L 1 KR 57/04

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 32 KR 1066/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 57/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. März 2004 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung in Höhe von EUR 14.749,37 (das entspricht DM 28.847,27) für eine in der A.-Klinik für Knie- und Wirbelsäulenchirurgie GmbH in M. (A.-Klinik) stationär durchgeführte Bandscheibenoperation streitig.

Der in den Niederlanden wohnhafte Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er litt an einem Bandscheibenschaden L5/S1 und Verdacht auf Bandscheibenschaden L4/L5. Nachdem er im Mai 2000 von dem Orthopäden Dr. Z. untersucht worden war, beantragte er im Juni 2000 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Bandscheibenprothesenoperation in der A.-Klinik, die nicht als Vertragskrankenhaus zugelassen ist. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) stellte in seinem Gutachten vom 7. Juli 2000 fest, dass die vorgesehene Röntgen-Kontrastdarstellung des Rückenmarkraumes und die gegebenenfalls erforderlich werdende Bandscheibenoperation nicht notwendig in der A.-Klinik durchgeführt werden müsse. Die Behandlung könne wohnortnah in Vertragskrankenhäusern, z. B. in der Rheinisch-Westfälischen TH A., erfolgen. Mit Bescheid vom 11. Juli 2000 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers ab.

Während des stationären Aufenthaltes in der A.-Klinik vom 10. bis 15. August 2000 wurde die Bandscheibenersatzoperation von Dr. Z. durchgeführt. Die Rechnungen beliefen sich auf insgesamt DM 29.247,27, das entspricht EUR 14.953,89 (unzutreffende Berechnung des Sozialgerichts: EUR 13.201,85). Die Beklagte übernahm lediglich die Kosten für eine Bandage in Höhe von DM 400, das entspricht EUR 204,52. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2001 im Übrigen als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Aachen hat die Beklagte ein nach Aktenlage erstelltes MDK-Gutachten vom 13. August 2001 überreicht. Bereits bei Antragstellung habe es ortsnah diverse Möglichkeiten für eine Bandscheibenprothesenoperation in vertraglich zugelassenen Krankenhausabteilungen gegeben. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2001 hat das Sozialgericht Aachen den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Hamburg verwiesen. Dieses hat die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 11. März 2004 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung, da ein Versorgungsnotstand nicht vorgelegen habe.

Gegen das dem Kläger am 24. März 2004 zugestellte Urteil hat dieser am 20. April 2004 Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass die von der Beklagten vorgeschlagene konventionelle Behandlungsmethode eine qualitativ schlechtere Leistung darstelle. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei die A.-Klinik das einzige Krankenhaus in Deutschland gewesen, in dem eine Bandscheibenprothesenoperation hätte durchgeführt werden können.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. März 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die gesamten Kosten der stationären Behandlung vom 10. bis 15. August 2000 in der A.-Klinik zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Landessozialgericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 10. September 2004 und vom 25. November 2004 darauf hingewiesen, dass es erwägt, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückzuweisen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15. September 2004 mitgeteilt, dass dies seiner Ansicht nach nicht zulässig sei, da das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden habe. Die Beklagte hat sich mit der beabsichtigten Verfahrensweise einverstanden erklärt.

Es hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen und zusammen mit den Prozessakten zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht.

II.

Der Senat konnte gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vor der Entscheidung gehört worden. Die Entscheidung des Sozialgerichts ohne mündliche Verhandlung steht dem Verfahren nach § 153 Abs. 4 SGG nicht entgegen.

Die statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2001 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die in der A.-Klinik stationär durchgeführte Bandscheibenprothesenoperation gemäß § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung bis 30. Juni 2001 (a. F.). Danach sind die Kosten einer notwendigen Leistung von der Krankenkasse zu erstatten, wenn diese eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die beim Kläger durchgeführte Behandlung in der A.-Klinik war keine Notfallbehandlung im Sinne des § 13 Abs. 3 Alternative 1 SGB V a. F. Denn ein Notfall liegt nach der Rechtsprechung des BSG nur vor, wenn aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung des Patienten notwendig ist und ein Vertragsarzt nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (vgl. BSG 1. 2. 95 – 6 RKa 9/94, SozR 3-2500 § 76 Nr. 2). Eine derartige Notfallsituation bestand beim Kläger nicht. Er hat sich im Mai 2000 zunächst durch Dr. Z. untersuchen und beraten lassen, bevor er sich am 11. August 2000 der Operation unterzogen hat. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Verzögerung der Operation mit medizinischen Risiken verbunden gewesen wäre (vgl. BSG 18. 1. 96 - 1 RK 22/95, SozR 3-2500 § 29 Nr. 3).

Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf § 13 Abs. 3 Alternative 2 SGB V a. F. stützen. Denn die Behandlung durch ein Nichtvertragskrankenhaus gehört grundsätzlich nicht zum Leistungsumfang der Beklagten. Eine Kostenerstattung für eine notwendige Sachleistung, die in einem nicht zugelassenen Krankenhaus erbracht wird, kommt nur dann in Betracht, wenn die Leistung durch zugelassene Leistungserbringer nicht unter zumutbaren Bedingungen möglich ist (vgl. BSG 10. 2. 93 – 1 RK 31/92, NZS 93, 312). Ein solcher Fall lag hier nicht vor, weil eine gleichwertige Behandlung des Klägers in einer Vertragsklinik in Wohnortnähe möglich gewesen ist.

Die Beklagte schuldet gemäß §§ 12 Abs. 1, 39 Abs. 1 SGB V die Krankenhausbehandlung, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß der Notwendigkeit nicht überschreitet. Die Krankenhausbehandlung muss dabei alle Leistungen umfassen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus erforderlich sind. Der Senat verkennt nicht, dass eine Behandlung des Klägers notwendig gewesen ist. Er litt an einem Bandscheibenschaden L5/S1 und Verdacht auf Bandscheibenschaden L4/L5. Ob eine stationäre Behandlung mit einer Bandscheibenoperation erforderlich war, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn ein solches Erfordernis angenommen wird, war die medizinische Notwendigkeit einer Prothesenoperation nach den Ausführungen des MDK in seinem Gutachten vom 13. August 2001, denen sich der Senat anschließt, nicht gegeben. Zur Behandlung des Bandscheibenschadens haben andere, bewährte und anerkannte Operationsverfahren in Wohnortnähe zur Verfügung gestanden.

Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches liegen ebenfalls nicht vor. Selbst wenn die Beklagte ihre nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bestehende Pflicht, den Kläger über vertragsärztliche Behandlungsalternativen zu beraten, verletzt hätte, fehlt es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem sozialrechtlichen Nachteil, nämlich den für die stationäre Behandlung in der Privatklinik entstandenen Kosten. Der Kläger hat Behandlungsalternativen ausdrücklich abgelehnt. Ausweislich seiner Schreiben an die Beklagte ist er ausschließlich zu einer Prothesenoperation bereit gewesen. Angesichts der Tatsache, dass kein Anspruch auf Bereithaltung spezieller Gesundheitsleistungen besteht, ging die Beratungspflicht der Beklagten nicht so weit, dass sie ihm hätte Vertragskliniken benennen müssen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung die von ihm angestrebte Prothesenversorgung durchgeführt haben.

Der Kläger kann sich bereits deswegen nicht auf das Urteil des EuGH 12. 7. 01 – C-157/99, EuGHE I 01, 5473 (Smits/Peerbooms) berufen, weil entgegen seiner Ansicht eine ebenso wirksame Behandlung in einer Vertragsklinik rechtzeitig und wohnortnah möglich gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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