbescheid ist dann auszuführen, dass der Widerspruch mangels Vorliegen der Zulässigkeits- oder Zuständigkeitsvoraussetzungen keinen Erfolg haben konnte.

Anderes gilt jedoch, wenn überhaupt kein Verwaltungsakt vorliegt, gegen den durch die Einreichung eines Widerspruchs nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ein Vorverfahren, das mit der Erhebung des Widerspruchs beginnt (§ 83 SGG), eingeleitet worden ist.

Wendet sich ein Bürger "widersprechend" gegen ein Verwaltungshandeln, das keinen Verwaltungsakt darstellt, ist die angegangene Behörde weder verpflichtet noch ist es ihr - aus allein rechtsdogmatischer Sicht - möglich, ihm einen Widerspruchsbescheid zu erteilen. Der Rechtsbehelf des Widerspruchs, der den Bestimmungen des Dritten Unterabschnitts (§§ 77 ff SGG) und Vierten Unterabschnitts (§§ 87ff SGG) des Ersten Abschnitts des Zweiten Teils des SGG zu Grunde liegt, ist begrifflich nämlich daran geknüpft, dass er sich gegen einen Verwaltungsakt iSd § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) richtet (vgl. Ulmer in Hennig, SGG, § 88 Rz 23). Das ergibt sich auch aus § 95 SGG, wonach - wenn ein Vorverfahren stattgefunden hat - Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Der Erteilung eines Widerspruchsbescheids haben folglich grundsätzlich der Erlass eines Verwaltungsakts und ein gegen diesen sich richtender Widerspruch vorauszugehen.

Zwar ist es der Behörde nicht verwehrt, in Fällen, in denen ein Verwaltungsakt nicht erlassen worden oder dies zweifelhaft ist, dem "Widersprechenden" aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Verwaltungsökonomie einen förmlichen Widerspruchsbescheid zu erteilen. Dieser Widerspruchsbescheid kann dann alleiniger Klagegegenstand werden (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, § 95 Rdnr. 3a). Eine Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines solchen Widerspruchsbescheids besteht aber nicht. Mit der Mitteilung der Behörde an den "Widersprechenden", dass sie mangels Verwaltungsakts seinen "Widerspruch" nicht bescheiden werde, hat sie in solchen Fällen ihre Amtsobliegenheiten vollständig erfüllt. Es bleibt dem "Widersprechenden" zwar unbenommen, dann Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG zu erheben, er trägt aber das Risiko, dass diese als unzulässig abgewiesen wird, wenn sich das Gericht davon überzeugt, dass ein Verwaltungsakt nicht vorliegt. Die Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG ist nämlich nicht dafür da, ein Verwaltungshandeln der Behörde, das nicht auf die Bescheidung eines Widerspruchs gegen einen Verwaltungsakt gerichtet ist, zu befördern.

Das Sozialgericht hat vorliegend zu Recht erkannt, dass der Widerspruch vom 4. Januar 2002 (Schreiben vom 3. Januar 2002), mit welchem die Klägerin die Beklagte "um Begleichung der Rechnung" bittet, sich nicht gegen einen Verwaltungsakt richtet. Dieser Widerspruch richtete sich - wie allerdings nur vermutet werden kann - dagegen, dass die Beklagte die Klägerin wissen ließ, deren Rechnung vom 30. Juni 2001

nicht bezahlen zu wollen. Soweit die Klägerin ausführt, der Widerspruch vom 3. Januar 2002 habe sich gegen das ihr erteilte Schreiben der Beklagten vom 15. Juni 2001 gerichtet, ist hierfür den Akten nichts zu entnehmen. Darauf kommt es aber auch nicht an, weil diesem Schreiben keine Verwaltungsaktsqualität zukommt. Das Widerspruchsschreiben vom 23. Januar 2002, das sich gegen das Schreiben der Beklagten vom 11. Januar 2002 richtet, betrifft ebenfalls keinen Verwaltungsakt. Verwaltungsakt ist gemäß § 31 Satz 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. In dem Schreiben der Beklagten vom 11. Januar 2002 liegt kein Verwaltungsakt, sondern eine Entscheidung im Gleichordnungsverhältnis, in welchem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht, sondern allenfalls eine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG in Betracht kommt (vgl. BSG 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R, SozR 3-2500 § 112 Nr 2). Die Mitteilung einer Krankenkasse gegenüber einem Leistungserbringer iSd §§ 126ff SGB V, dass seinem Kostenvoranschlag oder seiner Rechnung nicht oder nicht voll entsprochen werde, stellt insbesondere keine hoheitliche Regelung dar. Nach alledem hat das Sozialgericht die Untätigkeitsklage zu Recht abgewiesen.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Untätigkeitsklage gegen den von der Beklagten dem Versicherten erteilten Bescheid vom 15. Juni 2001 richtet, ist diese Klage unzulässig. Hierin liegt eine Klageänderung nach § 99 SGG, der über § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren gilt (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, § 99 Rdnr. 12). Dieser Klageänderung hat die Beklagte nicht zugestimmt; sie ist auch nicht sachdienlich (§ 99 Abs. 1 SGG).

Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war die Frage, ob die Beklagte den von der Klägerin eingelegten Widerspruch vom 3. Januar 2002/23. Januar 2002 gegen die Ablehnung der Kostenrechnung vom 30. Juni 2001 bzw. das die Begleichung dieser Rechnung ablehnende Schreiben der Beklagten vom 11. Januar 2002 zu bescheiden hat. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang behauptet, das Sozialgericht habe ausgeführt, das Schreiben vom 15. Juni 2001 stelle keine hoheitliche Maßnahme dar, trifft dies nicht zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid erwähnt das Schreiben/den Bescheid vom 15. Juni 2001 zwar im Tatbestand, hebt in den Entscheidungsgründen aber ausschließlich darauf ab, dass das Schreiben der Be-

klagten vom 11. Januar 2002 keinen Verwaltungsakt darstelle. Nur darüber hat das Sozialgericht - zumal die Klägerin das Schreiben/den Bescheid vom 15. Juni 2001 erstinstanzlich selbst nicht erwähnt hat - entschieden. Indem die Klägerin nunmehr nicht mehr die Bescheidung ihres Widerspruchs vom 3. Januar 2002/23. Februar 2002 verfolgt (ihre Berufung aber auch nicht ausdrücklich zurücknimmt), sondern stattdessen quasi erstinstanzlich die Bescheidungspflicht bezüglich eines Widerspruchs gegen die gegenüber dem Versicherten getroffene Entscheidung der Beklagten geltend macht, verfolgt sie das ursprüngliche Klageziel auch nicht wenigstens teilweise weiter und stellt den Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage. Dies ist nicht zulässig. Davon abgesehen hat die Beklagte ihren Widerspruch gegen den dem Versicherten erteilten Bescheid vom 15. Juni 2001 erstmals mit Eingang der Berufungsschrift und nicht bereits - ebenfalls - unter dem 3. Januar 2002/23. Februar 2002 erhoben. Sieht man in der Berufungsschrift eine gleichzeitig erhobene, zweitinstanzlich angefallene Untätigkeitsklage, so wäre diese auch deshalb unzulässig, weil sie zum einen vor Ablauf der Frist des § 88 Abs. 2 SGG und zum anderen auch vor einer etwaigen Mitteilung der Beklagten, dass sie auch diesen Widerspruch nicht bescheiden werde, erhoben worden ist. Diese Unzulässigkeit kann im vorliegenden Verfahren auch für den Fall angenommener Säumnis der Beklagten nicht mehr geheilt werden. Im Übrigen ist die Klageänderung auch deshalb nicht sachdienlich, weil der dem Versicherten erteilte Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2001 zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin Widerspruch gegen diese Entscheidung erhoben hat (mit der Berufungsschrift am 14. Juli 2003), wegen Ablaufs der Jahresfrist nach Bekanntgabe der Entscheidung an den Versicherten (vgl. §§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3, 66 Abs. 3 Satz 1 SGG) bindend war. Ob dieser Bescheid vom 15. Juni 2001 den Versicherten überhaupt beschwert und insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Widerspruch bestanden hat, bedarf daneben keiner Entscheidung.

Nach alledem hat die Berufung - aber auch die geänderte Klage - keinen Erfolg und ist zurückzuweisen bzw. als unzulässig abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 197a Abs. 1 Satz 1 iVm §§ 13, 25 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung. Um der zweitinstanzlich erhobenen Klage streitwertmäßig Rechnung zu tragen, ist der Streitwert auf den Gesamtbetrag des Kostenvoranschlages vom 12. Juni 2001 festgesetzt worden.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
Saved