Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 51 R 1995/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 1/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Die am xxxxx 1956 geborene Klägerin absolvierte von 1975 bis 1978 eine Lehre als Fotografin und war im Anschluss daran bis zur Geburt ihres Kindes 1982 im erlernten Beruf tätig. Seit dem 1. Januar 1993 war die Klägerin als Bürofachkraft für Werbung beschäftigt. Seit Juli 2001 war sie dauerhaft arbeitsunfähig wegen Schmerzen am ganzen Körper. Vom 12. Juni 2001 bis zum 5. Juli 2001 befand sich die Klägerin in medizinischer Rehabilitation in der Rheumaklinik B ... Im Entlassungsbericht vom 24. Juli 2001 heißt es, die Klägerin leide unter dem Vollbild eines Fibromyalgiesyndroms. Dieses gehe einher mit einer ubiquitären Schmerzsymptomatik, psychischen Auffälligkeiten sowie multiplen vegetativen und funktionellen Störungen. Wegweisende Laborbefunde und röntgenologische Veränderungen fehlten bei diesem Erkrankungsbild. Trotz intensiver therapeutischer Bemühungen habe keine Besserung der angegebenen Beschwerden erreicht werden können. Leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Überkopfarbeiten, ohne anhaltendes Gehen oder Stehen, ohne Arbeiten unter hohem Zeitdruck, ohne Arbeiten, die eine andauernde Konzentration erforderten, ohne Arbeiten, die eine gute Greif- und Ausdauerkraft beider Hände benötigten, ohne Arbeiten mit häufigem Klettern oder Steigen, ohne Arbeiten auf Gerüsten oder auf unebenem Untergrund, ohne Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Nässe oder Zugluft, könne die Klägerin sechs Stunden täglich und mehr verrichten.
Am 25. Juli 2001 stellte die Klägerin erstmals einen Antrag auf Versichertenrente. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine internistische Begutachtung durch Dr. M., der in seinem Gutachten vom 8. Oktober 2001 ausführte, die Klägerin habe angegeben, seit zwei Jahren unter Schmerzen am ganzen Körper zu leiden. Betroffen seien insbesondere Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule sowie beide Schultern, jedoch auch Arme, Beine und Kiefergelenke. Sie könne sich nicht allein die Haare waschen. Schmerzbedingt leide sie auch unter enormen Konzentrationsstörungen. Sie leide auch häufig unter Migränekopfschmerzen. Die Klägerin habe bedrückt gewirkt, mit spürbarem Leidensdruck, die Beschwerdeschilderung sei unter Tränen erfolgt. Denkstörungen und Anzeichen einer vitalen Depressivität hätten sich jedoch nicht gezeigt. Auf internistischem Gebiet bestehe eine diätetisch unzureichend behandelte Zuckerkrankheit, die noch nicht zu sozialmedizinisch relevanten Folgeschäden geführt habe. Im Vordergrund stünden unklare Muskelschmerzen mit dem subjektiven Gefühl der Muskelschwäche. Das U.-Krankenhaus berichte von einer metabolischen Myopathie. Die Würdigung müsse einem nervenärztlichen Gutachten vorbehalten bleiben. Internistisch könne die Klägerin leichte Arbeiten vollschichtig verrichten.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung, die durch den Neurologen und Psychiater Dr. von M1 am 28. November 2001 erfolgte. Auch dort schilderte die Klägerin Schmerzen am ganzen Körper, inklusive der Kaumuskulatur, an Händen und Füßen. Außerdem leide sie an Schlafstörungen wegen der Schmerzen und an Migräneattacken bis zu viermal im Monat. Darüber hinaus wurden Depressionen beklagt, die sich in ständiger Traurigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Antriebsminderung äußerten. Von ca. 1995 bis Mitte 1998 habe sie sich in Psychotherapie befunden. Zum Tagesablauf befragt, gab die Klägerin an, um 7:30 Uhr aufzustehen und zu frühstücken, dann mache sie den Haushalt selbst, mit vielen Pausen. Schwerere Tätigkeiten übernähmen Mann und Sohn, schon Kartoffelschälen und Gemüseputzen falle ihr schwer. Sie liege viel auf dem Sofa. Wenn am Abend der Mann nach Hause komme, erzählten sie sich, es werde warm gegessen, bevor man gegen 22:00 Uhr zu Bett gehe. Die Klägerin habe sich in der Untersuchung bewusstseinsklar und allseits orientierungsfähig gezeigt, im Kontakt freundlich zugewandt, differenziert und intelligent. Die Stimmung sei nicht vital depressiv herabgestimmt, leicht subdepressiv, der Antrieb weder gemindert noch gesteigert gewesen. Gute affektive Schwingungsfähigkeit sei vorhanden gewesen. Ein Anhalt für hirnorganischen Abbau im Sinne von Konzentrations-, Merkfähigkeits- oder Gedächtnisstörungen habe sich nicht ergeben, ebenso wenig ein Anhalt für eine erschwerte Ein- und Umstellungsfähigkeit. Die erhobenen Befunde schränkten aus nervenärztlicher Sicht bei Fehlen einer schweren Depression, eines hirnorganischen Abbaus oder eines psychotischen Geschehens die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht so entscheidend ein, dass die bisherige Tätigkeit nicht vollschichtig weiter ausgeübt werden könnte. Die einer Arbeitswiederaufnahme entgegenstehenden Hemmungen müsste die Klägerin aus eigener Kraft oder Willensanstrengung überwinden können. Sie sei damit vollschichtig leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2002 lehnte die Beklagte daraufhin zunächst die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Auf den Widerspruch der Klägerin beauftragte die Beklagte den Internisten Dr. B1 mit einer weiteren Begutachtung. Dieser gelangte am 21. Juni 2002 zu der Einschätzung, trotz zahlreicher, sehr eingehender und spezieller Untersuchungen in der inneren und der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums E. habe die Diagnose der Schmerzerkrankung der Klägerin (Myopathie unklarer Genese, idiopathische Ödeme) bisher nicht geklärt werden können. Die mehrfach geänderte symptomatisch-analgetische Behandlung, die ohne Morphine nicht mehr auskomme, bringe nur eine geringe Schmerzerleichterung, welche für eine dauernde Arbeitsfähigkeit nicht ausreiche. Die Konzentrationsfähigkeit sei durch die Medikation und das Schlafdefizit glaubhaft deutlich gestört. Arbeitsfähigkeit bestehe lediglich für deutlich unter drei Stunden täglich. Eine Nachbeurteilung sei in etwa drei Jahren angezeigt.
Die Beklagte gewährte daraufhin der Klägerin mit Bescheid vom 23. Juli 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet bis 30. April 2004. Auf den Weiterzahlungsantrag der Klägerin vom 16. Dezember 2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 30. April 2007 (Bescheid vom 9. März 2004).
Am 9. November 2006 stellte die Klägerin erneut einen Weiterbewilligungsantrag. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung, welche durch Dr. B2 erfolgte. Dieser legte in seinem Gutachten vom 17. Januar 2007 dar, die Klägerin habe angegeben, seit vielen Jahren unter einem Ganzkörper-Schmerzsyndrom zu leiden, welches sich trotz intensiver Therapiebemühungen nicht wirklich gebessert habe. Zeitweilig sei sie zur Schmerzlinderung hochdosiert mit Morphinpflaster behandelt worden, habe aber wegen der Nebenwirkungen auf die Behandlung verzichtet. Gegenwärtig nehme sie nur Polamidontropfen zur Verbesserung des Schlafes. Kopfschmerzen, welche ein- bis zweimal wöchentlich aufträten, bewältige sie mittels Triptan-Präparaten. Sie fühle sich ständig erschöpft, sei in ihrer psychophysischen Leistungsfähigkeit hochgradig beeinträchtigt. Sie könne nicht lange sitzen. Jede körperliche Belastung stelle sie vor eine kaum zu bewältigende schmerzhafte Herausforderung. In der Tagesgestaltung müsse sie sich die Hausarbeit sehr einteilen. Sie können nicht lange laufen, daher unternehme sie nur zweimal am Tag einen einstündigen langsamen Spaziergang mit dem Hund. Sie zerstreue sich mit Fotografieren und Malen. Es existiere ein verlässlicher Freundes- und Bekanntenkreis, vereinsamt fühle sie sich nicht. Veranstaltungen besuche sie je nach Interesse (Theaterabonnement, Kino-Besuche), Urlaubsreisen würden einmal jährlich durchgeführt. Im psychischen Befund sei die Klägerin bewusstseinsklar und voll orientiert, ohne Übertreibungsverhalten, ohne Verschleierungsbemühen, die Stimmung sei ausgeglichen, die affektive Schwingungsfähigkeit nicht krankhaft gestört. Es zeigten sich in der Exploration keine Ermüdungserscheinungen, keine Konzentrationsstörungen, keine Störung der Auffassungsgabe, der Merkfähigkeit, der Gedächtnisleistung und der intellektuellen Wendigkeit. Die Extremitäten seien in allen Gelenken aktiv und passiv frei beweglich bei morphologisch unauffälligem Befund. Die grobe Kraft sei nicht gemindert, es gebe keine Lähmungshinweise, keine umschriebenen oder generalisierten Muskelsubstanzminderungen, keine Sensibilitätsstörungen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht gebe es danach keine fassbaren Erkenntnisse, aus denen sich ein aufgehobenes oder nur auch nur zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt ableiten ließe. Neurologisch-psychiatrisch bestehe Leistungsfähigkeit für sechs Stunden täglich und mehr. Gegebenenfalls sei eine ergänzende internistische Untersuchung unter Einbeziehung sämtlicher medizinischer Unterlagen erforderlich.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2007 lehnte die Beklagte die Bewilligung der beantragten Rente ab und beauftragte auf den Widerspruch der Klägerin vom 13. Februar 2007 den Internisten und Rheumatologen Dr. L. mit einer weiteren Begutachtung der Klägerin. Dort klagte die Klägerin bei der Begutachtung am 5. Juli 2007 erneut über Schmerzen im gesamten Bewegungsapparat, im Sinne von gelenksbezogenen Schmerzen an Händen, Hüften, Knien, Füßen und Kiefergelenken. Sie gab ein allgemeines Muskelkatergefühl an den Muskeln und oberen und unteren Extremitäten, Schwellzustände in den Händen durch Wassereinlagerungen und Kopfschmerzen seit September letzten Jahres in Verbindung mit Gleichgewichtsstörungen, sowie anhaltende Morgensteifigkeit und Anlaufschmerz an. Die Nachtruhe sei gestört. Der Tagesablauf beginne mit Aufstehen gegen 6:30 Uhr. Das Frühstück mache sie selbstständig, wobei das Schneiden von Lebensmitteln – ebenso wie beim Kochen - nicht möglich sei. Nach dem Frühstück folge ein Spaziergang mit dem Hund, zeitweise könne sie 1,5 km gehen, zeitweise nur 10 Minuten. Im Haushalt könne sie die Küche reinigen, Betten machen, Staub zwischen, sowie die Waschmaschine befüllen. Wäsche aufhängen sei nicht möglich. Fremde Hilfe habe sie beim Staub saugen und beim Bügeln, beim Wischen und beim Fensterputzen. Mittags ruhe sie ca. eine Stunde. Den Garten bewirtschafte der Ehemann, der auch größere Einkäufe erledige. An guten Tagen fahre sie Fahrrad. Hobbytätigkeiten wie Goldschmiedearbeiten, Patchwork, Step Aerobic habe sie aufgegeben, diese seien nicht mehr möglich. Möglich sei noch das Lesen und Fotografieren. Längere Autofahrten traue sie sich wegen der Konzentrationsstörungen durch die Medikamente nicht mehr zu. Auch Theater- und Kinobesuche seien nur noch unter Einnahme starker Schmerzmittel möglich. Dr. L. vertrat die Auffassung, im Vordergrund stehe eine generalisierte Enthesiopathie im Sinne eines Fibromyalgie-Syndroms. Ob dies als eigenständige Krankheitsentität oder im Rahmen der Myopathie oder der Depressionen zu sehen sei, werde nicht ganz klar. Auch die Ödemneigung der Klägerin könne zu weiteren Schmerzen führen. Verrichtet werden könnten leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, zeitweise im Gehen und Stehen und überwiegend im Sitzen. Zu meiden seien Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten sowie Zwangshaltungen. Rehabilitative Maßnahmen seien angezeigt. Eine leidensgerechte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sechs Stunden oder mehr ausgeübt werden. Die Tätigkeit einer Angestellten in einer Großhandelsfirma könne nur drei bis unter sechs Stunden ausgeübt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2007 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück. Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 24. Dezember 2007 erhobenen Klage gewendet.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt und Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens. In ihrem Gutachten vom 3. Dezember 2008 hat die medizinische Sachverständige Dr. L1 ausgeführt, in der klinisch neurologischen Untersuchung hätten sich in Übereinstimmung mit allen Voruntersuchungen Paresen oder Muskelabmagerungen als Ausdruck der anzunehmenden myopathischen Erkrankung nicht gefunden. Die laborserologische Untersuchung habe eine zur Diagnose der Myopathie passende CK-Erhöhung (Creatinkinase) ergeben, der Serumkaliumwert sei unter Substitution normal. Ein Schmerzmittel-Serumspiegel habe sich nicht nachweisen lassen, was bedeute, dass die Betroffene die angegebenen Mittel jedenfalls in den letzten Tagen vor Untersuchung nicht in der berichteten Weise eingenommen habe. In der klinisch-psychiatrischen Untersuchung habe sich eine depressive Herabgestimmtheit gefunden, welche erst auf Nachfrage berichtet worden, dabei aber über weite Strecken der Exploration untergründig einfühlbar gewesen sei und im Wesentlichen durch die körperliche Beschwerdesymptomatik im Sinne einer Somatisierung ausgedrückt werde. Störungen der Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsfähigkeit sowie des Gedächtnisses hätten nicht vorgelegen, ebenso wenig habe sich eine vermehrte Müdigkeit oder eine vorschnelle Ermüdbarkeit feststellen lassen. Das Vorliegen einer Myopathie sei als gesichert anzusehen, wobei die genaue Zuordnung unsicher erscheine, da die bislang festgestellten CK-Erhöhungen gering seien und in allen neurologischen Untersuchungen passend hierzu myopathiebedingte muskuläre Schwächen nicht hätten festgestellt werden können. Weder die anhaltenden starken Muskelschmerzen, noch die berichteten attackenartigen kurzfristigen Muskelausfälle gehörten jedoch zum typischen klinischen Bild einer Myopathie. Die Annahme einer verminderten Dauerbelastbarkeit sei aufgrund einer veränderten Wadenmuskulatur plausibel, so dass Tätigkeiten überwiegend im Gehen und Stehen und mit Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten nicht abzufordern seien. Hinweise auf muskuläre Funktionseinschränkungen im Bereich der Arme und Hände hätten sich in der Untersuchung dagegen nicht gefunden. Die bei der Klägerin vorliegende Myopathie werde überlagert von einer somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Entwicklung. Bei dem Krankheitsbild einer somatoformen Schmerzstörung bleibe die vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten in der Regel erhalten. Die Feststellung einer quantitativen Leistungsminderung könne sich in besonders schweren Verläufen der somatoformen Schmerzstörung daraus ergeben, dass eine verminderte kognitive Leistungsfähigkeit, etwa im Sinne einer reduzierten konzentrativen Belastbarkeit bestehe, z.B. durch ein anhaltendes schweres Schmerzerleben oder im Zusammenwirken mit weiteren Krankheitsbildern bzw. einer nebenwirkungsreichen medikamentösen Behandlung. Dies habe im Falle der Klägerin nicht festgestellt werden können, wirksame Serumspiegel von Schmerzmitteln/Antidepressiva seien nicht gemessen worden. Auch ein schwer gestörter psychischer Befund habe sich in der Untersuchung weder in der aktuellen noch in vorangegangenen nervenärztlichen Untersuchungen feststellen lassen. Die berichtete Lebensgestaltung lasse auf eine gewisse Schon- bzw. Vermeidungshaltung schließen, eine vollständige Übernahme der Lebensgestaltung durch die Schmerzkrankheit liege indes nicht vor. Die Klägerin sei danach vollschichtig leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausbildungsgemäßer geistiger Art und Verantwortung in wechselnder Körperhaltung, nicht ausschließlich oder überwiegend mit Tragen, Heben und Bücken, nicht unter vermehrtem Zeitdruck oder im Akkord, nicht in Nachtarbeit, der Wechsel von Früh- auf Spätschicht sei möglich, in geschlossenen Räumen, unter Schutz vor Witterung und extremen Temperaturschwankungen, zu ebener Erde, nicht auf Leitern, Gerüsten oder an sonstigen gefährdenden Arbeitsplätzen.
Des Weiteren hat das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Neurologen Dr. R. gehört, der in seinem Gutachten vom 25. Januar 2010 ausgeführt hat, die Klägerin gebe beim Klopfen die gesamte Wirbelsäule als schmerzhaft an. Auch das kräftige Betasten der Rückenmuskulatur rechts und links neben der Wirbelsäule werde in allen Höhen als sehr schmerzhaft angegeben. Dabei seien keine wesentlichen Verspannungen der Muskulatur tastbar. Auch die passive Beugung und Überstreckung der Halswirbelsäule werde als schmerzhaft angegeben, sei aber in vollem Umfang möglich. Die Seitwärtsdrehung des Kopfes und das Vornüberbeugen des Kopfes seien kräftig, ebenso wie das Hochziehen der beiden Schultern. Die Betrachtung der Muskulatur am Rumpf sowie an Armen und Beinen ergebe kein Zeichen einer Verschmächtigung. Bei Prüfung der Muskelkraft einzelner Muskelgruppen falle eine anfänglich noch kräftige Muskelanspannung auch gegen stärkeren Widerstand auf, die dann rasch nachgelassen werde und in eine ruckartige Anspannung übergehe. In den Halteversuchen von Armen und Beinen sei kein Absinken zu erkennen. In der psychischen Untersuchung ergebe sich kein Hinweis auf Störungen des Gedächtnisses, der Konzentration oder der Auffassung. Die Klägerin leide offensichtlich seit Mitte der Neunzigerjahre unter Muskelschmerzen, die sich zu einem belastungsunabhängigen Dauerschmerz aller Körperregionen ausgeweitet hätten. Die Schmerzen bezeichne sie als sehr stark, auf einer Skala zwischen eins und zehn lägen sie immer bei acht bis neun und bei Verschlechterung z.B. infolge von Anstrengung bei zehn. Im deutlichen Kontrast zur Schwere dieser chronischen Dauerschmerzen stünden die weitgehend normalen körperlichen und apparativen Untersuchungsbefunde. Eine Verschmächtigung der Muskulatur oder eine Muskellähmung werde in der Aktenlage nicht beschrieben und sei auch in der Untersuchung nicht nachweisbar. Es spreche einiges dafür, dass bei der Klägerin ein erblich bedingter MAD- (Myoadenylatdesaminase) Mangel vorliege. Der Krankheitswert dieser Störung sei strittig. Es scheine aber doch bei einigen Patienten der MAD-Mangel Ursache für belastungsabhängige Schmerzen zu sein. Allerdings gingen die geklagten Beschwerden in ganz erheblichem Maße über das hinaus, was im Rahmen eines MAD-Mangels zu erwarten sei. Patienten mit MAD-Mangel seien in der Lage, die Verrichtungen des täglichen Lebens und des Erwerbslebens auszuführen, vorausgesetzt, es handele sich nicht um körperlich schwere Arbeiten. Bei der Klägerin sei offensichtlich eine so genannte somatische Schmerzstörung hinzugetreten. Damit ergebe sich aus der somatischen Muskelerkrankung, nämlich dem erblich bedingten MAD-Mangel eine Leistungseinschränkung im Erwerbsleben nur in Bezug auf körperlich schwere Tätigkeiten. In wieweit die erwerbliche Leistungsfähigkeit durch die zusätzlich vorliegende somatoforme Schmerzstörung reduziert sei, sei bereits in den Vorgutachten von Dr. B2 und Dr. L1 diskutiert worden. In der Regel sei davon auszugehen, dass die Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten erhalten bleibe. Eine schwere psychische Störung, die ein aufgehobenes Leistungsvermögen begründen könne, sei zum Untersuchungszeitpunkt nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin sei danach vollschichtig leistungsfähig für leichte körperliche Arbeiten ausbildungsgemäßer geistiger Art und Verantwortung, die nicht in Zwangshaltungen ausgeführt werden und nicht in überwiegendem Maße durch Tragen, Heben oder Bücken geprägt sind, die nicht unter vermehrtem Zeitdruck oder im Akkord auszuüben sind und nicht in Nachtarbeit. Die Arbeiten sollten in geschlossenen Räumen und unter Witterungsschutz sowie Schutz vor extremen Temperaturschwankungen ausgeführt werden, nicht auf Leitern, Gerüsten oder an sonstigen gefährdenden Arbeitsplätzen. Persönliche Hilfen oder technische Arbeitshilfen seien nicht notwendig, ebenso wenig die Gewährung zusätzlicher Pausen.
In der mündlichen Verhandlung hat das Sozialgericht den berufskundigen Sachverständigen Meinhardt gehört, welcher ausgeführt hat, mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei die Klägerin in der Lage, Arbeiten im kaufmännischen Bereich, wie etwa in der Buchhaltung oder der Auftragsunterstützung auszuüben. Besondere Anforderungen an eine gute Greif- und Ausdauerkraft der Hände stellten diese Tätigkeiten nicht. Auch Pack-, Sortier- und Montierarbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin möglich. Für alle genannten Verweisungstätigkeiten bestehe ein offener Arbeitsmarkt.
Durch Urteil vom 21. Oktober 2010, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 8. Dezember 2010, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ist dabei den Gutachten der Dr. L1 und des Dr. R. gefolgt. Durch die von den Gutachtern festgestellten Krankheiten sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwar eingeschränkt, nicht aber aufgehoben. Beide Gutachter seien übereinstimmend zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen gekommen. Damit könne die Klägerin noch die von dem berufskundigen Sachverständigen genannten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe der Klägerin nicht zu, denn sie könne den bisher ausgeübten Beruf als Bürokraft trotz der festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen weiter ausüben.
Zur Begründung ihrer am 7. Januar 2011 eingelegten Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die somatoforme Schmerzstörung bzw. die psychische Erkrankung habe nach mehrjährigem Verlauf, bei festgestellter Chronizität und Multimorbidität trotz adäquater Behandlung und gescheiterten Rehabilitationsversuchen mittlerweile einen Schweregrad erreicht, der eine Wiederherstellung der vollen Erwerbstätigkeit nicht mehr erwarten lasse und die eine Erkrankung darstelle, die zusammen mit den weiteren Erkrankungen geeignet sei, nicht durch eigene Willenskraft überwindbare objektive Hindernisse gegenüber täglich 6-stündiger Arbeit nach den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aufrecht zu erhalten. Eine vertiefende Betrachtung der somatoformen Schmerzstörung der Klägerin und ihrer Auswirkungen sei erforderlich.
Das Berufungsgericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG die Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. P. gehört, welche in ihrem Gutachten vom 15. Juni 2012 ausgeführt hat, die Klägerin beklage Schmerzen praktisch 24 Stunden täglich, sowohl tags als auch nachts. Der Charakter der Schmerzen sei seit Jahren unverändert, der Schmerz habe sich aber immer mehr ausgeweitet. Die langfristig eingenommenen Schmerzmittel dämpften höchstens etwas. Entlastend seien Bewegungen in warmem Wasser und Krankengymnastik. Nachts stehe die Klägerin fünf bis sechs Mal auf und laufe umher, um sich von den Schmerzen zu entlasten. Wegen der körperlichen Beeinträchtigungen erhalte sie seit 2009 Leistungen nach Pflegestufe 1 (Unterstützung bei der Körperpflege und beim Ankleiden), außerdem sei sie mit einem Elektrorollstuhl versorgt, den sie benutze, wenn längere Wege zu bewältigen seien. Zum Tagesablauf befragt; schilderte die Klägerin, sie stehe morgens mit dem Ehemann auf, an fünf Tagen in der Woche komme morgens ein Pflegedienst und helfe bei der Körperpflege. Am Wochenende erledige dies der Ehemann. Sie mache dann morgens einen Spaziergang mit dem Hund, ca. 15 Minuten lang. Meistens müsse sie sich anschließend hinlegen. Auch am Nachmittag benötige sie mehrere Pausen im Liegen. Manchmal erledige sie leichte Hausarbeit (Betten machen, Staub wischen), die übrige Hausarbeit und die Gartenarbeit erledige der Ehemann. Einkäufe erledige sie nicht. Essen koche sie unregelmäßig. Diagnostisch bestehe bezüglich der angegebenen Schmerzen ein signifikanter und glaubhafter Leidensdruck mit ausgeprägter erlebnismäßiger Einengung auf Schmerzen und Defizite. Die Stimmung sei deutlich zum Depressiven hin verschoben, der Antrieb deutlich reduziert. Eine Tendenz zur Verdeutlichung bestehe nicht. Vor dem Hintergrund einer ausgesprochen belastenden Biografie sei die Klägerin bereits vor mindestens 20 Jahren an einer somatoformen Schmerzstörung erkrankt, die ungünstig verlaufen und inzwischen deutlich chronifiziert sei. Während der neurologische Befund weitgehend regelrecht sei, sei die Klägerin psychopathologisch signifikant auffällig mit Hinweis auf eine schwere Störung des Schmerzerlebens mit völliger Einengung auf schwerste Ganzkörperschmerzen bei gleichzeitigem Versuch, sich selbst zu kontrollieren. Daneben bestehe mittlerweile eine ebenfalls chronisch verlaufende Depression, im Zeitpunkt der Untersuchung mittelgradiger Ausprägung, außerdem eine Persönlichkeitsstörung mit depressiv-zwanghaften Anteilen. Eine durchgreifende Besserung seit 2002 sei sicher nicht eingetreten, eher sei es zu einer Zunahme sowohl der Schmerzsymptomatik als auch der Depression gekommen. Leistungsfähigkeit bestehe lediglich unter 3 Stunden täglich. Die Gutachten der Dr. L1 und des Dr. R. berücksichtigten nicht ausreichend die signifikanten biografischen Belastungsfaktoren der Klägerin und die dadurch entstandene Störung der Persönlichkeitsentwicklung. Es liege bei der Klägerin nicht lediglich eine leichtgradige Depression im Sinne einer Dysthymie vor, sondern vielmehr eine mindestens mittelgradige rezidivierende Depression. Die genannten Einschränkungen bestünden seit Antragstellung, zu einer Besserung oder einer richtungweisenden Änderung seit 2002 sei es mit Sicherheit nicht gekommen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2013 die folgenden Anträge gestellt:
1. Den Ehemann der Klägerin zum Tagesablauf der Klägerin in den Jahren seit der Rentengewährung zu hören. 2. Den behandelnden Arzt Herrn Dr. L2 dazu zu hören, wie die Schmerzmittelverordnungen seit dem Rentenantrag erfolgten. 3. Frau Dr. P. im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu den Ergebnissen des Gutachtens, insbesondere die Feststellung einer durchgehenden Erwerbsunfähigkeit von April 2004 bis Juni 2012, anzuhören. 4. Frau Dr. L1 und Herrn Dr. R. im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme zu folgenden Fragen anzuhören: a. Lassen sich aus den signifikanten biografischen Belastungsfaktoren bei der Klägerin im Rahmen einer psychodynamischen Bewertung Rückschlüsse auf die Entwicklung der Schmerzstörung seit der Rentengewährung und die Auswirkung einer Arbeitsaufnahme von sechs Stunden täglich in diesem Zeitraum ziehen? b. Erfolgte die rückblickende Bewertung der Erwerbsminderung der Klägerin durch Frau Dr. P. auf Grundlage nachvollziehbarer wissenschaftlichster Erkenntnisse und entspricht sie den Vorgaben der Gutachtenliteratur? c. Warum stehen der individuelle Verlauf und die Chronifizierung der Schmerzerkrankung bei der Klägerin entgegen der Gutachtenliteratur einer willentlichen Überwindung der seelischen Hemmung nicht entgegen? d. Wie wird die Motivation der Klägerin zur Willensanspannung während der Rentengewährung und nach Wegfall der Rente zur Überwindung der Schmerzen gewertet?
In der Sache beantragt die Klägerin,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Oktober 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. April 2007 hinaus, hilfsweise ab 1. Mai 2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit auch bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt ihre Bescheide und macht sich das angefochtene Urteil zu Eigen. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass bei der Klägerin seit 2002 durchgehend eine somatoforme Schmerzstörung vorliege. Auch könne seit Erstellung des Gutachtens der Frau Dr. P. anerkannt werden, dass (befristet) der Tatbestand einer vollen Erwerbsminderung gegeben sei. Jedoch erfülle die Klägerin auf der Grundlage eines Leistungsfalles zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Auf den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 3. September 2012 übersendeten Versicherungsverlauf wird Bezug genommen.
Bezüglich des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände) sowie auf die den Streitgegenstand betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (2 Bände) Bezug genommen, welche dem Senat vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die die Berichterstatterin mit dem Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats nach § 155 Abs. 3, 4 SGG entscheiden kann, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) nicht zu.
Gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nachdem die Klägerin – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aktenkundig im Dezember 2004 zuletzt entrichtet hat, wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Rente nur erfüllt bei einem Eintritt wenigstens teilweiser Erwerbsminderung spätestens bis Januar 2007.
Ein Tatbestand im Sinne des § 43 Abs. 4 SGB VI, der zu einer Verlängerung des Zeitraums von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung führt, ist nicht gegeben. Seit Dezember 2004 liegen keine Rentenbezugszeiten, Berücksichtigungszeiten, Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeiten nicht unterbrochen ist bzw. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres im Sinne des § 43 Abs. 4 Nr. 1-4 SGB VI bei der Klägerin vor. Bei der Klägerin liegt auch kein Tatbestand vor, durch den die Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (vgl. § 43 Abs. 5 SGB VI i.V.m. § 53 Abs. 1,2 SGB VI). Schließlich sind auch die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt, weil die Zeit ab dem 1. Januar 1984 nicht lückenlos mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist und eine Nachzahlung für die Lücke im Jahr 1992 nicht mehr in Betracht kommt.
Es ist nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts nachgewiesen, dass bei der Klägerin spätestens im Januar 2007 volle bzw. teilweise Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI eingetreten ist. Dem stehen insbesondere die Gutachten des Dr. B2, des Dr. L. und der Dr. L1 entgegen. Diese Gutachter haben die Klägerin in dem entscheidenden Zeitraum zwischen Januar 2007 und Dezember 2008 untersucht und ihr Leistungsvermögen noch im Ergebnis als quantitativ ausreichend für eine Berufstätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich und mehr vorgefunden. Insbesondere haben diese Gutachter bei der Klägerin eine zunächst ausgeglichene Stimmung mit unauffälliger affektiver Schwingungsfähigkeit (so Dr. B2 im Januar 2007), später dann eine über weite Strecken der Exploration untergründig einfühlbare depressive Herabgestimmtheit (so Dr. L1 im Dezember 2008) vorgefunden. Der Tagesablauf war noch weitgehend erhalten, dem Internisten Dr. L. schilderte die Klägerin im Juli 2007 im Wesentlichen einen von Hausarbeiten geprägten Alltag mit leichten bis mittelschweren Haushaltsarbeiten wie dem Putzen der Küche und dem Erledigen der Wäsche. Im psychischen Befund fanden sich weder Anfang 2007 noch Ende 2008 vorzeitige Ermüdungserscheinungen, Konzentrationsstörungen, Störungen der Auffassungsgabe, der Merkfähigkeit der Gedächtnisleistung oder der intellektuellen Wendigkeit. Ein anhaltendes schweres Schmerzerleben, weitere erhebliche Leistungseinschränkungen durch ein Zusammenwirken mit weiteren Krankheitsbildern oder eine nebenwirkungsreiche medikamentöse Behandlung (wie dies offenbar 2002 der Fall war) vermochte keiner der Sachverständigen, die die Klägerin im genannten Zeitraum begutachteten, festzustellen.
Ob dabei, wie Dr. P. befand, die Gutachter die "signifikanten biografischen Belastungsfaktoren und die dadurch entstandene Störung der Persönlichkeitsentwicklung" der Klägerin ausreichend berücksichtigt haben (wofür es keine Anhaltspunkte gibt, nimmt doch die Biografie der Klägerin in den Gutachten des Dr. B2 und der Dr. L1 jeweils mehrere Seiten ein und schließt auch die von Dr. P. benannten biografischen Belastungsfaktoren umfänglich ein), ist für die Frage des Vorliegens von Erwerbsminderung spätestens im Januar 2007 nicht von Relevanz. Rentenrechtlich relevant sind allein die Leistungseinschränkungen, die aus einer Erkrankung resultieren, nicht jedoch die Frage, wie diese zustande kamen oder welche individuellen Umstände ihnen zu Grunde liegen. Dass diese Leistungseinschränkungen zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Frau Dr. P. Mitte 2012 eine Ausprägung erreicht hatten, welche die Leistungseinschränkungen in den Jahren 2007 und 2008 weit überschritt und die Klägerin nur mehr zur Erbringung einer Arbeitsleistung von weniger als drei Stunden täglich befähigte, kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden. Ebenso kann ohne weiteres zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sich ihre somatoforme Schmerzstörung seit 2002 nicht nachhaltig gebessert, sondern sich vielmehr kontinuierlich verschlechtert hat. Dies ist naheliegend, entspricht dem üblichen Krankheitsverlauf derartiger Gesundheitsstörungen und wird auch durch den Verlauf zwischen den Begutachtung des Dr. B2 und der Dr. L1 und später der Frau Dr. P. bestätigt.
Ob eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne einer Besserung seit 2002 stattgefunden hat, ist indes nicht Gegenstand der Prüfung. Bei dem angefochtenen Bescheid handelt es sich nicht um einen solchen nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Vielmehr ist auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin hin in vollem Umfang neu zu prüfen, ob die Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zum Zeitpunkt der beantragten Weiterbewilligung oder zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt hat. Dies ist indes nicht der Fall. Dass spätestens im Januar 2007 die medizinischen Voraussetzungen der teilweisen oder vollständigen Erwerbsminderung vorlagen, ist nicht mit einer alle vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheit, also im Sinne des insoweit erforderlichen Vollbeweises, festzustellen.
Das Berufungsgericht hat sich nicht veranlasst gesehen, den Beweisanträgen, welche der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, nachzukommen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Anträge nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Beschluss v. 7.2.2013 - B 13 R 71/12 B – Juris) noch rechtzeitig sind, oder ob sie zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen nicht bereits zeitnah nach dem Schriftsatz der Beklagten vom 22. Oktober 2012 hätten gestellt werden müssen. Jedenfalls sind die Beweisanträge nicht sachdienlich im Sinne des § 116 SGG. Der Beweisantrag zu 1. ist bereits deshalb nicht sachdienlich, weil die Klägerin selbst von allen Gutachtern aufgefordert worden ist, ihren Tagesablauf zu schildern, sie dies auch getan hat und dies unwidersprochen dokumentiert worden ist. Es besteht auch kein Streit über die Einzelheiten des Tagesablaufes der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt Januar 2007. Darüber hinaus ist die Frage, wie die Gesundheitsstörungen der Klägerin deren Erwerbsfähigkeit berühren, einer Beweiserhebung durch Einvernahme von Zeugen nicht zugänglich. Der Beweisantrag zu 2. ist nicht sachdienlich, weil die durchgehende Schmerzmittelverordnung seit Antragstellung ohne weiteres unterstellt werden kann. Sie ist ohne Relevanz für den Ausgang des Verfahrens, weil sich hieraus weder eine tatsächliche Einnahme der Schmerzmittel herleiten ließe, noch überhaupt seit der Begutachtung durch Dr. B1 im Jahr 2002 Auswirkungen einer etwaigen Medikamenteneinnahme auf die Konzentrationsfähigkeit oder die sonstige Leistungsfähigkeit der Klägerin festgestellt sind. Die Gutachten der Dr. L1 und des Dr. B2 haben vielmehr die Leistungsfähigkeit der Klägerin auf der Grundlage der erfolgten Medikation festgestellt.
Auch der Beweisantrag zu 3. ist nicht sachdienlich. Das Gutachten der Dr. P. ist weder in sich unschlüssig, noch weist es aus Sicht des Berufungsgerichts klärungsbedürftige Lücken auf. Weder bestehen Zweifel daran, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Frau Dr. P. nur noch im Umfang von unter drei Stunden täglich leistungsfähig war, noch wird davon ausgegangen, dass zwischen 2002 und der Begutachtung durch Frau Dr. P. eine Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin stattgefunden hätte. Allein die Schlussfolgerung der Dr. P., hieraus folge, dass der jetzt von ihr vorgefundene Zustand auch zum Zeitpunkt der beantragten Weiterbewilligung bestanden haben müsse, teilt das Gericht nicht. Vor diesem Hintergrund ist nicht hinreichend deutlich, welche aus Sicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin klärungsbedürftige Lücke oder welchen klärungsbedürftigen Widerspruch das Gutachten aufweisen soll und in wieweit eine Befragung der Sachverständigen Klärung erbringen könnte. Die Beweisanträge zu 4. sind bereits deshalb nicht sachdienlich, weil die Gutachter Dr. B2 und Dr. L1 ihre Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der jeweiligen Begutachtungssituation, sowie die Feststellungen, die dieser Einschätzung zu Grunde lagen und ihre Bewertung der festgestellten Tatsachen bereits dargelegt haben. Bei den aufgeworfenen Fragen handelt es sich teilweise um Suggestivfragen, teilweise sind sie bereits in den schriftlichen Gutachten beantwortet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Die am xxxxx 1956 geborene Klägerin absolvierte von 1975 bis 1978 eine Lehre als Fotografin und war im Anschluss daran bis zur Geburt ihres Kindes 1982 im erlernten Beruf tätig. Seit dem 1. Januar 1993 war die Klägerin als Bürofachkraft für Werbung beschäftigt. Seit Juli 2001 war sie dauerhaft arbeitsunfähig wegen Schmerzen am ganzen Körper. Vom 12. Juni 2001 bis zum 5. Juli 2001 befand sich die Klägerin in medizinischer Rehabilitation in der Rheumaklinik B ... Im Entlassungsbericht vom 24. Juli 2001 heißt es, die Klägerin leide unter dem Vollbild eines Fibromyalgiesyndroms. Dieses gehe einher mit einer ubiquitären Schmerzsymptomatik, psychischen Auffälligkeiten sowie multiplen vegetativen und funktionellen Störungen. Wegweisende Laborbefunde und röntgenologische Veränderungen fehlten bei diesem Erkrankungsbild. Trotz intensiver therapeutischer Bemühungen habe keine Besserung der angegebenen Beschwerden erreicht werden können. Leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Überkopfarbeiten, ohne anhaltendes Gehen oder Stehen, ohne Arbeiten unter hohem Zeitdruck, ohne Arbeiten, die eine andauernde Konzentration erforderten, ohne Arbeiten, die eine gute Greif- und Ausdauerkraft beider Hände benötigten, ohne Arbeiten mit häufigem Klettern oder Steigen, ohne Arbeiten auf Gerüsten oder auf unebenem Untergrund, ohne Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Nässe oder Zugluft, könne die Klägerin sechs Stunden täglich und mehr verrichten.
Am 25. Juli 2001 stellte die Klägerin erstmals einen Antrag auf Versichertenrente. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine internistische Begutachtung durch Dr. M., der in seinem Gutachten vom 8. Oktober 2001 ausführte, die Klägerin habe angegeben, seit zwei Jahren unter Schmerzen am ganzen Körper zu leiden. Betroffen seien insbesondere Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule sowie beide Schultern, jedoch auch Arme, Beine und Kiefergelenke. Sie könne sich nicht allein die Haare waschen. Schmerzbedingt leide sie auch unter enormen Konzentrationsstörungen. Sie leide auch häufig unter Migränekopfschmerzen. Die Klägerin habe bedrückt gewirkt, mit spürbarem Leidensdruck, die Beschwerdeschilderung sei unter Tränen erfolgt. Denkstörungen und Anzeichen einer vitalen Depressivität hätten sich jedoch nicht gezeigt. Auf internistischem Gebiet bestehe eine diätetisch unzureichend behandelte Zuckerkrankheit, die noch nicht zu sozialmedizinisch relevanten Folgeschäden geführt habe. Im Vordergrund stünden unklare Muskelschmerzen mit dem subjektiven Gefühl der Muskelschwäche. Das U.-Krankenhaus berichte von einer metabolischen Myopathie. Die Würdigung müsse einem nervenärztlichen Gutachten vorbehalten bleiben. Internistisch könne die Klägerin leichte Arbeiten vollschichtig verrichten.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung, die durch den Neurologen und Psychiater Dr. von M1 am 28. November 2001 erfolgte. Auch dort schilderte die Klägerin Schmerzen am ganzen Körper, inklusive der Kaumuskulatur, an Händen und Füßen. Außerdem leide sie an Schlafstörungen wegen der Schmerzen und an Migräneattacken bis zu viermal im Monat. Darüber hinaus wurden Depressionen beklagt, die sich in ständiger Traurigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Antriebsminderung äußerten. Von ca. 1995 bis Mitte 1998 habe sie sich in Psychotherapie befunden. Zum Tagesablauf befragt, gab die Klägerin an, um 7:30 Uhr aufzustehen und zu frühstücken, dann mache sie den Haushalt selbst, mit vielen Pausen. Schwerere Tätigkeiten übernähmen Mann und Sohn, schon Kartoffelschälen und Gemüseputzen falle ihr schwer. Sie liege viel auf dem Sofa. Wenn am Abend der Mann nach Hause komme, erzählten sie sich, es werde warm gegessen, bevor man gegen 22:00 Uhr zu Bett gehe. Die Klägerin habe sich in der Untersuchung bewusstseinsklar und allseits orientierungsfähig gezeigt, im Kontakt freundlich zugewandt, differenziert und intelligent. Die Stimmung sei nicht vital depressiv herabgestimmt, leicht subdepressiv, der Antrieb weder gemindert noch gesteigert gewesen. Gute affektive Schwingungsfähigkeit sei vorhanden gewesen. Ein Anhalt für hirnorganischen Abbau im Sinne von Konzentrations-, Merkfähigkeits- oder Gedächtnisstörungen habe sich nicht ergeben, ebenso wenig ein Anhalt für eine erschwerte Ein- und Umstellungsfähigkeit. Die erhobenen Befunde schränkten aus nervenärztlicher Sicht bei Fehlen einer schweren Depression, eines hirnorganischen Abbaus oder eines psychotischen Geschehens die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht so entscheidend ein, dass die bisherige Tätigkeit nicht vollschichtig weiter ausgeübt werden könnte. Die einer Arbeitswiederaufnahme entgegenstehenden Hemmungen müsste die Klägerin aus eigener Kraft oder Willensanstrengung überwinden können. Sie sei damit vollschichtig leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2002 lehnte die Beklagte daraufhin zunächst die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Auf den Widerspruch der Klägerin beauftragte die Beklagte den Internisten Dr. B1 mit einer weiteren Begutachtung. Dieser gelangte am 21. Juni 2002 zu der Einschätzung, trotz zahlreicher, sehr eingehender und spezieller Untersuchungen in der inneren und der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums E. habe die Diagnose der Schmerzerkrankung der Klägerin (Myopathie unklarer Genese, idiopathische Ödeme) bisher nicht geklärt werden können. Die mehrfach geänderte symptomatisch-analgetische Behandlung, die ohne Morphine nicht mehr auskomme, bringe nur eine geringe Schmerzerleichterung, welche für eine dauernde Arbeitsfähigkeit nicht ausreiche. Die Konzentrationsfähigkeit sei durch die Medikation und das Schlafdefizit glaubhaft deutlich gestört. Arbeitsfähigkeit bestehe lediglich für deutlich unter drei Stunden täglich. Eine Nachbeurteilung sei in etwa drei Jahren angezeigt.
Die Beklagte gewährte daraufhin der Klägerin mit Bescheid vom 23. Juli 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet bis 30. April 2004. Auf den Weiterzahlungsantrag der Klägerin vom 16. Dezember 2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 30. April 2007 (Bescheid vom 9. März 2004).
Am 9. November 2006 stellte die Klägerin erneut einen Weiterbewilligungsantrag. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung, welche durch Dr. B2 erfolgte. Dieser legte in seinem Gutachten vom 17. Januar 2007 dar, die Klägerin habe angegeben, seit vielen Jahren unter einem Ganzkörper-Schmerzsyndrom zu leiden, welches sich trotz intensiver Therapiebemühungen nicht wirklich gebessert habe. Zeitweilig sei sie zur Schmerzlinderung hochdosiert mit Morphinpflaster behandelt worden, habe aber wegen der Nebenwirkungen auf die Behandlung verzichtet. Gegenwärtig nehme sie nur Polamidontropfen zur Verbesserung des Schlafes. Kopfschmerzen, welche ein- bis zweimal wöchentlich aufträten, bewältige sie mittels Triptan-Präparaten. Sie fühle sich ständig erschöpft, sei in ihrer psychophysischen Leistungsfähigkeit hochgradig beeinträchtigt. Sie könne nicht lange sitzen. Jede körperliche Belastung stelle sie vor eine kaum zu bewältigende schmerzhafte Herausforderung. In der Tagesgestaltung müsse sie sich die Hausarbeit sehr einteilen. Sie können nicht lange laufen, daher unternehme sie nur zweimal am Tag einen einstündigen langsamen Spaziergang mit dem Hund. Sie zerstreue sich mit Fotografieren und Malen. Es existiere ein verlässlicher Freundes- und Bekanntenkreis, vereinsamt fühle sie sich nicht. Veranstaltungen besuche sie je nach Interesse (Theaterabonnement, Kino-Besuche), Urlaubsreisen würden einmal jährlich durchgeführt. Im psychischen Befund sei die Klägerin bewusstseinsklar und voll orientiert, ohne Übertreibungsverhalten, ohne Verschleierungsbemühen, die Stimmung sei ausgeglichen, die affektive Schwingungsfähigkeit nicht krankhaft gestört. Es zeigten sich in der Exploration keine Ermüdungserscheinungen, keine Konzentrationsstörungen, keine Störung der Auffassungsgabe, der Merkfähigkeit, der Gedächtnisleistung und der intellektuellen Wendigkeit. Die Extremitäten seien in allen Gelenken aktiv und passiv frei beweglich bei morphologisch unauffälligem Befund. Die grobe Kraft sei nicht gemindert, es gebe keine Lähmungshinweise, keine umschriebenen oder generalisierten Muskelsubstanzminderungen, keine Sensibilitätsstörungen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht gebe es danach keine fassbaren Erkenntnisse, aus denen sich ein aufgehobenes oder nur auch nur zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt ableiten ließe. Neurologisch-psychiatrisch bestehe Leistungsfähigkeit für sechs Stunden täglich und mehr. Gegebenenfalls sei eine ergänzende internistische Untersuchung unter Einbeziehung sämtlicher medizinischer Unterlagen erforderlich.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2007 lehnte die Beklagte die Bewilligung der beantragten Rente ab und beauftragte auf den Widerspruch der Klägerin vom 13. Februar 2007 den Internisten und Rheumatologen Dr. L. mit einer weiteren Begutachtung der Klägerin. Dort klagte die Klägerin bei der Begutachtung am 5. Juli 2007 erneut über Schmerzen im gesamten Bewegungsapparat, im Sinne von gelenksbezogenen Schmerzen an Händen, Hüften, Knien, Füßen und Kiefergelenken. Sie gab ein allgemeines Muskelkatergefühl an den Muskeln und oberen und unteren Extremitäten, Schwellzustände in den Händen durch Wassereinlagerungen und Kopfschmerzen seit September letzten Jahres in Verbindung mit Gleichgewichtsstörungen, sowie anhaltende Morgensteifigkeit und Anlaufschmerz an. Die Nachtruhe sei gestört. Der Tagesablauf beginne mit Aufstehen gegen 6:30 Uhr. Das Frühstück mache sie selbstständig, wobei das Schneiden von Lebensmitteln – ebenso wie beim Kochen - nicht möglich sei. Nach dem Frühstück folge ein Spaziergang mit dem Hund, zeitweise könne sie 1,5 km gehen, zeitweise nur 10 Minuten. Im Haushalt könne sie die Küche reinigen, Betten machen, Staub zwischen, sowie die Waschmaschine befüllen. Wäsche aufhängen sei nicht möglich. Fremde Hilfe habe sie beim Staub saugen und beim Bügeln, beim Wischen und beim Fensterputzen. Mittags ruhe sie ca. eine Stunde. Den Garten bewirtschafte der Ehemann, der auch größere Einkäufe erledige. An guten Tagen fahre sie Fahrrad. Hobbytätigkeiten wie Goldschmiedearbeiten, Patchwork, Step Aerobic habe sie aufgegeben, diese seien nicht mehr möglich. Möglich sei noch das Lesen und Fotografieren. Längere Autofahrten traue sie sich wegen der Konzentrationsstörungen durch die Medikamente nicht mehr zu. Auch Theater- und Kinobesuche seien nur noch unter Einnahme starker Schmerzmittel möglich. Dr. L. vertrat die Auffassung, im Vordergrund stehe eine generalisierte Enthesiopathie im Sinne eines Fibromyalgie-Syndroms. Ob dies als eigenständige Krankheitsentität oder im Rahmen der Myopathie oder der Depressionen zu sehen sei, werde nicht ganz klar. Auch die Ödemneigung der Klägerin könne zu weiteren Schmerzen führen. Verrichtet werden könnten leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, zeitweise im Gehen und Stehen und überwiegend im Sitzen. Zu meiden seien Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten sowie Zwangshaltungen. Rehabilitative Maßnahmen seien angezeigt. Eine leidensgerechte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sechs Stunden oder mehr ausgeübt werden. Die Tätigkeit einer Angestellten in einer Großhandelsfirma könne nur drei bis unter sechs Stunden ausgeübt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2007 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück. Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 24. Dezember 2007 erhobenen Klage gewendet.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt und Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens. In ihrem Gutachten vom 3. Dezember 2008 hat die medizinische Sachverständige Dr. L1 ausgeführt, in der klinisch neurologischen Untersuchung hätten sich in Übereinstimmung mit allen Voruntersuchungen Paresen oder Muskelabmagerungen als Ausdruck der anzunehmenden myopathischen Erkrankung nicht gefunden. Die laborserologische Untersuchung habe eine zur Diagnose der Myopathie passende CK-Erhöhung (Creatinkinase) ergeben, der Serumkaliumwert sei unter Substitution normal. Ein Schmerzmittel-Serumspiegel habe sich nicht nachweisen lassen, was bedeute, dass die Betroffene die angegebenen Mittel jedenfalls in den letzten Tagen vor Untersuchung nicht in der berichteten Weise eingenommen habe. In der klinisch-psychiatrischen Untersuchung habe sich eine depressive Herabgestimmtheit gefunden, welche erst auf Nachfrage berichtet worden, dabei aber über weite Strecken der Exploration untergründig einfühlbar gewesen sei und im Wesentlichen durch die körperliche Beschwerdesymptomatik im Sinne einer Somatisierung ausgedrückt werde. Störungen der Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsfähigkeit sowie des Gedächtnisses hätten nicht vorgelegen, ebenso wenig habe sich eine vermehrte Müdigkeit oder eine vorschnelle Ermüdbarkeit feststellen lassen. Das Vorliegen einer Myopathie sei als gesichert anzusehen, wobei die genaue Zuordnung unsicher erscheine, da die bislang festgestellten CK-Erhöhungen gering seien und in allen neurologischen Untersuchungen passend hierzu myopathiebedingte muskuläre Schwächen nicht hätten festgestellt werden können. Weder die anhaltenden starken Muskelschmerzen, noch die berichteten attackenartigen kurzfristigen Muskelausfälle gehörten jedoch zum typischen klinischen Bild einer Myopathie. Die Annahme einer verminderten Dauerbelastbarkeit sei aufgrund einer veränderten Wadenmuskulatur plausibel, so dass Tätigkeiten überwiegend im Gehen und Stehen und mit Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten nicht abzufordern seien. Hinweise auf muskuläre Funktionseinschränkungen im Bereich der Arme und Hände hätten sich in der Untersuchung dagegen nicht gefunden. Die bei der Klägerin vorliegende Myopathie werde überlagert von einer somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Entwicklung. Bei dem Krankheitsbild einer somatoformen Schmerzstörung bleibe die vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten in der Regel erhalten. Die Feststellung einer quantitativen Leistungsminderung könne sich in besonders schweren Verläufen der somatoformen Schmerzstörung daraus ergeben, dass eine verminderte kognitive Leistungsfähigkeit, etwa im Sinne einer reduzierten konzentrativen Belastbarkeit bestehe, z.B. durch ein anhaltendes schweres Schmerzerleben oder im Zusammenwirken mit weiteren Krankheitsbildern bzw. einer nebenwirkungsreichen medikamentösen Behandlung. Dies habe im Falle der Klägerin nicht festgestellt werden können, wirksame Serumspiegel von Schmerzmitteln/Antidepressiva seien nicht gemessen worden. Auch ein schwer gestörter psychischer Befund habe sich in der Untersuchung weder in der aktuellen noch in vorangegangenen nervenärztlichen Untersuchungen feststellen lassen. Die berichtete Lebensgestaltung lasse auf eine gewisse Schon- bzw. Vermeidungshaltung schließen, eine vollständige Übernahme der Lebensgestaltung durch die Schmerzkrankheit liege indes nicht vor. Die Klägerin sei danach vollschichtig leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausbildungsgemäßer geistiger Art und Verantwortung in wechselnder Körperhaltung, nicht ausschließlich oder überwiegend mit Tragen, Heben und Bücken, nicht unter vermehrtem Zeitdruck oder im Akkord, nicht in Nachtarbeit, der Wechsel von Früh- auf Spätschicht sei möglich, in geschlossenen Räumen, unter Schutz vor Witterung und extremen Temperaturschwankungen, zu ebener Erde, nicht auf Leitern, Gerüsten oder an sonstigen gefährdenden Arbeitsplätzen.
Des Weiteren hat das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Neurologen Dr. R. gehört, der in seinem Gutachten vom 25. Januar 2010 ausgeführt hat, die Klägerin gebe beim Klopfen die gesamte Wirbelsäule als schmerzhaft an. Auch das kräftige Betasten der Rückenmuskulatur rechts und links neben der Wirbelsäule werde in allen Höhen als sehr schmerzhaft angegeben. Dabei seien keine wesentlichen Verspannungen der Muskulatur tastbar. Auch die passive Beugung und Überstreckung der Halswirbelsäule werde als schmerzhaft angegeben, sei aber in vollem Umfang möglich. Die Seitwärtsdrehung des Kopfes und das Vornüberbeugen des Kopfes seien kräftig, ebenso wie das Hochziehen der beiden Schultern. Die Betrachtung der Muskulatur am Rumpf sowie an Armen und Beinen ergebe kein Zeichen einer Verschmächtigung. Bei Prüfung der Muskelkraft einzelner Muskelgruppen falle eine anfänglich noch kräftige Muskelanspannung auch gegen stärkeren Widerstand auf, die dann rasch nachgelassen werde und in eine ruckartige Anspannung übergehe. In den Halteversuchen von Armen und Beinen sei kein Absinken zu erkennen. In der psychischen Untersuchung ergebe sich kein Hinweis auf Störungen des Gedächtnisses, der Konzentration oder der Auffassung. Die Klägerin leide offensichtlich seit Mitte der Neunzigerjahre unter Muskelschmerzen, die sich zu einem belastungsunabhängigen Dauerschmerz aller Körperregionen ausgeweitet hätten. Die Schmerzen bezeichne sie als sehr stark, auf einer Skala zwischen eins und zehn lägen sie immer bei acht bis neun und bei Verschlechterung z.B. infolge von Anstrengung bei zehn. Im deutlichen Kontrast zur Schwere dieser chronischen Dauerschmerzen stünden die weitgehend normalen körperlichen und apparativen Untersuchungsbefunde. Eine Verschmächtigung der Muskulatur oder eine Muskellähmung werde in der Aktenlage nicht beschrieben und sei auch in der Untersuchung nicht nachweisbar. Es spreche einiges dafür, dass bei der Klägerin ein erblich bedingter MAD- (Myoadenylatdesaminase) Mangel vorliege. Der Krankheitswert dieser Störung sei strittig. Es scheine aber doch bei einigen Patienten der MAD-Mangel Ursache für belastungsabhängige Schmerzen zu sein. Allerdings gingen die geklagten Beschwerden in ganz erheblichem Maße über das hinaus, was im Rahmen eines MAD-Mangels zu erwarten sei. Patienten mit MAD-Mangel seien in der Lage, die Verrichtungen des täglichen Lebens und des Erwerbslebens auszuführen, vorausgesetzt, es handele sich nicht um körperlich schwere Arbeiten. Bei der Klägerin sei offensichtlich eine so genannte somatische Schmerzstörung hinzugetreten. Damit ergebe sich aus der somatischen Muskelerkrankung, nämlich dem erblich bedingten MAD-Mangel eine Leistungseinschränkung im Erwerbsleben nur in Bezug auf körperlich schwere Tätigkeiten. In wieweit die erwerbliche Leistungsfähigkeit durch die zusätzlich vorliegende somatoforme Schmerzstörung reduziert sei, sei bereits in den Vorgutachten von Dr. B2 und Dr. L1 diskutiert worden. In der Regel sei davon auszugehen, dass die Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten erhalten bleibe. Eine schwere psychische Störung, die ein aufgehobenes Leistungsvermögen begründen könne, sei zum Untersuchungszeitpunkt nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin sei danach vollschichtig leistungsfähig für leichte körperliche Arbeiten ausbildungsgemäßer geistiger Art und Verantwortung, die nicht in Zwangshaltungen ausgeführt werden und nicht in überwiegendem Maße durch Tragen, Heben oder Bücken geprägt sind, die nicht unter vermehrtem Zeitdruck oder im Akkord auszuüben sind und nicht in Nachtarbeit. Die Arbeiten sollten in geschlossenen Räumen und unter Witterungsschutz sowie Schutz vor extremen Temperaturschwankungen ausgeführt werden, nicht auf Leitern, Gerüsten oder an sonstigen gefährdenden Arbeitsplätzen. Persönliche Hilfen oder technische Arbeitshilfen seien nicht notwendig, ebenso wenig die Gewährung zusätzlicher Pausen.
In der mündlichen Verhandlung hat das Sozialgericht den berufskundigen Sachverständigen Meinhardt gehört, welcher ausgeführt hat, mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei die Klägerin in der Lage, Arbeiten im kaufmännischen Bereich, wie etwa in der Buchhaltung oder der Auftragsunterstützung auszuüben. Besondere Anforderungen an eine gute Greif- und Ausdauerkraft der Hände stellten diese Tätigkeiten nicht. Auch Pack-, Sortier- und Montierarbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin möglich. Für alle genannten Verweisungstätigkeiten bestehe ein offener Arbeitsmarkt.
Durch Urteil vom 21. Oktober 2010, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 8. Dezember 2010, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ist dabei den Gutachten der Dr. L1 und des Dr. R. gefolgt. Durch die von den Gutachtern festgestellten Krankheiten sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwar eingeschränkt, nicht aber aufgehoben. Beide Gutachter seien übereinstimmend zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen gekommen. Damit könne die Klägerin noch die von dem berufskundigen Sachverständigen genannten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe der Klägerin nicht zu, denn sie könne den bisher ausgeübten Beruf als Bürokraft trotz der festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen weiter ausüben.
Zur Begründung ihrer am 7. Januar 2011 eingelegten Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die somatoforme Schmerzstörung bzw. die psychische Erkrankung habe nach mehrjährigem Verlauf, bei festgestellter Chronizität und Multimorbidität trotz adäquater Behandlung und gescheiterten Rehabilitationsversuchen mittlerweile einen Schweregrad erreicht, der eine Wiederherstellung der vollen Erwerbstätigkeit nicht mehr erwarten lasse und die eine Erkrankung darstelle, die zusammen mit den weiteren Erkrankungen geeignet sei, nicht durch eigene Willenskraft überwindbare objektive Hindernisse gegenüber täglich 6-stündiger Arbeit nach den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aufrecht zu erhalten. Eine vertiefende Betrachtung der somatoformen Schmerzstörung der Klägerin und ihrer Auswirkungen sei erforderlich.
Das Berufungsgericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG die Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. P. gehört, welche in ihrem Gutachten vom 15. Juni 2012 ausgeführt hat, die Klägerin beklage Schmerzen praktisch 24 Stunden täglich, sowohl tags als auch nachts. Der Charakter der Schmerzen sei seit Jahren unverändert, der Schmerz habe sich aber immer mehr ausgeweitet. Die langfristig eingenommenen Schmerzmittel dämpften höchstens etwas. Entlastend seien Bewegungen in warmem Wasser und Krankengymnastik. Nachts stehe die Klägerin fünf bis sechs Mal auf und laufe umher, um sich von den Schmerzen zu entlasten. Wegen der körperlichen Beeinträchtigungen erhalte sie seit 2009 Leistungen nach Pflegestufe 1 (Unterstützung bei der Körperpflege und beim Ankleiden), außerdem sei sie mit einem Elektrorollstuhl versorgt, den sie benutze, wenn längere Wege zu bewältigen seien. Zum Tagesablauf befragt; schilderte die Klägerin, sie stehe morgens mit dem Ehemann auf, an fünf Tagen in der Woche komme morgens ein Pflegedienst und helfe bei der Körperpflege. Am Wochenende erledige dies der Ehemann. Sie mache dann morgens einen Spaziergang mit dem Hund, ca. 15 Minuten lang. Meistens müsse sie sich anschließend hinlegen. Auch am Nachmittag benötige sie mehrere Pausen im Liegen. Manchmal erledige sie leichte Hausarbeit (Betten machen, Staub wischen), die übrige Hausarbeit und die Gartenarbeit erledige der Ehemann. Einkäufe erledige sie nicht. Essen koche sie unregelmäßig. Diagnostisch bestehe bezüglich der angegebenen Schmerzen ein signifikanter und glaubhafter Leidensdruck mit ausgeprägter erlebnismäßiger Einengung auf Schmerzen und Defizite. Die Stimmung sei deutlich zum Depressiven hin verschoben, der Antrieb deutlich reduziert. Eine Tendenz zur Verdeutlichung bestehe nicht. Vor dem Hintergrund einer ausgesprochen belastenden Biografie sei die Klägerin bereits vor mindestens 20 Jahren an einer somatoformen Schmerzstörung erkrankt, die ungünstig verlaufen und inzwischen deutlich chronifiziert sei. Während der neurologische Befund weitgehend regelrecht sei, sei die Klägerin psychopathologisch signifikant auffällig mit Hinweis auf eine schwere Störung des Schmerzerlebens mit völliger Einengung auf schwerste Ganzkörperschmerzen bei gleichzeitigem Versuch, sich selbst zu kontrollieren. Daneben bestehe mittlerweile eine ebenfalls chronisch verlaufende Depression, im Zeitpunkt der Untersuchung mittelgradiger Ausprägung, außerdem eine Persönlichkeitsstörung mit depressiv-zwanghaften Anteilen. Eine durchgreifende Besserung seit 2002 sei sicher nicht eingetreten, eher sei es zu einer Zunahme sowohl der Schmerzsymptomatik als auch der Depression gekommen. Leistungsfähigkeit bestehe lediglich unter 3 Stunden täglich. Die Gutachten der Dr. L1 und des Dr. R. berücksichtigten nicht ausreichend die signifikanten biografischen Belastungsfaktoren der Klägerin und die dadurch entstandene Störung der Persönlichkeitsentwicklung. Es liege bei der Klägerin nicht lediglich eine leichtgradige Depression im Sinne einer Dysthymie vor, sondern vielmehr eine mindestens mittelgradige rezidivierende Depression. Die genannten Einschränkungen bestünden seit Antragstellung, zu einer Besserung oder einer richtungweisenden Änderung seit 2002 sei es mit Sicherheit nicht gekommen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2013 die folgenden Anträge gestellt:
1. Den Ehemann der Klägerin zum Tagesablauf der Klägerin in den Jahren seit der Rentengewährung zu hören. 2. Den behandelnden Arzt Herrn Dr. L2 dazu zu hören, wie die Schmerzmittelverordnungen seit dem Rentenantrag erfolgten. 3. Frau Dr. P. im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu den Ergebnissen des Gutachtens, insbesondere die Feststellung einer durchgehenden Erwerbsunfähigkeit von April 2004 bis Juni 2012, anzuhören. 4. Frau Dr. L1 und Herrn Dr. R. im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme zu folgenden Fragen anzuhören: a. Lassen sich aus den signifikanten biografischen Belastungsfaktoren bei der Klägerin im Rahmen einer psychodynamischen Bewertung Rückschlüsse auf die Entwicklung der Schmerzstörung seit der Rentengewährung und die Auswirkung einer Arbeitsaufnahme von sechs Stunden täglich in diesem Zeitraum ziehen? b. Erfolgte die rückblickende Bewertung der Erwerbsminderung der Klägerin durch Frau Dr. P. auf Grundlage nachvollziehbarer wissenschaftlichster Erkenntnisse und entspricht sie den Vorgaben der Gutachtenliteratur? c. Warum stehen der individuelle Verlauf und die Chronifizierung der Schmerzerkrankung bei der Klägerin entgegen der Gutachtenliteratur einer willentlichen Überwindung der seelischen Hemmung nicht entgegen? d. Wie wird die Motivation der Klägerin zur Willensanspannung während der Rentengewährung und nach Wegfall der Rente zur Überwindung der Schmerzen gewertet?
In der Sache beantragt die Klägerin,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Oktober 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. April 2007 hinaus, hilfsweise ab 1. Mai 2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit auch bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt ihre Bescheide und macht sich das angefochtene Urteil zu Eigen. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass bei der Klägerin seit 2002 durchgehend eine somatoforme Schmerzstörung vorliege. Auch könne seit Erstellung des Gutachtens der Frau Dr. P. anerkannt werden, dass (befristet) der Tatbestand einer vollen Erwerbsminderung gegeben sei. Jedoch erfülle die Klägerin auf der Grundlage eines Leistungsfalles zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Auf den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 3. September 2012 übersendeten Versicherungsverlauf wird Bezug genommen.
Bezüglich des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände) sowie auf die den Streitgegenstand betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (2 Bände) Bezug genommen, welche dem Senat vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die die Berichterstatterin mit dem Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats nach § 155 Abs. 3, 4 SGG entscheiden kann, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) nicht zu.
Gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nachdem die Klägerin – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aktenkundig im Dezember 2004 zuletzt entrichtet hat, wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Rente nur erfüllt bei einem Eintritt wenigstens teilweiser Erwerbsminderung spätestens bis Januar 2007.
Ein Tatbestand im Sinne des § 43 Abs. 4 SGB VI, der zu einer Verlängerung des Zeitraums von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung führt, ist nicht gegeben. Seit Dezember 2004 liegen keine Rentenbezugszeiten, Berücksichtigungszeiten, Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeiten nicht unterbrochen ist bzw. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres im Sinne des § 43 Abs. 4 Nr. 1-4 SGB VI bei der Klägerin vor. Bei der Klägerin liegt auch kein Tatbestand vor, durch den die Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (vgl. § 43 Abs. 5 SGB VI i.V.m. § 53 Abs. 1,2 SGB VI). Schließlich sind auch die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI nicht erfüllt, weil die Zeit ab dem 1. Januar 1984 nicht lückenlos mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist und eine Nachzahlung für die Lücke im Jahr 1992 nicht mehr in Betracht kommt.
Es ist nicht zur Überzeugung des Berufungsgerichts nachgewiesen, dass bei der Klägerin spätestens im Januar 2007 volle bzw. teilweise Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI eingetreten ist. Dem stehen insbesondere die Gutachten des Dr. B2, des Dr. L. und der Dr. L1 entgegen. Diese Gutachter haben die Klägerin in dem entscheidenden Zeitraum zwischen Januar 2007 und Dezember 2008 untersucht und ihr Leistungsvermögen noch im Ergebnis als quantitativ ausreichend für eine Berufstätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich und mehr vorgefunden. Insbesondere haben diese Gutachter bei der Klägerin eine zunächst ausgeglichene Stimmung mit unauffälliger affektiver Schwingungsfähigkeit (so Dr. B2 im Januar 2007), später dann eine über weite Strecken der Exploration untergründig einfühlbare depressive Herabgestimmtheit (so Dr. L1 im Dezember 2008) vorgefunden. Der Tagesablauf war noch weitgehend erhalten, dem Internisten Dr. L. schilderte die Klägerin im Juli 2007 im Wesentlichen einen von Hausarbeiten geprägten Alltag mit leichten bis mittelschweren Haushaltsarbeiten wie dem Putzen der Küche und dem Erledigen der Wäsche. Im psychischen Befund fanden sich weder Anfang 2007 noch Ende 2008 vorzeitige Ermüdungserscheinungen, Konzentrationsstörungen, Störungen der Auffassungsgabe, der Merkfähigkeit der Gedächtnisleistung oder der intellektuellen Wendigkeit. Ein anhaltendes schweres Schmerzerleben, weitere erhebliche Leistungseinschränkungen durch ein Zusammenwirken mit weiteren Krankheitsbildern oder eine nebenwirkungsreiche medikamentöse Behandlung (wie dies offenbar 2002 der Fall war) vermochte keiner der Sachverständigen, die die Klägerin im genannten Zeitraum begutachteten, festzustellen.
Ob dabei, wie Dr. P. befand, die Gutachter die "signifikanten biografischen Belastungsfaktoren und die dadurch entstandene Störung der Persönlichkeitsentwicklung" der Klägerin ausreichend berücksichtigt haben (wofür es keine Anhaltspunkte gibt, nimmt doch die Biografie der Klägerin in den Gutachten des Dr. B2 und der Dr. L1 jeweils mehrere Seiten ein und schließt auch die von Dr. P. benannten biografischen Belastungsfaktoren umfänglich ein), ist für die Frage des Vorliegens von Erwerbsminderung spätestens im Januar 2007 nicht von Relevanz. Rentenrechtlich relevant sind allein die Leistungseinschränkungen, die aus einer Erkrankung resultieren, nicht jedoch die Frage, wie diese zustande kamen oder welche individuellen Umstände ihnen zu Grunde liegen. Dass diese Leistungseinschränkungen zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Frau Dr. P. Mitte 2012 eine Ausprägung erreicht hatten, welche die Leistungseinschränkungen in den Jahren 2007 und 2008 weit überschritt und die Klägerin nur mehr zur Erbringung einer Arbeitsleistung von weniger als drei Stunden täglich befähigte, kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden. Ebenso kann ohne weiteres zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sich ihre somatoforme Schmerzstörung seit 2002 nicht nachhaltig gebessert, sondern sich vielmehr kontinuierlich verschlechtert hat. Dies ist naheliegend, entspricht dem üblichen Krankheitsverlauf derartiger Gesundheitsstörungen und wird auch durch den Verlauf zwischen den Begutachtung des Dr. B2 und der Dr. L1 und später der Frau Dr. P. bestätigt.
Ob eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne einer Besserung seit 2002 stattgefunden hat, ist indes nicht Gegenstand der Prüfung. Bei dem angefochtenen Bescheid handelt es sich nicht um einen solchen nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Vielmehr ist auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin hin in vollem Umfang neu zu prüfen, ob die Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zum Zeitpunkt der beantragten Weiterbewilligung oder zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt hat. Dies ist indes nicht der Fall. Dass spätestens im Januar 2007 die medizinischen Voraussetzungen der teilweisen oder vollständigen Erwerbsminderung vorlagen, ist nicht mit einer alle vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheit, also im Sinne des insoweit erforderlichen Vollbeweises, festzustellen.
Das Berufungsgericht hat sich nicht veranlasst gesehen, den Beweisanträgen, welche der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, nachzukommen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Anträge nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Beschluss v. 7.2.2013 - B 13 R 71/12 B – Juris) noch rechtzeitig sind, oder ob sie zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen nicht bereits zeitnah nach dem Schriftsatz der Beklagten vom 22. Oktober 2012 hätten gestellt werden müssen. Jedenfalls sind die Beweisanträge nicht sachdienlich im Sinne des § 116 SGG. Der Beweisantrag zu 1. ist bereits deshalb nicht sachdienlich, weil die Klägerin selbst von allen Gutachtern aufgefordert worden ist, ihren Tagesablauf zu schildern, sie dies auch getan hat und dies unwidersprochen dokumentiert worden ist. Es besteht auch kein Streit über die Einzelheiten des Tagesablaufes der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt Januar 2007. Darüber hinaus ist die Frage, wie die Gesundheitsstörungen der Klägerin deren Erwerbsfähigkeit berühren, einer Beweiserhebung durch Einvernahme von Zeugen nicht zugänglich. Der Beweisantrag zu 2. ist nicht sachdienlich, weil die durchgehende Schmerzmittelverordnung seit Antragstellung ohne weiteres unterstellt werden kann. Sie ist ohne Relevanz für den Ausgang des Verfahrens, weil sich hieraus weder eine tatsächliche Einnahme der Schmerzmittel herleiten ließe, noch überhaupt seit der Begutachtung durch Dr. B1 im Jahr 2002 Auswirkungen einer etwaigen Medikamenteneinnahme auf die Konzentrationsfähigkeit oder die sonstige Leistungsfähigkeit der Klägerin festgestellt sind. Die Gutachten der Dr. L1 und des Dr. B2 haben vielmehr die Leistungsfähigkeit der Klägerin auf der Grundlage der erfolgten Medikation festgestellt.
Auch der Beweisantrag zu 3. ist nicht sachdienlich. Das Gutachten der Dr. P. ist weder in sich unschlüssig, noch weist es aus Sicht des Berufungsgerichts klärungsbedürftige Lücken auf. Weder bestehen Zweifel daran, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Frau Dr. P. nur noch im Umfang von unter drei Stunden täglich leistungsfähig war, noch wird davon ausgegangen, dass zwischen 2002 und der Begutachtung durch Frau Dr. P. eine Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin stattgefunden hätte. Allein die Schlussfolgerung der Dr. P., hieraus folge, dass der jetzt von ihr vorgefundene Zustand auch zum Zeitpunkt der beantragten Weiterbewilligung bestanden haben müsse, teilt das Gericht nicht. Vor diesem Hintergrund ist nicht hinreichend deutlich, welche aus Sicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin klärungsbedürftige Lücke oder welchen klärungsbedürftigen Widerspruch das Gutachten aufweisen soll und in wieweit eine Befragung der Sachverständigen Klärung erbringen könnte. Die Beweisanträge zu 4. sind bereits deshalb nicht sachdienlich, weil die Gutachter Dr. B2 und Dr. L1 ihre Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der jeweiligen Begutachtungssituation, sowie die Feststellungen, die dieser Einschätzung zu Grunde lagen und ihre Bewertung der festgestellten Tatsachen bereits dargelegt haben. Bei den aufgeworfenen Fragen handelt es sich teilweise um Suggestivfragen, teilweise sind sie bereits in den schriftlichen Gutachten beantwortet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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