L 3 RJ 40/01

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
20 J 580/97
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 40/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente unter Anerkennung weiterer Beitragszeiten und höherer Einstufung bereits anerkannter Beitragszeiten im Streit.

Der am XX.XXXXX 1937 geborene Kläger gelangte im Mai 1961 aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ins Bundesgebiet, wo er seitdem lebt. Aufgrund Bescheides vom 22. März 1995, neu festgestellt durch Bescheid vom 26. Mai 1997, erhielt er von der Beklagten zunächst eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Seit 1. November 1998 erhält er aufgrund Bescheides vom 11. Januar 1999 Altersrente wegen Berufsunfähigkeit. Erste Angaben zu seinen Beitrags- und Beschäftigungszeiten hatte der Kläger in einem Antrag auf Versichertenrente vom 22. November 1993 gemacht. Er gab hier an, von 1952 bis 1955 eine Lehre zum Kfz-Mechaniker absolviert zu haben. Danach habe er als Kfz-Mechaniker/Monteur gearbeitet. Seine Angaben hierzu ergänzte er zunächst telefonisch dahingehend, dass die Ausbildung von April 1951 bis zum 31. März 1955 gedauert habe und fügte zur Niederschrift bei der Beklagten schließlich hinzu, dass er bei der Maschinen-Traktoren-Station W.- P. im Harz, Kreis H. ausgebildet worden sei. Mit Fragebogen zum Rentenreformgesetz 1992 ergänzte der Kläger unter dem 27. Januar 1994 noch, dass er von 1954 bis Mitte 1959 Polizist gewesen und bis zum 14. Mai 1961 bei dem VEB Kunststeinwerk B. (Altmark) als Schlosser beschäftigt gewesen sei.

Die Beklagte stellte daraufhin Ermittlungen zu den Beitrags- und Beschäftigungszeiten an und lehnte – nachdem ihr eine am 29. November 1962 ausgestellte Bescheinigung der Landesversicherungsanstalt für das Saarland über eingelieferte Versicherungsnachweise der Sozialversicherungsanstalten der sowjetischen Besatzungszone und des sowjetischen Sektors von Berlin zugänglich geworden war, wonach für den Kläger Versicherungszeiten ab dem 18. März 1955 als Kraftfahrer/Behördenangestellter nachgewiesen waren, und nachdem im übrigen aber keine Versicherungszeiten ermittelt werden konnten – mit Bescheid vom 22. März 1995 im Rahmen der Gewährung der Rente wegen Berufsunfähigkeit die Anerkennung der Zeiträume vor dem 18. März 1955 als Beitragszeiten ab und stufte gleichzeitig die Zeit vom 18. März 1955 bis zum 14. Mai 1961 in Qualifikationsgruppe 5, Bereich 20 der Anlage 14 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) ein.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, wies auf eine abgeschlossene Lehre zum Kraftfahrzeugmechaniker hin und legte hierzu eine zeugenschaftliche Erklärung seines Bruders K. M. vor, in der dieser eine Lehrzeit vom 1. April 1951 bis zum 1. April 1955 mit entsprechendem Berufschulbesuch in Bad F. bestätigte. Auch die daraufhin von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen ergaben keine weiteren Beitragszeiten. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil angesichts der unterschiedlichen Angaben des Klägers zu seiner Lehrzeit die Zeugenerklärung des Bruders zur Glaubhaftmachung nicht ausreiche und die weiteren durchgeführten Ermittlungen keine Versicherungsunterlagen und auch nicht den Nachweis von Versicherungszeiten erbracht hätten. Auf den Widerspruchsbescheid wird ergänzend Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen fristgerecht erhobenen Klage hat der Kläger sein auf Anerkennung weiterer Beitragszeiten und Zuerkennung einer höheren Qualifikationsgruppe gerichtetes Begehren weiter verfolgt und im Wesentlichen vorgetragen, er sei von Ostern 1952 bis Ostern 1955 bei der Maschinen-Traktoren-Station W.- P. zum Kraftfahrzeugmonteur ausgebildet worden. Danach habe er bei der Polizei in G. (Altmark) die obligatorische Grundausbildung durchlaufen und dann den Fuhrpark der Polizei in H1 und T. betreut. Seit dem 1. Juni 1959 sei er beim VEB Kunststeinwerk in B. (Altmark) als Schlosser beschäftigt gewesen. Diese Beschäftigung habe er sich suchen müssen, weil er geplant habe, nach Westdeutschland umzusiedeln. Da sei er für die Polizei nicht mehr tragbar gewesen. Bei seinen Arbeitgebern im Bundesgebiet, der Firma S. und der Firma S1 Stahlbau, sei er als Kraftfahrzeugmechaniker angestellt gewesen. Dies belege seine Facharbeiterausbildung. Denn dort hätte man ihn ohne diese nicht eingestellt.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 1. November 2000 abgewiesen. Es sei weder der Nachweis erbracht, dass für den Kläger in dem behaupteten Zeitraum seiner Ausbildung Versicherungsbeiträge zur Rentenversicherung der DDR abgeführt wurden, noch sei dies glaubhaft macht. An dem Bestehen eines versicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses und der Leistung von Versicherungsbeiträgen bestünden so gewichtige Zweifel, dass diese Umstände jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich seien. Zeitpunkt und zeitlicher Umfang der behaupteten Lehre seinen unklar. Die Angaben des Klägers hierzu schwankten. Auch habe der Kläger behauptet, seine Versicherungsunterlagen seien bei der Flucht verloren gegangen. Gleichwohl sei bei der Landesversicherungsanstalt des Saarlandes eine Bescheinigung über Versicherungszeiten in der DDR vorhanden, welche aber Zeiten vor 1955 nicht belege. Die von dem Kläger benannten Zeugen hätten zur Leistung von Versicherungsbeiträgen keine Angaben machen können. Keiner der verschiedenen vom Gericht angeschrieben Versicherungsträger, Firmen oder Verwaltungsstellen besitze Unterlagen, die einen Hinweis auf eine Lehrzeit hätten erbringen können. Hiervon ausgehend habe sich das Gericht auch nicht davon überzeugen können, dass die Tätigkeit, die der Kläger in der DDR verrichtet habe, der Qualifikationsgruppe 4, d. h. einer Facharbeitertätigkeit entsprochen habe. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 3. April 2001 zugestellt worden.

Mit seiner am 2. Mai 2001 eingelegten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Wegen der in der DDR bestehenden Arbeitspflicht könnten sich im Versicherungsverlauf keine Lücken ergeben. Im Übrigen könne der Zeuge G1 S2 bestätigen, dass er bei der MTS P. für 3 Jahre in der Ausbildung gewesen sei. Die Ausbildungszeit sei vom 1. April 1951 bis zum 31. März 1954 gewesen. Die bisherigen anders lautenden Angaben beruhten auf einem Übermittlungsfehler. Die Tätigkeit bei der Polizei sei demgemäß schon im Jahre 1954 aufgenommen worden. Dort sei er Leiter des Fuhrparks gewesen. Seine Qualifikation habe derjenigen eines Kfz-Mechanikers entsprochen. Auch seinen späteren Beschäftigungen habe diese Qualifikation zugrunde gelegen. Dies ergebe sich unter anderem aus seinem Mitgliedsausweis des DGB, in welchem als Beruf "A-Schlosser" angegeben sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. November 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22. März 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1997 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 26. Mai 1997 und vom 11. Januar 1999 zu verurteilen, dem Kläger Rente unter Anerkennung einer weiteren Beitragszeit vom 1. April 1951 bis zum 17. März 1955 und Einstufung der Beitragszeit vom 18. März 1955 bis zum 14. Mai 1961 in der Qualifikationsgruppe 4, Bereich 20 der Anlage 14 zu SGB VI zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen, hält die ergangenen Bescheide für rechtmäßig und das angegriffene Urteil für zutreffend. Dem Kläger sei sein Vorbringen nicht zu glauben. Offenbar habe dieser bei seiner Übersiedlung in das Bundesgebiet Versicherungsunterlagen besessen, hinsichtlich der dort nicht aufgeführten Zeiten aber unterschiedliche Angaben gemacht und auch keinen Lehrbrief oder Ähnliches vorlegen können.

Das Berufungsgericht hat weitere Ermittlungen zur Facharbeiterausbildung des Klägers angestellt und es sind der Landkreis S3 sowie der Landkreis M1 Land um Auskunft zur Ausbildung des Klägers und hier namentlich zum Berufschulbesuch gebeten worden. Neue Erkenntnisse haben sich hieraus nicht ergeben. Der von dem Kläger benannte Zeuge S2 hat zunächst eine schriftliche Erklärung abgegeben aus der sich ergibt, dass er selbst von 1956 bis 1959 als Traktorist auf der MTS P. gearbeitet hat. Für den streitigen Zeitraum könne er hinsichtlich einer Beschäftigung des Klägers dort keine Angaben machen. Zu diesem habe er nur während der Schulzeit persönlichen Kontakt gehabt.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben zu den Umständen der Beschäftigung des Klägers bei der Maschinen Ausleihstation P. durch Vernehmung der Zeugen G1 S2, H2 R. und D. R1. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Landessozialgerichts, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Gerichts gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage, deren Gegenstand nach § 96 SGG auch die späteren die begehrte Rentengewährung weiterhin versagenden Bescheide sind, abgewiesen. Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung zutreffend darauf abgehoben, dass die geltend gemachten Beitragszeiten weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sind.

Allerdings bedarf es zur Anerkennung der vorliegend in Rede stehenden Zeiträume einer Beschäftigung in der ehemaligen DDR als Beitragszeiten, die nach § 248 Abs. 3 SGB VI den Pflichtbeitragszeiten nach Bundesrecht (§ 55 SGB VI) gleichstehen, nach § 286 b SGB VI abweichend vom Regelfall nicht des Nachweises, vielmehr genügt ihre Glaubhaftmachung. Erzielung eines beitragspflichtigen Arbeitsentgelts und Zahlung der entsprechenden Beiträge hiervon müssen überwiegend wahrscheinlich sein (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). An dem entsprechenden Nachweis fehlt es, weil Beitragszeiten erst ab 18. März 1955 bescheinigt sind. Arbeitsentgelt und Beitragszahlung sind aber auch nicht glaubhaft gemacht. Dies hat das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung auf der Grundlage seines Kenntnisstandes mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen.

Das Ergebnis des Berufungsverfahrens rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Nach wie vor ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass in dem streitigen Zeitraum eine versicherungspflichtige Beschäftigung überhaupt ausgeübt wurde. Überwiegend wahrscheinlich ist deshalb auch nicht, dass der Kläger den Facharbeiterabschluss als Kfz-Mechaniker erlangt hat. Vielmehr steht nach der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht fest, dass der Kläger zu den Zeiten seiner Beschäftigung in der ehemaligen DDR unrichtige Angaben gemacht hat. Dies steht einer Glaubhaftmachung entgegen, der von dem Kläger im Berufungsverfahren abgegebenen eidesstattlichen Versicherung ist kein Glauben zu schenken. Der Kläger ist nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck nicht glaubwürdig.

So fällt zunächst auf, dass er sein Aussageverhalten der jeweiligen Verfahrenssituation anpasst. Bereits die unterschiedlichen Angaben zur Lehrzeit legen hiervon Zeugnis ab. Wenn er im Gegensatz zu seinem bisherigen Vorbringen nunmehr behauptet, bereits im Jahre 1954 die Beschäftigung bei der Polizei aufgenommen zu haben, so macht er sich vollends unglaubwürdig. Denn diese Behauptung steht in offensichtlichen Widerspruch zu den nachgewiesenen Beitragszeiten. Auffällig ist auch, dass der Kläger am Schluss der mündlichen Verhandlung nun einräumt, bei seinem Grenzübertritt im Besitz eines Dienstzeugnisses der Polizei gewesen zu sein, welches seinen Entlassungsdienstgrad als Leutnant ausweist und welches er nach dem Grenzübertritt abgegeben haben will, obwohl er bisher stets behauptet hatte, Versicherungsunterlagen seien "auf der Flucht" verloren gegangen und außer seinem DDR-Ausweis habe er beim Grenzübertritt keinerlei Papiere besessen. Ist schon der Verlust der Versicherungsunterlagen angesichts der offensichtlichen Einlieferung jedenfalls eines Teiles derselben bei der Landesversicherungsanstalt des Saarlandes unglaubhaft, so lässt die Schilderung der "Flucht" vor dem Berufungsgericht nicht erkennen, dass hier Gefahr des Verlustes irgendwelcher Unterlagen bestand. Das späte Eingeständnis des Klägers, ein Dienstzeugnis mitgeführt zu haben, weckt dann weitere Zweifel an seiner Wahrheitsliebe.

Auch die Vernehmung von Zeugen aus dem Ort der behaupteten Beschäftigung haben nicht zur Glaubhaftmachung von Beitragszeiten führen können. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung während des streitigen Zeitraumes lag nach deren Aussage zwar im Bereich des Möglichen. Nähere Angaben, die geeignet gewesen wären, die bestehenden Widersprüche im Versicherungsverlauf aufzuklären, konnten die Zeugen aber nicht machen. Sie konnten namentlich weder die Art der Beschäftigung noch eine Beitragszahlung bestätigen. Das Gericht konnte sich aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks auch nicht davon überzeugen, dass die Zeugen bewusst die Unwahrheit sagen, um dem Kläger – wie von diesem vermutet – zu schaden. Wenn diese in ihren Äußerungen zurückhaltend waren, so geschah dies nach dem Eindruck des Gerichts lediglich, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, dem Kläger helfen zu wollen. Ihre Aussagen stehen schließlich auch nicht in Widerspruch zur Aussage des Zeugen R1. Dieser hat offenbar in seiner Eigenschaft als (ehemaliger) Bevollmächtigter des Klägers mit einem der Zeugen zur Vorbereitung des gerichtlichen Verfahrens ein Gespräch geführt. Aus dem von dem Zeugen R1 wiedergegebenen Inhalt dieses Gesprächs folgt indessen nicht, dass der Zeuge R. sein Aussageverhalten nachträglich geändert hat. Vielmehr hat sich dieser gegenüber dem Zeugen R1 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme genauso vage geäußert wie gegenüber dem Gericht. Kein Zweifel besteht nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deshalb daran, dass auch dieser Zeuge vor dem Berufungsgericht die Wahrheit gesagt hat.

Nach allem kann weiterhin weder als überwiegend wahrscheinlich gelten, dass die von dem Kläger geltend gemachten weiteren Beitragszeiten zurückgelegt wurden, noch dass der Kläger innerhalb des streitigen Zeitraumes eine Lehre abgeschlossen hat und deshalb in die nächsthöhere Qualifikationsgruppe einzustufen ist. Es muss deshalb bei den nachgewiesenen Beitragszeiten bleiben. Die Berufung konnte insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Regelung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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