Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 44/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Landessozialgericht Hamburg
Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Hamburg am 16. Februar 2015 durch
beschlossen:
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses wegen der Verordnung des Medikaments LeukoNorm Cytochemia® (im Folgenden: LeukoNorm) für das Jahr 2005.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Infektiologie an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung teil. Das Arzneimittel LeukoNorm der Cytochemia AG war ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel in der Darreichungsform Trockensubstanz und Lösungsmittel. Es war ein verschreibungspflichtiges Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung (Auflösung in isotonischer Natriumchloridlösung), die intramuskulär zu injizieren war. Der Wirkstoff ist humanes Leukozyten-Ultrafiltrat, das aus den weißen Blutkörperchen gesunder Blutspender gewonnen wird. LeukoNorm wurde bei Erkrankungen der körpereigenen Abwehr als Immuntherapeutikum eingesetzt. Das Arzneimittel war in der DDR entwickelt und dort 1986 zugelassen worden und aufgrund dieser Zulassung dort verkehrsfähig. Aufgrund des Einigungsvertrages vom 3. Oktober 1990 in Verbindung mit § 2 Nr. 2 und Anlage 3 Kapitel II Nr. 1 § 4 Abs. 1 der Verordnung zur Überleitung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2915) galt es als sog. DDR-Altarzneimittel auch im Gebiet der alten Bundesrepublik als zugelassen (sog. fiktive Zulassung) und war bei Stellung eines Verlängerungsantrags verkehrsfähig. Ein Wirksamkeitsnachweis nach den Regeln des Arzneimittelgesetzes (AMG) liegt einer fiktiven Zulassung nicht zugrunde. Eine Arzneimittelzulassung nach §§ 21 und 25 AMG liegt mit ihr nicht vor. Erst mit der Verlängerung des Arzneimittels – vgl. § 4 Abs. 2 der oben genannten Verordnung und § 105 AMG – ist die Prüfung der Wirksamkeit nach dem AMG abgeschlossen und hat das Arzneimittel eine Zulassung nach dem geltenden AMG. Ein Antrag auf Verlängerung der – fiktiven – Zulassung (sog. Nachzulassung) war im Juni 1991 durch die Cytochemia AG gestellt worden. Durch Bescheid des P.-Instituts vom 22. Dezember 2006 ist die beantragte Nachzulassung abgelehnt worden, weil die Wirksamkeit des Arzneimittels in keiner der beantragten Indikationen in einer wissenschaftlich fundierten Weise nachgewiesen worden sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage des Herstellers hat das Verwaltungsgericht D. durch Urteil vom 16. Dezember 2010 abgewiesen.
Am 9. August 2007 leitete der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen in H. bzw. die Gemeinsame Prüfstelle der Ärzte und Krankenkassen in H. wegen Überschreitens des Richtgrößenvolumens für Arzneimittel Prüfungsverfahren gegen den Kläger ein.
Mit Beschluss vom 11. Dezember 2007 setzte der Prüfungsausschuss einen Regress in Höhe von 69.316 Euro für das Jahr 2005 fest. Dabei hatte er von der erklärungsbedürftigen Überschreitung der Richtgröße in Höhe von 215.921 Euro diejenigen Verordnungskosten, die sich durch Praxisbesonderheiten erklären ließen oder unklar waren, abgezogen. Vor allem Verordnungskosten für LeukoNorm (68.515 Euro) wurden dagegen nicht in Abzug gebracht, da es sich hierbei nicht um eine Standardtherapie immunsupprimierter Patienten gehandelt habe. Dagegen legte der Kläger am 8. Januar 2008 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass seine Praxisbesonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Die Verordnung von LeukoNorm habe in den beanstandeten Fällen dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entsprochen. Die Behandlung sei für jeden Patienten spezifisch erfolgt und stehe mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot in Einklang.
Mit am 4. Januar 2010 abgesandtem Beschluss vom 16. Dezember 2009 änderte der Beklagte den Beschluss des Prüfungsausschusses und setzte den Regressbetrag von 69.316 Euro auf 59.587,83 Euro herab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, anzuwenden sei der Abschnitt F 20.2 Arzneimittel-Richtlinie, die die Verordnung von Immunstimulantien nur unter eingeschränkten Voraussetzungen vorsehe. Das Arzneimittel LeukoNorm verdanke seine Verkehrsfähigkeit dem Übergangsrecht und sein Status sei nicht auf eine arzneimittelrechtliche Prüfung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit begründet gewesen, so dass die Verkehrsfähigkeit von LeukoNorm keinen Anspruch auf Versorgung mit diesem Mittel begründe. Der Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit einem Arzneimittel umfasse nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich seien und deren Qualität dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspreche. Dazu müsse es zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sei. Dies sei bei LeukoNorm nicht der Fall. Auch die fiktive Zulassung stehe unter dem Vorbehalt des Nachweises von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Solche Belege gebe es für LeukoNorm nicht. Daher sei ein Verordnungsanspruch nach § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht begründet worden, so dass der Arzt diese Leistung nicht bewirken und die Krankenkasse sie nicht bewilligen dürfe. Unter Berücksichtigung der im Behandlungsschein genannten Diagnosen von 13 Patienten, denen der Kläger im Jahr 2005 LeukoNorm verordnet hatte, rechtfertige sich ein Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise in einzelnen Behandlungsfällen. Von dem auf Brutto-Basis ermittelten Schadensbetrag in Höhe von 68.515,39 Euro sei ein Betrag in Höhe des prozentualen Anteils der gesetzlichen Zuzahlungen und Rabatte abzuziehen, so dass sich ein Netto-Schadensbetrag von 59.587,83 Euro ergebe.
Mit seiner am 22. Januar 2010 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2009 hat der Kläger geltend gemacht, die angebliche Unwirtschaftlichkeit erschöpfe sich lediglich in dem Hinweis auf die Unzulässigkeit der Verordnung von LeukoNorm. 2005 habe er LeukoNorm in 13 Fällen verordnet, das entspreche 0,5% seiner behandelten Fälle. In allen Fällen habe es sich um Erkrankungen gehandelt, bei denen LeukoNorm nach Ausschöpfung aller vorrangigen medikamentösen und nicht medikamentösen Maßnahmen zur Vermeidung einer Bedrohung für Leib und Leben eingesetzt worden sei. Das Arzneimittel sei zur Behandlung von Patienten mit sekundären Immundefekten und in deren Folge chronischer, rezidivierender Infektionen bakterieller, viraler und mykotischer Art sowie bei Fatigue-Syndrom unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Ultima Ratio und des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes verordnet worden. Der Beweis einer unwirtschaftlichen oder unzulässigen Verordnungsweise sei vom Beklagten nicht erbracht. Eine zur Feststellung eines Arzneimittelregresses im konkreten Fall notwendige Einzelfallprüfung sei vom Beklagten nicht durchgeführt worden.
Das Sozialgericht hat das vorliegende Verfahren S 27 KA 9/10 (betreffend 2005) mit dem Parallelverfahren S 27 KA 10/10 (betreffend 2006) am 29. Mai 2013 gemeinsam verhandelt, ohne die Verfahren durch Beschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden zu haben. Die Prozessanträge der Parteien beziehen sich auf beide Verfahren. Nach der in einer Urkunde unter beiden Aktenzeichen formulierten schriftlichen Urteilsformel hat das Sozialgericht "die Klagen abgewiesen".
Zur Begründung hat sich das Sozialgericht im Wesentlichen auf die Entscheidungen des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. März 2011 (L 1 KA 21 – 23/07) zur fehlenden Verordnungsfähigkeit von Leukonorm bezogen. Da das Arzneimittel im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verordnungen nicht das Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG mit der Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen und nur eine fiktive Zulassung besessen habe, habe es nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen. Weder habe eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten bestanden. Fehle es aber an der Verordnungsfähigkeit, sei Unwirtschaftlichkeit gegeben. Ob der Kläger dies hätte erkennen können, sei im Streitfall unbeachtlich, denn spätestens nachdem das Bundessozialgericht (BSG) seine im Urteil vom 23. Juli 1998 begründete Rechtsprechung zu den Arzneitherapien durch die Entscheidung vom 18. März 2000 (B 1 KR 11/98 R – Juris) bestätigt habe, habe kein Vertragsarzt mehr mit Blick auf die Arzneimittel-Richtlinie davon ausgehen können, dass LeukoNorm ohne Weiteres in der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei. Angesichts der vom Kläger genannten Diagnosen unter Auswertung der Behandlungsscheine sei eine Verordnung im Einzelfall entsprechend der Vorgaben des sogenannten Nikolaus-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) ebenfalls nicht möglich gewesen.
Gegen das am 19. Juni 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Juli 2013 Berufung eingelegt. Dieser sei schon deshalb stattzugeben, weil das Sozialgericht wegen der fehlenden Verbindung der gemeinsam verhandelten und entschiedenen Verfahren über keines dieser Verfahren "rechtmäßig entschieden" habe. Das Urteil könne auch inhaltlich keinen Bestand haben, da nicht alle verkehrsfähigen Fertigarzneimittel, die kein Nachzulassungsverfahren nach dem AMG durchlaufen haben, nicht sozialrechtlich verordnungsfähig seien. Nur wegen Besonderheiten aus dem Bereich der Frauenheilkunde sei das Landessozialgericht zu einer generell negativen Bewertung der Verordnungsfähigkeit gelangt.
LeukoNorm habe in der DDR das Zulassungsverfahren durchlaufen und sei dort ein gebräuchliches Medikament gewesen. Die Wirksamkeit und Arzneimittelsicherheit des Medikaments werde bis heute wissenschaftlich nicht infrage gestellt. Es habe auch in der Verordnungspraxis den Nachweis seiner Verordnungsfähigkeit erbracht. Diese ergebe sich jedenfalls aus der Besonderheit der einzelnen Behandlungsfälle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne ein Versicherter nicht auf eine Behandlungsmethode außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen werden, wenn keine schulmedizinische Behandlungsmethode für eine lebensbedrohlich verlaufende Krankheit vorliege. Eine Erforschung der einzelnen Krankheitsverläufe, die das Sozialgericht unterlassen habe und die er mit der Beschreibung in Anlage B1 glaubhaft mache, werde einen Versorgungsanspruch der behandelten Patienten ergeben. Schließlich habe er auch auf eine Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm vertrauen dürfen, da die beigeladenen Krankenkassen die Verordnungsfähigkeit in vorausgegangenen Verordnungsjahren nie in Frage gestellt hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Mai 2013 und den Beschluss des Beklagten vom 16. Dezember 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte wendet ein, es sei davon auszugehen, dass das Sozialgericht die beiden Verfahren stillschweigend verbunden habe. Selbst wenn man dies für unzulässig halte, läge kein wesentlicher Verfahrensmangel vor, da das Urteil auf dem fehlenden Verbindungsbeschluss nicht beruhen könne.
Auch in der Sache könne die Berufung keinen Erfolg habe. Jahrelange Anwendung eines Arzneimittels in der DDR und spätere "Anwendungsüberprüfungen" berechtigten noch nicht zur Verordnung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Prüfung der einzelnen Behandlungsfälle brauche nicht zu erfolgen, da sie nicht entscheidungserheblich seien. Die Voraussetzungen für einen zulässigen "Off-Label-Use" lägen nicht vor, da Leukonorm zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung wegen überhaupt keiner Krankheit verordnungsfähig gewesen sei. Der Kläger könne sich weder auf Vertrauensschutz noch auf den Grundsatz der Therapiefreiheit berufen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Prüfakte des Beklagten (Az.: P 20/08) Bezug genommen.
II.
Die Berufung wird, nachdem die Beteiligten auf die beabsichtigte Verfahrensweise hingewiesen wurden, durch Beschluss zurückgewiesen, da das Gericht sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der form- und fristgerecht erhobenen Berufung bestehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt ihrer Statthaftigkeit (§ 143 SGG). Es liegt insbesondere ein wirksames Urteil des Sozialgerichts über die Klage gegen den Arzneimittelregress betreffend das Jahr 2005 vor. An der Wirksamkeit des angefochtenen Urteils, die auf eine (zulässige) Berufung hin von Amts wegen zu prüfen ist (BSG, Urteil vom 23. Juni 1981 – 7 RAr 31/80, SozR 1500 § 136 Nr. 6), fehlt es u.a. dann, wenn sich dem Tenor einer Entscheidung auch unter ergänzender Heranziehung der Entscheidungsgründe nicht entnehmen lässt, welche Rechtsfolge das Gericht hat aussprechen wollen (vgl. BSG, a.a.O.). Ein solcher Sachverhalt ist nicht gegeben. Zwar begegnet es angesichts § 113 Abs. 1 SGG Bedenken, dass das Sozialgericht ohne vorherige Verbindung der Verfahren in einem – untechnisch gesprochen: gemeinsamen – Urteil (genauer: in einer einheitlichen Urteilsurkunde) über die vorliegende Klage sowie über die unter dem Aktenzeichen S 27 KA 10/10 verhandelte Klage entschieden hat (die gemeinsame Verhandlung ohne vorherige Verbindung ist hingegen als solche nicht zu beanstanden, vgl. zur vergleichbaren Situation im Zivilverfahren Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl. 2014, § 147 Rn. 12). Dies berührt allerdings die Wirksamkeit des Urteils nicht, denn dem dort enthaltenen Tenor (der auch mit dem in der Sitzung verkündeten identisch ist, vgl. die §§ 132 Abs. 1 Satz 2, 134 Abs. 3 Satz 1 SGG) ist zu entnehmen, dass das Sozialgericht die Klage gegen den Arzneimittelregress betreffend das Jahr 2005 abweisen wollte.
2. Wie das Sozialgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 16. Dezember 2009, mit dem gegen den Kläger ein Regress in Höhe von 59.587,83 Euro festgesetzt wurde.
a) Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur der Beschluss des Beklagten, nicht auch der des Prüfungsausschusses. In Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses. Dieser wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig (BSG, Urteil vom 19. Juni 1996 – 6 RKa 40/95, SozR 3-2500, § 106 Nr. 35; BSG, Urteil vom 14. Mai 1997 – 6 RKa 63/95, SozR 3-2500 § 106 Nr. 39).
b) Rechtsgrundlage des streitigen Arzneikostenregresses ist § 106 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 SGB V (hier in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2001, BGBl. I, 2190 – SGB V alter Fassung, a.F.). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder im Rahmen von Auffälligkeitsprüfungen und bzw. oder auf der Grundlage von Stichproben in Zufälligkeitsprüfungen geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 4 SGB V a.F. andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 44/06 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 17).
Die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung H. und die H. Krankenkassenverbände haben dazu die ab 1. Januar 2004 geltende Prüfungsvereinbarung vom 21. April 2005 geschlossen, die in § 17 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass auf Antrag unter anderem einer Krankenkasse oder ihres Verbandes auch geprüft wird, ob ein Arzt durch Verordnung insbesondere von Arzneimitteln, Heilmitteln, Hilfsmitteln oder Krankenhausbehandlung, durch Veranlassung von Auftragsleistungen oder bei der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Einzelfallprüfungen der Verordnungsweise (§ 17 Prüfungsvereinbarung) sind insbesondere dann sachgerecht – und ihre Auswahl als Prüfmethode daher rechtmäßig –, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 44/06 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 17; BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30).
Das Verfahren der Prüfung ist in § 106 Abs. 5 SGB V a.F. geregelt. Danach entscheiden die Prüfgremien, ob der Vertragsarzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Nach § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V a.F. sollen dabei gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Nach § 17 Abs. 7 der Prüfungsvereinbarung kann der Prüfungsausschuss einen Regress festsetzen, soweit er feststellt, dass der Arzt im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Die Höhe des Regresses richtet sich nach dem tatsächlich festgestellten oder dem geschätzten Mehraufwand (§ 17 Abs. 7 Satz 1 Prüfungsvereinbarung).
aa) Für die Prüfung, ob Arzneimittelverordnungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen haben, sind Arzneimittelrecht und Krankenversicherungsrecht gemeinsam zu betrachten:
Arzneimittel dürfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur verordnet werden, wenn sie vor seiner Anwendung anerkannt worden sind. Für Fertigarzneimittel richtet sich diese Anerkennung nach dem Arzneimittelrecht. Fertigarzneimittel sind nach § 4 Abs. 1 AMG Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Ein Fertigarzneimittel muss im Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG eine deutsche Arzneimittelzulassung oder eine europäische Arzneimittelzulassung erlangt haben. Für diese Anerkennung müssen – neben weiteren Voraussetzungen – Eignung und Unbedenklichkeit fundiert belegt sein; aus den zugrunde gelegten Studien muss sich eine Aussicht auf einen Behandlungserfolg und die Verträglichkeit der Nebenwirkungen und Risiken ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 2010 – B 6 KA 38/10 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 33, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 16).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, fehlt es an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist. Der Gesichtspunkt der Gewährleistung optimaler Arzneimittelsicherheit gebietet, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel im Sinne von § 1 AMG, d. h. die Einhaltung der Mindestsicherheits- und Qualitätsstandards, in einem dafür vorgesehenen fundierten Verfahren nachgewiesen worden sind. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht ergangen ist, weil das Zulassungsverfahren zwar eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen wurde (BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3).
Verfügt ein Arzneimittel aufgrund von Übergangs- oder Verfahrensrecht über einen arzneimittelrechtlichen Zulassungsstatus, aufgrund dessen es arzneimittelrechtlich vorläufig in den Verkehr gebracht werden darf, folgt hieraus noch nicht automatisch die krankenversicherungsrechtliche Verordnungsfähigkeit. Diese setzt nach den spezifischen Kriterien des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vielmehr voraus, dass sich die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit auf eine arzneimittelrechtliche fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Mittels im Sinne von § 1 AMG gründet und nicht allein auf arzneimittelrechtliches Übergangs- und Verfahrensrecht (BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, a.a.O.). Nicht alles, was arzneimittelrechtlich zulässig ist, führt zwingend auch zur krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht der Krankenkassen. Die Bindungswirkung von Entscheidungen aufgrund des Arzneimittelrechts bezieht sich allein auf die arzneimittelrechtliche Beurteilung der Rechtslage. Typischerweise werden krankenversicherungsrechtlich zusätzliche, über das Arzneimittelrecht hinausgehende Anspruchsvoraussetzungen für die Pflicht zur Leistungsgewährung aufgestellt. Die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit einer Arzneimittelanwendung stellt in diesem Sinne für die gesetzliche Krankenversicherung immer nur ein "Mindestsicherheits- und Qualitätserfordernis" dar und ist nur "negativ vorgreiflich", weil eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung auch die Verordnungsfähigkeit stets ausschließt. Entscheidungen nach dem AMG sind deshalb zwar auch im Rahmen des SGB V "zu berücksichtigen", aus ihnen lässt sich jedoch keine umfassende Bindung für das Krankenversicherungsrecht herleiten (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, a.a.O). Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln setzt deshalb nach dem SGB V mehr voraus als die bloße Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels nach dem Arzneimittelrecht. Insbesondere mit Rücksicht auf die einschränkenden Kriterien der § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V gilt, dass nicht alles, was arzneimittelrechtlich erlaubt und statthaft ist, auch zur Leistungspflicht unter dem Blickwinkel des Krankenversicherungsrechts führt (vgl. die gesetzlichen Leistungskonkretisierungen und - beschränkungen z. B. in § 2, § 12 Abs. 1, § 31, §§ 34 bis 35a, § 84 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 2 SGB V und die diese ausfüllenden untergesetzlichen Regelungen, wie etwa die Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses). Der Versorgungsanspruch eines Versicherten umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Hierzu genügt es nicht, dass die Arzneimitteltherapie bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll und ggf. herkömmlichen Arzneimitteln vorzuziehen sei. Zu Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels muss es vielmehr grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlung mit ihm in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Nur wenn im Arzneimittelzulassungsverfahren in ähnlicher Weise wie im Überprüfungsverfahren durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135 Abs. 1 SGB V für Behandlungsmethoden eine fundierte Prüfung des Arzneimittels auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit stattgefunden hat und somit die erfolgreiche Anwendung des Arzneimittels anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist und dementsprechend für das Arzneimittel die Zulassung einschließlich der darin enthaltenen Ausweisung der Anwendungsgebiete erteilt worden ist, ist es in diesem Umfang auch verordnungsfähig im Sinne des SGB V. Nur in solchen Fällen ist also mit der Zulassung und der damit gegebenen Verkehrsfähigkeit im Sinne des AMG zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben. Das Bundessozialgericht hat dies wiederholt zum Ausdruck gebracht und der Senat folgt dieser Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, a.a.O.; BSG, Urteil vom 5. November 2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21; BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 37/08 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 26).
Diese Restriktionen gelten gerade dann, wenn die Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels nur auf einer übergangsrechtlichen Position beruht, nach der es ohne hinreichend gesicherte Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit weiterhin in den Verkehr gebracht werden darf. Danach kann es für den Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln nach § 31 Abs. 1 SGB V nicht genügen, dass der arzneimittelrechtliche Status nur aus der Inanspruchnahme einer bloßen übergangsrechtlichen Position resultiert, ohne dass eine eingehende arzneimittelrechtliche Prüfung mit einem für den Hersteller positiven Ergebnis stattgefunden hat. Denn selbst arzneimittelrechtlich handelt es sich in dieser Situation nicht um einen gesicherten Status, sondern um einen unklaren, weil nicht endgültig behobenen zulassungsrechtlichen Schwebezustand. Hat eine arzneimittelrechtliche Prüfung nicht positiv ergeben, dass die Kriterien für eine Zulassung im Sinne von § 1 AMG vorliegen, so kann dieser Schwebezustand durch eine Entscheidung im Nachzulassungsverfahren jederzeit beseitigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, a.a.O). Stellt man in Rechnung, dass im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bereits zum Zeitpunkt der Behandlung zweifelsfrei geklärt sein muss, ob die erhofften Vorteile einer Therapie die möglicherweise zu befürchtenden Nachteile überwiegen, würde die Anerkennung der Leistungspflicht für im Nachzulassungsverfahren befindliche, aber dort im Leistungszeitpunkt nicht positiv beurteilte Alt-Arzneimittel darauf hinauslaufen, den Krankenkassen die Kosten einer grundsätzlich ausgeschlossenen Therapie aufzuerlegen. Das aber steht im Gegensatz zu Sinn und Zweck der Regelungen über die Wirtschaftlichkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 und § 12 SGB V und zum Wissenschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
Das Bundessozialgericht hat diese Sichtweise des Ineinandergreifens von arzneimittelrechtlichem Zulassungsrecht und krankenversicherungsrechtlichem Leistungsrecht zudem in ständiger Rechtsprechung nicht nur auf die leistungsrechtliche Seite beschränkt. Mit Blick auf das Leistungserbringungsrecht und im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Arzneimittelverordnungen und mit Arzneimittelregressen wegen unwirtschaftlicher Verordnung nach § 106 SGB V hat es vielmehr betont, ein strikter Zusammenhang zwischen arzneimittelrechtlicher Verkehrsfähigkeit und Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung habe niemals bestanden (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 5. November 2008 – B 6 KA 63/07 R, a.a.O.). Auch dieser Rechtsprechung folgt der Senat nach eigener Prüfung.
Wird das Arzneimittel trotz fehlender Verordnungsfähigkeit verordnet, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben und dem Vertragsarzt eine unwirtschaftliche Verordnungsweise anzulasten (BSG, Urteil vom 5. November 2008 – B 6 KA 63/07 R, a.a.O.).
bb) In Anwendung dieser Rechtsprechung ist die vorliegend streitige Einzelfallprüfung und der festgesetzte Arzneimittelregress wegen Unwirtschaftlichkeit nicht zu beanstanden. Der Kläger durfte LeukoNorm nicht zulasten der Beigeladenen zu 1 – 6 verordnen. Das Arzneimittel besaß nur eine fiktive Zulassung, hatte aber im Zeitpunkt der hier streitigen Verordnungen nicht das Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG mit der Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen. Da die Verordnungsfähigkeit nicht gegeben war, ist das Sozialgericht zu Recht von Unwirtschaftlichkeit ausgegangen. Das Sozialgericht hat sich zur Begründung weitgehend auf das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. März 2011 (L 1 KA 21/07, juris) bezogen. Dort hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Hamburg bereits entschieden, dass LeukoNorm nicht verordnungsfähig war und dass es bei einem deswegen festgesetzten Regress weder auf ein Verschulden noch auf ein Erkennenkönnen der fehlenden Verordnungsfähigkeit des Vertragsarztes ankommt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung an und weist ergänzend darauf hin, dass "Besonderheiten aus dem Bereich der Frauenheilkunde" in dem genannten Urteil des 1. Senats nicht dafür entscheidend waren, dass LeukoNorm nicht als verordnungsfähig angesehen wurde. Entscheidend ist vielmehr, dass die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels arzneimittelrechtlich lediglich fingiert wurde. Die in der DDR zugelassenen Arzneimittel galten nach § 2 Abs. 2 und Anlage 3 Kapitel II Nr. 1 § 4 Abs. 1 der Verordnung zur Überleitung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet als zugelassen. Die Fortdauer der Zulassung über den 30. Juni 1991 hinaus war nach § 4 Abs. 2 dieser Verordnung an einen Antrag auf Verlängerung der Zulassung geknüpft. Dieser Antrag wurde für LeukoNorm im Juni 1991 gestellt und im Dezember 2006 wegen fehlender Wirksamkeitsnachweise abgelehnt. Die Klage hiergegen blieb erfolglos. Eine Überprüfung wie im Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG hatte LeukoNorm im streitbefangenen Zeitraum nicht erfolgreich durchlaufen. Dass das Arzneimittel in der DDR zugelassen war, steht einer Zulassung nach dem AMG nicht gleich. Für die Verordnungsfähigkeit kommt es – wie oben ausführlich ausgeführt – darauf an, dass im Verfahren der Zulassung des Arzneimittels eine Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfolgt ist (vgl. BSG, Beschluss vom 28. August 2013 – B 6 KA 27/13 B- juris). Fehlt die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (vgl. BSG, Urteile vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 3/08 R, MedR 2010, 276-279; und vom 14. März 2001 – B 6 KA 19/00 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 52) und die Regressfestsetzung nicht zu beanstanden.
Auch die von dem Kläger erwartete "strenge Einzelfallprüfung" durch den Senat könnte demgegenüber nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Zunächst liegen die Voraussetzungen eines sogen. "Off-Label-Use" nicht vor (zu möglichen Ansprüchen von Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 5/09 R – SozR 4-2500 § 31 Nr. 15), denn der Kläger hat ein nicht zugelassenes Arzneimittel verordnet. Und um Indikationen von Ein-sätzen außerhalb der fiktiven Zulassung des Arzneimittels, an die man gegebenenfalls denken könnte, geht es im Streitfall auch nicht. Der Kläger will ja gerade von einer richtigen, indikationsbezogenen Verordnung ausgegangen sein (vgl. Anlage B1). Es liegt vielmehr ein Fehlschluss von der Verkehrsfähigkeit auf die Verordnungsfähigkeit vor. Und auch die Voraussetzungen, unter denen bei einer grundrechtsorientierten Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V ausnahmsweise ein Sachleistungsanspruch der mit LeukoNorm behandelten Patienten des Klägers bestanden haben könnte, liegen nicht vor. Dafür müsste nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorgelegen haben, eine andere Therapie nicht verfügbar ein (Alternativlosigkeit der konkreten Behandlung) und eine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25). Um lebensbedrohliche Erkrankungen im Sinne dieser Rechtsprechung ging es vorliegend bei den von dem Kläger aufgelisteten Einzelfällen von chronischen Müdigkeitssyndromen, Lyme-Krankheit (Infektion nach Zeckenbiss), Myopathie (Muskelleiden), Psoriasis (Schuppenflechte) aber nicht. Soweit der Kläger LeukoNorm zur Behandlung von Chorea Huntington eingesetzt hat, hat er lediglich behauptet, dass eine andere Therapie nicht verfügbar gewesen sei. Da jedoch zugelassene Arzneimittel zur Behandlung der Symptome dieser Erkrankung zur Verfügung stehen, ist weder ersichtlich noch dargetan, warum die Behandlung mit LeukoNorm alternativlos gewesen sein sollte.
Schließlich kommt es nicht darauf an, dass der Kläger möglicherweise auf eine Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm vertraute, weil diese zunächst nicht in Frage gestellt worden sei und der Kläger nach seinen Angaben der Fachinformation nicht habe entnehmen können, dass das Medikament nur fiktiv zugelassen war. Denn nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus (BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 37/08 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 26).
c) Da somit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 der Anlage 1 der Prüfungsvereinbarung vom 21. April 2005 vorlagen, war der Beklagte zur Regressfestsetzung berechtigt.
Eine vorherige Beratung des Klägers (vgl. § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V a.F.) war im Streitfall nicht erforderlich. Bei Fehlen der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels liegt ein sog. Basismangel vor, in dem eine vorgängige Beratung im Regelfall nicht erforderlich ist. Die Auferlegung nur einer Beratung statt der Festsetzung eines Regresses wäre hier keine ausreichende Sanktion. Die Prüfgremien dürfen im Falle einer widerrechtlichen und systemwidrigen Behandlungsweise dem Arzt nicht die Früchte daraus belassen. In Fällen des Fehlens der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels ist das Ermessen, das die Ermächtigung des § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V a.F. bei der Auswahl einräumt, reduziert. Die Prüfgremien müssen die im Vergleich zur bloßen Beratung belastendere Sanktion eines Regresses wählen und haben Ermessen nur noch bei der Festlegung der Höhe des Regresses (BSG, Urteil vom 8. Dezember 2010 – B 6 KA 38/10 B, SozR 4-2500 § 106 Nr. 33). Ermessensfehler bei der Festsetzung der Höhe des Regressbetrages sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Gegenüber der Höhe des festgesetzten Regresses, die den Nettokosten der streitbefangenen Verordnung entspricht, bestehen keine Bedenken.
3. Die Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig erklärt worden, weil diese jeweils keinen eigenen Antrag gestellt haben.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe vorliegt.
Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Hamburg am 16. Februar 2015 durch
beschlossen:
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses wegen der Verordnung des Medikaments LeukoNorm Cytochemia® (im Folgenden: LeukoNorm) für das Jahr 2005.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Infektiologie an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung teil. Das Arzneimittel LeukoNorm der Cytochemia AG war ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel in der Darreichungsform Trockensubstanz und Lösungsmittel. Es war ein verschreibungspflichtiges Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung (Auflösung in isotonischer Natriumchloridlösung), die intramuskulär zu injizieren war. Der Wirkstoff ist humanes Leukozyten-Ultrafiltrat, das aus den weißen Blutkörperchen gesunder Blutspender gewonnen wird. LeukoNorm wurde bei Erkrankungen der körpereigenen Abwehr als Immuntherapeutikum eingesetzt. Das Arzneimittel war in der DDR entwickelt und dort 1986 zugelassen worden und aufgrund dieser Zulassung dort verkehrsfähig. Aufgrund des Einigungsvertrages vom 3. Oktober 1990 in Verbindung mit § 2 Nr. 2 und Anlage 3 Kapitel II Nr. 1 § 4 Abs. 1 der Verordnung zur Überleitung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2915) galt es als sog. DDR-Altarzneimittel auch im Gebiet der alten Bundesrepublik als zugelassen (sog. fiktive Zulassung) und war bei Stellung eines Verlängerungsantrags verkehrsfähig. Ein Wirksamkeitsnachweis nach den Regeln des Arzneimittelgesetzes (AMG) liegt einer fiktiven Zulassung nicht zugrunde. Eine Arzneimittelzulassung nach §§ 21 und 25 AMG liegt mit ihr nicht vor. Erst mit der Verlängerung des Arzneimittels – vgl. § 4 Abs. 2 der oben genannten Verordnung und § 105 AMG – ist die Prüfung der Wirksamkeit nach dem AMG abgeschlossen und hat das Arzneimittel eine Zulassung nach dem geltenden AMG. Ein Antrag auf Verlängerung der – fiktiven – Zulassung (sog. Nachzulassung) war im Juni 1991 durch die Cytochemia AG gestellt worden. Durch Bescheid des P.-Instituts vom 22. Dezember 2006 ist die beantragte Nachzulassung abgelehnt worden, weil die Wirksamkeit des Arzneimittels in keiner der beantragten Indikationen in einer wissenschaftlich fundierten Weise nachgewiesen worden sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage des Herstellers hat das Verwaltungsgericht D. durch Urteil vom 16. Dezember 2010 abgewiesen.
Am 9. August 2007 leitete der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen in H. bzw. die Gemeinsame Prüfstelle der Ärzte und Krankenkassen in H. wegen Überschreitens des Richtgrößenvolumens für Arzneimittel Prüfungsverfahren gegen den Kläger ein.
Mit Beschluss vom 11. Dezember 2007 setzte der Prüfungsausschuss einen Regress in Höhe von 69.316 Euro für das Jahr 2005 fest. Dabei hatte er von der erklärungsbedürftigen Überschreitung der Richtgröße in Höhe von 215.921 Euro diejenigen Verordnungskosten, die sich durch Praxisbesonderheiten erklären ließen oder unklar waren, abgezogen. Vor allem Verordnungskosten für LeukoNorm (68.515 Euro) wurden dagegen nicht in Abzug gebracht, da es sich hierbei nicht um eine Standardtherapie immunsupprimierter Patienten gehandelt habe. Dagegen legte der Kläger am 8. Januar 2008 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass seine Praxisbesonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Die Verordnung von LeukoNorm habe in den beanstandeten Fällen dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entsprochen. Die Behandlung sei für jeden Patienten spezifisch erfolgt und stehe mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot in Einklang.
Mit am 4. Januar 2010 abgesandtem Beschluss vom 16. Dezember 2009 änderte der Beklagte den Beschluss des Prüfungsausschusses und setzte den Regressbetrag von 69.316 Euro auf 59.587,83 Euro herab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, anzuwenden sei der Abschnitt F 20.2 Arzneimittel-Richtlinie, die die Verordnung von Immunstimulantien nur unter eingeschränkten Voraussetzungen vorsehe. Das Arzneimittel LeukoNorm verdanke seine Verkehrsfähigkeit dem Übergangsrecht und sein Status sei nicht auf eine arzneimittelrechtliche Prüfung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit begründet gewesen, so dass die Verkehrsfähigkeit von LeukoNorm keinen Anspruch auf Versorgung mit diesem Mittel begründe. Der Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit einem Arzneimittel umfasse nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich seien und deren Qualität dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspreche. Dazu müsse es zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sei. Dies sei bei LeukoNorm nicht der Fall. Auch die fiktive Zulassung stehe unter dem Vorbehalt des Nachweises von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Solche Belege gebe es für LeukoNorm nicht. Daher sei ein Verordnungsanspruch nach § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht begründet worden, so dass der Arzt diese Leistung nicht bewirken und die Krankenkasse sie nicht bewilligen dürfe. Unter Berücksichtigung der im Behandlungsschein genannten Diagnosen von 13 Patienten, denen der Kläger im Jahr 2005 LeukoNorm verordnet hatte, rechtfertige sich ein Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise in einzelnen Behandlungsfällen. Von dem auf Brutto-Basis ermittelten Schadensbetrag in Höhe von 68.515,39 Euro sei ein Betrag in Höhe des prozentualen Anteils der gesetzlichen Zuzahlungen und Rabatte abzuziehen, so dass sich ein Netto-Schadensbetrag von 59.587,83 Euro ergebe.
Mit seiner am 22. Januar 2010 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2009 hat der Kläger geltend gemacht, die angebliche Unwirtschaftlichkeit erschöpfe sich lediglich in dem Hinweis auf die Unzulässigkeit der Verordnung von LeukoNorm. 2005 habe er LeukoNorm in 13 Fällen verordnet, das entspreche 0,5% seiner behandelten Fälle. In allen Fällen habe es sich um Erkrankungen gehandelt, bei denen LeukoNorm nach Ausschöpfung aller vorrangigen medikamentösen und nicht medikamentösen Maßnahmen zur Vermeidung einer Bedrohung für Leib und Leben eingesetzt worden sei. Das Arzneimittel sei zur Behandlung von Patienten mit sekundären Immundefekten und in deren Folge chronischer, rezidivierender Infektionen bakterieller, viraler und mykotischer Art sowie bei Fatigue-Syndrom unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Ultima Ratio und des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes verordnet worden. Der Beweis einer unwirtschaftlichen oder unzulässigen Verordnungsweise sei vom Beklagten nicht erbracht. Eine zur Feststellung eines Arzneimittelregresses im konkreten Fall notwendige Einzelfallprüfung sei vom Beklagten nicht durchgeführt worden.
Das Sozialgericht hat das vorliegende Verfahren S 27 KA 9/10 (betreffend 2005) mit dem Parallelverfahren S 27 KA 10/10 (betreffend 2006) am 29. Mai 2013 gemeinsam verhandelt, ohne die Verfahren durch Beschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden zu haben. Die Prozessanträge der Parteien beziehen sich auf beide Verfahren. Nach der in einer Urkunde unter beiden Aktenzeichen formulierten schriftlichen Urteilsformel hat das Sozialgericht "die Klagen abgewiesen".
Zur Begründung hat sich das Sozialgericht im Wesentlichen auf die Entscheidungen des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. März 2011 (L 1 KA 21 – 23/07) zur fehlenden Verordnungsfähigkeit von Leukonorm bezogen. Da das Arzneimittel im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verordnungen nicht das Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG mit der Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen und nur eine fiktive Zulassung besessen habe, habe es nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen. Weder habe eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten bestanden. Fehle es aber an der Verordnungsfähigkeit, sei Unwirtschaftlichkeit gegeben. Ob der Kläger dies hätte erkennen können, sei im Streitfall unbeachtlich, denn spätestens nachdem das Bundessozialgericht (BSG) seine im Urteil vom 23. Juli 1998 begründete Rechtsprechung zu den Arzneitherapien durch die Entscheidung vom 18. März 2000 (B 1 KR 11/98 R – Juris) bestätigt habe, habe kein Vertragsarzt mehr mit Blick auf die Arzneimittel-Richtlinie davon ausgehen können, dass LeukoNorm ohne Weiteres in der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei. Angesichts der vom Kläger genannten Diagnosen unter Auswertung der Behandlungsscheine sei eine Verordnung im Einzelfall entsprechend der Vorgaben des sogenannten Nikolaus-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) ebenfalls nicht möglich gewesen.
Gegen das am 19. Juni 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Juli 2013 Berufung eingelegt. Dieser sei schon deshalb stattzugeben, weil das Sozialgericht wegen der fehlenden Verbindung der gemeinsam verhandelten und entschiedenen Verfahren über keines dieser Verfahren "rechtmäßig entschieden" habe. Das Urteil könne auch inhaltlich keinen Bestand haben, da nicht alle verkehrsfähigen Fertigarzneimittel, die kein Nachzulassungsverfahren nach dem AMG durchlaufen haben, nicht sozialrechtlich verordnungsfähig seien. Nur wegen Besonderheiten aus dem Bereich der Frauenheilkunde sei das Landessozialgericht zu einer generell negativen Bewertung der Verordnungsfähigkeit gelangt.
LeukoNorm habe in der DDR das Zulassungsverfahren durchlaufen und sei dort ein gebräuchliches Medikament gewesen. Die Wirksamkeit und Arzneimittelsicherheit des Medikaments werde bis heute wissenschaftlich nicht infrage gestellt. Es habe auch in der Verordnungspraxis den Nachweis seiner Verordnungsfähigkeit erbracht. Diese ergebe sich jedenfalls aus der Besonderheit der einzelnen Behandlungsfälle. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne ein Versicherter nicht auf eine Behandlungsmethode außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen werden, wenn keine schulmedizinische Behandlungsmethode für eine lebensbedrohlich verlaufende Krankheit vorliege. Eine Erforschung der einzelnen Krankheitsverläufe, die das Sozialgericht unterlassen habe und die er mit der Beschreibung in Anlage B1 glaubhaft mache, werde einen Versorgungsanspruch der behandelten Patienten ergeben. Schließlich habe er auch auf eine Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm vertrauen dürfen, da die beigeladenen Krankenkassen die Verordnungsfähigkeit in vorausgegangenen Verordnungsjahren nie in Frage gestellt hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Mai 2013 und den Beschluss des Beklagten vom 16. Dezember 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte wendet ein, es sei davon auszugehen, dass das Sozialgericht die beiden Verfahren stillschweigend verbunden habe. Selbst wenn man dies für unzulässig halte, läge kein wesentlicher Verfahrensmangel vor, da das Urteil auf dem fehlenden Verbindungsbeschluss nicht beruhen könne.
Auch in der Sache könne die Berufung keinen Erfolg habe. Jahrelange Anwendung eines Arzneimittels in der DDR und spätere "Anwendungsüberprüfungen" berechtigten noch nicht zur Verordnung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Prüfung der einzelnen Behandlungsfälle brauche nicht zu erfolgen, da sie nicht entscheidungserheblich seien. Die Voraussetzungen für einen zulässigen "Off-Label-Use" lägen nicht vor, da Leukonorm zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung wegen überhaupt keiner Krankheit verordnungsfähig gewesen sei. Der Kläger könne sich weder auf Vertrauensschutz noch auf den Grundsatz der Therapiefreiheit berufen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Prüfakte des Beklagten (Az.: P 20/08) Bezug genommen.
II.
Die Berufung wird, nachdem die Beteiligten auf die beabsichtigte Verfahrensweise hingewiesen wurden, durch Beschluss zurückgewiesen, da das Gericht sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der form- und fristgerecht erhobenen Berufung bestehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt ihrer Statthaftigkeit (§ 143 SGG). Es liegt insbesondere ein wirksames Urteil des Sozialgerichts über die Klage gegen den Arzneimittelregress betreffend das Jahr 2005 vor. An der Wirksamkeit des angefochtenen Urteils, die auf eine (zulässige) Berufung hin von Amts wegen zu prüfen ist (BSG, Urteil vom 23. Juni 1981 – 7 RAr 31/80, SozR 1500 § 136 Nr. 6), fehlt es u.a. dann, wenn sich dem Tenor einer Entscheidung auch unter ergänzender Heranziehung der Entscheidungsgründe nicht entnehmen lässt, welche Rechtsfolge das Gericht hat aussprechen wollen (vgl. BSG, a.a.O.). Ein solcher Sachverhalt ist nicht gegeben. Zwar begegnet es angesichts § 113 Abs. 1 SGG Bedenken, dass das Sozialgericht ohne vorherige Verbindung der Verfahren in einem – untechnisch gesprochen: gemeinsamen – Urteil (genauer: in einer einheitlichen Urteilsurkunde) über die vorliegende Klage sowie über die unter dem Aktenzeichen S 27 KA 10/10 verhandelte Klage entschieden hat (die gemeinsame Verhandlung ohne vorherige Verbindung ist hingegen als solche nicht zu beanstanden, vgl. zur vergleichbaren Situation im Zivilverfahren Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl. 2014, § 147 Rn. 12). Dies berührt allerdings die Wirksamkeit des Urteils nicht, denn dem dort enthaltenen Tenor (der auch mit dem in der Sitzung verkündeten identisch ist, vgl. die §§ 132 Abs. 1 Satz 2, 134 Abs. 3 Satz 1 SGG) ist zu entnehmen, dass das Sozialgericht die Klage gegen den Arzneimittelregress betreffend das Jahr 2005 abweisen wollte.
2. Wie das Sozialgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 16. Dezember 2009, mit dem gegen den Kläger ein Regress in Höhe von 59.587,83 Euro festgesetzt wurde.
a) Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur der Beschluss des Beklagten, nicht auch der des Prüfungsausschusses. In Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses. Dieser wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig (BSG, Urteil vom 19. Juni 1996 – 6 RKa 40/95, SozR 3-2500, § 106 Nr. 35; BSG, Urteil vom 14. Mai 1997 – 6 RKa 63/95, SozR 3-2500 § 106 Nr. 39).
b) Rechtsgrundlage des streitigen Arzneikostenregresses ist § 106 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 SGB V (hier in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2001, BGBl. I, 2190 – SGB V alter Fassung, a.F.). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder im Rahmen von Auffälligkeitsprüfungen und bzw. oder auf der Grundlage von Stichproben in Zufälligkeitsprüfungen geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 4 SGB V a.F. andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 44/06 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 17).
Die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung H. und die H. Krankenkassenverbände haben dazu die ab 1. Januar 2004 geltende Prüfungsvereinbarung vom 21. April 2005 geschlossen, die in § 17 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass auf Antrag unter anderem einer Krankenkasse oder ihres Verbandes auch geprüft wird, ob ein Arzt durch Verordnung insbesondere von Arzneimitteln, Heilmitteln, Hilfsmitteln oder Krankenhausbehandlung, durch Veranlassung von Auftragsleistungen oder bei der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Einzelfallprüfungen der Verordnungsweise (§ 17 Prüfungsvereinbarung) sind insbesondere dann sachgerecht – und ihre Auswahl als Prüfmethode daher rechtmäßig –, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 44/06 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 17; BSG, Urteil vom 13. Oktober 2010 – B 6 KA 48/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 30).
Das Verfahren der Prüfung ist in § 106 Abs. 5 SGB V a.F. geregelt. Danach entscheiden die Prüfgremien, ob der Vertragsarzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Nach § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V a.F. sollen dabei gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Nach § 17 Abs. 7 der Prüfungsvereinbarung kann der Prüfungsausschuss einen Regress festsetzen, soweit er feststellt, dass der Arzt im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen hat. Die Höhe des Regresses richtet sich nach dem tatsächlich festgestellten oder dem geschätzten Mehraufwand (§ 17 Abs. 7 Satz 1 Prüfungsvereinbarung).
aa) Für die Prüfung, ob Arzneimittelverordnungen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder Verordnungsausschlussregelungen verstoßen haben, sind Arzneimittelrecht und Krankenversicherungsrecht gemeinsam zu betrachten:
Arzneimittel dürfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur verordnet werden, wenn sie vor seiner Anwendung anerkannt worden sind. Für Fertigarzneimittel richtet sich diese Anerkennung nach dem Arzneimittelrecht. Fertigarzneimittel sind nach § 4 Abs. 1 AMG Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Ein Fertigarzneimittel muss im Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG eine deutsche Arzneimittelzulassung oder eine europäische Arzneimittelzulassung erlangt haben. Für diese Anerkennung müssen – neben weiteren Voraussetzungen – Eignung und Unbedenklichkeit fundiert belegt sein; aus den zugrunde gelegten Studien muss sich eine Aussicht auf einen Behandlungserfolg und die Verträglichkeit der Nebenwirkungen und Risiken ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 2010 – B 6 KA 38/10 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 33, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 15/07 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 16).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, fehlt es an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist. Der Gesichtspunkt der Gewährleistung optimaler Arzneimittelsicherheit gebietet, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel im Sinne von § 1 AMG, d. h. die Einhaltung der Mindestsicherheits- und Qualitätsstandards, in einem dafür vorgesehenen fundierten Verfahren nachgewiesen worden sind. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht ergangen ist, weil das Zulassungsverfahren zwar eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen wurde (BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3).
Verfügt ein Arzneimittel aufgrund von Übergangs- oder Verfahrensrecht über einen arzneimittelrechtlichen Zulassungsstatus, aufgrund dessen es arzneimittelrechtlich vorläufig in den Verkehr gebracht werden darf, folgt hieraus noch nicht automatisch die krankenversicherungsrechtliche Verordnungsfähigkeit. Diese setzt nach den spezifischen Kriterien des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vielmehr voraus, dass sich die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit auf eine arzneimittelrechtliche fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Mittels im Sinne von § 1 AMG gründet und nicht allein auf arzneimittelrechtliches Übergangs- und Verfahrensrecht (BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, a.a.O.). Nicht alles, was arzneimittelrechtlich zulässig ist, führt zwingend auch zur krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht der Krankenkassen. Die Bindungswirkung von Entscheidungen aufgrund des Arzneimittelrechts bezieht sich allein auf die arzneimittelrechtliche Beurteilung der Rechtslage. Typischerweise werden krankenversicherungsrechtlich zusätzliche, über das Arzneimittelrecht hinausgehende Anspruchsvoraussetzungen für die Pflicht zur Leistungsgewährung aufgestellt. Die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit einer Arzneimittelanwendung stellt in diesem Sinne für die gesetzliche Krankenversicherung immer nur ein "Mindestsicherheits- und Qualitätserfordernis" dar und ist nur "negativ vorgreiflich", weil eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung auch die Verordnungsfähigkeit stets ausschließt. Entscheidungen nach dem AMG sind deshalb zwar auch im Rahmen des SGB V "zu berücksichtigen", aus ihnen lässt sich jedoch keine umfassende Bindung für das Krankenversicherungsrecht herleiten (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, a.a.O). Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln setzt deshalb nach dem SGB V mehr voraus als die bloße Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels nach dem Arzneimittelrecht. Insbesondere mit Rücksicht auf die einschränkenden Kriterien der § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V gilt, dass nicht alles, was arzneimittelrechtlich erlaubt und statthaft ist, auch zur Leistungspflicht unter dem Blickwinkel des Krankenversicherungsrechts führt (vgl. die gesetzlichen Leistungskonkretisierungen und - beschränkungen z. B. in § 2, § 12 Abs. 1, § 31, §§ 34 bis 35a, § 84 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 2 SGB V und die diese ausfüllenden untergesetzlichen Regelungen, wie etwa die Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses). Der Versorgungsanspruch eines Versicherten umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Hierzu genügt es nicht, dass die Arzneimitteltherapie bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv gewirkt haben soll und ggf. herkömmlichen Arzneimitteln vorzuziehen sei. Zu Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels muss es vielmehr grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlung mit ihm in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Nur wenn im Arzneimittelzulassungsverfahren in ähnlicher Weise wie im Überprüfungsverfahren durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135 Abs. 1 SGB V für Behandlungsmethoden eine fundierte Prüfung des Arzneimittels auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit stattgefunden hat und somit die erfolgreiche Anwendung des Arzneimittels anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist und dementsprechend für das Arzneimittel die Zulassung einschließlich der darin enthaltenen Ausweisung der Anwendungsgebiete erteilt worden ist, ist es in diesem Umfang auch verordnungsfähig im Sinne des SGB V. Nur in solchen Fällen ist also mit der Zulassung und der damit gegebenen Verkehrsfähigkeit im Sinne des AMG zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben. Das Bundessozialgericht hat dies wiederholt zum Ausdruck gebracht und der Senat folgt dieser Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, a.a.O.; BSG, Urteil vom 5. November 2008 – B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21; BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 37/08 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 26).
Diese Restriktionen gelten gerade dann, wenn die Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels nur auf einer übergangsrechtlichen Position beruht, nach der es ohne hinreichend gesicherte Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit weiterhin in den Verkehr gebracht werden darf. Danach kann es für den Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln nach § 31 Abs. 1 SGB V nicht genügen, dass der arzneimittelrechtliche Status nur aus der Inanspruchnahme einer bloßen übergangsrechtlichen Position resultiert, ohne dass eine eingehende arzneimittelrechtliche Prüfung mit einem für den Hersteller positiven Ergebnis stattgefunden hat. Denn selbst arzneimittelrechtlich handelt es sich in dieser Situation nicht um einen gesicherten Status, sondern um einen unklaren, weil nicht endgültig behobenen zulassungsrechtlichen Schwebezustand. Hat eine arzneimittelrechtliche Prüfung nicht positiv ergeben, dass die Kriterien für eine Zulassung im Sinne von § 1 AMG vorliegen, so kann dieser Schwebezustand durch eine Entscheidung im Nachzulassungsverfahren jederzeit beseitigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R, a.a.O). Stellt man in Rechnung, dass im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bereits zum Zeitpunkt der Behandlung zweifelsfrei geklärt sein muss, ob die erhofften Vorteile einer Therapie die möglicherweise zu befürchtenden Nachteile überwiegen, würde die Anerkennung der Leistungspflicht für im Nachzulassungsverfahren befindliche, aber dort im Leistungszeitpunkt nicht positiv beurteilte Alt-Arzneimittel darauf hinauslaufen, den Krankenkassen die Kosten einer grundsätzlich ausgeschlossenen Therapie aufzuerlegen. Das aber steht im Gegensatz zu Sinn und Zweck der Regelungen über die Wirtschaftlichkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 und § 12 SGB V und zum Wissenschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
Das Bundessozialgericht hat diese Sichtweise des Ineinandergreifens von arzneimittelrechtlichem Zulassungsrecht und krankenversicherungsrechtlichem Leistungsrecht zudem in ständiger Rechtsprechung nicht nur auf die leistungsrechtliche Seite beschränkt. Mit Blick auf das Leistungserbringungsrecht und im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Arzneimittelverordnungen und mit Arzneimittelregressen wegen unwirtschaftlicher Verordnung nach § 106 SGB V hat es vielmehr betont, ein strikter Zusammenhang zwischen arzneimittelrechtlicher Verkehrsfähigkeit und Verordnungsfähigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung habe niemals bestanden (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 5. November 2008 – B 6 KA 63/07 R, a.a.O.). Auch dieser Rechtsprechung folgt der Senat nach eigener Prüfung.
Wird das Arzneimittel trotz fehlender Verordnungsfähigkeit verordnet, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben und dem Vertragsarzt eine unwirtschaftliche Verordnungsweise anzulasten (BSG, Urteil vom 5. November 2008 – B 6 KA 63/07 R, a.a.O.).
bb) In Anwendung dieser Rechtsprechung ist die vorliegend streitige Einzelfallprüfung und der festgesetzte Arzneimittelregress wegen Unwirtschaftlichkeit nicht zu beanstanden. Der Kläger durfte LeukoNorm nicht zulasten der Beigeladenen zu 1 – 6 verordnen. Das Arzneimittel besaß nur eine fiktive Zulassung, hatte aber im Zeitpunkt der hier streitigen Verordnungen nicht das Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG mit der Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen. Da die Verordnungsfähigkeit nicht gegeben war, ist das Sozialgericht zu Recht von Unwirtschaftlichkeit ausgegangen. Das Sozialgericht hat sich zur Begründung weitgehend auf das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. März 2011 (L 1 KA 21/07, juris) bezogen. Dort hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Hamburg bereits entschieden, dass LeukoNorm nicht verordnungsfähig war und dass es bei einem deswegen festgesetzten Regress weder auf ein Verschulden noch auf ein Erkennenkönnen der fehlenden Verordnungsfähigkeit des Vertragsarztes ankommt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung an und weist ergänzend darauf hin, dass "Besonderheiten aus dem Bereich der Frauenheilkunde" in dem genannten Urteil des 1. Senats nicht dafür entscheidend waren, dass LeukoNorm nicht als verordnungsfähig angesehen wurde. Entscheidend ist vielmehr, dass die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels arzneimittelrechtlich lediglich fingiert wurde. Die in der DDR zugelassenen Arzneimittel galten nach § 2 Abs. 2 und Anlage 3 Kapitel II Nr. 1 § 4 Abs. 1 der Verordnung zur Überleitung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet als zugelassen. Die Fortdauer der Zulassung über den 30. Juni 1991 hinaus war nach § 4 Abs. 2 dieser Verordnung an einen Antrag auf Verlängerung der Zulassung geknüpft. Dieser Antrag wurde für LeukoNorm im Juni 1991 gestellt und im Dezember 2006 wegen fehlender Wirksamkeitsnachweise abgelehnt. Die Klage hiergegen blieb erfolglos. Eine Überprüfung wie im Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem AMG hatte LeukoNorm im streitbefangenen Zeitraum nicht erfolgreich durchlaufen. Dass das Arzneimittel in der DDR zugelassen war, steht einer Zulassung nach dem AMG nicht gleich. Für die Verordnungsfähigkeit kommt es – wie oben ausführlich ausgeführt – darauf an, dass im Verfahren der Zulassung des Arzneimittels eine Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfolgt ist (vgl. BSG, Beschluss vom 28. August 2013 – B 6 KA 27/13 B- juris). Fehlt die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (vgl. BSG, Urteile vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 3/08 R, MedR 2010, 276-279; und vom 14. März 2001 – B 6 KA 19/00 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 52) und die Regressfestsetzung nicht zu beanstanden.
Auch die von dem Kläger erwartete "strenge Einzelfallprüfung" durch den Senat könnte demgegenüber nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Zunächst liegen die Voraussetzungen eines sogen. "Off-Label-Use" nicht vor (zu möglichen Ansprüchen von Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 5/09 R – SozR 4-2500 § 31 Nr. 15), denn der Kläger hat ein nicht zugelassenes Arzneimittel verordnet. Und um Indikationen von Ein-sätzen außerhalb der fiktiven Zulassung des Arzneimittels, an die man gegebenenfalls denken könnte, geht es im Streitfall auch nicht. Der Kläger will ja gerade von einer richtigen, indikationsbezogenen Verordnung ausgegangen sein (vgl. Anlage B1). Es liegt vielmehr ein Fehlschluss von der Verkehrsfähigkeit auf die Verordnungsfähigkeit vor. Und auch die Voraussetzungen, unter denen bei einer grundrechtsorientierten Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V ausnahmsweise ein Sachleistungsanspruch der mit LeukoNorm behandelten Patienten des Klägers bestanden haben könnte, liegen nicht vor. Dafür müsste nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorgelegen haben, eine andere Therapie nicht verfügbar ein (Alternativlosigkeit der konkreten Behandlung) und eine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25). Um lebensbedrohliche Erkrankungen im Sinne dieser Rechtsprechung ging es vorliegend bei den von dem Kläger aufgelisteten Einzelfällen von chronischen Müdigkeitssyndromen, Lyme-Krankheit (Infektion nach Zeckenbiss), Myopathie (Muskelleiden), Psoriasis (Schuppenflechte) aber nicht. Soweit der Kläger LeukoNorm zur Behandlung von Chorea Huntington eingesetzt hat, hat er lediglich behauptet, dass eine andere Therapie nicht verfügbar gewesen sei. Da jedoch zugelassene Arzneimittel zur Behandlung der Symptome dieser Erkrankung zur Verfügung stehen, ist weder ersichtlich noch dargetan, warum die Behandlung mit LeukoNorm alternativlos gewesen sein sollte.
Schließlich kommt es nicht darauf an, dass der Kläger möglicherweise auf eine Verordnungsfähigkeit von LeukoNorm vertraute, weil diese zunächst nicht in Frage gestellt worden sei und der Kläger nach seinen Angaben der Fachinformation nicht habe entnehmen können, dass das Medikament nur fiktiv zugelassen war. Denn nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus (BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 37/08 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 26).
c) Da somit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 der Anlage 1 der Prüfungsvereinbarung vom 21. April 2005 vorlagen, war der Beklagte zur Regressfestsetzung berechtigt.
Eine vorherige Beratung des Klägers (vgl. § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V a.F.) war im Streitfall nicht erforderlich. Bei Fehlen der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels liegt ein sog. Basismangel vor, in dem eine vorgängige Beratung im Regelfall nicht erforderlich ist. Die Auferlegung nur einer Beratung statt der Festsetzung eines Regresses wäre hier keine ausreichende Sanktion. Die Prüfgremien dürfen im Falle einer widerrechtlichen und systemwidrigen Behandlungsweise dem Arzt nicht die Früchte daraus belassen. In Fällen des Fehlens der Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels ist das Ermessen, das die Ermächtigung des § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V a.F. bei der Auswahl einräumt, reduziert. Die Prüfgremien müssen die im Vergleich zur bloßen Beratung belastendere Sanktion eines Regresses wählen und haben Ermessen nur noch bei der Festlegung der Höhe des Regresses (BSG, Urteil vom 8. Dezember 2010 – B 6 KA 38/10 B, SozR 4-2500 § 106 Nr. 33). Ermessensfehler bei der Festsetzung der Höhe des Regressbetrages sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Gegenüber der Höhe des festgesetzten Regresses, die den Nettokosten der streitbefangenen Verordnung entspricht, bestehen keine Bedenken.
3. Die Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig erklärt worden, weil diese jeweils keinen eigenen Antrag gestellt haben.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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HAM
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