L 3 U 64/01

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 139/98
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 64/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. August 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen verbliebener Folgen eines Arbeitsunfalls am 17. Mai 1990 streitig.

Der heute 64-jährige Kläger absolvierte nach dem Schulbesuch zunächst eine Lehre als Speditionskaufmann, danach eine Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung. Nach einer 1 ½ - jährigen Tätigkeit in der Bundeswehrverwaltung war er seit 1965 bei der H. Sparkasse zunächst im Rahmen der Kreditvergabe, nach entsprechender Qualifizierung seit 1973 als Filialleiter tätig. Am 24. Juli 1995 erkrankte er in dieser Funktion zunächst arbeitsunfähig und bezieht seit dem 10. Mai 1996 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

An 17. Mai 1990 fand ein Überfall auf die Zweigstelle der H. Sparkasse in der H. Landstraße statt, deren Filialleiter der bei der Beklagten gesetzlich unfallversicherte Kläger seinerzeit war. In dem Urteil des Landgerichts Stade vom 22. November 1999 – 10 Kls 31 Js 2938/96 – , durch welches der Täter unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, heißt es zum Tathergang und zum Verhalten des Täters:

" Er trug Motorradkleidung und Helm, den er beim Betreten der Schalterhalle nicht abnahm. Unter dem Helm trug er eine Sturmhaube, so dass nur seine Augenpartie und ein Teil der Nase sichtbar war. Außerdem hatte er eine Umhängetasche bei sich, die er so umgehängt hatte, dass er beide Arme und Hände frei hatte. Nach dem Betreten der Schalterhalle forderte der Angeklagte mit einem Revolver in der Hand die anwesenden Angestellten und Kunden - insgesamt mindestens sechs Personen - auf, sich an der linken Wand der Halle - vom Eingang aus gesehen - hinter einem Beratungstresen aufzustellen. Der zur Bedrohung eingesetzte Revolver war mit scharfer Munition des Kalibers.38 Special oder.357 Magnum geladen. Unter Hinweis auf eine rechts vom Eingang angebrachte Kontrollleuchte, die sich automatisch bei Auslösen eines Alarms ausschaltete, äußerte der Angeklagte, der dies offensichtlich wusste, sinngemäß, dass etwas passiere, wenn dieses Licht ausgehe. Nachdem alle Anwesenden seiner Aufforderung nachgekommen waren, begab er sich zur Kassenbox und forderte von der Zeugin S., die bereits vorher Alarm ausgelöst hatte, die Herausgabe des Schlüssels für einen Wandtresor, der hinter der Kassenbox durch eine Holzverkleidung versteckt war, von dessen Existenz und Lage er aber Kenntnis hatte. Dabei holte er aus seiner Umhängetasche eine zweite Waffe heraus, nämlich einen Revolver mit einem langen, vorn gebogenen Lauf, und schob diesen durch die Auszahlungsmulde der bis zur Decke verglasten Kassenbox, sodass die Mündung direkt auf die Kassiererin gerichtet war. Gleichzeitig behielt er in der linken Hand den anderen Revolver, den er abwechselnd auf die Kassenbox und auf die an der Seitenwand stehen den Personen richtete. Der Angeklagte erhielt von der Kassiererin, die ihn missverstanden und die Aufforderung deshalb auf einen anderen Schlüssel bezogen hatte, einen für den Wandtresor nicht passenden Schlüssel, woraufhin er den Auszubildenden E. anwies, mit diesem den Tresor zu öffnen. Nachdem dieser zum Schein und vergeblich versuchte, den Tresor mit diesem Schlüssel zu öffnen, gab der Angeklagte dieses Vorhaben auf. Stattdessen forderte er nunmehr von der Kassiererin direkt die Herausgabe von Geld. Die in der Kassenbox vorhandenen Geldscheine im Gesamtbetrag von 15.660,00 DM, welche die Kassiererin herausgab, steckte der Angeklagte in seine Umhängetasche, in der er dann auch den Revolver mit dem gebogenen Lauf verstaute. Aus der anderen Waffe, die der Angeklagte in seiner linken Hand behalten hatte, löste sich ein Schuss, bei dem das Projektil den vorderen Teil des hölzernen Kassenboxtresens in ca. 105 cm Höhe durchschlug, wobei der Schusskanal vorwärts-abwärts in einem Winkel von etwa 45 Grad nach unten verlief, und in der unteren Verkleidung stecken blieb, ohne die Zeugin S. zu verletzen. Ob der Angeklagte diesen Schuss absichtlich aus Verärgerung oder zur besseren Einwirkung auf die Zeugin S. abgegeben oder ob dieser sich versehentlich gelöst hat, war nicht sicher festzustellen. Nachdem der Angeklagte von der Zeugin S. vergeblich die Herausgabe weiteren Geldes gefordert hatte, begab er sich rückwärts gehend in Richtung Ausgang. Beim Hinausgehen gab er zunächst etwa aus der Raummitte und danach vom Eingangsbereich aus zwei weitere Schüsse jeweils in Richtung auf die an der Seitenwand stehenden Personen ab. Das Projektil des ersten Schusses schlug am oberen Rand der bis zur Decke reichenden Schrankwand in die angrenzende Deckenplatte in einer Höhe von ca. 264 cm ein. Der andere Einschuss befand sich etwa 30 bis 40 cm rechts davon in der Schrankwand in einer Höhe von 187 cm, und hatte einen fast wagerechten Schusskanal, wobei dieses Projektil etwa in Kopfhöhe neben dem dicht daneben stehenden Filialleiter, dem Zeugen L., aufgetroffen war, sodass dieser nur knapp verfehlt wurde. Dass der Angeklagte insbesondere mit dem aus einer Entfernung von wenigen Metern abgegebenen zweiten Schuss gezielt den Zeugen L. oder eine andere Person treffen wollte, konnte die Kammer nicht eindeutig feststellen. Es ist mindestens ebenso wahrscheinlich, dass er mit beiden Schüssen die Angestellten und Kunden lediglich beeindrucken und davon abhalten wollte, ihn zu verfolgen. Dafür spricht auch, dass er vor dem Verlassen der Sparkasse sinngemäß äußerte, er werde wiederkommen.

Gegenüber der eintreffenden Polizei gaben alle bei dem Überfall anwesenden Sparkassenbediensteten zunächst an, der Täter habe mit einer Schreckschusspistole geschossen. Erst als noch am Tattage einer der Angestellten der Sparkasse Holzspäne auf dem Boden vor der Schrankwand entdeckte, wurden die Mitarbeiter auf drei Einschusslöcher aufmerksam und die Kriminaltechnik sicherte in der Folgezeit zwei von drei Projektilen. Ein drittes blieb zunächst unauffindbar. Erst bei einem im Jahre 1992 durchgeführten Umzug der Filiale wurde es von dem Kläger aufgefunden, der es als Andenken mit nach Hause nahm, um es dann im Jahre 1996 anlässlich einer Vernehmung bei der Kriminalpolizei dieser zur Verfügung zu stellen.

Mit Unfallanzeige vom 19. Februar 1996 zeigte die H. Sparkasse bei der Beklagten an, dass ihre Filiale H. Landstraße am 17. Mai 1990 überfallen worden und dass nunmehr als Spätfolge bei dem als Leiter dieser Filiale tätig gewesenen Kläger eine psychosomatische Erkrankung aufgetreten sei. Weitere Überfälle auf die Filiale seien am 18. Juli und 16. August 1990 erfolgt.

Nach Beiziehung der den Kläger betreffenden Behandlungsunterlagen und Einholung eines Sachverständigengutachtens nach ambulanter Untersuchung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W., der keinen Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 17. Mai 1990 und den Krankheitserscheinungen sah, erkannte die Beklagte das Ereignis durch Bescheid vom 4. Februar 1997 als Arbeitsunfall an, verneinte aber einen Rentenanspruch, weil der Arbeitsunfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE – von rentenberechtigendem Grade nicht hinterlassen habe. Auf den Widerspruch des Klägers ließ ihn die Beklagte erneut – durch den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F. – ambulant untersuchen und schriftlich begutachten. Dr. F. gelangte zu dem Ergebnis, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nicht vorliege. Der Krankheitsverlauf sei insbesondere in zeitlicher Hinsicht hierfür völlig untypisch. Die vorliegenden Gesundheitsstörungen seien mit der bei dem Kläger bestehenden Persönlichkeitsstörung schlüssig erklärbar und damit unfallunabhängig. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 1998 zurück. Auf die genannten Bescheide wird ergänzend Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat die fristgerecht erhobene Klage nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach ambulanter Untersuchung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. abgewiesen. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei zwar durch ein neuropsychiatrisches Krankheitsbild so erheblich gemindert, dass Erwerbsunfähigkeit vorliege, die Gesundheitsschäden seien jedoch nicht auf das angeschuldigte Ereignis, sondern auf lebensgeschichtliche Faktoren zurückzuführen. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen. Sie wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. September 2001 zugestellt.

Mit seiner am 8. Oktober 2001 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein auf die Gewährung einer Verletztenrente gerichtetes Begehren weiter. Das Sozialgericht habe die erhobenen Beweise falsch gewürdigt. Es habe namentlich die Feststellungen des behandelnden Arztes Dr. H1 nicht berücksichtigt, sondern sich ausschließlich von dem Gutachten des Dr. N. leiten lassen. Dr. H1 aber vertrete in seinem Attest vom 25. Februar 1997 die Auffassung, dass eine so genannte posttraumatische Belastungsstörung auch noch Jahre nach einem traumatisierenden Ereignis auftreten könne.

Das Berufungsgericht hat daraufhin den Sachverhalt medizinisch weiter aufgeklärt und zunächst den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 mit der ambulanten Untersuchung und schriftlichen Begutachtung des Klägers beauftragt. Dr. L1 führt in seinem schriftlichen Gutachten vom 3. Februar 2004 aus, dass sich bei dem Kläger seit dem Zeitpunkt des Ereignisses vom 17. Mai 1990 eine ausgeprägte ängstlich-depressive Störung vor dem Hintergrund einer zwanghaften, im Kern selbstunsicheren Persönlichkeit entwickelt habe. Aus diesem Grunde sei das Ereignis nicht als alleinige Ursache für die Gesundheitsstörung anzusehen. Es sei auch nicht geeignet, im Zusammenhang mit anderen Ursachen die Gesundheitsstörung hervorzurufen. Zur Begründung hebt Dr. L1 maßgeblich auf den fehlenden Bedrohungscharakter des Vorfalles ab - der Kläger sei von der Verwendung einer Schreckschusspistole ausgegangen - und ferner darauf, dass klinische Symptome erst im Jahre 1995 aufgetreten seien.

Auf Antrag des Klägers hat das Gericht ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – des Facharztes für Nervenheilkunde, psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. M. eingeholt, welches dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers unter dem 28. September 2004 erstattet hat. Er meint, es liege seit dem Zeitpunkt des Unfalls am 17. Mai 1990 eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Hierfür sei der Unfall wahrscheinlich alleinige Ursache. Andere Ursachen, die die Gesundheitsstörung hervorgerufen haben könnten, ließen sich nicht erkennen. Es sei namentlich die Angabe des Klägers, nicht psychisch krank gewesen zu sein, glaubhaft und nachvollziehbar, zumal anders lautende Umstände, wie etwa die Inanspruchnahme psychiatrisch-psychotherapeutischer Behandlung, nicht ersichtlich seien. Eine zeitliche Latenz zwischen dem Unfall und der Gesundheitsstörung komme bei posttraumatischen Belastungsstörungen durchaus vor, wenn auch selten. Sie werde vorliegend plausibel dadurch erklärt, dass die Lebensgefahr erst im Nachhinein wahrgenommen wurde. Denn der Kläger habe bereits vor dem Sozialgericht angegeben, zunächst die Pistolen des Täters für Schreckschusspistolen gehalten zu haben, sodass er sich offenbar des vollen Ausmaßes der Gefahr erst 1992 bewusst geworden sei.

Nachdem die Beklagte den Ausführungen dieses Gutachters unter Hinweis auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 1. Februar 2005 entgegengetreten war, hat das Berufungsgericht ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten nach ambulanter Untersuchung von Dr. M1 eingeholt. Der Sachverständige, der auch die den Kläger begleitende Ehefrau befragt hat, gelangt zu dem Ergebnis, dass zum Zeitpunkt des Überfalles am 17. Mai 1990 bei dem Kläger Gesundheitsstörungen nicht vorlagen. Der Überfall sei aber wahrscheinlich nicht alleinige Ursache für die heute festzustellenden Gesundheitsstörungen. Es handele sich vielmehr um ein multifaktorielles, inzwischen chronifiziertes Krankheitsbild, welches sich seit 1993 entwickelt habe und für welches der Überfall allenfalls ein Faktor von geringerer Bedeutung sei. Insoweit sei das Unfallereignis allenfalls eine Teilursache. Diese sei im Verhältnis zu anderen Ursachen weder gleichwertig noch als wesentlich einzustufen. Die festgestellten Gesundheitsstörungen wären wahrscheinlich auch ohne den Überfall - etwa durch Überforderung am Arbeitsplatz und eventuell auch durch ein involutiv bedingtes Geschehen - eingetreten. Inzwischen habe sich die Beschwerdesymptomatik im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens und aufgrund widersprüchlicher ärztlicher Ansichten verfestigt. Maßgeblich für den Eintritt der Gesundheitsstörung sei das Erleben des Leistungsverlustes von 1993 an. Hinzugekommen sei ein Gefühl der Überforderung am Arbeitsplatz. Gegen einen Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit dem Überfall spreche auch der Zeitraum von 1990 bis zur Entwicklung der ersten Symptome im Jahre 1993.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat Dr. M1 sein Gutachten dahingehend ergänzt und erläutert, dass sich die bei dem Kläger bestehende Gesundheitsstörung ab 1993 aufgrund einer altersbedingten hirnorganischen Leistungseinschränkung entwickelt habe. Wegen der Einzelheiten der Anhörung des Sachverständigen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf denjenigen der von der Beklagten vorgelegten Sachakten und die beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Lüneburg (31 Js 2938/96 = 111 Js 15781/99) Bezug genommen. Sie sind sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht die begehrte Verletztenrente nicht zu, weil die von ihm geklagten Gesundheitsstörungen nicht Folge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls sind.

Auf den Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO - Anwendung, weil ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Sozialgesetzbuchs, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I, S. 1254, 1317, § 212 SGB VII).

Gemäß den §§ 580, 581 RVO wird eine Verletztenrente gewährt, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert und so lange sie (im Regelfall) mindestens 20 v. Hundert beträgt. Ein Arbeitsunfall ist nach § 548 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten (bei versicherter Tätigkeit) erleidet. Voraussetzung für die Entschädigung ist danach, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (so genannte haftungsbegründende Kausalität) und den Gesundheitsschaden verursacht haben muss (so genannte haftungsausfüllende Kausalität). Während die einzelnen Glieder der Kausalkette (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung und Gesundheitsschaden) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, ohne dass eine völlige Gewissheit zu fordern ist, genügt für den – doppelten – ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d.h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen.

Das Berufungsgericht hat sich eben sowenig wie bereits das Sozialgericht davon überzeugen können, dass die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen, die seine Erwerbsfähigkeit letztlich maßgeblich einschränken, nach dem erwähnten Maßstab auf den erlittenen Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Überwiegendes spricht vielmehr dafür, dass das Krankheitsgeschehen anlagebedingt ist.

Nach den überzeugenden Feststellungen des medizinischen Sachverständigen Dr. M1 leidet der Kläger an einer chronifizierten depressiven Verstimmung bei anankastischer, leistungsorientierter, emotional eingeengter, selbstunsicherer Persönlichkeit. Diese Einschätzung deckt sich mit derjenigen des im Verfahren vor dem Sozialgericht tätig gewesenen medizinischen Sachverständigen Dr. N. und auch mit derjenigen der von der Beklagten eingeschalteten medizinischen Sachverständigen Dr. W. und Dr. F ... Die Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. H1 steht hiermit in Übereinstimmung. Im Ergebnis beschreibt auch Dr. L1 ein ebensolches Krankheitsbild. Alle genannten medizinischen Sachverständigen gehen ferner davon aus, dass diese Gesundheitsstörungen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Dieser Feststellung folgt der erkennende Senat. Insoweit hat Dr. M1 vor dem erkennenden Senat überzeugend dargelegt, dass eine Reihe von Faktoren für die Entstehung des gegenwärtigen Gesamtbildes der Gesundheitsstörung ursächlich sind, diese sich aber jedenfalls ausgehend von einer im Jahre 1993 in Erscheinung getretenen, altersbedingten hirnorganischen Leistungseinschränkung entwickelt hat, die - unbehandelt geblieben - über das Erleben von Leistungsverlust zu einem Rückzugsverhalten und mannigfaltigen typischen Vitalstörungen geführt hat. Dem Überfalltrauma kommt nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. M1 hierbei nur eine unwesentliche Rolle zu, zumal die – allerdings bei dem Kläger vorhandenen – typischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung erst sehr viel später in das Beschwerdebild eingeflossen sind. Auch dieser Einschätzung folgt der erkennende Senat. Demgegenüber vermögen die in Übereinstimmung mit der Auffassung des behandelnden Arztes zur Ursächlichkeit stehenden Ausführungen des auf Antrag des Klägers gehörten Sachverständigen Prof. Dr. M. den Senat nicht zu überzeugen. Zwar mag es in Einzelfällen möglich sein, dass typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung erst längere Zeit nach dem traumatisierenden Ereignis auftreten und deshalb mag ein längerer Zeitraum zwischen Ereignis und dem Auftreten von Krankheitserscheinungen nicht generell gegen die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung sprechen. Wenn Prof. Dr. M. dies vorliegend allerdings mit dem Umstand erklären will, dass dem Kläger die Gefährlichkeit der Situation erst mit Auffinden des Projektils im Jahre 1992 bewusst wurde, so geht er von einem falschen Sachverhalt aus. Allen Bediensteten – auch dem Kläger als Leiter der Filiale – war ausweislich der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft bereits kurz nach der Tat klar, dass mit einer scharfen Waffe geschossen worden war. Auch der Kläger räumt dies ein. Hiervon ausgehend ist ohne die von Dr. M1 hierfür gefundene Erklärung nicht einleuchtend, warum sich das Krankheitsbild erst Jahre später entwickelte. Zusätzlich belegt der Umstand, dass der Kläger das dritte Projektil über Jahre als Andenken bei sich zu Hause aufbewahrt hat, dass die Tat ihn ebenso wenig beeindruckt hat, wie die anderen Überfälle vor und nach dem angeschuldigten Ereignis, deren Zeuge der Kläger jeweils in gleicher Weise war. Vor diesem Hintergrund ist die von dem Sachverständigen Dr. M1 in Übereinstimmung mit den übrigen gerichtlicherseits eingeschalteten Sachverständigen gegebene Erklärung für den Eintritt der Störung die dem Senat einzig einleuchtende. Allein sie erfasst das Gesamtbild der gesundheitlichen Situation des Klägers.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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