L 4 SO 17/08

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 SO 40/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 17/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. April 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte zugunsten der Klägerin Heimkosten aus Sozialhilfemitteln (Hilfe zur Pflege) zu übernehmen hat.

Die Klägerin ist im November 1911 in D. geboren. Ihre Mutter war Jüdin. Die Klägerin hat den Beruf einer Bühnenbildnerin erlernt, durfte diesen Beruf nach Abschluss ihrer Ausbildung jedoch nicht ausüben. Sie erhielt deswegen mit Bescheid des Bayerischen Landesentschädigungsamtes München vom 30. April 1960 eine Kapitalentschädigung für Schaden im beruflichen Fortkommen in Höhe von 40.000 DM (Höchstbetrag) wegen Verhinderung der Aufnahme eines der Ausbildung entsprechenden privaten Dienstverhältnisses. Dem lag zugrunde, dass die Klägerin nach Abschluss ihres Studiums im Oktober 1935 im Gegensatz zu ihren Mitschülern wegen "halbarischer" Abstammung eine ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit nicht aufnehmen konnte. Der Entschädigungszeitraum für die Kapitalentschädigung begann mit Beendigung der beruflichen Ausbildung und der verfolgungsbedingten Nichtaufnahme einer entsprechenden Erwerbstätigkeit im Oktober 1935.

Mit Bescheid des Landkreises Celle (Ausgleichsamt) vom 22. Mai 1964 erhielt die Klägerin eine Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz in Höhe von - aufgerundet - 14.580 DM zugesprochen, die sich aus einem Vertreibungsschaden an Grundvermögen in B. ergab (13.250 DM) sowie einem 10 %igen Zuschlag zum Grundbetrag nach § 248 Lastenausgleichsgesetz (sogenannter Entwurzelungszuschlag für am 1. April 1952 antragsberechtigte Heimatvertriebene).

Die Klägerin, zunächst eingestuft in die Pflegestufe I, lebt seit Januar 2006 in einer Seniorenresidenz. Im Mai 2006 beantragte sie bei der Beklagten Leistungen zur Pflege aus So¬zial¬hilfemitteln. Dabei gab sie an, dass sie über Bankguthaben und Wertpapiere im Wert von ungefähr 37.000 EUR verfüge.

Mit Bescheid vom 28. August 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme ungedeckter Heimkosten ab, da die Klägerin noch über Vermögen verfüge, welches sie nach den Bestimmungen des § 90 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) zunächst vorrangig zur Deckung der anfallenden Kosten einzusetzen habe. Erst wenn dieses Vermögen auf den maßgeblichen Betrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 12 Hamburgisches Landespflegegesetz in Höhe von 7.800 EUR abgeschmolzen sei, könne mit Leistungen eingetreten werden. Das vorhandene Vermögen der Klägerin sei ansonsten nicht nach § 90 SGB XII zu schonen. Ihr seien in den 60er Jahren Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz und dem Lastenausgleichsgesetz bewilligt und in Form von Kapitalabfindungen ausgezahlt worden. Die Frage, ob es sich bei den jetzt vorhandenen Vermögen noch um diese Gelder handele, sei nachrangig. Zunächst sei festzuhalten, dass die Leistungen zum Ausgleich materieller (monetärer) Nachteile gedient hätten, als Entschädigung für Schaden im beruflichen Fortkommen und für verlorenen Grundbesitz. Sinn und Zweck dieser Zahlungen sei es gewesen, die Klägerin so zu stellen, als hätte sie diese Nachteile nicht hinnehmen müssen. Insofern sei sie anderen Vermögenden gleichgestellt, die das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen hätten. Ausnahmetatbestände nach § 90 Abs. 2 und Abs. 3 SGB XII seien nicht erkennbar. Um Einkommen, das für Schaden an Leben oder an Körper und Gesundheit gezahlt worden sei (vgl. § 82 Abs. 1 SGB XII) handele es sich nicht.

Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, ihr Vermögen sei nach § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII zu schonen, da es aus öffentlichen Mitteln stamme, die zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht worden seien. Zu diesen Zuwendungen zählten beispielsweise Aufbaudarlehen oder Darlehen und Beihilfen für Vertriebene und ehemalige Häftlinge.

Mit Bescheid vom 3. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück: Sie habe ihr Vermögen für den Bedarf der Heimkosten einzusetzen. Nach § 90 Abs. 1 SGB XII sei prinzipiell das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Ein Ausnahmefall des § 90 Abs. 2 SGB XII liege nicht vor. Die Klägerin habe die ihr zugeflossenen Entschädigungen auf der Basis des Lastenausgleichsgesetzes und des Bundesentschädigungsgesetzes erhalten. Sie habe bisher lediglich behauptet, nicht aber nachgewiesen, dass es sich bei ihrem Wertpapierdepot tatsächlich um diese damals bewilligten öffentlichen Gelder handele. Jedenfalls erfülle das Vermögen die Kriterien eines Schonvermögens nach § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII nicht. Die Kapitalentschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz habe Schaden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen ausgleichen sollen. Es sei somit eine nicht zweckgebundene Entschädigung für nicht realisierbares Einkommen gewesen, deren Verwendung der Klägerin freigestanden habe. Schon deswegen sei das Geld nicht nach § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII geschützt. Soweit die Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz betroffen sei, sei diese zwar für die Gründung eines Hausstands gedacht gewesen, weshalb sie unter das Schonvermögen des § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII fallen könne. Indes habe die Klägerin nicht belegt, dass es sich bei dem Depotvermögen um die unveränderte Hauptentschädigung handele.

Der Widerspruchsbescheid ist der Klägerin am 4. Januar 2007 zugestellt worden. Am 1. Februar 2007 hat sie vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ausgeführt, bei dem Wertpapierdepot handele es sich tatsächlich um die früher geleisteten Entschädigungszahlungen. Nach Ablauf von über 40 Jahren könne von ihr kein besonderer Nachweis verlangt werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten falle auch die Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz in Höhe von 40.000 DM unter das Schonvermögen des § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII. Dem Aufbau und der Sicherung der Lebensgrundlage im Sinne dieser Vorschrift dienten alle Zuwendungen, die ausdrücklich dazu bestimmt seien, dem Empfänger eine eigene Tätigkeit zu ermöglichen, aus der später der Lebensunterhalt aufgebracht werden könne. Es reiche aus, dass die Zuwendungen konkludent dafür bestimmt seien. So aber liege es hier.

Mit Urteil vom 17. April 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Ihm stehe einzusetzendes Vermögen nach § 19 Abs. 1 i.V.m. § 27 ff., § 90 SGB XII entgegen. Grundsätzlich sei das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Das Vermögen der Klägerin sei, sehe man von den Schonbeträgen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII ab, nicht privilegiert. Dass das Vermögen ehemals aus öffentlichen Mitteln aufgebaut worden sei, löse nach Abschluss dieser Förderung keinen Schutz aus, weil sich der Schutzzweck des hier allein in Betracht kommenden § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII nur auf solche Geldmittel erstrecke, deren Verwendung zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes noch anstehe, nicht jedoch auf die daraus erwachsenden Vermögenssurrogate. Da die Klägerin die ihr zugeflossenen Abfindungen lediglich angespart habe, entfalle der Schutzzweck. Das Vermögen werde für den Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes derzeit nicht benötigt. Die Klägerin lebe in einem Altersheim; dort sei ihre Lebensgrundlage gesichert, und hierfür solle sie die Vermögenswerte auch einsetzen. Der Schutz des Vermögens vor Verwertung würde allein den Erben zugute kommen, die jedoch nicht schützenswert seien. Die Verwertung ihres Wertpapierdepots stelle für die Klägerin auch keine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII dar. In diesem Zusammenhang spiele die Herkunft des Vermögens keine Rolle; grundsätzlich gelte, dass sich eine Härte aus der Schutzbedürftigkeit einer zukünftigen Vermögensverwendung ergeben müsse. Eine Ausnahme könne dann vorliegen, wenn es sich um die Nachzahlung von Beträgen handele, die als Einkommen anrechnungsfrei wären, oder wenn die Befriedigung des schädigungsbedingten Nachholbedarfs anderenfalls wesentlich erschwert würde. Da hier aber der Ausgleich für den Schaden an beruflichem und wirtschaftlichem Fortkommen nach § 82 Abs. 1 SGB XII im Gegensatz zum Ausgleich für Schaden an Leben, Körper und Gesundheit ausdrücklich nicht von der Einkommens¬anrechnung ausgenommen sei, gelte im Umkehrschluss, dass die Verwendung daraus angesparten Vermögens nicht als Härtefall nach § 90 Abs. 3 SGB XII anzusehen sei. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei Vermögen aus Berufsschadensausgleich in diesem Zusammenhang nicht geschützt.

Das Urteil ist der Klägerin am 3. Juni 2008 zugestellt worden. Am 2. Juli 2008 hat sie Berufung eingelegt.

Die Klägerin tritt der Auffassung des Sozialgerichts entgegen, § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII greife nicht zu ihren Gunsten ein. Es sei in ihrem Falle nicht nur um den Ausgleich für Schäden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen und um Entschädigungen für Vertreibungsschäden durch den Verlust von Grundvermögen und Spareinlagen gegangen, sondern auch um den Ausgleich für Schäden an Leben, Körper und Gesundheit, also um immaterielle Schäden. Schließlich habe sie beim Innenminister des Landes Schleswig-Holstein in den 50er Jahren Haftentschädigung beantragt, weil sie von der Gestapo im November 1944 verhaftet worden sei und sich 8 Wochen in Haft befunden habe. Auch weise die Entschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz darauf hin, dass ihr für immateriellen Schaden Entschädigung gezahlt worden sei. Ausdrücklich habe sie nämlich Entschädigung für Entwurzelung gemäß § 248 Lastenausgleichsgesetz erhalten. Der Entwurzelungsprozess führe zu Schäden an Leben, Körper, Gesundheit und Seele, wofür der Ausgleich gemäß § 248 Lastenausgleichsgesetz eingerichtet worden sei. Auch die Ansicht des Sozialgerichts, dass es auf die Herkunft des Vermögens nicht ankomme, sei nicht begründet. Es gebe nämlich Situationen, wo die Herkunft des Vermögens dieses so präge, dass seine Verwertung eine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII darstelle. Sie habe als Jüdin im Rahmen der allgemeinen Kriegsfolgengesetze Entschädigungsleistungen erhalten, die auf Sozialhilfeleistungen nicht anzurechnen seien. Härteleistungen seien weder als Einkommen noch als Vermögen zu berücksichtigen. Schließlich habe das So¬zialgericht nicht berücksichtigt, dass Ersparnisse älterer Menschen für eine würdige, den persönlichen Vorstellungen entsprechende Bestattung die Alterssicherung beträfen und daher in angemessenem Umfang ebenfalls Schonvermögen darstellten. Als Jüdin wünsche sie sich eine religiös bedingte besondere Art der Bestattung; die hierfür langfristig getroffene Vorsorge stelle eine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII dar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. April 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Heimkosten ohne Vermögensanrechung aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.

Die Beteiligten haben sich jeweils mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter als Einzelrichter im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten nach § 155 Abs. 4, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung.

Die nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die Beklagte die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen (Hilfe zur Pflege) für die Klägerin bis zur Grenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII vom Einsatz und der Verwertung ihres Geld- und Depotvermögens abhängig machen darf.

Nach § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Um solch verwertbares Vermögen handelt es sich hier. Allerdings darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens, das aus öffentliche Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird (§ 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII). Diese Vorschrift greift indes nicht zugunsten der Klägerin ein. Dabei soll zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass das tatsächlich vorhandene Vermögen identisch ist mit den ihr seinerzeit geleisteten Zahlungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz und dem Lastenausgleichsgesetz. Indes handelt es sich hierbei nicht (mehr) um öffentliche Mittel zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes. Soweit die Entschädigung für Schaden im beruflichen Fortkommen nach dem Bundesentschädigungsgesetz betroffen ist, ist schon zweifelhaft, ob dieses der Klägerin zur freien Verwendung überlassene Geld mit einer Zweckbestimmung i.S.d. § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII ausgestattet war. Für die Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz mag dies der Fall gewesen sein, weil sie dem Ausgleich für den Verlust von insbesondere Grundvermögen dienten. Gleichwohl fallen sie heute jedenfalls nicht mehr unter den Schutz des § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII. Die Vorschrift stellt nämlich nicht darauf ab, ob die fraglichen öffentlichen Mittel jemals dem im Gesetz genannten Zweck gedient haben, sondern, wie die Verwendung des Präsens im Gesetzestext zeigt, ob ein solcher Zweck noch erreicht werden kann bzw. soll. Daran aber fehlt es im Falle der Klägerin. Dem Aufbau oder der Sicherung der Lebensgrundlage dienen alle Zuwendungen, die ausdrücklich oder konkludent dazu bestimmt sind, dem Empfänger eine eigene Tätigkeit zu ermöglichen, aus der später sein Lebensunterhalt aufgebracht werden kann. Die Gründung eines Hausstandes bezieht sich auf die Erstbeschaffung einer Wohnung und Erstausstattung mit Möbeln. Die auch im Jahre 2006 bereits hochbetagte Klägerin will freilich mit ihrem Vermögen keine Lebensgrundlage im Sinne des Aufbaus einer eigenen Tätigkeit mehr schaffen und ebenso wenig einen Hausstand gründen. Damit aber kommt ein Ausschluss der Verwertung ihres Vermögens nach § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII nicht mehr in Betracht.

Die beantragte Sozialhilfe durfte auch nicht deswegen nicht vom Einsatz oder von der Verwertung des Vermögens abhängig gemacht werden, weil dies für die Klägerin eine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII bedeuten würde. Der Begriff der Härte ist im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Schonvermögen zu sehen, nämlich dem Sozialhilfeempfänger einen gewissen Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erhalten. Während die Vorschriften über das Schonvermögen typische Lebenssachverhalte regeln, bei denen es unbillig erscheint, die Sozialhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, regelt § 90 Abs. 3 SGB XII atypische Fallgestaltungen. Eine Härte liegt danach vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls, wie z. B. die Art, Schwere und Dauer der Hilfe, das Alter, der Familienstand oder die sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen einer Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist. Dabei spielt die Herkunft des Vermögens regelmäßig keine entscheidende Rolle (Bundessozialgericht, Urteil vom 11.12.2007, FEVS Band 59 S. 441).

Allerdings kann in Einzelfällen die Herkunft des Vermögens dieses so prägen, dass die Verwertung eine Härte darstellen würde. Dies hat die Rechtsprechung insbesondere in Fällen angenommen, in denen anrechnungsfreies Einkommen angespart wurde oder aus entsprechenden Nachzahlungen resultierte (BSG, a.a.O.). In diesem Zusammenhang ist insbesondere an eine Rente oder Beihilfe nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit zu denken (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Um solche Leistungen handelt es sich bei den hier in Rede stehenden Zuwendungen jedoch gerade nicht. Die Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz diente dem Ausgleich materieller Nachteile, die durch die Behinderung der Klägerin im beruflichen Fortkommen begründet worden sind (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.6.1984, 5 C 8/81), und zwar ab dem Jahr 1935. Sie hat nichts zu tun mit dem von der Klägerin erwähnten Haftentschädigungsantrag für die im Jahre 1944 erlittene Haft, welche Entschädigung wohl tatsächlich unter § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu fassen gewesen wäre. Die Klägerin hat indes nicht vorgetragen, dass ihr Vermögen aus einer solchen früheren Haftentschädigungszahlung stamme, und auch sonst ist nichts dafür ersichtlich. Nichts anderes gilt für die Entschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz, die ebenfalls als Ausgleich für materiell erlittenen Schaden (Verlust von Grundvermögen) zu sehen ist, auch wenn darin ein sogenannter Entwurzelungszuschlag enthalten war. Hierzu bestimmt § 248 Lastenausgleichsgesetz lediglich, dass der für den Geschädigten nach § 246 Lastenausgleichsgesetz sich ergebene Grundbetrag sich für Heimatvertriebene i.S.d. § 2 Bundesvertriebenengesetz um 10 vom Hundert erhöht. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass diese geringfügige Erhöhung des Grundbetrages, die sich ohnehin auf den hier maßgeblichen Vermögensstand der Klägerin kaum auswirken konnte, dem Ausgleich immaterieller Schäden, ähnlich den Fällen des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, habe dienen sollen.

Schließlich stellt die Verwertung des fraglichen Vermögens nicht deswegen eine Härte dar, weil es zumindest teilweise der Sicherung einer angemessen Bestattung diente. Allerdings kann die Verwertung des Vermögens aus einem angemessenen Bestattungsvorsorgevertrag im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfe eine Härte darstellen. Grundsätzlich ist dem Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung zu tragen (Bundessozialgericht, Urteil vom 18.3.2008, B 8/9 b SO 9/06 R). Um solches Vermögen handelt es sich hier jedoch nicht, denn die Klägerin hat es nicht in Höhe zu erwartender Bestattungskosten ausgesondert und speziell diesem Zweck zugeschrieben, wie es etwa in einem Bestattungsvorsorgevertrag möglich gewesen wäre. Solches aber wäre nach Auffassung des Senats zu verlangen, um die Verwertung als Härte i.S.d. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ansehen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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