L 5 AL 79/02

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 2 AL 1458/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 79/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. August 2002 Hamburg wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Dem Kläger werden Kosten gemäß § 192 SGG in Höhe von 500,00 Euro auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht eine Sperrzeit wegen Ablehnung einer Bildungsmaßnahme.

Der 1962 geborene Kläger schloss 1991 das Studium der Volkswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Politik ab. Nach kürzeren Beschäftigungen im gewerblichen Bereich war er überwiegend arbeitslos. Von August 1995 bis August 1996 absolvierte er eine kaufmännische Fortbildung für Akademiker. In einem Beratungsvermerk vom 13. August 1996 heißt es, der Kläger sehe die Sachbearbeiterebene für sich als realistisch an. Lt. Vermerk vom 19. November 1999 hielt die Arbeitsvermittlung eine Eingliederung als Volkswirt nicht mehr für möglich.

Nachdem der Kläger im März 2001 von der Anmeldung zu einer ihm von der Beklagten angebotenen Bildungsmaßnahme namens ´Integra` bei der G.-Schule zurückgetreten war, lud ihn seine Arbeitsvermittlerin, die Zeugin S., zu einem Beratungsgespräch am 4. Mai 2001 ein, in dem ihm diese Bildungsmaßnahme erneut angeboten wurde. Teilnahmevoraussetzung dieser Maßnahme war ein kaufmännischer Berufsabschluss oder längere qualifizierte kaufmännische Tätigkeit. Sie beinhaltete während ihrer insgesamt neunmonatigen Dauer u.a. ein dreimonatiges Arbeitsplatztraining sowie ein vier Monate umfassendes Praktikum in einem externen Wirtschaftsbetrieb.

Im Verlaufe dieses Gesprächs äußerte der Kläger ausweislich eines in der Verwaltungsakte enthaltenen Vermerks der Zeugin S., dass eine Teilnahme an dem angebotenen Lehrgang für ihn nicht in Frage komme, da er nicht zur Zielgruppe gehöre. Zudem weigerte er sich, die diese Bildungsmaßnahme betreffenden Unterlagen – insbesondere ein als Blatt 95 der Verwaltungsakte abgeheftetes Maßnahmeangebot mit einer auf dessen Rückseite abgedruckten Rechtsfolgenbelehrung - entgegen zu nehmen sowie deren Erhalt durch seine Unterschrift zu bestätigen,

Mit Bescheid vom 2. Juli 2001 stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 5. Mai bis 27. Juli 2001 fest, hob zugleich die Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum nach § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch – SGB X - auf und forderte die Erstattung der in der Zeit vom 5. Mai bis 30. Juni 2001 erbrachten Leistungen in Höhe von DM 2.663,04.

Den hiergegen vom Kläger mit der Begründung erhobenen Widerspruch, er sei nicht über die Folgen einer Verweigerung der Teilnahme belehrt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2001 zurück.

Im nachfolgenden Klageverfahren hat der Kläger u.a. ausgeführt, dass ihm schon bei einem früheren Anmeldegespräch bei der G.-Schule gesagt worden sei, dass er nicht zur Zielgruppe der Maßnahme gehöre. Er habe daher den Eindruck gewonnen, dass ihn Frau S. bislang falsch beraten habe, und sich einen Termin bei dem Arbeitsberater S1 geholt. Ihm sei das Recht auf Beratung jedoch abgesprochen worden. Hierin sei ein wichtiger Grund für die Ablehnung der Bildungsmaßnahme zu sehen.

Das Sozialgericht hat die Klage nach schriftlicher Anhörung des Mitarbeiters der Beklagten S1 sowie nach Vernehmung der Zeugin S. - bezüglich des Inhalts ihrer Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23. August 2002 Bezug genommen - durch Urteil vom selben Tag abgewiesen. Die Teilnahme an der Maßnahme sei dem Kläger zumutbar gewesen; er könne sich auch nicht auf eine fehlende Rechtsfolgenbelehrung berufen, da er diese vereitelt habe. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten sei nicht vorhanden.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die notwendige Belehrung über die Rechtsfolgen habe nicht stattgefunden. Er habe die Belehrung auch nicht vereitelt oder verhindert; er habe sich nicht geweigert, die Unterlagen durchzulesen, und aktiv am Gespräch teilgenommen. Frau S. habe ihm wörtlich ein Angebot der Bildungsmaßnahme, ein Merkblatt dazu und eine Teilnehmerinformation zur Unterschrift vorgelegt. Dass eine Rechtsfolgenbelehrung zu den die Maßnahme betreffenden Unterlagen gehöre, sei eine Vermutung des Sozialgerichts. Unter den Unterlagen, die er am 27. Februar 2001 entgegengenommen habe, sei keine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung gewesen, sondern eine Teilnehmerinformation, der Kurzantrag und eine Erklärung über Fahrtkosten. Im Übrigen sei ihm eine Berufsberatung verwehrt worden. Schließlich bezweifelte er, ob diese Bildungsmaßnahme ihm wirklich zusätzliche Befähigung vermittelt hätte und dass die Maßnahme geeignet gewesen wäre, seine Vermittlungsaussichten zu verbessern. Er könne nicht nachvollziehen, dass Frau S. für ihn keine Möglichkeit gesehen habe, auf dem Akademiker-Arbeitsmarkt unterzukommen. Er habe an einem beruflichen Profiling für Akademiker bei der W. Training AG teilgenommen; dort sei ihm – wie die beigefügte Chanceneinschätzung ergebe - eine günstige Qualifikation bescheinigt worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. August 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 23. August 2002 zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das Angebot über die Bildungsmaßnahme befinde sich im Original in der für den Kläger geführten Leistungsakte. Ausweislich des Vermerks der Zeugin S. auf dem Entwurf habe der Kläger die Unterschrift und die Annahme der Unterlage verweigert. Auf der Rückseite dieses Schreibens stehe die von der Zeugin zutreffend angekreuzte Rechtsfolgenbelehrung. Von dieser hätte er ohne weiteres Kenntnis nehmen können.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14. Juli 2005 hat der Kläger eine Abschrift des von ihm auf Tonträger aufgezeichneten Gesprächs am 4. Mai 2001 über¬reicht, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Der Vorsitzende hat ihn nach Zwischenberatung des Senats darauf hingewiesen, dass seine Rechtsverfolgung aussichtslos sei und er mit einer Kostenauferlegung von ca. 500 Euro bei Fortführung des Rechtsstreits rechnen müsse. Sein Verhalten stelle sich insofern als rechtsmissbräuchlich dar, als er ohne weiteres in der Lage sei, die Ausführungen des Gerichts zur Rechtslage zu begreifen und die daraus entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 14. Juli 2005 aufgeführten Akten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Es wird deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und Bezug auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nur ergänzend und zur Verdeutlichung weist der Senat auf folgendes hin: Die dem Kläger angebotene Bildungsmaßnahme war ihm unzweifelhaft zumutbar. Zwar hatte er 1991 erfolgreich ein Studium als Volkswirt abgeschlossen, doch ist es ihm seither nicht gelungen, in diesem Beruf Fuß zu fassen. Dies dürfte insbesondere daran liegen, dass er über keinerlei berufspraktische Erfahrungen verfügt. In dem von ihm angeführten Profiling für Akademiker werden seine Chancen dementsprechend – auch wenn er dies nicht wahrhaben will – in der Gesamteinschätzung als ungünstig bewertet. Schon deshalb kann eine Maßnahme, welche – wie ´Integra` - ein viermonatiges Praktikum in einem externen Wirtschaftsbetrieb beinhaltet, nur als notwendig und zumutbar bewertet werden.

Dabei kann es dahinstehen, ob der Kläger zur ´Zielgruppe` dieser Maßnahme gehörte. Sollte er dies deswegen in Zweifel ziehen, weil er nach eigener Einschätzung lediglich über unzureichende kaufmännische Fähigkeiten verfügt, ist ihm zum einen entgegenzuhalten, dass er bereits von August 1995 bis August 1996 an einer Maßnahme ´Kaufmännische Qualifizierung für Akademiker/innen` teilgenommen hatte, welche u.a. die Vermittlung kaufmännischen Grundwissens beinhaltete. Zum anderen hat er zu berücksichtigen, dass er gerade mit dieser Zielgruppe auf dem Arbeitsmarkt konkurriert und allein ein fachliches Aufschließen zu dieser Gruppe es überhaupt rechtfertigen kann, ihn auch nur auf Sachbearbeiterebene für vermittelbar zu halten; eine Einstellung als Volkswirt liegt angesichts des lange zurückliegenden Studiums und der fehlenden Berufspraxis fern seiner Möglichkeiten. Wenn sich wider Erwarten herausgestellt hätte, dass die Maßnahme für den Kläger doch nicht geeignet gewesen wäre, hätte sie problemlos abgebrochen werden können.

Die Ausführungen des Klägers zur fehlenden Rechtsfolgenbelehrung liegen neben der Sache. Wer eine Rechtsfolgenbelehrung vereitelt, wie dies der Kläger durch seine unstrittige Weigerung, die eine solche enthaltenden Unterlagen entgegen zu nehmen, getan hat, kann sich später nicht darauf berufen, dass eine derartige Belehrung unterblieben sei. Hierbei handelt es sich um einen Rechtsmissbrauch in Form eines ´venire contra factum proprium`. Wenn der Kläger nunmehr behauptet, die betreffenden Unterlagen hätten keine Rechtsfolgenbelehrung enthalten, so steht dem der Inhalt des in der Verwaltungsakte enthaltenen, für ihn bestimmten Exemplars des Maßnahmeangebots entgegen, das auf der Rückseite eine – rechtlich nicht zu beanstandende – Rechtsfolgenbelehrung beinhaltet.

Auf Vertrauensschutz im Rahmen des § 48 SGB X kann sich der Kläger schon deswegen nicht berufen, weil er hätte wissen können und müssen, dass sein Anspruch infolge der Ablehnung der Maßnahme zum Ruhen gekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Um eine zumindest grobfahrlässige Unkenntnis handelt es sich auch dann, wenn die Kenntnisnahme einer Rechtsfolgenbelehrung vereitelt wird. Außerdem waren dem Kläger auf Grund früherer Bildungsmaßnahmen die Folgen einer ungerechtfertigten Ablehnung geläufig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Dem Kläger waren zudem Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen, da er den Rechtsstreit fortgeführt hat, obwohl ihm vom Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Der Kläger hat die Darlegungen des Vorsitzenden zur Rechtslage verstanden. Er hat zwar in der mündlichen Verhandlung indirekt eingeräumt, seinerzeit einen Fehler gemacht zu haben, war jedoch nicht bereit, die hieraus folgenden Konsequenzen zu tragen. Sein Verhalten im Termin fügt sich nahtlos an sein eigensinniges Benehmen bei der Beklagten an, die Annahme des Maßnahmeangebots von einer vorherigen ´Berufsberatung` durch die Beklagte abhängig zu machen. Als verursachte Kosten war ein Betrag von 500 Euro anzusetzen. Dieser Betrag liegt noch unter dem, der unter Berücksichtigung der allgemeinen Gerichtshaltungskosten und einer mit 100 Euro anzusetzenden Richterarbeitsstunde für die Abfassung des Urteils als Kosten des Gerichts angefallen ist.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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