L 3 RJ 73/02

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 RJ 443/99
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 73/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte dem Kläger Rente zu gewähren hat.

Der Kläger ist als Erbe Rechtsnachfolger seiner Ehefrau A. M., die am XX.XXXXXXXX 1918 in Krakau geboren und am XXXXX 2004 in den USA gestorben ist. Die Verstorbene war anerkannte Verfolgte gemäß § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes und hatte Entschädigung erhalten.

Die Verstorbene hatte im September 1992 bei der Beklagten Regelaltersrente beantragt. Diesen Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 1993 abgelehnt: Die Verstorbene sei zwar während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Ghetto Krakau, im Konzentrationslager Krakau-Plaszow und im Konzentrationslager Groß-Rosen, Kommando Brünnlitz, zu verschiedenen Arbeitseinsätzen herangezogen worden. Diese Tätigkeiten könnten jedoch nicht als Beitrags- oder Beschäftigungszeiten anerkannt werden. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Tätigkeiten im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses verrichtet worden seien. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 1994 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Hamburg (Verfahren 16 J 736/94) hatte die Verstorbene am 1. August 1994 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 21. November 1996 und vom 16. September 1997 wandte sich die Verstorbene abermals an die Beklagte mit der Bitte um Überprüfung, ob ihr für geleistete Arbeitseinsätze in der Zeit nationalsozialistischer Verfolgung Beitragszeiten anzurechnen seien. Sie gab an, sie sei von März 1942 bis Oktober 1944 im Ghetto Krakau-Plaszow beschäftigt gewesen. Im Entschädigungsverfahren hatte sie angegeben, von März 1942 bis 15. Januar 1943 sich in diesem Ghetto aufgehalten zu haben und ab 15. Januar 1943 im Konzentrationslager. Am 10. Juli 1946 sei sie nach Italien ausgereist und später im Jahre 1950 von B. aus in die USA ausgewandert.

Mit Bescheid vom 2. Juni 1998 lehnte die Beklagte das Begehren der Verstorbenen ab: Man habe ihre Rentenangelegenheit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts überprüft. Eine Rentenzahlung aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung sei auch weiterhin nicht möglich. Eine Nachentrichtung von Beiträgen werde abgelehnt. Die Verstorbene habe zu keinem Zeitpunkt in einem dem Grunde nach rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Selbst wenn sie Entgelt für geleistete Arbeit erhalten hätte, könnten diese Zeiten nicht nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder dem Fremdrentengesetz (FRG) berücksichtigt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Verstorbenen zurück: Das Ghetto Krakau habe im Generalgouvernement gelegen. Für die dortige jüdische Bevölkerung, zu der die Verstorbene gehört habe, sei die Zwangsarbeit ohne Entlohnung durch Verordnung über die Einführung des Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung im Generalgouvernement vom 26. Oktober 1939 ausdrücklich geregelt worden.

Der Widerspruchsbescheid ist dem Bevollmächtigten der Verstorbenen am 6. März 1999 zugestellt worden. Am 9. März 1999 hat die Verstorbene Klage erhoben (Schreiben an die Beklagte, weitergeleitet an das Sozialgericht Hamburg) und ihr Rentenbegehren weiter verfolgt: Es komme nicht darauf an, in welchem Gebiet ein Betroffener Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei. Die den Verfolgten günstige Rechtsprechung zum Ghetto sei nicht nur auf die eingegliederten Ostgebiete zu beziehen, sondern müsse auch das Generalgouvernement erfassen. Eine Beitragszahlung sei dann zu fingieren. Darüber hinaus sei die Zeit der Verfolgung als Ersatzzeit anzuerkennen.

Mit Urteil vom 14. Februar 2002 hat das Sozialgericht die Klage der Verstorbenen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, sie habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente. Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 23. August 2001 (SozR 3-2200, § 1248 RVO Nr. 17) entschieden, dass Ghettoarbeit im damals so genannten Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete grundsätzlich nicht den Reichsversicherungsgesetzen unterfallen sei, sodass eine Anrechnung als Versicherungszeit sich nach § 15, § 16 FRG i.V.m. § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung bzw. nach § 17 a FRG richte. Die Verstorbene habe weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass sie dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehöre oder angehört habe. Darüber hinaus habe sie die von ihr angegebene Tätigkeit als Geschäftsführerin ebenfalls weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Der Entschädigungsakte sei lediglich zu entnehmen, dass sie als polnische Jüdin Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei. Danach fehle es an einer beitragspflichtigen Beschäftigung, wie in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gefordert.

Das Urteil des Sozialgerichts ist dem Bevollmächtigten der Verstorbenen am 10. Mai 2002 zugestellt worden. Am 17. Mai 2002 hat er für diese Berufung eingelegt.

Zur Begründung der Berufung hat der Bevollmächtigte der Verstorbenen auf das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (ZRBG) vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2074) hingewiesen. Die Voraussetzungen, die für die Feststellung einer Beitragszeit für Beschäftigungen in einem Ghetto gegeben sein müssten, seien hier erfüllt. Durch die Einschaltung des zuständigen Judenrats habe für die Ghetto-Insassen eine gewisse Wahlmöglichkeit hinsichtlich der zu leistenden Arbeitseinsätze bestanden. Auch sei für diese Tätigkeit eine Art Entgelt gewährt worden, wohl durch zusätzliche Verpflegungszuteilung.

Die Beklagte hat das Vorbringen des Bevollmächtigten zum Anlass genommen, die erteilten Bescheide nach Maßgabe des ZRBG zu überprüfen. In diesem Zusammenhang hat die Verstorbene am 31. März 2003 einen Fragebogen der Beklagten ausgefüllt und dabei angegeben, sie sei von März 1942 bis zum 15. Januar 1943 im Ghetto Krakau gewesen. Dort habe man sie mit Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten sowie Waschen beschäftigt. Als Entlohnung habe sie Gutscheine zum Einkauf von Lebensmitteln und extra Essensportionen erhalten. Die Arbeit sei durch einen Judenrat vermittelt worden. Sie habe ihre Tätigkeiten freiwillig verrichtet, um härteren Verfolgungsmaßnahmen wie der Deportation zu entgehen.

Mit Bescheid vom 2. September 2003 hat die Beklagte die Bewilligung von Regelaltersrente nach § 35 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) zu Gunsten der Verstorbenen abgelehnt. In der Begründung heißt es, die Zeit von März 1942 bis 15. Januar 1943 könne nicht als Zeit einer Beschäftigung in einem Ghetto anerkannt werden, weil nicht ausreichend glaubhaft gemacht sei, dass es sich hierbei um eine entgeltliche Beschäftigung aus freiem Willensentschluss gehandelt habe. Unter Zwang zustande gekommene und verrichtete Arbeit falle nicht unter die freiwillige entgeltliche Beschäftigung im Sinne des ZRBG als Voraussetzung für die Anerkennung einer Beitragszeit. Zwangsarbeiten seien unfreiwillige Arbeitsleistungen, die in der Regel unentgeltlich aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses erbracht worden seien. Typische Merkmale seien die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeitern an bestimmte Unternehmen, ohne dass diese selbst hierauf Einfluss gehabt hätten, dass ein Entgelt für die individuell geleistete Arbeit nicht oder nur in geringem Umfang an den Arbeiter ausgezahlt oder dass die Arbeiter während der Arbeit bewacht worden seien. Aus den Angaben der Verstorbenen im Entschädigungsverfahren ergebe sich, dass sie die Beschäftigung nicht aus freiem Willensentschluss habe wählen können. Auch der Bezug von Entgelt oder Sachbezug in wesentlichem Umfang lasse sich ihren Angaben nicht entnehmen. Bei der von ihr im Ghetto Krakau ausgeübten Tätigkeit habe es sich daher um Zwangsarbeit gehandelt. Die Angaben der Verstorbenen, die sie im Rentenverfahren über das Beschäftigungsverhältnis im Ghetto gemacht habe, seien nicht geeignet, die Aussagen zu entkräften, die früher im Entschädigungsverfahren gemacht worden seien. Die Zeit vom 16. Januar 1943 bis zum 8. Mai 1945 könne nicht als Zeit einer Beschäftigung in einem Ghetto anerkannt werden, weil es sich um einen Aufenthalt in einem Zwangsarbeitslager bzw. Konzentrationslager gehandelt habe. Zeiten der Beschäftigung und des Aufenthaltes in einem solchen Lager stünden einer Beschäftigung und einem zwangsweisen Aufenthalt in einem Ghetto rentenrechtlich nicht gleich. Die Anrechnung von Ersatzzeiten scheitere an der fehlenden Versicherteneigenschaft.

Die Verstorbene hat hiergegen argumentiert, sie habe die Arbeiten im Ghetto aus eigenem Arbeitswillen verrichtet, um die Entlohnung durch Lebensmittel zu erhalten sowie um strengeren Strafmaßnahmen oder frühzeitiger Deportation ins Konzentrationslager zu entgehen. Dass sie in der Entschädigungssache ihre Beschäftigung als Zwangsarbeit bezeichnet habe, sei unschädlich.

Nach dem Tod seiner Ehefrau hat der Kläger das Verfahren fortgeführt und argumentiert, die Beteiligung und Befugnisse des Judenrats seien als erheblich zu klären.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, dem Kläger als Rechtsnachfolger und Alleinerben seiner Ehefrau eine Rentennachzahlung für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis zum Tod der Ehefrau am 23. Januar 2004 zu gewähren sowie dem Kläger eine Witwerrente für die Zeit ab 1. Februar 2004 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil sowie ihren Bescheid vom 2. September 2003, der gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

Die Sachakten der Beklagten haben vorgelegen. Des Weiteren hat das Berufungsgericht die die verstorbene Ehefrau des Klägers betreffenden Versorgungsakten beigezogen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten, auch des Verfahrens 16 J 736/94 (Sozialgericht Hamburg), wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet gemäß § 155 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 SGG durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG). Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (vgl. § 143, § 144, § 151 SGG) ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, ihre der verstorbenen Ehefrau des Klägers Altersrente versagenden Bescheide aus den Jahren 1993 und 1994 aufzuheben und – etwa im Rahmen des während des Berufungsverfahrens durchgeführten und mit Bescheid vom 2. September 2003 abgeschlossenen (weiteren) Überprüfungsverfahrens – der Verstorbenen bzw. dem Kläger als ihrem Rechtsnachfolger nunmehr Altersrente zu gewähren. Entsprechend steht dem Kläger gegenüber der Beklagten Witwerrente nach seiner verstorbenen Ehefrau nicht zu.

Gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. An diesen Voraussetzungen fehlt es. Der Überprüfungsantrag der Verstorbenen musste nicht ergeben, dass ihr doch Altersrente zustehe, denn sie hatte hierauf keinen rechtlichen Anspruch. Ebenso wenig ist der gemäß § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid der Beklagten vom 2. September 2003, der die Bewilligung einer Regelaltersrente weiterhin ablehnt, deswegen rechtswidrig, weil infolge einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse in Form des ZRBG nunmehr eine Entscheidung zu Gunsten der Klägerseite hätte getroffen werden müssen (vgl. § 48 Abs. 1 und 2 SGB X).

Die verstorbene Ehefrau des Klägers hatte keinen Anspruch auf Regelaltersrente, weil die von ihr während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Ghetto Krakau und in Konzentrationslagern zugebrachten Zeiten nicht als versicherungsrechtliche Beitragszeiten anzurechnen sind und sie daher die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt hat. Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die Verstorbene hatte zwar im Jahr 1983 das 65. Lebensjahr vollendet, doch war die Wartezeit nicht erfüllt. Nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ist die Erfüllung der Wartezeit von 5 Jahren Voraussetzung für einen Anspruch auf Regelaltersrente. Nach § 51 Abs. 1 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet. Nach § 51 Abs. 4 SGB VI werden auf die Wartezeit auch Kalendermonate mit Ersatzzeiten angerechnet. Die Verstorbene konnte die Wartezeit deswegen nicht erfüllen, weil nach § 250 Abs. 1 SGB VI nur Versicherte Ersatzzeiten als rentenrechtliche Zeiten haben können. Versichert im Sinne dieser Vorschrift ist aber nur derjenige, für den ein Beitrag vor Beginn der Rente wirksam gezahlt worden ist oder aber als wirksam entrichtet gilt. Allein durch die Zurücklegung einer Ersatzzeit wird der Betreffende nicht zum Versicherten. Nur mit Ersatzzeiten besteht daher kein Rentenanspruch, wenn nicht zumindest eine Beitragszeit vorliegt (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 7. Oktober 2004, B 13 RJ 59/03 R).

Dafür, dass für die Verstorbene tatsächlich Beiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt worden seien, gibt es keinen Anhalt. Eine Beschäftigung in Krakau wäre nicht einmal von den Reichsversicherungsgesetzen erfasst worden. Die Verstorbene übte ihre Tätigkeit in Krakau und damit im ehemaligen so genannten Generalgouvernement aus. Als frühere polnische Staatsangehörige und damit in der fraglichen Zeit möglicherweise bereits staatenlose Frau jüdischer Abstammung gehörte sie nicht zu dem von den Reichsversicherungsgesetzen erfassten Personenkreis (BSG, a.a.O.). Eine Gleichstellung polnischer Beitragszeiten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG würde jedenfalls daran scheitern, dass die Entrichtung von Beiträgen zur polnischen Rentenversicherung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht ist (vgl. § 4 Abs. 1, Abs. 2 FRG). Ebenso wenig könnten gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 FRG Beitragszeiten zu einem ausländischen Versicherungsträger einer in Deutschland zurückgelegten Beitragszeit gleichstehen, denn die Beschäftigung der Verstorbenen im Generalgouvernement würde jedenfalls einer nach deutschem Recht dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigung, für die Beiträge nach Bundesrecht zu zahlen gewesen wären, nicht gleichstehen.

Bei den Tätigkeiten der Verstorbenen im Krakauer Ghetto handelte es sich nicht um entgeltliche (vgl. § 1226 RVO a.F.) freiwillig eingegangene Beschäftigungen, die im vorgenannten Sinne eine Versicherungspflicht hätten auslösen können. Es ist schon fraglich, ob die Tätigkeit im Ghetto überhaupt eine entgeltliche war. Im Schriftsatz des W. G. vom 1. August 2002 hat die Verstorbene angeben lassen, ein Entgelt habe sie für ihre Tätigkeit nicht erhalten, ob es Gutscheine oder Karten gegeben habe, könne sie nicht mehr erinnern. Vor diesem Hintergrund müssen die Angaben der Verstorbenen im Fragebogen vom 31. März 2003, ihr seien Sachbezüge in Form von Lebensmittelgutscheinen gewährt worden, zweifelhaft erscheinen. Die im Schriftsatz des W. G. bereits erwähnten extra Essensportionen dürften ein versicherungsrechtlich erhebliches Entgelt nicht darstellen. Jedenfalls handelt es sich bei der fraglichen Tätigkeit der Verstorbenen nicht um eine freiwillig eingegangene Beschäftigung. Dem entsprechen schon nicht ihre Äußerungen im Entschädigungsverfahren, wonach sie zuerst in der Schneiderei und dann beim Bauern habe "arbeiten müssen" (vgl. auch das Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 21. September 1992 an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte). Auch hatte die Verstorbene im Wiedergutmachungsverfahren bereits im Jahr 1955 angegeben, sie habe im Ghetto Zwangsarbeit leisten müssen, wie Wäsche waschen, und im Außenkommando in verschiedenen Häusern von SS-Sturmführern Fußböden gescheuert, Kohlen geschaufelt und andere schwere Arbeiten geleistet. Auch wenn der von der Verstorbenen verwendete Begriff der "Zwangsarbeit" subjektiv geprägt sein kann und nicht zwingend Aufschluss über die konkreten Arbeitsbedingungen geben muss (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2001, a.a.O.), so tragen diese von ihr auch im Fragebogen vom 31. März 2003 angegebenen Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten den Charakter von Zwangsarbeit, zumal sie gleichzeitig betont, sie habe die Tätigkeiten "freiwillig" durchgeführt, "um härteren Verfolgungsmaßnahmen" wie der Deportation zu entgehen. Fanden die Arbeiten aber vor einem solchen Hintergrund statt, so zeigt dies, dass sie gerade nicht freiwillig waren. Daran ändert nichts, dass im vorliegenden Fall möglicherweise der Judenrat einen gewissen Einfluss auf die Zuweisung der Arbeit an bestimmte Personen und die Verwendung eines Entgelts hatte. Denn auch dieses Gremium wäre in seiner Entscheidung nicht frei, sondern durch die beschriebenen Zwänge bestimmt gewesen. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des Senats daher auch hier davon abgesehen, durch solche Zwangsarbeit erlittene Schäden in der Rentenversicherung zu kompensieren.

Für die Klägerseite ergibt sich nichts Günstigeres aus den Bestimmungen des ZRBG vom 20. Juni 2002. Gemäß § 2 dieses Gesetzes gelten zwar für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto in einem Gebiet, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZRBG), als gezahlt (Ghetto-Beitragszeiten). Das Gesetz gilt jedoch nur für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist und gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs.1 Nr. 1 ZRBG). An diesen Voraussetzungen fehlt es nach den vorstehenden Ausführungen (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 7. Oktober 2004, B 13 RJ 59/03 R).

Dass auch die Zeiten der Verstorbenen vom 16. Januar 1943 bis Kriegsende im Konzentrationslager nicht als Versicherungszeiten anerkannt oder als Ersatzzeiten angerechnet werden können, hat die Beklagte im Bescheid vom 2. September 2003 zutreffend ausgeführt. Darauf wird Bezug genommen.

Musste nach alledem ein eigener Rentenanspruch der verstorbenen Ehefrau des Klägers ausscheiden, so kommt auch ihm ein Recht auf Zubilligung einer Witwerrente gemäß § 46 SGB VI nicht zu.

Die Berufung war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved