L 3 U 75/02

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 U 320/98
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 75/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Oktober 2002 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 19. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 1998 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 9. April 1997 in Form einer "Anpassungsstörung im Sinne einer chronischen Depression" Verletztenrente nach einer MdE von 50 v. H. zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren nach entsprechender Einschränkung des Streitgegenstandes noch die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 9. April 1997 streitig.

Der im XXXXXXXX 1967 geborene Kläger erlitt am 9. April 1997 während seiner beruflichen Tätigkeit als Lagerarbeiter bei der N.- O.-Getränkeproduktion E. GmbH & Co. KG einen Unfall. Nach seinen Angaben war er vom Vorarbeiter angewiesen worden, auf eine mit Altglaskisten beladene Palette zu steigen, die anschließend von einem Gabelstapler auf eineinhalb, zwei oder drei Meter Höhe gefahren worden sei. Von dort habe er die Flaschen in einen Container kippen müssen. Dabei habe er einen Fehltritt getan und sei rücklings hinunter auf einen Betonfußboden gestürzt. Der Kläger wurde zur Erstversorgung in die chirurgische Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses B. eingeliefert. Ausweislich des Durchgangsarztberichts vom 10. April 1997 wurden dort eine Halswirbelsäulendistorsion sowie multiple Prellungen der gesamten Wirbelsäule festgestellt. Röntgenolgisch hätten sich im Bereich des Schädels, der Wirbelsäule, des Kreuzbeines und des Beckens Zeichen einer Fraktur nicht gefunden.

Nachfolgend begab sich der Kläger wegen fortbestehender Rückenbeschwerden in ambulante Behandlung bei dem praktischen Arzt Dr. P., dem Chirurgen Dr. M. und dem Orthopäden E2, der ihn mit Wirkung vom 7. Mai 1997 für arbeitsfähig hielt. Der anschließend aufgesuchte Chirurg Dr. S. veranlasste eine Vorstellung des Klägers im Reha-Zentrum City H., wo dieser bis Ende Mai 1997 ambulant behandelt wurde. Nach Beendigung dieser Behandlung begab sich der Kläger wegen einer schweren depressiven Symptomatik ohne ärztliche Einweisung in die bis zum 28. August 1997 andauernde stationäre psychiatrische Behandlung in das Klinikum N ... In dem dortigen Entlassungsbericht wird als Diagnose neben einem Lendenwirbelsäulensyndrom eine posttraumatische Belastungsstörung aufgeführt. Während des stationären Aufenthaltes wurde der Kläger wegen aufgetretener heftiger Rückenschmerzen am 4. August 1997 notfallmäßig in der chirurgischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses A. behandelt, wo der Verdacht auf eine Wirbelbogenfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers rechts und eine Vorderkantenfraktur geäußert wurde.

Nach Beiziehung eines Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse, welches für die Zeit vom 19. Januar bis 28. Februar 1993 eine Arbeitsunfähigkeitszeit wegen Zahnkrankheiten, Verstimmungszustand/depressiv ausweist, erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 19. August 1997 eine leichte Halswirbelsäulendistorsion sowie multiple Prellungen als Folgen des Arbeitsunfalls und eine darauf beruhende, bis 27. Mai 1997 andauernde Arbeitsunfähigkeit an, lehnte aber die Gewährung einer Verletztenrente mit der Begründung ab, dass der Arbeitsunfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ( MdE ) in rentenberechtigendem Grade nicht hinterlassen habe. Nachdem der Kläger mit seinem gegen diese Entscheidung gerichteten Widerspruch geltend gemacht hatte, es sei bei dem Unfall auch zu Wirbelkörperbrüchen gekommen, unter deren Folgen er weiter leide, und in psychischer Hinsicht sei eine posttraumatische Belastungsstörung aufgetreten, die sich mittlerweile zu einer Depression vitaler Tiefe ausgeweitet habe, ließ die Beklagte durch Prof. Dr. W. das chirurgische Gutachten vom 18. März 1998 erstellen. Der Sachverständige kam nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass bei diesem eine abgeheilte Wirbelbogenfraktur des vierten Lendenwirbelkörpers vorliege, die die geklagten Beschwerden aber nicht erklären könne. Bei diesen könne es sich vielmehr um Folgen einer Reaktivierung eines schon vor dem Ereignis bestehenden Lendenwirbelsäulenleidens handeln. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass der verheilte Wirbelkörperbruch, der Arbeitsunfähigkeit von etwa sechs Monaten bedingt habe, geringgradige Schmerzen verursache. Diese seien mit einer MdE von weniger als 10 v. H. zu bewerten. Die psychische Gesundheitsstörung, für deren Vorliegen bereits in der Zeit vor dem Unfallereignis den Unterlagen Anhaltspunkte zu entnehmen seien, bedürfe einer nervenärztlichen Begutachtung.

Trotz dieser Empfehlung und in Kenntnis der psychiatrischen Behandlung des Klägers im Klinikum N. von Mai bis August 1997 und der dort gestellten Diagnose, jedoch in Unkenntnis der Tatsache, dass der Kläger erneut vom 28. April bis 26. Mai 1998 dort behandelt worden war, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 1998 zurück, ohne auf die psychischen Beschwerden des Klägers einzugehen.

Während des nachfolgenden Klageverfahrens wurde der Kläger, der seit dem 1. September 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit von der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg bezieht, vom 17. Juli bis 25. August 1998 in der Psychiatrischen Abteilung des Universitätskrankenhauses E1 ( UKE ) wegen einer rezidivierenden depressiven Störung behandelt. Nach den dortigen Unterlagen habe bereits 1989 nach einem Wohnungsbrand eine mehrwöchige depressive Episode bestanden, die nicht ärztlich behandelt worden sei. Das Sozialgericht hat Unterlagen der behandelnden Ärzte beigezogen und den Kläger durch den Orthopäden P1 sowie den Nervenarzt Dr. N1 untersuchen und begutachten lassen. Der Orthopäde ist in dem Gutachten vom 6. März 2000 zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger seien Folgen des Unfalls vom 9. April 1997 nicht mehr festzustellen. Er habe sich bei diesem Ereignis keine Fraktur zugezogen. Bei den auf den Röntgenbildern sichtbaren Linien handele es sich um atypisch verlaufende Gelenkspalten und nicht um Frakturzeichen. Schon vor dem Ereignis habe der Kläger unter degenerativen Wirbelsäulenveränderungen gelitten. Dieses Leiden sei durch den Unfall vorübergehend verschlimmert worden und habe Arbeitsunfähigkeit von etwa sieben Wochen bedingt. Über den 27. Mai 1997 hinaus hätten auf orthopädischem Fachgebiet keine Unfallfolgen mehr vorgelegen. Dem Nervenarzt Dr. N1 gegenüber hat der Kläger anlässlich der Untersuchung unter anderem davon berichtet, nach dem Unfallereignis von seinem Arbeitgeber massiv unter Druck gesetzt worden zu sein, den Unfall nicht der Beklagten zu melden. Er habe es aber trotzdem getan und ihm sei während der Arbeitsunfähigkeit gekündigt worden. Zwar habe er im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Abfindung erstritten, dennoch sei ihm damals alles irgendwie zu viel geworden. Seit dem Unfall leide er unter Durchschlafstörungen, habe nächtliche Alpträume und wache manchmal schreiend auf. Er fühle sich antriebslos, könne sich nicht konzentrieren und sei nicht in der Lage, Konflikte auszuhalten. Dr. N1 hat den Kläger in dem Gutachten als wach, orientiert, bewusstseinsklar, aber in der Grundstimmung deutlich depressiv, psychomotorisch matt, gehemmt, im Antrieb erheblich reduziert, in der affektiven Schwingungsfähigkeit deutlich eingeschränkt, im Kontakt zurückhaltend, im Gedankengang eingeengt und mit deutlich reduziertem Selbstwertgefühl beschrieben. Er hat eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig schwerer Episode diagnostiziert und in der Beurteilung ausgeführt, für eine posttraumatische Belastungsstörung fände sich kein ausreichender Anhalt. Weder die vom Kläger geschilderten Umstände noch die objektive Schilderung des Unfallherganges ließen in dem Sturz ein derart bedrohliches Ereignis erkennen, welches auch bei einem Gesunden zu einer erheblichen psychischen Reaktion geführt hätte. Zwar würden einzelne Angaben und Befunde während des ersten stationären psychiatrischen Krankenhausaufenthaltes im Klinikum N., wie die vermehrte Reizbarkeit, der Hinweis auf Alpträume und die wiederkehrende Auseinandersetzung mit dem Unfallereignis, durchaus an eine posttraumatische Belastungsstörung denken lassen, jedoch seien diese Symptome durchaus auch geeignet, in einer schweren depressiven Episode aufzugehen. Eine hinreichende Spezifizierung der geschilderten Symptome als Ausdruck einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht zu erkennen.

Demgegenüber ist der auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) als weiterer Sachverständiger gehörte Nervenarzt Dr. S1 in seinem Gutachten vom 17. September 2001 zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Dieser Sachverständige, der den Kläger zuvor bereits im Auftrag einer Privatversicherung begutachtet ( Gutachten vom 16. Februar 1998 ) und ihm eine unfallbedingte Erwerbsminderung von 50 Prozent bescheinigt hatte, weist darauf hin, dass das Krankheitsbild einer posttraumatischen Belastungsstörung mit depressiver Entwicklung aus der mangelnden Verlustbewältigungskompetenz des Klägers gegenüber den direkten körpermechanischen Unfallfolgen in Form von Schmerzen und den psychosozialen Folgen in Folge der sozialen, sozialrechtlichen und biographischen Einschnitte und Verluste entstehe. Die beiden Untersuchungsbefunde von Februar 1998 und August 2001 würden erkennen lassen, dass der Kläger mit aus psychopathologischer Perspektive ungünstigen Eingangsvoraussetzungen dem Arbeitsunfall von April 1997 ausgesetzt worden sei, welcher körperliche, psychische und psychosoziale Einschnitte zur Folge gehabt habe, an denen er nachhaltig erkrankt sei. Die ungünstigen Eingangsvoraussetzungen ( interkulturelle Position, biographische Traumen in der Auseinandersetzung mit dem Vater, ein Wohnungsbrand im Jahre 1989 und der primärpersönliche Wunsch nach Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit ) könnten nicht als wesentliche Mitursachen angesehen werden; das Unfallereignis habe ganz deutlich dominant auf der Grundlage jener Bedingungen gewirkt und die jetzt festzustellende Gesundheitsstörung herbeigeführt, die eine MdE von 50 bedinge.

Dieser Einschätzung hat die Beklagte durch Einreichung der nervenärztlichen Stellungnahme des Dr. Dr. W1 vom 5. Februar 2002 widersprochen, in welcher darauf hingewiesen wird, dass ein Unfallgeschehen, bei welchem jemand aus ein Höhe von eineinhalb bis zwei Meter von einem Arbeitsgerät abrutsche, nicht über eine Belastung der alltäglichen Lebensführung hinausgehe. Ein solches Ereignis stelle daher eine klassische Gelegenheitsursache dar. Da der Kläger im psychischen Bereich bereits vor dem Ereignis erheblich vorbelastet gewesen und es im Rahmen der Gelegenheitsursache lediglich zu einfachen Körperprellungen gekommen sei, habe der Unfall im Sinne des äußeren Anlasses, nicht aber im Sinne der Ursache zu den Weiterungen im psychischen Bereich geführt.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 24. Oktober 2002 abgewiesen. Das Unfallereignis habe bei dem Kläger lediglich zu einer Halswirbelsäulendistorsion und multiplen Prellungen geführt. Es habe aber keine weiteren gesundheitlichen Störungen körperlicher oder seelischer Art verursacht. Insbesondere habe der Kläger bei dem Unfall keine Fraktur eines Lendenwirbelkörpers erlitten, wie sich aus dem überzeugenden Gutachten des Orthopäden P1 ergebe. Der Unfall sei auch nicht wesentlich ursächlich für die tatsächlich bestehenden und in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis aufgetreten psychischen Störungen des Klägers. Insbesondere für eine posttraumatische Belastungsstörung gäbe es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die festgestellten persönlichkeitsgebundenen Anlagefaktoren, die verschiedenen äußeren Einflüsse sowie die Aktenhinweise auf frühere depressive Episoden in den Jahren 1989 und 1993 sprächen eher dafür, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers um eine depressive Episode handele, die vermutlich auch ohne den Unfall schicksalhaft aufgetreten wäre.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 21. November 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger bereits vor Zustellung des Urteils am 8. November 2002 Berufung eingelegt. Er macht geltend, das Sozialgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Insbesondere zu Unrecht sei es der Auffassung des Orthopäden P1 gefolgt, nach welcher eine Fraktur im Bereich des vierten und fünften Lendenwirbelkörpers nicht vorgelegen habe. Dies stehe der Beurteilung des behandelnden Chirurgen Dr. S. entgegen. Das Sozialgericht hätte insoweit ein Obergutachten einholen müssen. Ebenfalls zu Unrecht sei das Gericht auf der Grundlage des von Dr. N1 eingeholten Gutachtens zu der Auffassung gelangt, der Unfall habe keine psychischen Störungen bei dem Kläger verursacht. Dem stehe die Beurteilung des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. S1 entgegen, wonach das Ereignis als wesentliche Bedingung für die Entstehung einer posttraumatischen depressiven Belastungsstörung anzusehen sei. Auch insoweit hätte das Sozialgericht sich veranlasst sehen müssen, ein Obergutachten einzuholen. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Oktober 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 09. April 1997 Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Oktober 2004 zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe lediglich vom 9. April bis einschließlich 27. Mai 1997 bestanden. Die durchgeführte Diagnostik habe keine Frakturzeichen im Bereich der Wirbelsäule ergeben. Die auf Irritationen der Zwischenwirbelgelenke beruhenden Beschwerden seien nicht Unfallfolgen, sondern auf eine anlagebedingte Fehlhaltung der Wirbelsäule zurückzuführen. Nervenärztlicherseits sei die depressive Symptomatik in keinem Zusammenhang mit dem Unfall gesehen worden, weil die unfallfremden Kausalfaktoren überwogen hätten und ihnen eine beherrschende Stellung zukomme.

Das Landessozialgericht hat den Entlassungsbericht der Reha-Klinik L. über den dortigen stationären Aufenthalt des Klägers vom 4. Februar bis 11. März 2003 sowie den Befundbericht des Nervenarztes Dr. H1 vom 30. Mai 2003 (depressive Anpassungsstörung) und den Befundbericht nebst Krankenunterlagen des Orthopäden Dr. W2 vom 23 Februar 2003 beigezogen. Diesen Krankenunterlagen ist unter anderem ein Bericht der orthopädischen Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses über einen dortigen stationären Aufenthalt des Klägers vom 22. Februar bis 2. März 2000 beigefügt, in welchem neben einem chronifizierten Lumbalgiesyndrom auch eine posttraumatische Verarbeitungsstörung als Diagnose aufgeführt ist.

Anlässlich der Untersuchung durch den vom Landessozialgericht zum Sachverständigen bestellten Nervenarzt Dr. M1 hat der Kläger den Unfall dahingehend geschildert, dass er entgegen den geltenden Vorschriften von seinem damaligen Vorarbeiter angehalten worden sei, auf eine Palette zu klettern, die vom Gabelstapler auf eineinhalb, zweieinhalb oder drei Meter hoch gefahren worden sei. Außer ihm seien noch Kisten mit Abfallflaschen auf der Palette gestapelt gewesen. Er habe von oben die leeren Flaschen in den Container werfen müssen. Dabei habe er einen Fehltritt gemacht und sei abgerutscht und dann rücklings, mit dem Gesäß zuerst auf den Betonboden gestürzt, dann auf den Rücken gekippt und mit Rücken und letztlich auch noch dem Hinterkopf aufgeschlagen. Er sei wohl kurzzeitig bewusstlos gewesen, wisse aber nicht wie lange. Jedenfalls habe ihn ein Fahrer einer Fremdfirma neben dem Container liegend gefunden. Nachdem er wieder zu sich gekommen sei, habe er sofort Schmerzen im Gesäß, Rücken- und Kopfbereich sowie starke Übelkeit verspürt. Nachdem der Unfallwagen gekommen sei, sei er von dem Vorarbeiter missbilligend angeschaut worden. Dieser habe ihn auch sogleich im Krankenhaus B. angerufen und ihn dort unter Druck gesetzt. Später sei der Vorarbeiter bei ihm auch zu Hause gewesen. Er habe versucht, ihn davon abzubringen, der Berufsgenossenschaft den Unfall zu melden. Man habe ihn mit einer Kündigung gedroht, wozu ist dann später auch gekommen sei. Der Sachverständige Dr. M1 hat den behandelnden Hausarzt Dr. P. telefonisch kontaktiert. Dabei hat dieser angegeben, dass der Kläger vor dem Unfallereignis psychosomatische Probleme geboten hätte im Sinne von vielfältigen körperlichen Beschwerden. Allerdings sei er nicht depressiv gewesen. Er – der Hausarzt – habe den Kläger auch zu keiner Zeit wegen Depressionen krankgeschrieben. Bei der für 1993 dokumentierten Arbeitsunfähigkeit habe es sich eher um einen Erschöpfungszustand gehandelt, den er unter der Diagnose Verstimmungszustand (depressiv) verschlüsselt habe. Erst nach dem Unfallereignis habe der Kläger gravierende psychische Beschwerden im Sinne einer Depression gezeigt. Nach Anhörung der Ehefrau des Klägers ist Dr. M1 in seinem Gutachten vom 23. August 2003 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13. Januar 2004 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger seit dem Zeitpunkt des Unfalls vom 9. April 1997 an einer chronisch verlaufende abnormen Entwicklung im Sinne einer Anpassungsstörung bzw. einer Reaktion auf eine schwere Belastung leide. Für diese Gesundheitsstörung sei der Unfall alleinige Ursache. Bei allen entsprechenden Untersuchungen sei der psychopathologische Befund fast durchgehend gleich gewesen. Lediglich die daraus gezogenen diagnostischen Zuordnungen seien höchst unterschiedlich getroffen worden. Die Annahme, dass schon vor dem Unfall phasisch verlaufende Depressionen vorgelegen hätten, sei von ihm nach Rücksprache mit dem ehemals behandelnden Allgemeinarzt Dr. P. widerlegt worden. Es müsse in diesem Fall von einem schweren seelischen Trauma ausgegangen werden, da bei genauer Analyse und nach Schilderung des Unfallablaufs der Betroffene rücklings ins vermeintlich Bodenlose gestürzt und das Gefühl der Todesangst durchlebt habe. Dabei sei es unerheblich, ob er aus zwei oder drei Metern Höhe abgestürzt sei. Die Belastungsfaktoren des unversicherten Bereichs könnten im Hinblick auf die Unfallfolge keine andere Schlussfolgerung zulassen, da sie lediglich am Unfalltag selbst bzw. einige Tage danach unterschwellig relevant gewesen seien, in der Folge aber von dem sich entwickelnden tief depressiven Geschehen ganz zugedeckt worden seien. Hinsichtlich der Dauer der Anpassungsstörung sei zu berücksichtigen, dass sich in diesem speziellen Fall eine äußerst chronischer Verlauf eingestellt habe, zum Teil unterhalten auch durch die existenzielle Not und die sozialen Probleme, die sich als Folge des Unfallereignisses eingestellt hätten.

Dieser Beurteilung ist die Beklagte entgegen getreten durch Einreichung der Stellungnahmen des Nervenarztes Dr. Dr. W1 vom 26 September 2003 und 14. Februar 2004. Darin wird darauf verwiesen, dass nach Aktenlage schon vor dem Unfall bei dem Kläger phasisch verlaufende Depressionen vorgelegen hätten. Es sei nach wie vor nicht widerlegt, dass der Kläger schon in der Zeit ab 1989 unter entsprechenden psychischen Störungen gelitten habe. Im Übrigen habe der Sachverständige nicht beachtet, dass Anpassungsstörungen nach belastenden Ereignissen lediglich zeitlich befristet zu psychischen Beschwerdesymptomen führen könnten. Eine Anpassungsstörung als chronische Erkrankung könne nur dann akzeptiert werden, wenn auch tatsächlich ein chronischer Stressor vorliege, womit z. B. eine entstellende Verletzung, eine Amputation oder Ähnliches gemeint sei. Dies sei bei dem Kläger eindeutig nicht der Fall. Es müsse insoweit darauf hingewiesen werden, dass bei dem Kläger schon sehr zeitnah zu dem Unfallereignis äußerst nachteilige situative Faktoren eingewirkt hätten, welche mit dem Unfall selbst nichts zu tun hätten. Dazu gehöre die Unterdrucksetzung durch den Arbeitgeber und Art und Umfang der ärztlichen Behandlung. Dies habe alles mit der Persönlichkeit des Klägers bzw. seinem Umfeld zu tun, nicht aber mit den eigentlichen Unfallfolgen. Auch habe das Bundessozialgericht schon 1998 den Grundsatz aufgestellt, dass neben den subjektiven Erlebnisweisen des Versicherten beim Erleiden von Unfallgeschehnissen auch deren objektive Schwere bei der Begutachtung zentral zu berücksichtigen sei. Wenn man bedenke, dass der Kläger von einem Arbeitsgerät aus maximal zwei Meter Höhe herunter gefallen sei, könne dieser Vorgang nun wirklich nicht als objektiv schwer bewertet werden. Derartige Sturzereignisse seien nahezu jedem aus der alltäglichen Lebensführung bekannt. Schon Kinder stürzten von Spielgeräten herab und Heimwerker fielen beim Streichen ihrer Wände von Leitern. Derartigen Ereignissen mangele es ganz einfach bezüglich des bewirkten Erfolges im psychischen Bereich an dem Merkmal der Unersetzlichkeit bzw. Nichtaustauschbarkeit.

Im Termin am 14. Dezember 2004 ist Dr. M1 zur Erläuterung seines Gutachtens unter Berücksichtigung der Ausführungen des Nervenarztes Dr. Dr. W1 gehört worden. Unter Hinweis auf das Ergebnis einer nochmaligen Untersuchung des Klägers hat er darauf verwiesen, dass der Kläger zwischenzeitlich noch zweimal im Klinikum N. stationär wegen Selbstmordgedanken im Rahmen der Depression behandelt worden sei und sich am Bild der schweren Erkrankung bis heute nichts geändert habe. Er hat ausgeführt, dass ein Sturz rücklings aus zwei oder drei Metern Höhe ohne Augenkontrolle sehr wohl ein Gefühl der akuten Todesangst auszulösen vermöge. Ein derartiger Sturz sei in keiner Weise mit einem nach vorne gerichteten, unter Augenkontrolle stattfindenden Ereignis zu vergleichen. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, dass der Kläger wenige Wochen nach dem Ereignis den behandelnden Ärzten im Klinikum N. gegenüber sehr wohl von Todesangst während des Sturzes berichtet habe. Bei seiner Beurteilung berücksichtige er auch, dass bei der Unfallablaufanlyse in den Gesprächen mit dem Kläger bei diesem körperliche Parameter wie Schwitzen, Unruhe, Stottern und Versagen der Stimme zu beobachten gewesen seien. In Übereinstimmung mit Dr. S1 sei die wegen der Unfallfolgen bestehende MdE mit 50 v.H. einzuschätzen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 14. Dezember 2004 aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Dem steht nicht die Tatsache entgegen, dass die Berufungseinlegung bereits vor Zustellung des sozialgerichtlichen Urteils erfolgte. Dieses Urteil war zu diesem Zeitpunkt bereits verkündet und damit schon wirksam, so dass zulässigerweise schon Berufung eingelegt werden konnte (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, § 151 Anm. 9, § 125 Anm. 4 ).

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die ursprünglich auf Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 9. April 1997 über den 27. Mai 1997 hinaus gerichtete Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zumindest bezüglich der im Berufungsverfahren allein noch geltend gemachten Verletztenrente steht nach dem Ergebnis der Ermittlungen und eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten zur Überzeugung des Senats fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für deren Gewährung erfüllt sind.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – ( SGB VII ) erhält der Versicherte eine Rente, dessen Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette ( versicherte Tätigkeit, Versicherungsfall im Sinne eines Arbeitsunfalls, Gesundheitsschaden ) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, genügt für den Ursachenzusammenhang zwischen ihnen die so genannte hinreichende Wahrscheinlichkeit, das heißt es müssen mehr Gesichtspunkte für einen Zusammenhang sprechen als dagegen. Die reine Möglichkeit ist demgegenüber nicht ausreichend.

Aufgrund der die Beklagte wie auch das Gericht bindenden Feststellungen in den angefochtenen Entscheidungen handelt es sich bei dem streitigen Ereignis vom 9. April 1997 um einen Arbeitsunfall, der ursächlich für die mittlerweile abgeheilten körperlichen Gesundheitsstörungen in Form einer leichten Halswirbelsäulendistorsion sowie multipler Prellungen war. Zur Überzeugung des Senats kann dahinstehen, ob dieser Unfall zusätzlich zu einer oder mehreren Frakturen des vierten Lendenwirbelkörpers geführt hat. Selbst wenn derartige Frakturen vorgelegen haben sollten, waren sie spätestens bis zum Ablauf der 26. Woche nach dem Unfallereignis folgenlos abgeheilt und bedingten keine MdE mehr. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats zweifelsfrei aus dem Abschlußbericht des Reha-Zentrums City H. vom 30. Mai 1997, nach welchem bereits ab 27. Mai 1997 Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule nicht mehr vorgelegen haben, sowie aus dem Gutachten des Chirurgen Prof. Dr. W., der von einer unfallbedingten Wirbelkörperfraktur ausgegangen ist, dadurch hervorgerufene, relevante Leistungseinschränkungen aber über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus ebenfalls nicht festzustellen vermochte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts ist der Arbeitsunfall vom 9. April 1997 aber darüber hinaus wesentliche Ursache für eine Gesundheitsstörung auf psychiatrischem Fachgebiet. Eine derartige Gesundheitsstörung liegt bei dem Kläger in Form einer chronischen Depression erheblichen Ausmaßes vor. Dies steht auf Grund der im Wesentlichen übereinstimmenden Befunderhebungen und Beurteilungen aller medizinischen Sachverständigen fest und wird auch von den von der Beklagten eingeschalteten Ärzten nicht in Frage gestellt. Schon in seiner ersten Stellungnahme hat Dr. Dr. W1 vielmehr von einer anhaltenden, recht ausgeprägten depressiven Symptomatik des Klägers gesprochen. Streitig ist zwischen den Beteiligten insoweit allein, ob es sich bei dieser Gesundheitsstörung um eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. posttraumatische Anpassungsstörung im medizinischen Sinne handelt. Aus rechtlicher Sicht ist diese Frage aber letztlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die medizinische Bezeichnung einer Erkrankung als "posttraumatische Gesundheitsstörung" ist rechtlich insofern problematisch, als diese Krankheitsbezeichnung begrifflich bereits eine Kausalitätsverknüpfung mit einem vorangegangenen Unfallereignis beinhaltet. Nichts anderes gilt für die früher gebräuchliche Bezeichnung der "abnormen Erlebnisreaktion" oder die hier ebenfalls in Betracht kommende "Anpassungsstörung nach schwerem Lebensereignis". Dieser Umstand vermag bei der rechtlichen Beurteilung aber nicht dazu zu führen, dass im Falle einer posttraumatischen Belastungs- oder Anpassungsstörung nicht nur die Gesundheitsstörung als solche, sondern auch deren Verursachung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen ( nachzuweisen ) und nicht nur wahrscheinlich zu machen wäre. Für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ist es vielmehr auch bei derartigen Gesundheitsstörungen ausreichend, dass das Vorliegen einer entsprechenden psychischen Störung nachgewiesen und deren Verursachung durch das Unfallereignis hinreichend wahrscheinlich ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Sozialgericht auf der Grundlage der Einschätzung des medizinischen Sachverständigen Dr. N1 zu Unrecht verneint.

Soweit Dr. N1 in seinem Gutachten vom 13. September 2000 die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges mit der Begründung verneint, dass es sich bei der Erkrankung um eine rezidivierende depressive Störung handele, deren Erstmanifestation in den späten 80iger Jahren gelegen habe, vermag sich der Senat dieser Einschätzung nicht anzuschließen. Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Erkenntnisse lassen sich nämlich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt des Unfallereignisses psychisch krank gewesen ist, nicht feststellen. Anders als Dr. Dr. W1 in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2004 ausführt, hat nicht der Kläger nachzuweisen, dass er vor dem Unfallereignis nicht schon an einer psychischen Gesundheitsstörung gelitten hat. Vielmehr müssen einen Zusammenhang mit dem Unfall ausschließende Vorerkrankungen mit Sicherheit festgestellt werden, so dass im Zweifel diesbezüglich die Beklagte die Beweislast trifft. Die Hinweise in den Akten auf psychische Vorerkrankungen sind zur Überzeugung des Senats nicht geeignet, deren Vorliegen zu belegen. Zwar wird in den Akten des Klinikum N. unter dem Datum des 5. Juni 1997 sowie im Aufnahmebogen des UKE vom 17. Juli 1998 als Anamnese ( also Angaben des Klägers ) unter anderem aufgeführt, dieser sei " nach dem Brandanschlag 1989 erstmals depressiv geworden" bzw. habe "bereits 89 unter einer depressiven Episode von mehren Wochen nach einem Wohnungsbrand" gelitten, ohne sich deshalb in Behandlung begeben zu haben. Jedoch zeigt zur Überzeugung des Senats schon die Wortwahl, dass es sich nicht um eine wörtliche Wiedergabe der Angaben des Klägers handeln kann. Was dieser tatsächlich gesagt hat, bleibt daher völlig offen. Im Übrigen ist es nachvollziehbar, wenn jemand wegen der mit einem Wohnungsbrand verbundenen Umstände etwas bedrückt, ggf. auch verzweifelt ist. Daraus lässt sich aber nicht das Vorliegen einer psychischen Störung von Krankheitswert ableiten, zumal der Kläger 1989 ärztliche Hilfe weder benötigt noch in Anspruch genommen hat. Soweit im Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse für die Zeit vom 19. Januar bis 28. Februar 1993 die Bezeichnung "Zahnkrankheiten, Verstimmungszustand/depressiv" aufgeführt ist, hat der zu dieser Zeit behandelnde Arzt Dr. P. gegenüber Dr. M1 klargestellt, dass es sich damals um einen Erschöpfungszustand gehandelt hat, der lediglich unter der Diagnose "Verstimmungszustand (depressiv)"verschlüsselt worden ist. Ausreichend konkrete Hinweise, um mit der erforderlichen Sicherheit vom Vorliegen einer durchgehend von 1989 bis zum Unfall 1997 vorbestehenden psychischen Erkrankung auszugehen, liegen damit nicht vor. Im Übrigen würde auch eine tatsächlich zeitweise aufgetretene psychische Reaktion z. B. auf einen Wohnungsbrand keinesfalls gegen den Zusammenhang der jetzt bestehenden Gesundheitsstörung mit dem Unfallereignis sprechen. Sie würde nämlich deutlich machen, dass der Kläger, ggf. aufgrund einer besonderen, jedoch keinen Krankheitswert erreichenden Veranlagung, mit der er versichert ist , auf nicht alltägliche belastende Ereignisse, zu denen zur Überzeugung des Senats auch ein Wohnungsbrand zählt, psychisch reagiert. Umso mehr wäre dann eine psychische Reaktion auf den streitigen Arbeitsunfall plausibel.

Das Ereignis vom 7. April 1997 war von seiner Schwere her auch grundsätzlich geeignet, zu einer posttraumatischen Reaktion im Sinne einer Belastungs- oder Anpassungsstörung zu führen. Rechtlich nicht maßgeblich ist – entgegen der Auffassung der Beklagten -, ob das Ereignis nach Art und Schwere allgemein geeignet war, bei Personen mit normaler gefestigter psychischer Reaktionslage zu einer Belastungsstörung zu führen. Vielmehr ist auf die individuelle Situation des Klägers vor dem Ereignis und seine Reaktion abzustellen, da der Versicherte in dem Zustand unfallversichert ist, in dem er sich vor dem Ereignis befindet, das heißt auch mit einer besonders leicht ansprechbaren Bereitschaft, auf Belastungen psychisch zu reagieren. Zu Recht haben die medizinischen Sachverständigen Dr. S1 und insbesondere Dr. M1 bei der Bewertung des Unfallereignisses darauf abgestellt, dass der Kläger die Arbeiten auf der hochgefahrenen Gabelstaplergabel gegen seinen ausdrücklichen Willen verrichten musste, er den Sturz bei vollem Bewusstsein erlebt hat und - da er rücklings fiel – ihm nicht konkret bewusst war, aus welcher Höhe sowie wohin er stürzte. Dies hat bei der Entwicklung der vom Kläger gegenüber den Ärzten des Klinkum N. beschriebenen und von dem Sachverständigen Dr. M1 bestätigten Todesangst während des Sturzes eine entscheidende Rolle gespielt. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. M1, die inhaltlich den Ausführungen Dr. S1 s entsprechen, bezüglich der Eignung des Ereignisses zur Verursachung einer Belastungs- oder Anpassungsstörung in erster Linie nicht dem funktionellen Unfallmechanismus bei physikalischer Betrachtung, sondern dem subjektiven Erleben als Reaktion auf ein Unfallgeschehen die entscheidende Bedeutung zukommt. Dies steht im Einklang mit den Ausführungen Prof. Dr. F. in den von der Beklagten zur Untermauerung ihrer Auffassung eingereichten Aufsätzen, wonach die Auswirkungen eines äußeren Ereignisses auf eine Person auch von persönlichkeitseigenen Faktoren abhängt ( Med Sach 99 (2003 ) No 5, S. 147 ) und die Bedeutung, die das Ereignis für den Betroffenen annimmt, besonders relevant ist ( aaO, S. 150 ). Das heißt, dass der Schweregrad des Unfallerlebnisses und somit das subjektive Empfinden des Betroffenen in der jeweiligen Situation entscheidendes Kriterium dafür ist, ob durch das Ereignis auch die Psyche verletzt wird. Aber auch unabhängig davon ist ein rückwärtiger Sturz aus nicht bewusster Höhe zur Überzeugung des Senats objektiv geeignet, auf den Betroffenen lebensbedrohlich zu wirken. Die Einschätzung der Sachverständigen Dr. S1 und Dr. M1, den Sturz des Klägers als schweren, für die Verursachung einer Anpassungsstörung ausreichenden Unfall zu klassifizieren, steht deshalb nicht im Widerspruch zu den von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 26. Januar 1994 ( 9 RVg 3/93 ) und 18. Oktober 1995 ( 9/9a RVg 4/92 ). Die entgegenstehende Auffassung des von der Beklagten zu Rate gezogenen Dr. Dr. W1 vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Soweit er in seiner Stellungnahme vom 26. September 2003 von einem Unfallmechanismus in Form eines Abrutschens von einer Gabelstaplerschaufel ausgeht, legt er seiner Beurteilung ersichtlich einen unzutreffenden Unfallhergang zu Grunde. Soweit Dr. Dr. W1 dem hier streitigen Unfall in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2004 das erforderliche Merkmal der "Unersetzlichkeit" und/oder "Nichtaustauschbarkeit" abspricht, ihn vielmehr einem alltäglich vorkommenden Sturz eines Kindes vom Spielgerät oder eines Hobbygärtners vom Obstbaum gleichstellt, beschreibt er ihn im Grunde als Gelegenheitsursache, das heißt als einen durch ein alltägliches Ereignis zu ersetzenden Vorfall. Dies ist zur Überzeugung des Senats schon deshalb nicht nachzuvollziehen, weil es sich bei den von Dr. Dr. W1 angeführten Beispielsfällen gerade nicht um alltägliche Ereignisse handelt, zumal Jahr für Jahr viele Menschen durch derartige Stürze schwer verletzt werden oder gar zu Tode kommen. Zusätzlich ist bezüglich des Arbeitsunfalls vom 9. April 1997 zu berücksichtigen, dass es sich um einen Sturz rücklings gehandelt hat.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hat zur Überzeugung des Senats der Sachverständige Dr. M1 zutreffend die beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet bestehende Erkrankung als ursächlich durch das Unfallereignis hervorgerufene Anpassungsstörung eingeordnet. Wie schon der Sachverständige Dr. N1 in seinem Gutachten vom 13. September 2000 ausgeführt hat, passen die beim Kläger erhobenen Befunde und festgestellten Symptome durchaus zu einer posttraumatischen Belastungs- bzw. Anpassungsstörung. Anders als insbesondere Dr. Dr. W1 in seiner Stellungnahme vom 26. September 2003 ausführt, liegen beim Kläger nicht nur unspezifische Symptome vor. Von den behandelnden Ärzten und den Sachverständigen ist übereinstimmend festgestellt worden, dass der Kläger seit dem Unfallereignis eine intensive Neigung zu Träumen unangenehmen, mit dem Sturz in Beziehung stehenden Inhalts aufweist, so dass konkrete Anhaltspunkte für "Nachhallerinnerungen" als wesentliches Diagnosekriterium für posttraumatische Belastungs- oder Anpassungsstörungen vorliegen. Entsprechendes gilt für das "Vermeidungsverhalten" als weiteres wichtiges Kriterium einer posttraumatischen Gesundheitsstörung. Dr. M1 hat in seinen schriftlichen Ausführungen mehrfach und anlässlich seiner mündlichen Anhörung auf Nachfrage nochmals darauf hingewiesen, dass bei der jeweiligen Erörterung des Ablaufs des Unfalls mit dem Kläger sich bei diesem körperliche Parameter wie Schwitzen, Unruhe, Stottern und Versagen der Stimme deutlich zeigten. Derartige nicht vom Bewusstsein zu steuernde Reaktionen zeigen zur Überzeugung des Senats, dass es dem Kläger schon schwer fällt, über das konkrete Ereignis nur zu reden. Sein Bemühen, konkrete Erinnerungen hervorrufende Schilderungen des Unfallgeschehens zu vermeiden, wird belegt durch die Tatsache, dass seine Darstellung des Ablaufs des Ereignisses gegenüber den Vorgutachtern blass und wenig konturhaft blieb, wie Dr. N1 in seinem Gutachten beschreibt. Erst auf energische Intervention und unter Zuhilfenahme von Skizzen konnte Dr. M1 von dem Kläger konkrete Angaben zum Unfall erhalten. Die auf eine posttraumatische Gesundheitsstörung hinweisenden nachgeordneten Kriterien wie Reizbarkeit, Verschlossenheit, Teilnahmslosigkeit, Angst bzw. Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit sind von den behandelnden Ärzten und tätig gewordenen Sachverständigen zwar in unterschiedlicher Ausprägung, letztlich aber übereinstimmend beschrieben worden. Dies alles lässt zur Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit den Sachverständigen Dr. S1 und Dr. M1 mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass zwar nicht alle Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt sein mögen, die vorhandenen krankheitswertigen und dauerhaften seelischen Störungen jedoch als Ausdruck einer langfristig bestehenden, permanent bestimmte Lebensbereiche einschränkenden unfallbedingten Anpassungsstörung einzuordnen sind.

Dieser Einschätzung steht auch nicht der zeitliche Ablauf entgegen, zumal nach den vorstehenden Ausführungen nicht von einer schon zum Zeitpunkt des Unfalls bestehenden psychischen (Vor-) Erkrankung ausgegangen werden kann. Zutreffend hat bereits das Sozialgericht in seiner angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die psychische Störung in "einem gewissen zeitlichen Zusammenhang" mit dem Unfall vom 9. April 1997 steht. Zwar sind im Bericht des erstbehandelnden Krankenhauses B. keine Angaben zur psychischen Situation des Klägers enthalten, jedoch lässt bereits sein Verhalten während der Behandlung im Reha-Zentrum City H. im Mai 1997 gewisse Anhaltspunkte für eine psychische Dekompensation erkennen. Konkret belegt ist diese durch die auf eigenen Wunsch des Klägers erfolgte Aufnahme in die Psychiatrische Abteilung des Klinikum N. am 27. Mai 1997, also nicht einmal zwei Monate nach dem Unfallereignis. Auch die Tatsache, dass die psychische Gesundheitsstörung trotz mittlerweile seit dem Unfall vergangener acht Jahre fortbesteht, spricht entgegen der Auffassung Dr. Dr. W1 nicht gegen das Vorliegen einer unfallbedingten Anpassungsstörung. Zu Recht weist Dr. M1 unter Hinweis auf die entsprechende medizinische Literatur darauf hin, dass es für eine derartige Anpassungsstörung keine zeitliche Begrenzung gibt. Dem stehen auch nicht die von Dr. Dr. W1 in Bezug genommenen Ausführungen Dr. F. ( Med Sach 97 ( 2001 ) No 4, S. 153 ff ) entgegen. Zwar wird die Dauer einer posttraumatischen Anpassungsstörung dort mit maximal sechs Monaten bzw. zwei Jahren nach Symptombeginn angegeben, zugleich aber ausgeführt, dass bei anhaltendem Stressor die Diagnose einer dann chronischen Anpassungsstörung ohne zeitliche Begrenzung gestellt werden kann. Entgegen den Ausführungen Dr. Dr. W1 stellen nicht nur verbleibende körperliche Schäden einen derartigen Stressor dar, sondern sind auch wirtschaftliche und soziale Folgen des Unfalls in der Lage, zu einer Chronifizierung der Anpassungsstörung beizutragen. Zutreffend stellt Dr. M1 deshalb in seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2004 auf die durch die Unfallfolge hervorgerufene existenzielle Not und die sozialen Probleme des Klägers ab. Zu Recht weist bereits Dr. S1 in seinem Gutachten vom 17. September 2001 darauf hin, dass die mit dem Unfall verbundenen Belastungen zum Teil als gleichsam aufrechterhaltende Bedingungen bis heute fortwirken. Art und Umfang der medizinischen Behandlung mit divergierenden Einschätzungen der Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule, die vom Kläger behauptete Unterdrucksetzung und die wegen unfallbedingter dauernder Arbeitsunfähigkeit erfolgte Kündigung durch den Arbeitgeber, die daraus wiederum resultierenden finanziellen und die durch die psychische Unfallfolge hervorgerufenen sozialen Probleme sind entgegen der Auffassung Dr. Dr. W1 nicht der Primärpersönlichkeit des Klägers zuzuordnen, sondern allesamt Folgen einer durch den Unfall gravierend veränderten Lebensbiographie. Sowohl bei der Behandlung der körperlichen Unfallfolgen als auch der zur Kündigung führenden Arbeitsunfähigkeit und den daraus resultierenden finanziellen Problemen handelt es sich genauso eindeutig um mittelbare Unfallfolgen wie bei den Symptomen der Anpassungsstörung in Form der sozialen Probleme. Allenfalls das Ausmaß der subjektiven Empfindungen des Klägers kann durch dessen Persönlichkeit mit bestimmt werden. Die Kränkung aufgrund der behaupteten Unterdrucksetzung durch den ehemaligen Arbeitgeber war nur am Unfalltag selbst bzw. einige Tage danach unterschwellig relevant, wie Dr. M1 zu Recht in seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2004 feststellt. Sie mag in der ersten Zeit nach dem Unfall in gewisser Form zu der Entwicklung des depressiven Geschehens beigetragen haben, wurde aber anschließend von diesem völlig überdeckt. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Beitrag wesentlich gewesen, die Kränkung gar mit- oder alleinursächlich für die psychische Erkrankung des Klägers geworden wäre, sind jedoch in keiner Weise ersichtlich. Gleichermaßen fehlt es an Hinweisen dafür, dass es im Laufe der Erkrankung zu einer so genannten "Änderung der Wesensgrundlage" in der Form gekommen wäre, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr der Unfall, sondern eine persönlichkeitsbedingte Fehlverarbeitung der Belastungen als wesentlich ursächlich für das Fortbestehen der psychischen Erkrankung anzusehen ist. Noch anlässlich seiner letzten Untersuchung im November 2004 hat Dr. M1 festgestellt, dass das Unfallereignis zentrales Thema des Klägers ist.

Hinsichtlich der Höhe der unfallbedingten MdE schließt sich der Senat den überzeugenden und mit Erfahrungswerten in der unfallmedizinischen Literatur übereinstimmenden Darlegungen der Sachverständigen Dr. S1 und Dr. M1 an. Gestützt wird diese Auffassung durch vorliegende arbeitsmedizinische Erkenntnisse, wonach bei einer schweren Störung mit erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, um die es sich nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen aller Sachverständigen handelt, ein Grad der MdE von mindestens 50 angenommen werden muss ( vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 246; Eugen Fritze, Die ärztliche Begutachtung, 6. Auflage 2001, S. 794 ). Diese unfallmedizinischen Erfahrungswerte sind als typische Richtwerte zur Feststellung des individuellen MdE-Grades auf dem gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt auch nach der Rechtsprechung des Senats für die Bewertung mit heranzuziehen. Insbesondere aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten ist dies geboten ( vgl. Ruppelt in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. II, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 48 Rdnrn. 24 ff ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht im Ergebnis dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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