L 1 KR 16/04

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 KR 156/99
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 16/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Januar 2004 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen, welche die Klägerin für die Zeit von März 1986 bis Juni 1989 in Höhe von 194.425,74 DM (99.408,30 EUR) an die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Seeunfallversicherung sowie zur Seemannskasse entrichtet hat.

Die Klägerin ist eine C.-Firma mit Sitz in L. auf Zypern. Sie gehört mehrheitlich der deutschen Reederei B. S. (im Folgenden: Reederei), ist deren Tochtergesellschaft und heuert vornehmlich ausländische - zumeist aus Asien stammende - Seeleute für Einsätze auf unter deutscher Flagge fahrende Schiffe der Reederei an. Nach ihren Angaben bereedert sie auch selbst Schiffe, ist ferner als Schiffsmaklerin tätig und stellt zudem Besatzungsmitglieder für nicht unter deutscher Flagge fahrende Schiffe zur Verfügung.

Nachdem ein zwischen der Reederei und der Beklagten geführter Rechtsstreit über die Verpflichtung, Sozialversicherungsbeiträge für von anderen ausländischen C.-Firmen angeheuerte ausländische Seeleute zu zahlen, durch einen im Anschluss an die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landessozialgericht (Urteil des Bundessozialgerichts ( BSG ) vom 25. Oktober 1988 - 12 RK 21/87 - , BSGE 64, 145 = SozR 2100 § 5 Nr 3) geschlossenen außergerichtlichen Vergleich geendet hatte, beantragte die Klägerin am 30. Oktober 1991 bei der Beklagten die Erstattung der für die Zeit vom 1. März 1986 bis 30. Juni 1989 entrichteten Sozialversicherungsbeiträge wegen der Beschäftigung ausländischer Seeleute, welche die Klägerin für die Reederei angeheuert hatte.

Die Beklagte lehnte den Erstattungsantrag durch Bescheid vom 9. September 1993 ab, weil die Beiträge nicht zu Unrecht entrichtet worden seien. Die auf deutschen Seeschiffen beschäftigten ausländischen Besatzungsmitglieder hätten der Versicherungspflicht nach deutschem Sozialversicherungsrecht unterlegen. Sie seien nicht versicherungsfrei gewesen, weil eine ungenehmigte gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung der Klägerin, die eine Genehmigung der deutschen Arbeitsverwaltung nicht eingeholt habe, vorgelegen habe und § 5 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) daher nicht eingreife. Eine Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland in das deutsche Inland, auch auf ein deutsches Seeschiff, sei nur mit einer Genehmigung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) möglich. Liege – wie hier - eine Genehmigung nicht vor und handle es sich deswegen um eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung, schließe dies die Einstrahlung aus, so dass die deutschen Rechtsvorschriften über Versicherungs- und Beitragspflicht Anwendung fänden. Die Heuerverträge und die auf ihnen beruhenden Beschäftigungsverhältnisse ausländischen Rechts seien unwirksam. Stattdessen seien nach Maßgabe des AÜG dem deutschem Recht unterliegende Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse zu fingieren. Somit sei die Reederei als Entleiherin Arbeitgeberin und damit Schuldnerin der Sozialversicherungsbeiträge zur Unfall-, Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie zur Seemannskasse. Für den ab 1. Januar 1989 streitigen Erstattungszeitraum regle § 28 e Abs. 2 und 3 SGB IV iVm Art. 1 § 10 Abs. 3 AÜG nichts anderes. Zwar habe die Klägerin den von ihr angeheuerten Seeleuten Heuer gezahlt und Sozialversicherungsbeiträge an die Beklagte abgeführt. Sie habe jedoch ihre Zahlungen der Reederei in Rechnung gestellt und von dieser erstattet bekommen, was dem Erstattungsanspruch entgegenstehe. Bezüglich der für 1986 entrichteten Beiträge in Höhe von 84.434,58 DM sei der Erstattungsanspruch verjährt.

Im anschließenden Vorverfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, die ausländischen Besatzungsmitglieder, für welche die Beiträge abgeführt worden seien, hätten nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterlegen. Deren Beschäftigung sei versicherungsfrei gewesen, weil ihr keine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zugrunde gelegen habe. Im Übrigen finde das Recht der Einstrahlung auch auf eine ungenehmigte, gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung Anwendung. Sie, die Klägerin, habe auch lediglich einzelne Seeleute und nicht ganze Mannschaften auf die entsprechenden Schiffe entsandt. Schließlich sei die Arbeitnehmerüberlassung nicht mit Gewinnerzielung betrieben worden. Die Verjährungseinrede der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich.

Nachdem die Klägerin dem Wunsch der Beklagten nach Benennung der Anschriften der betroffenen ausländischen - hauptsächlich philippinischen - Arbeitnehmer nicht entsprochen hatte, wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1999 zurück. Dass eine entgeltliche, gewerbsmäßig betriebene Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen habe, ergebe sich bereits daraus, dass eine Inrechnungstellung der Lohnkosten gegenüber der Reederei für diese Arbeitnehmer - nach Angaben der Klägerin zu marktgemäßen Preisen - erfolgt sei. Im Rahmen eines Timecharterverhältnisses sei irrelevant, ob nur ein Teil oder aber die gesamte Besatzung durch einen Dritten gestellt werde. Das Beschäftigungsverhältnis gelte als mit dem deutschen Entleiher - hier Vercharterer - zustande gekommen. Die Höhe der Beitragsbemessung nach Durchschnittsheuern sei nicht zu beanstanden. Ein früher von ihr, der Beklagten, ausgesprochener Verjährungsverzicht habe sich nicht auf die Forderung der Klägerin, sondern auf von zwei anderen Firmen entrichtete Sozialversicherungsbeiträge bezogen.

Die Klägerin hat am 16. März 1999 Klage erhoben und vorgetragen, die betroffenen Seeleute hätten ohne Ausnahme keine Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis für Deutschland gehabt. Ihre Beschäftigung an Bord deutscher Seeschiffe sei von vornherein begrenzt gewesen. Viele seien nur einige Wochen beschäftigt gewesen. Das sei mit der Reederei vereinbart worden. Das AÜG sei vorliegend weder einschlägig noch anwendbar. Zumindest sei die Beitragspflicht der betroffenen Seeleute zur Arbeitslosenversicherung rechtswidrig, weil sie aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen niemals einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe hätten geltend machen können. Die Berechnung der Beiträge auf der Grundlage der Durchschnittsheuer sei rechtswidrig (unverhältnismäßig), weil die an ihre Seeleute gezahlte Heuer sehr viel niedriger gewesen sei. Die Verjährung sei für die vor dem 1. Januar 1987 gezahlten Beiträge durch das Schreiben der Beklagten vom 23. September 1980 unterbrochen worden.

Die Beklagte hat entgegnet, die fehlende Arbeitserlaubnis der betroffenen Seeleute für die Bundesrepublik Deutschland stehe deren Sozialversicherungspflicht nicht entgegen (Verordnung über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer vom 2. März 1971 iVm § 19 AFG). Eine Einstrahlung nach § 5 SGB IV liege nicht vor, wenn ein ausländisches Unternehmen Seeleute inländischen Reedereien zur Beschäftigung auf einem Seeschiff, welches - wie hier - die Bundesflagge führe, überlasse (BSG vom 25. Oktober 1988 – 12 RK 21/87, aaO). Hilfsweise werde bezüglich der geltend gemachten Erstattungsansprüche für den Beitragszeitraum 1. Januar bis 30. November 1986 die Einrede der Verjährung erhoben. Von der Beteiligung der betroffenen Seeleute im Vorverfahren habe abgesehen werden dürfen, weil die Anschriften der in Betracht kommenden Seeleute ihr, der Beklagten, nicht bekannt seien und ihre Ermittlung unverhältnismäßige Schwierigkeiten bereitet hätte.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 14. Januar 2004 abgewiesen. Für die betreffenden ausländischen Seeleute habe Versicherungspflicht bestanden. Diese sei nicht durch § 5 SGB IV ausgeschlossen gewesen. Die Seeleute hätten nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin, sondern in einem solchen zur deutschen Reederei gestanden. Auf Fragen des AÜG komme es nicht an. Insbesondere seien auch die zur Arbeitslosenversicherung abgeführten Beiträge nicht zu Unrecht entrichtet. Ebenfalls sei die Beitragsberechnung nach Durchschnittsheuern nicht zu beanstanden.

Gegen das ihr am 24. Februar 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. März 2004 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, dass die zur Beschäftigung an Bord von Schiffen der Reederei von ihr zur Verfügung gestellten Seeleute jeweils für einen von vornherein begrenzten Zeitraum dort eingesetzt worden seien. Die an sie ausgezahlte Heuer habe erheblich unter der so genannten Durchschnittsheuer gelegen. Alle an die Reederei zur Beschäftigung auf deren Schiffen zur Verfügung gestellten Seeleute seien im Ausland sozialversichert gewesen. Dennoch habe die Beklagte darauf bestanden, dass für diese Seeleute Beiträge zur deutschen Sozialversicherung abgeführt würden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts lägen die Voraussetzungen für eine Einstrahlung nach § 5 SGB IV vor und komme es auch auf Fragen des AÜG an. Hiernach habe eine erlaubte Arbeitnehmerüberlassung an die Reederei vorgelegen, weil sie, die Klägerin, Konzerntochter der Reederei sei, so dass auf sie § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG nicht Anwendung gefunden und ihre gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung keiner Erlaubnis bedurft habe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Januar 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 9. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 99.408,30 EUR nebst 4% Zinsen seit dem 18. April 1994 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin habe keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) stellen keinen Antrag. Ihre Beiladung ist erst in der mündlichen Verhandlung erfolgt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Prozessakten, der Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten VI KRBf 7/89 Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Der Senat durfte in der Sache entscheiden, ohne dass die (versicherten) ausländischen Seeleute, für deren Beschäftigung auf deutschen Schiffen der Reederei die Klägerin die streitigen Sozialversicherungsbeiträge an die Beklagte abgeführt hat, nach § 75 Abs. 2 SGG beigeladen worden sind. Eine Beiladung der betroffenen Seeleute, die für den Fall einer Erstattung des Arbeitgeberanteils an die Klägerin der Hälfte der für sie innerhalb des streitigen Zeitraums abgeführten Beiträge verlustig gingen, war dem Senat verwehrt, weil sich aus den Unterlagen der Beklagten/der Klägerin weder Anschriften noch Geburtdaten der betroffenen Arbeitnehmer ergeben. Die Ermittlung ihres Wohnortes wäre allenfalls unter äußersten – unverhältnismäßigen, einen großen Zeitaufwand erfordernden – Schwierigkeiten möglich, wenn nicht gar unmöglich. Die hier in Rede stehenden Beschäftigungsverhältnisse liegen zwischen 19 und 16 Jahre zurück. Selbst wenn im Einzelfall ausnahmsweise eine frühere Anschrift eines philippinischen Arbeitnehmers ermittelt werden könnte, so wäre fraglich, ob er diesen Wohnort beibehalten hat, seine neue Anschrift ermittelbar oder ob er überhaupt noch am Leben ist. Irgendwelche Ermittlungen hinsichtlich einer Beiladung der betreffenden Arbeitnehmer nach § 75 Abs. 2 SGG erscheinen deshalb aussichtslos. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung – wie auch schon unter dem 2. November 1998 gegenüber der Beklagten – denn auch erklärt, dass sie die Anschriften der betroffenen Seeleute nicht angeben könne. Auch die Beklagte hat erklärt, dass ihr diese Anschriften nicht bekannt seien. Zwar seien teilweise Geburtsdaten dieser Seeleute erfasst, allerdings sei die konkrete Zuordnung zu bestimmten Personen nicht möglich. Eine Beiladung der nur mit ihrem Namen bekannten ausländischen Seeleute durch öffentliche Zustellung des Beiladungsbeschlusses nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 186 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) scheidet aus, weil der Mindestinhalt der Benachrichtigung iSd § 186 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ZPO mangels bekannter letzter Anschrift des Zustellungsadressaten nicht erfüllbar ist. Eine Beiladung nach § 75 Abs. 2a SGG brauchte der Senat nicht vorzunehmen. Abgesehen davon, dass das dort geregelte Verfahren im Hinblick auf die im überseeischen Ausland beheimateten Seeleute höchstwahrscheinlich erfolglos bliebe, ist unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin schon nicht wahrscheinlich, dass mehr als 20 verschiedene Seeleute auf den Schiffen der Reederei (12 Seeleute angeblich im Jahre 1986) durch Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt wurden, so dass es bereits an den Voraussetzungen dieser Beiladungsvorschrift fehlt.

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 9. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 1999 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu.

Dass die betreffenden Seeleute, von denen der Beklagten nur die Namen, aber nicht die Anschriften bekannt sind, nicht am Verwaltungsverfahren beteiligt wurden, macht die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig. Denn die Hinzuziehung der Seeleute gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch war der Beklagten nicht möglich, weil mangels bekannter und zu ermittelnder Anschriften ihre Benachrichtigung von der Einleitung des Verfahrens ausschied.

Nach § 26 Abs. 2 SGB IV, der nach § 185a Abs. 1 Satz 2 AFG (vgl. jetzt § 351 Drittes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB III ) ) in der Arbeitslosenversicherung (mit den Besonderheiten des § 185a Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 AFG) entsprechend gilt, sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat; Beiträge, die für Zeiten entrichtet worden sind, die während des Bezugs von Leistungen beitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten. Nach § 26 Abs. 3 SGB IV steht der Erstattungsanspruch dem zu, der die Beiträge getragen hat. Der Erstattungsanspruch entfällt, soweit dem Arbeitgeber Beiträge, die er getragen hat, von einem Dritten ersetzt worden sind.

Ob vorliegend Leistungen aufgrund der an die Beklagte als Einzugstelle abgeführten Beiträge in den hier in Betracht kommenden Zweigen der Sozialversicherung an die betreffenden Arbeitnehmer gewährt wurden, steht nicht fest. Ermittlungen hierzu sind nicht angestellt worden. Es spricht zwar einiges dafür, dass dies nicht der Fall war. Die Frage kann aber auf sich beruhen, weil eine Beitragserstattung ohnehin ausscheidet. Beiträge sind nicht zu Unrecht entrichtet worden. Denn für die betreffenden Seeleute, die auf einem Schiff der Reederei beschäftigt waren, das unter deutscher Flagge fuhr, bestand Versicherungspflicht.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV sind in allen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige versichert Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Die Vorschriften der §§ 1227 Abs. 1 Nr. 1, 477 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO), § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, §§ 539 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 835 RVO, 168 Abs. 1 Satz 1 AFG und § 891a RVO sehen insoweit für die gesetzliche Renten-, Kranken-, Unfall und Arbeitslosenversicherung sowie für die Versicherung der Seeleute zur Seemannskasse keine abweichende Regelung vor. Die betroffenen Seeleute unterlagen während ihrer Beschäftigung auf den deutschen Schiffen der Reederei deutschem Recht, weil das Territorialitätsprinzip Anwendung fand. Sie waren als Besatzungsmitglieder auf Seeschiffen beschäftigt, die unter deutscher Flagge fuhren, und unterlagen dort den - für die Reederei ausgeübten - Weisungen des Kapitäns im Hinblick auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Beschäftigung. Die Beschäftigung auf deutschen Seeschiffen iSd § 13 Abs. 2 SGB IV wird unabhängig von deren jeweiligem Standort als im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt angesehen. Zwar mögen die Seeleute ein Arbeitsverhältnis zur Klägerin als Verleiherin eingegangen sein, von der sie auch das Arbeitsentgelt erhielten. Ihre Arbeitsverträge mit der Klägerin waren indes, weil sie sich im Hinblick auf die Beschäftigung auf deutschen Seeschiffen als unerlaubte gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung darstellten, nach Inlandsrecht unwirksam (Art. 1 §§ 1, 9 Nr. 1 AÜG). Dass eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung hier vorliegt, begegnet keinem Zweifel. Die Klägerin räumt selbst ein, dass sie der Reederei für ihre Verleiherdienste marktübliche Preise in Rechnung gestellt und auch erhalten hat. Ob die Schiffe der Reederei hauptsächlich oder nur zu einem Teil mit von der Klägerin gestellten Seeleuten bemannt wurden, ändert am Tatbestand der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nichts. Außerdem entbehrte die Arbeitnehmerüberlassung der Genehmigung. Denn eine Genehmigung durch die deutschen Behörden lag nicht vor. Dies hat nach deutschem Recht zur Folge, dass nach der Fiktion des Art. 1 § 10 AÜG zwischen der Reederei als Entleiherin und den Seeleuten als Leiharbeitnehmern ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen gilt. Dadurch wird eine Kongruenz zwischen Arbeitsverhältnis und Beschäftigungsverhältnis hergestellt. Nach alledem waren die betroffenen Seeleute iSd deutschen Sozialversicherungsrechts für die Zeit ihrer nichtselbstständigen Arbeit – Beschäftigung iSd § 7 Abs. 1 SGB IV - auf den deutschen Seeschiffen der Reederei in den Betrieb dieser Schiffe, also in den Betrieb der Entleiherin, eingegliedert, standen folglich in einem Beschäftigungsverhältnis zur Entleiherin.

Entgegen der Auffassung der Klägerin führt § 5 SGB IV (Einstrahlung), der vorliegend gemäß § 173a AFG entsprechend gilt, nicht zu einer Ausnahme von der Geltung des deutschen Rechts, namentlich von der Versicherungspflicht der hier betroffenen Seeleute. Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs des Sozialgesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Diese Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt. Eine Entsendung iSd Einstrahlung liegt vor, wenn sich ein Beschäftigter, der bisher außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland gewohnt und gegebenenfalls auch gearbeitet hat, auf Weisung seines Arbeitgebers mit Sitz außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland zur Ausübung einer Beschäftigung unmittelbar für dessen Zwecke in die Bundesrepublik Deutschland begibt. Bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland - wie hier - liegt Einstrahlung schon deshalb nicht vor, weil das Beschäftigungsverhältnis als mit dem inländischen Entleiher als zu Stande gekommen gilt (vgl. Art. 1 § 10 AÜG). Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - ein ausländisches Unternehmen inländischen Reedern Seeleute zur Beschäftigung auf einem Seeschiff, das die Bundesflagge führt, unerlaubt überlässt. In diesen Fällen sind die deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht anzuwenden (vgl. BSG 25. 10. 1988 – 12 RK 21/87, aaO).

Hiervon abgesehen setzt § 5 SGB IV voraus, dass während der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis iSd deutschen Sozialversicherungsrechts zu einem Arbeitgeber mit Sitz außerhalb Deutschlands bestehen und der Arbeitnehmer weiterhin in eine ausländische Arbeits- und Erwerbswelt eingegliedert bleiben muss. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Sozialgericht zu Recht verneint. Im Gesetz wird nicht näher umschrieben, welche Merkmale im Rahmen des § 5 SGB IV für ein Beschäftigungsverhältnis maßgebend sein sollen. Die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 4 SGB IV (vgl. BT-Drucks. 7/4122, S. 30) stellt lediglich darauf ab, dass für die Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses maßgebend ist, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt. Allerdings kann nur bei hinreichender Intensität der tatsächlichen und rechtlichen Bindungen zu dem entsendenden Unternehmen ein zu ihm fortbestehendes Beschäftigungsverhältnis angenommen werden, weil nur dann trotz eines Beschäftigungsortes im Inland (auf einem deutschen Seeschiff) die Geltung der Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragspflicht ausgeschlossen werden sollen (vgl. BSG 7. November 1996 - 12 RK 79/94, BSGE 79, 214 = SozR 3 2400 § 5 Nr 2). Der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses bei der Einstrahlung (und Ausstrahlung) liegt unabhängig davon, mit wem der Arbeitsvertrag geschlossen ist, regelmäßig bei dem Betrieb, bei dem über die Arbeitsleistung hinaus wesentliche Elemente des Beschäftigungsverhältnisses erfüllt werden. Für die Zuordnung eines Beschäftigungsverhältnisses zu einem bestimmten Betrieb sind dabei einerseits die Eingliederung des Beschäftigten in diesen Betrieb und andererseits die Zahlung des Arbeitsentgelts durch den Betrieb entscheidend. Die Eingliederung in einen Betrieb bedeutet, dass die Arbeit für diesen Betrieb erbracht und die Arbeitsleistung ihm wirtschaftlich zugerechnet wird. Sie kennzeichnet damit, welcher wirtschaftlichen Einheit gegenüber die wesentliche Leistung aus dem Arbeitsvertrag erbracht wird. Zu Recht hat das Sozialgericht den Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses bei dem Betrieb der Reederei, dem deutschen Seeschiff, angenommen. Denn der Reederei mit ihrer eigenen Wirtschafts-, Gewinn- und Verlustrechnung ist das wirtschaftliche Ergebnis der Betriebstätigkeit der Seeleute, die den Betriebszweck verwirklichen, zuzurechnen. Zwar erhielten die Seeleute ihre Heuer von der Klägerin. Da die Klägerin aber die gezahlte Heuer nebst den gezahlten Beiträgen der Reederei in Rechnung gestellt und (zumindest) diese Kosten von dieser erstattet bekommen hat, ist sie durch die Entgeltzahlung nur scheinbar Arbeitgeberpflichten nachgekommen. Wirtschaftlich hat hingegen die Reederei, wie es bei ordentlicher Arbeitnehmerüberlassung im Allgemeinen üblich ist, die Kosten der Arbeitsleistung - die als Betriebsausgaben deklariert werden - getragen. Dies rechtfertigt es jedenfalls, das Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses der Seeleute zur Klägerin während des Beschäftigungsverhältnisses auf dem deutschen Seeschiff der Reederei zu verneinen. Die Zugehörigkeit der Klägerin zum Konzern der Muttergesellschaft (Reederei) gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Insbesondere ist für die Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses bei konzerninterner Entsendung der Arbeitsvertrag, der vorliegend nach Maßgabe des AÜG ohnehin unwirksam war, nicht entscheidend. Liegt aber bereits kein "fortbestehendes" Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin vor, so kommt es auf die Frage, ob die "Entsendung" iSd § 5 SGB IV im Voraus zeitlich begrenzt war, nicht mehr an.

Auch wenn nach alledem die Reederei Arbeitgeberin war, steht der Klägerin kein Anspruch auf Beitragserstattung zu. Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte sind zwar nach §§ 1396 Abs. 1, 393 Abs. 1 Satz 1 RVO, 176 Abs. 1 AFG, 723 Abs. 1, 870 RVO und § 891a Abs. 1 RVO von den Arbeitgebern/Unternehmern zu entrichten. Nach den am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen §§ 28e Abs. 1 Satz 1, 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Gleichwohl bestimmt für die Zeit ab 1. Januar 1989 § 28e Abs. 2 Satz 3 SGB IV - für die Zeit davor Art. 1 § 10 Abs. 3 AÜG (eingefügt mit Wirkung vom 1. August 1986 durch Art. 7 iVm Art. 12 des Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15. Mai 1986, BGBl. I S 721) -, dass der Verleiher den auf das entsprechende Arbeitsentgelt entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen hat, wenn er das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer zahlt, obwohl der Vertrag nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Hinsichtlich der Zahlungspflicht nach § 26 Abs. 2 Satz 3 SGB IV gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner (§ 28e Abs. 2 Satz 4 SGB IV). Die Stellung der Klägerin als Gesamtschuldnerin steht daher dem Erstattungsanspruch entgegen.

Ob ein Erstattungsanspruch für die Zeit vom 1. März bis 31. Juli 1986 dem Grunde nach in Frage kommt, weil die Änderung in Art. 1 § 10 Abs. 3 AÜG erst mit Wirkung vom 1. August 1986 erfolgt ist, kann dahin gestellt bleiben. Denn die Beklagte hat sich für das Jahr 1986 zu Recht auf Verjährung berufen. Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Die Verjährung war bereits eingetreten, als die Klägerin die Erstattung am 30. Oktober 1991 geltend machte. Sie war auch nicht zuvor durch schriftlichen Antrag auf Erstattung unterbrochen (§ 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV). Das an die Reederei gerichtete Schreiben der Beklagten vom 23. September 1980, nach dessen Inhalt das Schreiben der Reederei vom 18. September 1980 "als genereller Erstattungsantrag" gewertet wurde, der auch für die erst in Zukunft fälligen Beiträge gelte, bezieht sich nur auf eventuelle künftige Beitragserstattungsansprüche der Reederei, nicht aber der Klägerin.

Der Senat schließt sich dem Sozialgericht auch insoweit an, als insbesondere die Beitragspflicht der betroffenen Seeleute zur Arbeitslosenversicherung und die Bemessung der Beiträge nach der Durchschnittsheuer rechtmäßig sind. Das BSG hat im Urteil vom 25. Oktober 1988 (12 RK 21/87, aaO) ausgeführt, dass der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung (§ 168 Abs. 1 Satz 1 AFG) mit den sich daraus ergebenden Beitragsforderungen nicht mit Erfolg entgegengehalten werden könne, dass die Seeleute anderweitig geschützt seien und kaum in den Genuss von Leistungen aus diesem Zweig der deutschen Sozialversicherung kämen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Beitragspflicht für die Seeleute beständen nicht. Fragen der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seeschifffahrt könnten insoweit bei der Rechtsanwendung keine Berücksichtigung finden. Diesen Ausführungen pflichtet der Senat bei. Im Übrigen hat die Beklagte die Beiträge zu Recht auch nach Durchschnittsheuern berechnet. Hierfür boten §§ 479, 841, 842, 1385 Abs. 3 RVO, § 175 Abs. 1 AFG und § 19 der Satzung der Seemannskasse iVm § 891a Abs. 1 Satz 3 RVO die einschlägigen Rechtsgrundlagen. Insoweit wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen (§136 Abs. 3 SGG).

Die Berufung hat daher keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
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