Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 101/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 27/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Anspruch auf Gründungszuschuss.
Der xxxxx geborene Kläger ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann und ausgebildeter Bühnendarsteller. Bis Dezember 2013 war er als Teamleiter beim Unternehmen E. beschäftigt. Nach dessen Arbeitslosmeldung bewilligte die Beklagte ihm antragsgemäß mit Bescheid vom 4. März 2014 Arbeitslosengeld ab 8. Januar 2014 für 360 Tage.
Am 23. September 2014 ging der bereits mündlich am 1. August 2014 gestellte Antrag auf einen Gründungszuschuss für die nach eigenen Angaben ab 7. August 2014 aufgenommene selbstständige hauptberufliche Tätigkeit als Handelsvertreter für die Firma V. bei der Beklagten ein. Beigefügt waren die Stellungnahme der Handelskammer H. als fachkundige Stelle vom 22. September 2014, eine Gewerbeanmeldung vom 11. August 2014 zum 7. August 2014, ein Handelsvertretervertrag zwischen dem Kläger und der Firma V. vom 21. August 2014 mit Wirkung ab 15. September 2014, die Teilnahmebescheinigung an einem Coaching durch die Wirtschaftsberatung vom 14. Oktober 2013 sowie ein Businessplan vom 8. September 2014, aus dem unter anderem auch hervorging, dass in Vorbereitung auf die spätere Tätigkeit noch ein 3-monatiges Fachseminar bei der Firma V. mit abschließender Prüfung zum Fachberater für Elektroartikel absolviert würde.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Januar 2015 ab. Es fehle an einem Nachweis über die Aufnahme der Tätigkeit am 7. August 2014. Die Aufnahme sei laut Handelsvertretervertrag erst zum 15. September 2014 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe kein Restanspruch auf Arbeitslosengeld im Umfang von mindestens 150 Tagen mehr bestanden. Im Übrigen fehle es an dem Nachweis des Besuchs des Fachseminars und der Prüfung zum Fachberater Elektroartikel, sodass das Vorliegen der unternehmerischen Eignung zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit nicht festgestellt werden könne.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 21. Januar 2015 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2015 zurück.
Nachdem der Kläger – letztendlich erfolglos (ablehnender Beschluss des Sozialgerichts vom 11. März 2015 – S 14 AL 62/15 ER –, die Beschwerde zurückweisender Beschluss des erkennenden Senats vom 29. April 2015 – L 2 AL 14/15 B ER –) – um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht hatte, hat er am 16. Februar 2015 zwecks Gewährung eines Gründungszuschusses Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Vorbereitungshandlungen ausreichten, hier also die Gewerbeanmeldung zum 7. August 2014, dem Zeitpunkt, ab dem auch das Finanzamt von einer Steuerpflicht ausgehe. Im Zeitraum vom 7. August bis 15. September 2014 habe er auch bereits einen Außendienstmitarbeiter der Firma V. bei Kundenbesuchen begleitet. Die begleitende produktspezifische Weiterbildung sei keine Voraussetzung für die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit. Im Übrigen handele die Beklagte willkürlich und widersprüchlich, wenn sie im Gründungszuschussverfahren die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit am 7. August 2014 negiere, eine solche jedoch im parallel betriebenen Verfahren über die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung ab 7. August 2014 unterstelle (vom Kläger nicht angegriffener Aufhebungsbescheid vom 23. September 2014, erfolglose Klage gegen den nachfolgenden Erstattungsbescheid über 762 Euro, rechtskräftiger abweisender Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2016 – S 14 AL 100/15 –).
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2016 abgewiesen und zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Entscheidend sei allein, dass die selbstständige Tätigkeit erst mit Vertragsschluss mit der Firma V. am 15. September 2014 aufgenommen worden sei und zu diesem Zeitpunkt kein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für 150 Tage mehr bestanden habe. Eine Vorverlegung des Beginns der selbstständigen Tätigkeit auf den 7. August 2014, weil an diesem Tag noch der erforderliche Restanspruch auf Arbeitslosengeld bestanden habe, komme nicht in Betracht. Die Gewerbeanmeldung als Vorbereitungshandlung sei erst am 11. August 2014 erfolgt und habe damit auch erst ab diesem Tag Rechtswirkung nach außen erzielen können. Die Begleitung des Außendienstmitarbeiters der Firma V. bei Kundenbesuchen entfalte keine Rechtswirkung nach außen. Auf alles Weitere komme es nicht an.
Gegen diesen ihm am 19. Februar 2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 17. März 2016 eingelegte Berufung des Klägers.
Er hält die Vorverlegung des Beginns der selbstständigen Tätigkeit auf den 7. August 2014 für angezeigt, weil er, obwohl vor Ort, an jenem wie am Folgetag wegen personeller Engpässe und daraus resultierender Schließung beim zuständigen Bezirksamt die geplante Gewerbeanmeldung nicht habe vornehmen können. Der Kläger hat eine entsprechende Bestätigung des Bezirksamts vom 11. August 2014 zur Akte gereicht. Ihm sei Vertrauensschutz zuzubilligen und dies im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Die Beklagte habe sich widersprüchlich verhalten (venire contra factum proprium), indem sie einerseits den Gründungszuschuss ab 7. August 2014 abgelehnt habe, andererseits im Rahmen der Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung jedoch von der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ab demselben Tag ausgegangen sei. Außerdem habe sie in Person der Mitarbeiterin M. in der von ihm vorgelegten E-Mail vom 22. Dezember 2014 die Gewährung eines Gründungszuschusses für den Fall in Aussicht gestellt, dass er das Datum des Beginns der Selbstständigkeit auf den 15. September 2014 ändere und auf die Gewährung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 7. August bis 14. September 2014 verzichte, so dass er zum Aufnahmezeitpunkt noch über einen Restanspruch von 150 Tagen verfüge. Mit der inzwischen bestandskräftigen Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung ab 7. August 2014 sei eben diese Situation eingetreten. Klarstellend betont der Kläger, dass das von ihm bereits im Businessplan erwähnte 3-monatige Fachseminar tätigkeitsbegleitend stattgefunden habe. Er selbst habe nach dem 15. September 2014 für etwa 3 bis 4 Tage ein auswärtiges Seminar besucht und im Übrigen einmal wöchentlich an internen Schulungen teilgenommen. Nach Ablauf von etwa 3 Monaten würden Teilnehmer dann zur Prüfung aufgefordert. Während der gesamten Zeit sei er ebenso wie andere auch jedoch schon als selbstständiger Handelsvertreter unterwegs gewesen und habe auch Provisionen erzielen können. Da ihm am Anfang ein Auto gefehlt habe, das er mit dem Gründungszuschuss habe finanzieren wollen, habe ihn in den ersten 6 Wochen ein Kollege mitgenommen, im Anschluss habe er sich von der Familie und Freunden verschiedene Autos geliehen. Die Firma V. sehe die Seminarausbildung und die anschließende Prüfung als Qualitätssiegel an und wolle deshalb, dass diese nach Aufnahme der Tätigkeit noch abgelegt werde. Für den Fall des endgültigen Nichtbestehens komme eine Kündigung des Handelsvertretervertrages in Betracht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Februar 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 7. August 2014 bis 28. Februar 2015, hilfsweise vom 15. September 2014 bis 28. Februar 2015, einen Gründungszuschuss zu gewähren, hilfsweise, seinen diesbezüglichen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für richtig und nimmt hierauf sowie auf ihre Bescheide Bezug.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschriften vom 1. und 29. Juni 2016 sowie den weiteren Inhalt der darin aufgeführten beigezogenen Akten und Unterlagen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), nachdem er mit Beschluss vom 2. Juni 2016 den Beschluss vom 11. April 2016, mit dem er die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen hatte, aufgehoben und die Berufung dem Senat zurückübertragen hat.
Eine solche Rückübertragung ist möglich, auch wenn es im SGG selbst keine Rechtsgrundlage dafür gibt (a.A. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 153 Rn. 25a m.w.N.). Sowohl die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im dortigen § 6 Abs. 3 als auch die Zivilprozessordnung (ZPO) im dortigen § 526 Abs. 2 sehen eine Rückübertragung vom Einzelrichter auf den Spruchkörper vor. Auch wenn beide Verfahrensordnungen eine dem "kleinen Senat" im Sinne des § 153 Abs. 5 SGG vergleichbare Gerichtsbesetzung nicht kennen und der für das Gericht nicht bindend durch die Beteiligten konsentierte "Einzelrichter" im Sinne des § 155 Abs. 3 und 4 SGG mit demjenigen der VwGO und ZPO nicht vergleichbar ist, ist eine entsprechende Anwendung der Vorschriften auch im sozialgerichtlichen Verfahren sachgerecht und angezeigt. Sie ermöglichen es, nach einer rückblickend zu Unrecht erfolgten Übertragung eine Entscheidung in der Hauptsache durch den gesetzlichen Richter zu ermöglichen. Es wäre nicht prozessökonomisch, zunächst sehenden Auges den nicht gesetzlich vorgesehenen Richter befinden zu lassen, um gegebenenfalls nach einer Zurückverweisung durch das Revisionsgericht die Sache erneut in der eigentlich gesetzlich vorgesehenen Besetzung entscheiden zu müssen. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist die "kleine Senatsbesetzung" wegen des dafür erforderlichen Übertragungsbeschlusses mit dem Einzelrichter nach der VwGO und der ZPO vergleichbar, und der vorgenannte Zweck der gesetzlichen Regelungen über die Rückübertragung gilt hier genauso. Der erkennende Senat hält das Schweigen des SGG in diesem Punkt nicht für beredt (a.A. Keller, a.a.O.), sondern hält die die Regelungslücke für unbewusst. Schließlich handelt es sich bei § 153 Abs. 5 SGG um eine relativ junge Regelung, die erst mit Wirkung ab 1. April 2008 im Rahmen eines größeren Reformgesetzes eingefügt worden ist (SGGArbGGÄndG vom 26. März 2008, BGBl. I S. 444), sodass mangels anderer Anhaltspunkte in der Gesetzesbegründung zwanglos davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber entweder den Regelungsbedarf nicht bedacht hat oder irrtümlich davon ausgegangen ist, dass über § 202 SGG die unmittelbare Anwendbarkeit der ZPO-Regelung zur Rückübertragung gewährleistet sei.
Über § 202 Satz 1 SGG liegt die entsprechende Anwendung des § 526 Abs. 2 ZPO nahe, wonach – anders als nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO – der ursprünglich die Übertragung beschließende Spruchkörper auch für die Rückübertragung zuständig ist (und nicht der Einzelrichter selbst, was die Gefahr beinhaltet, dass dem Spruchkörper gegen dessen Willen bindend Sachen zur Entscheidung zurücküberwiesen werden, die nach dessen Überzeugung die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Übertragung erfüllen).
Vorliegend hat sich nach weiterem Vortrag der Beteiligten herauskristallisiert, dass bei der streitigen Entscheidung Fragen von grundsätzlicher Bedeutung unter Abweichung von Entscheidungen des BSG zu beantworten sind, so dass die Voraussetzungen des § 153 Abs. 5 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG, also ein einfach gelagertes Verfahren, nicht gegeben sind. Wenn durch den "kleinen Senat" – oder auch den Einzelrichter – die Revision gegen dessen Entscheidung zugelassen wird, ist grundsätzlich von einem Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG)) auszugehen (vgl. Pieroth in GG, 11. Aufl. 2011, Art. 101 Rn. 13 m.w.N.). Mithin hatte im hiesigen Berufungsverfahren eine Rückübernahme entsprechend § 202 SGG in Verbindung mit § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu erfolgen.
Darüber hinaus lagen mit dem übereinstimmenden, in dem ersten Verhandlungstermin noch vor dem "kleinen Senat" gestellten Antrag der Beteiligten die Voraussetzungen entsprechend § 202 SGG in Verbindung mit § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, von dessen Anwendbarkeit der Senat auch im sozialgerichtlichen Verfahren ausgeht (a.A. Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 153 Rn. 47, der zwar eine Anwendbarkeit des § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO befürwortet, im Übrigen jedoch ohne nähere Begründung unterschiedliche Verfahrensgrundsätze nach dem SGG und der ZPO als Hindernis für eine entsprechende Anwendung der Nr. 2 im Fall übereinstimmender Erklärungen der Parteien bzw. Beteiligten ansieht).
II. Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist mit ihren Haupt- und Hilfsanträgen unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2015 ist rechtmäßig. Der Kläger hat im Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter für die Firma V. weder einen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses noch auf Neubescheidung seines diesbezüglichen Antrags durch die Beklagte. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Gründungszuschusses sind nicht erfüllt.
Nach § 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der seit dem 1. April 2012 geltenden Fassung vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 SGB III beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.
Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit keinen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 150 Tagen. Da ein solcher zuletzt am 7. August 2014 vorlag, hätte die Aufnahme zur Wahrung dieser Voraussetzung zwingend spätestens an jenem Tag erfolgen müssen, was jedoch nicht der Fall war, wie der erkennende Senat bereits in dem Beschluss vom 29. April 2015 im Verfahren L 2 AL 14/15 B ER ausgeführt hat.
Grundsätzlich ist eine selbstständige Tätigkeit erst dann aufgenommen, wenn der Gründer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlungen mit Außenwirkung vorgenommen hat (BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 34/05 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1 = juris, Rn. 11). Hierauf bezogene Vorbereitungshandlungen sind dann als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit anzusehen, soweit sie im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind; zu solchen vorbereitenden, als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zu wertenden Maßnahmen der Existenzgründung können etwa die Anmeldung eines Gewerbes, die Anmietung von Geschäftsräumen, die Beantragung oder der Erhalt einer gewerberechtlichen Konzession oder einer Zulassung als Rechtsanwalt, der Einkauf von Waren und die Aufnahme der Warenproduktion vor Eröffnung eines Restaurants, das rechtsverbindliche Angebot von Dienstleistungen oder der Abschluss erster Verträge gehören (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 5).
Ob die bloße Gewerbeanmeldung vorliegend als Vorbereitungshandlung in diesem Sinne in Betracht kommt oder nicht vielmehr erst der Abschluss des Handelsvertretervertrags vom 21. August 2014 oder gar erst die Aufnahme der Tätigkeit als Handelsvertreter am 15. September 2014, kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn all diese in Betracht kommenden Zeitpunkte liegen nach dem 7. August 2014. Die Gewerbeanmeldung nahm der Kläger erst am 11. August 2014 vor. Die vom Gewerbeamt bestätigten Gründe hierfür, nämlich dass am 7. August 2014 trotz entsprechender Absicht des Klägers eine Anmeldung nicht vorgenommen werden konnte, sind für die Frage des maßgeblichen tatsächlichen Aufnahmezeitpunktes irrelevant.
Ebenfalls spielt keine Rolle, dass die Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt mit Bescheid vom 23. September 2014 die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit der Folge ab dem 7. August 2014 aufhob, dass danach doch noch ein Restanspruch von 150 Tagen bestand, der auch bei der Wiederbewilligung von Arbeitslosengeld am 18. März 2015 Berücksichtigung fand. Die Voraussetzung des Restanspruchs von mindestens 150 Tagen Arbeitslosengeld zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III muss tatsächlich zum Aufnahmezeitpunkt erfüllt sein, was vorliegend nicht der Fall war. Eine rückwirkende Aufhebung, die dann rückblickend zu einem noch mindestens 150 Tage umfassenden Anspruch führt, kann ebenso wenig wie ein etwaiger Verzicht Berücksichtigung finden. Denn dann wäre die Frage, ob diese Tatbestandsvoraussetzung vorliegt, von der Zufälligkeit des Bescheidungszeitpunkts abhängig bzw. regelmäßig nicht zeitnah zur Aufnahme zu beurteilen. Die Bescheidung eines Antrags auf Gründungszuschuss hat als Prognoseentscheidung unter Zugrundelegung der zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gegebenen Umstände schon zur Erfüllung des Zwecks, dem Selbstständigen bereits in der Anfangsphase seiner Tätigkeit eine soziale Absicherung zu ermöglichen, möglichst früh zu erfolgen.
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausginge, dass die rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung zur Erfüllung der Mindestanspruchsdauer als Tatbestandsvoraussetzung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III führen könnte, scheiterte ein Anspruch auf den geltend gemachten Gründungszuschuss oder auch nur auf Neubescheidung daran, dass in diesem Fall die weitere dort genannte Voraussetzung nicht erfüllt wäre, dass bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen muss. Dies wäre in Bezug auf alle in Betracht kommenden Aufnahmezeitpunkte, sprich den 11. August 2014 als tatsächlichen Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung, den 21. August 2014 und den 15. September 2014, nicht der Fall, weil ausweislich der bestandskräftigen Aufhebung zuletzt am 6. August 2014 ein Arbeitslosengeldanspruch bestand.
Hierüber würde auch nicht die Entscheidung des BSG vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6, hinweghelfen, wonach der Anspruch auf Gründungszuschuss keine Nahtlosigkeit verlange, sondern lediglich einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Existenzgründung und einem vorausgehenden Arbeitslosengeldanspruch, der etwa einen Monat betragen könne. Dieser Rechtsprechung vermag sich der erkennende Senat zum einen wegen des klaren, hiermit nicht in Deckung zu bringenden Gesetzeswortlauts nicht anzuschließen. Zum anderen setzt diese Rechtsprechung voraus, dass der Begriff der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit in § 93 Abs. 1 SGB III einerseits und § 93 Abs. 2 SGB III andererseits unterschiedlich ausgelegt wird, wie es das BSG auch tut, das wiederum entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 93 Abs. 1 SGB III verlangt, dass durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Beschäftigungslosigkeit beendet wird (Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6), wohingegen im Rahmen der Restanspruchsprüfung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III schon Vorbereitungshandlungen als Aufnahmezeitpunkt in Betracht kommen sollen, ohne dass eine die Beschäftigungslosigkeit ausschließende Überschreitung der 15-Stunden Grenze vorliegen muss.
Der vom Gesetzgeber mit der Forderung nach dem Vorhandensein eines Mindestrestanspruchs gewollte Einspareffekt ist nur dann gewährleistet, wenn zum einen dem Gesetzeswortlaut entsprechend die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in § 93 Abs. 1 einerseits und Abs. 2 andererseits gleichbedeutend verstanden wird, was wiederum voraussetzt, dass im Sinne des § 93 Abs. 1 SGB III tatsächlich die Arbeitslosigkeit und nicht die Beschäftigungslosigkeit durch die Aufnahme beendet werden muss. Zum anderen sind an die Anerkennung einer mit Außenwirkung vorgenommenen Vorbereitungshandlung als Aufnahmezeitpunkt im Sinne des § 93 Abs. 2 SGB III höhere Anforderungen zu stellen, als das BSG es bislang getan hat, um einen Gleichklang mit Abs. 1 zu gewährleisten.
Hierzu hat der erkennende Senat im Urteil vom 3. Februar 2016 – L 2 AL 23/15 – Folgendes ausgeführt:
Hierbei muss es für die Prüfung von § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III genügen, wenn zu dem Zeitpunkt, an dem der Antragsteller die Vorbereitungshandlungen abgeschlossen, d.h. alles aus seiner Sicht für die Existenzgründung Erforderliche getan hat, noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für mindestens 150 Tage besteht.
Dieser Sichtweise steht auch nicht entgegen, dass nach § 93 Abs. 1 SGB III nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, einen Gründungszuschuss erhalten können und dass das Bundessozialgericht das Merkmal der Beendigung von Arbeitslosigkeit (damals im Sinne der Vorgängervorschrift in § 57 Abs. 1 SGB III in der vom 1. August 2006 bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, a.F.) ausgehend vom Sinn und Zweck des Förderinstruments so ausgelegt hat, dass grundsätzlich die Beschäftigungslosigkeit beendet worden sein muss (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6 = juris, Rn. 26; im Anschluss daran etwa auch Hassel in Brand, SGB III 6. Aufl. 2012 § 93 Rn. 9; ausdrücklich a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13, juris, Rn. 18). Beschäftigungslos ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, wer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Beschäftigungslosigkeit ist neben den Eigenbemühungen und der Verfügbarkeit (§ 138 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB III) eine Voraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit, die wiederum nach § 137 Abs. 1 SGB III eine von drei Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs auf das Alg ist, das durch den Gründungszuschuss eingespart werden soll (vgl. BT-Drucks 16/1696 S. 30, zu § 57 Abs. 1).
Dieser Einspareffekt tritt indes auch ohne eine Beendigung der Beschäftigungslosigkeit ein, wenn der Arbeitslose im Rahmen seiner Vorbereitungshandlungen gleichsam einen "point of no return" erreicht hat. Dies ist der Fall, wenn er seine Existenzgründung nur noch unter Inkaufnahme erheblicher wirtschaftlicher Nachteile rückgängig machen kann (zu einer vergleichbaren Konstellation bereits Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 57/13, juris) oder wenn er – insbesondere in Fällen, in denen die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch von einer hoheitlichen Genehmigung, Zulassung oder ähnlichem abhängig ist – aus seiner Sicht alles zur Existenzgründung Erforderliche getan (und somit den Kausalverlauf aus der Hand gegeben) hat und nun berechtigterweise damit rechnen darf, dass er die Tätigkeit kurzfristig aufnehmen wird. Die hieraus resultierende Selbstbindung des Arbeitslosen lässt zwar die Beschäftigungslosigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III unberührt, steht aber dem Doppelbezug von Gründungszuschuss und Arbeitslosengeld, den es zu vermeiden gilt, deswegen entgegen, weil sie die Bereitschaft, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben, entfallen lässt, somit – wie sich aus § 138 Abs. 5 Nrn. 3 und 1 SGB III ergibt – die Verfügbarkeit beseitigt und gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III die Arbeitslosigkeit und damit die Voraussetzungen für den Arbeitslosengeld-Bezug entfallen lässt. Der Senat schließt sich unter dieser Prämisse der Rechtsprechung namentlich der Landessozialgerichte Berlin-Brandenburg und Nordrhein-Westfalen an, die ebenfalls den Begriff der Arbeitslosigkeit in § 93 Abs. 1 SGB III im Sinne der Legaldefinition des § 138 Abs. 1 SGB III als Zusammentreffen von Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit aufgefasst (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2014 – L 9 AL 219/13, beide in juris; offen gelassen im Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 20/14, juris) und insbesondere auch das Vorliegen subjektiver Verfügbarkeit gefordert haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. April 2014 – L 9 AL 297/13; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2014 – L 9 AL 219/13, beide in juris).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist vorliegend der Tag des Abschlusses des Handelsvertretervertrags am 21. August 2014 als Aufnahmezeitpunkt anzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt bestand kein 150 Tage umfassender Restanspruch auf Arbeitslosengeld mehr. Würde man einen solchen rückblickend aufgrund der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung ab 7. August 2014 annehmen, fehlte es am unmittelbaren Vorbezug von Arbeitslosengeld.
Da nach alledem schon die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 SGB III nicht vorliegen, kann keiner der Anträge des Klägers Erfolg haben. Die vom Kläger angemahnte Berücksichtigung von Vertrauensschutz kann auf der Tatbestandsebene nicht vorgenommen werden, sondern hat allenfalls Platz im Rahmen einer hier nicht vorgenommenen und auch nicht vorzunehmenden Ermessensbetätigung. Im Übrigen liegt ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten (venire contra factum proprium) nicht darin, dass sie einerseits den Gründungszuschuss ablehnte und andererseits die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 7. August 2014 aufhob. Mit der Aufhebung stellte sie mitnichten das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit ab dem 7. August 2014 fest, sondern trug lediglich der Abmeldung des Klägers aus dem Arbeitslosengeldbezug Rechnung. Möglicherweise war der Kläger ab dem 7. August 2014 auch tatsächlich nicht mehr arbeitslos, weil er in einem zeitlich erheblichen Umfang einen V.-Vertreter bei dessen Kundenbesuchen begleitete, hatte jedoch selbst seine selbstständige Tätigkeit noch nicht aufgenommen.
Auch aus der E-Mail der Mitarbeiterin der Beklagten M. vom 22. Dezember 2014 kann der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses herleiten. Zum einen erfüllt die E-Mail schon nicht das Schriftformerfordernis für eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (vergleiche hierzu Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 34 Rn. 10), zum anderen kommt in der Nachricht kein unbedingter Leistungswille für den Fall der Erfüllung konkret benannter Bedingungen zum Ausdruck, sondern es wird lediglich ein aus Sicht der Autorin möglicher – tatsächlich jedoch nicht gangbarer – Weg zu einer Bewilligung aufgezeigt.
Schließlich käme, selbst wenn man das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen unterstellte, allenfalls ein Neubescheidungsanspruch in Betracht, dessen Ausgang gerade angesichts der nur so gerade eben bescheinigten Tragfähigkeit der Existenzgründung und des noch gar nicht geprüften Vermittlungsvorrangs des gelernten Groß- und Außenhandelskaufmanns und ausgebildeten Bühnendarstellers fraglich wäre.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
IV. Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Anspruch auf Gründungszuschuss.
Der xxxxx geborene Kläger ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann und ausgebildeter Bühnendarsteller. Bis Dezember 2013 war er als Teamleiter beim Unternehmen E. beschäftigt. Nach dessen Arbeitslosmeldung bewilligte die Beklagte ihm antragsgemäß mit Bescheid vom 4. März 2014 Arbeitslosengeld ab 8. Januar 2014 für 360 Tage.
Am 23. September 2014 ging der bereits mündlich am 1. August 2014 gestellte Antrag auf einen Gründungszuschuss für die nach eigenen Angaben ab 7. August 2014 aufgenommene selbstständige hauptberufliche Tätigkeit als Handelsvertreter für die Firma V. bei der Beklagten ein. Beigefügt waren die Stellungnahme der Handelskammer H. als fachkundige Stelle vom 22. September 2014, eine Gewerbeanmeldung vom 11. August 2014 zum 7. August 2014, ein Handelsvertretervertrag zwischen dem Kläger und der Firma V. vom 21. August 2014 mit Wirkung ab 15. September 2014, die Teilnahmebescheinigung an einem Coaching durch die Wirtschaftsberatung vom 14. Oktober 2013 sowie ein Businessplan vom 8. September 2014, aus dem unter anderem auch hervorging, dass in Vorbereitung auf die spätere Tätigkeit noch ein 3-monatiges Fachseminar bei der Firma V. mit abschließender Prüfung zum Fachberater für Elektroartikel absolviert würde.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Januar 2015 ab. Es fehle an einem Nachweis über die Aufnahme der Tätigkeit am 7. August 2014. Die Aufnahme sei laut Handelsvertretervertrag erst zum 15. September 2014 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe kein Restanspruch auf Arbeitslosengeld im Umfang von mindestens 150 Tagen mehr bestanden. Im Übrigen fehle es an dem Nachweis des Besuchs des Fachseminars und der Prüfung zum Fachberater Elektroartikel, sodass das Vorliegen der unternehmerischen Eignung zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit nicht festgestellt werden könne.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 21. Januar 2015 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2015 zurück.
Nachdem der Kläger – letztendlich erfolglos (ablehnender Beschluss des Sozialgerichts vom 11. März 2015 – S 14 AL 62/15 ER –, die Beschwerde zurückweisender Beschluss des erkennenden Senats vom 29. April 2015 – L 2 AL 14/15 B ER –) – um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht hatte, hat er am 16. Februar 2015 zwecks Gewährung eines Gründungszuschusses Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Vorbereitungshandlungen ausreichten, hier also die Gewerbeanmeldung zum 7. August 2014, dem Zeitpunkt, ab dem auch das Finanzamt von einer Steuerpflicht ausgehe. Im Zeitraum vom 7. August bis 15. September 2014 habe er auch bereits einen Außendienstmitarbeiter der Firma V. bei Kundenbesuchen begleitet. Die begleitende produktspezifische Weiterbildung sei keine Voraussetzung für die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit. Im Übrigen handele die Beklagte willkürlich und widersprüchlich, wenn sie im Gründungszuschussverfahren die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit am 7. August 2014 negiere, eine solche jedoch im parallel betriebenen Verfahren über die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung ab 7. August 2014 unterstelle (vom Kläger nicht angegriffener Aufhebungsbescheid vom 23. September 2014, erfolglose Klage gegen den nachfolgenden Erstattungsbescheid über 762 Euro, rechtskräftiger abweisender Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2016 – S 14 AL 100/15 –).
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2016 abgewiesen und zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Entscheidend sei allein, dass die selbstständige Tätigkeit erst mit Vertragsschluss mit der Firma V. am 15. September 2014 aufgenommen worden sei und zu diesem Zeitpunkt kein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für 150 Tage mehr bestanden habe. Eine Vorverlegung des Beginns der selbstständigen Tätigkeit auf den 7. August 2014, weil an diesem Tag noch der erforderliche Restanspruch auf Arbeitslosengeld bestanden habe, komme nicht in Betracht. Die Gewerbeanmeldung als Vorbereitungshandlung sei erst am 11. August 2014 erfolgt und habe damit auch erst ab diesem Tag Rechtswirkung nach außen erzielen können. Die Begleitung des Außendienstmitarbeiters der Firma V. bei Kundenbesuchen entfalte keine Rechtswirkung nach außen. Auf alles Weitere komme es nicht an.
Gegen diesen ihm am 19. Februar 2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 17. März 2016 eingelegte Berufung des Klägers.
Er hält die Vorverlegung des Beginns der selbstständigen Tätigkeit auf den 7. August 2014 für angezeigt, weil er, obwohl vor Ort, an jenem wie am Folgetag wegen personeller Engpässe und daraus resultierender Schließung beim zuständigen Bezirksamt die geplante Gewerbeanmeldung nicht habe vornehmen können. Der Kläger hat eine entsprechende Bestätigung des Bezirksamts vom 11. August 2014 zur Akte gereicht. Ihm sei Vertrauensschutz zuzubilligen und dies im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Die Beklagte habe sich widersprüchlich verhalten (venire contra factum proprium), indem sie einerseits den Gründungszuschuss ab 7. August 2014 abgelehnt habe, andererseits im Rahmen der Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung jedoch von der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ab demselben Tag ausgegangen sei. Außerdem habe sie in Person der Mitarbeiterin M. in der von ihm vorgelegten E-Mail vom 22. Dezember 2014 die Gewährung eines Gründungszuschusses für den Fall in Aussicht gestellt, dass er das Datum des Beginns der Selbstständigkeit auf den 15. September 2014 ändere und auf die Gewährung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 7. August bis 14. September 2014 verzichte, so dass er zum Aufnahmezeitpunkt noch über einen Restanspruch von 150 Tagen verfüge. Mit der inzwischen bestandskräftigen Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung ab 7. August 2014 sei eben diese Situation eingetreten. Klarstellend betont der Kläger, dass das von ihm bereits im Businessplan erwähnte 3-monatige Fachseminar tätigkeitsbegleitend stattgefunden habe. Er selbst habe nach dem 15. September 2014 für etwa 3 bis 4 Tage ein auswärtiges Seminar besucht und im Übrigen einmal wöchentlich an internen Schulungen teilgenommen. Nach Ablauf von etwa 3 Monaten würden Teilnehmer dann zur Prüfung aufgefordert. Während der gesamten Zeit sei er ebenso wie andere auch jedoch schon als selbstständiger Handelsvertreter unterwegs gewesen und habe auch Provisionen erzielen können. Da ihm am Anfang ein Auto gefehlt habe, das er mit dem Gründungszuschuss habe finanzieren wollen, habe ihn in den ersten 6 Wochen ein Kollege mitgenommen, im Anschluss habe er sich von der Familie und Freunden verschiedene Autos geliehen. Die Firma V. sehe die Seminarausbildung und die anschließende Prüfung als Qualitätssiegel an und wolle deshalb, dass diese nach Aufnahme der Tätigkeit noch abgelegt werde. Für den Fall des endgültigen Nichtbestehens komme eine Kündigung des Handelsvertretervertrages in Betracht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Februar 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 7. August 2014 bis 28. Februar 2015, hilfsweise vom 15. September 2014 bis 28. Februar 2015, einen Gründungszuschuss zu gewähren, hilfsweise, seinen diesbezüglichen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für richtig und nimmt hierauf sowie auf ihre Bescheide Bezug.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschriften vom 1. und 29. Juni 2016 sowie den weiteren Inhalt der darin aufgeführten beigezogenen Akten und Unterlagen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), nachdem er mit Beschluss vom 2. Juni 2016 den Beschluss vom 11. April 2016, mit dem er die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen hatte, aufgehoben und die Berufung dem Senat zurückübertragen hat.
Eine solche Rückübertragung ist möglich, auch wenn es im SGG selbst keine Rechtsgrundlage dafür gibt (a.A. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 153 Rn. 25a m.w.N.). Sowohl die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im dortigen § 6 Abs. 3 als auch die Zivilprozessordnung (ZPO) im dortigen § 526 Abs. 2 sehen eine Rückübertragung vom Einzelrichter auf den Spruchkörper vor. Auch wenn beide Verfahrensordnungen eine dem "kleinen Senat" im Sinne des § 153 Abs. 5 SGG vergleichbare Gerichtsbesetzung nicht kennen und der für das Gericht nicht bindend durch die Beteiligten konsentierte "Einzelrichter" im Sinne des § 155 Abs. 3 und 4 SGG mit demjenigen der VwGO und ZPO nicht vergleichbar ist, ist eine entsprechende Anwendung der Vorschriften auch im sozialgerichtlichen Verfahren sachgerecht und angezeigt. Sie ermöglichen es, nach einer rückblickend zu Unrecht erfolgten Übertragung eine Entscheidung in der Hauptsache durch den gesetzlichen Richter zu ermöglichen. Es wäre nicht prozessökonomisch, zunächst sehenden Auges den nicht gesetzlich vorgesehenen Richter befinden zu lassen, um gegebenenfalls nach einer Zurückverweisung durch das Revisionsgericht die Sache erneut in der eigentlich gesetzlich vorgesehenen Besetzung entscheiden zu müssen. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist die "kleine Senatsbesetzung" wegen des dafür erforderlichen Übertragungsbeschlusses mit dem Einzelrichter nach der VwGO und der ZPO vergleichbar, und der vorgenannte Zweck der gesetzlichen Regelungen über die Rückübertragung gilt hier genauso. Der erkennende Senat hält das Schweigen des SGG in diesem Punkt nicht für beredt (a.A. Keller, a.a.O.), sondern hält die die Regelungslücke für unbewusst. Schließlich handelt es sich bei § 153 Abs. 5 SGG um eine relativ junge Regelung, die erst mit Wirkung ab 1. April 2008 im Rahmen eines größeren Reformgesetzes eingefügt worden ist (SGGArbGGÄndG vom 26. März 2008, BGBl. I S. 444), sodass mangels anderer Anhaltspunkte in der Gesetzesbegründung zwanglos davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber entweder den Regelungsbedarf nicht bedacht hat oder irrtümlich davon ausgegangen ist, dass über § 202 SGG die unmittelbare Anwendbarkeit der ZPO-Regelung zur Rückübertragung gewährleistet sei.
Über § 202 Satz 1 SGG liegt die entsprechende Anwendung des § 526 Abs. 2 ZPO nahe, wonach – anders als nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO – der ursprünglich die Übertragung beschließende Spruchkörper auch für die Rückübertragung zuständig ist (und nicht der Einzelrichter selbst, was die Gefahr beinhaltet, dass dem Spruchkörper gegen dessen Willen bindend Sachen zur Entscheidung zurücküberwiesen werden, die nach dessen Überzeugung die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Übertragung erfüllen).
Vorliegend hat sich nach weiterem Vortrag der Beteiligten herauskristallisiert, dass bei der streitigen Entscheidung Fragen von grundsätzlicher Bedeutung unter Abweichung von Entscheidungen des BSG zu beantworten sind, so dass die Voraussetzungen des § 153 Abs. 5 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG, also ein einfach gelagertes Verfahren, nicht gegeben sind. Wenn durch den "kleinen Senat" – oder auch den Einzelrichter – die Revision gegen dessen Entscheidung zugelassen wird, ist grundsätzlich von einem Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG)) auszugehen (vgl. Pieroth in GG, 11. Aufl. 2011, Art. 101 Rn. 13 m.w.N.). Mithin hatte im hiesigen Berufungsverfahren eine Rückübernahme entsprechend § 202 SGG in Verbindung mit § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu erfolgen.
Darüber hinaus lagen mit dem übereinstimmenden, in dem ersten Verhandlungstermin noch vor dem "kleinen Senat" gestellten Antrag der Beteiligten die Voraussetzungen entsprechend § 202 SGG in Verbindung mit § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, von dessen Anwendbarkeit der Senat auch im sozialgerichtlichen Verfahren ausgeht (a.A. Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 153 Rn. 47, der zwar eine Anwendbarkeit des § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO befürwortet, im Übrigen jedoch ohne nähere Begründung unterschiedliche Verfahrensgrundsätze nach dem SGG und der ZPO als Hindernis für eine entsprechende Anwendung der Nr. 2 im Fall übereinstimmender Erklärungen der Parteien bzw. Beteiligten ansieht).
II. Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist mit ihren Haupt- und Hilfsanträgen unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2015 ist rechtmäßig. Der Kläger hat im Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter für die Firma V. weder einen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses noch auf Neubescheidung seines diesbezüglichen Antrags durch die Beklagte. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Gründungszuschusses sind nicht erfüllt.
Nach § 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der seit dem 1. April 2012 geltenden Fassung vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 SGB III beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.
Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit keinen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 150 Tagen. Da ein solcher zuletzt am 7. August 2014 vorlag, hätte die Aufnahme zur Wahrung dieser Voraussetzung zwingend spätestens an jenem Tag erfolgen müssen, was jedoch nicht der Fall war, wie der erkennende Senat bereits in dem Beschluss vom 29. April 2015 im Verfahren L 2 AL 14/15 B ER ausgeführt hat.
Grundsätzlich ist eine selbstständige Tätigkeit erst dann aufgenommen, wenn der Gründer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlungen mit Außenwirkung vorgenommen hat (BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 – B 7a AL 34/05 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1 = juris, Rn. 11). Hierauf bezogene Vorbereitungshandlungen sind dann als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit anzusehen, soweit sie im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind; zu solchen vorbereitenden, als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zu wertenden Maßnahmen der Existenzgründung können etwa die Anmeldung eines Gewerbes, die Anmietung von Geschäftsräumen, die Beantragung oder der Erhalt einer gewerberechtlichen Konzession oder einer Zulassung als Rechtsanwalt, der Einkauf von Waren und die Aufnahme der Warenproduktion vor Eröffnung eines Restaurants, das rechtsverbindliche Angebot von Dienstleistungen oder der Abschluss erster Verträge gehören (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 28/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 5).
Ob die bloße Gewerbeanmeldung vorliegend als Vorbereitungshandlung in diesem Sinne in Betracht kommt oder nicht vielmehr erst der Abschluss des Handelsvertretervertrags vom 21. August 2014 oder gar erst die Aufnahme der Tätigkeit als Handelsvertreter am 15. September 2014, kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn all diese in Betracht kommenden Zeitpunkte liegen nach dem 7. August 2014. Die Gewerbeanmeldung nahm der Kläger erst am 11. August 2014 vor. Die vom Gewerbeamt bestätigten Gründe hierfür, nämlich dass am 7. August 2014 trotz entsprechender Absicht des Klägers eine Anmeldung nicht vorgenommen werden konnte, sind für die Frage des maßgeblichen tatsächlichen Aufnahmezeitpunktes irrelevant.
Ebenfalls spielt keine Rolle, dass die Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt mit Bescheid vom 23. September 2014 die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit der Folge ab dem 7. August 2014 aufhob, dass danach doch noch ein Restanspruch von 150 Tagen bestand, der auch bei der Wiederbewilligung von Arbeitslosengeld am 18. März 2015 Berücksichtigung fand. Die Voraussetzung des Restanspruchs von mindestens 150 Tagen Arbeitslosengeld zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III muss tatsächlich zum Aufnahmezeitpunkt erfüllt sein, was vorliegend nicht der Fall war. Eine rückwirkende Aufhebung, die dann rückblickend zu einem noch mindestens 150 Tage umfassenden Anspruch führt, kann ebenso wenig wie ein etwaiger Verzicht Berücksichtigung finden. Denn dann wäre die Frage, ob diese Tatbestandsvoraussetzung vorliegt, von der Zufälligkeit des Bescheidungszeitpunkts abhängig bzw. regelmäßig nicht zeitnah zur Aufnahme zu beurteilen. Die Bescheidung eines Antrags auf Gründungszuschuss hat als Prognoseentscheidung unter Zugrundelegung der zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gegebenen Umstände schon zur Erfüllung des Zwecks, dem Selbstständigen bereits in der Anfangsphase seiner Tätigkeit eine soziale Absicherung zu ermöglichen, möglichst früh zu erfolgen.
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausginge, dass die rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung zur Erfüllung der Mindestanspruchsdauer als Tatbestandsvoraussetzung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III führen könnte, scheiterte ein Anspruch auf den geltend gemachten Gründungszuschuss oder auch nur auf Neubescheidung daran, dass in diesem Fall die weitere dort genannte Voraussetzung nicht erfüllt wäre, dass bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen muss. Dies wäre in Bezug auf alle in Betracht kommenden Aufnahmezeitpunkte, sprich den 11. August 2014 als tatsächlichen Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung, den 21. August 2014 und den 15. September 2014, nicht der Fall, weil ausweislich der bestandskräftigen Aufhebung zuletzt am 6. August 2014 ein Arbeitslosengeldanspruch bestand.
Hierüber würde auch nicht die Entscheidung des BSG vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6, hinweghelfen, wonach der Anspruch auf Gründungszuschuss keine Nahtlosigkeit verlange, sondern lediglich einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Existenzgründung und einem vorausgehenden Arbeitslosengeldanspruch, der etwa einen Monat betragen könne. Dieser Rechtsprechung vermag sich der erkennende Senat zum einen wegen des klaren, hiermit nicht in Deckung zu bringenden Gesetzeswortlauts nicht anzuschließen. Zum anderen setzt diese Rechtsprechung voraus, dass der Begriff der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit in § 93 Abs. 1 SGB III einerseits und § 93 Abs. 2 SGB III andererseits unterschiedlich ausgelegt wird, wie es das BSG auch tut, das wiederum entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 93 Abs. 1 SGB III verlangt, dass durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Beschäftigungslosigkeit beendet wird (Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6), wohingegen im Rahmen der Restanspruchsprüfung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III schon Vorbereitungshandlungen als Aufnahmezeitpunkt in Betracht kommen sollen, ohne dass eine die Beschäftigungslosigkeit ausschließende Überschreitung der 15-Stunden Grenze vorliegen muss.
Der vom Gesetzgeber mit der Forderung nach dem Vorhandensein eines Mindestrestanspruchs gewollte Einspareffekt ist nur dann gewährleistet, wenn zum einen dem Gesetzeswortlaut entsprechend die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in § 93 Abs. 1 einerseits und Abs. 2 andererseits gleichbedeutend verstanden wird, was wiederum voraussetzt, dass im Sinne des § 93 Abs. 1 SGB III tatsächlich die Arbeitslosigkeit und nicht die Beschäftigungslosigkeit durch die Aufnahme beendet werden muss. Zum anderen sind an die Anerkennung einer mit Außenwirkung vorgenommenen Vorbereitungshandlung als Aufnahmezeitpunkt im Sinne des § 93 Abs. 2 SGB III höhere Anforderungen zu stellen, als das BSG es bislang getan hat, um einen Gleichklang mit Abs. 1 zu gewährleisten.
Hierzu hat der erkennende Senat im Urteil vom 3. Februar 2016 – L 2 AL 23/15 – Folgendes ausgeführt:
Hierbei muss es für die Prüfung von § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III genügen, wenn zu dem Zeitpunkt, an dem der Antragsteller die Vorbereitungshandlungen abgeschlossen, d.h. alles aus seiner Sicht für die Existenzgründung Erforderliche getan hat, noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für mindestens 150 Tage besteht.
Dieser Sichtweise steht auch nicht entgegen, dass nach § 93 Abs. 1 SGB III nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, einen Gründungszuschuss erhalten können und dass das Bundessozialgericht das Merkmal der Beendigung von Arbeitslosigkeit (damals im Sinne der Vorgängervorschrift in § 57 Abs. 1 SGB III in der vom 1. August 2006 bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, a.F.) ausgehend vom Sinn und Zweck des Förderinstruments so ausgelegt hat, dass grundsätzlich die Beschäftigungslosigkeit beendet worden sein muss (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 – B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6 = juris, Rn. 26; im Anschluss daran etwa auch Hassel in Brand, SGB III 6. Aufl. 2012 § 93 Rn. 9; ausdrücklich a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13, juris, Rn. 18). Beschäftigungslos ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, wer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Die Beschäftigungslosigkeit ist neben den Eigenbemühungen und der Verfügbarkeit (§ 138 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB III) eine Voraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit, die wiederum nach § 137 Abs. 1 SGB III eine von drei Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs auf das Alg ist, das durch den Gründungszuschuss eingespart werden soll (vgl. BT-Drucks 16/1696 S. 30, zu § 57 Abs. 1).
Dieser Einspareffekt tritt indes auch ohne eine Beendigung der Beschäftigungslosigkeit ein, wenn der Arbeitslose im Rahmen seiner Vorbereitungshandlungen gleichsam einen "point of no return" erreicht hat. Dies ist der Fall, wenn er seine Existenzgründung nur noch unter Inkaufnahme erheblicher wirtschaftlicher Nachteile rückgängig machen kann (zu einer vergleichbaren Konstellation bereits Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 57/13, juris) oder wenn er – insbesondere in Fällen, in denen die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch von einer hoheitlichen Genehmigung, Zulassung oder ähnlichem abhängig ist – aus seiner Sicht alles zur Existenzgründung Erforderliche getan (und somit den Kausalverlauf aus der Hand gegeben) hat und nun berechtigterweise damit rechnen darf, dass er die Tätigkeit kurzfristig aufnehmen wird. Die hieraus resultierende Selbstbindung des Arbeitslosen lässt zwar die Beschäftigungslosigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III unberührt, steht aber dem Doppelbezug von Gründungszuschuss und Arbeitslosengeld, den es zu vermeiden gilt, deswegen entgegen, weil sie die Bereitschaft, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben, entfallen lässt, somit – wie sich aus § 138 Abs. 5 Nrn. 3 und 1 SGB III ergibt – die Verfügbarkeit beseitigt und gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III die Arbeitslosigkeit und damit die Voraussetzungen für den Arbeitslosengeld-Bezug entfallen lässt. Der Senat schließt sich unter dieser Prämisse der Rechtsprechung namentlich der Landessozialgerichte Berlin-Brandenburg und Nordrhein-Westfalen an, die ebenfalls den Begriff der Arbeitslosigkeit in § 93 Abs. 1 SGB III im Sinne der Legaldefinition des § 138 Abs. 1 SGB III als Zusammentreffen von Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit aufgefasst (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2014 – L 9 AL 219/13, beide in juris; offen gelassen im Urteil des Senats vom 23. September 2015 – L 2 AL 20/14, juris) und insbesondere auch das Vorliegen subjektiver Verfügbarkeit gefordert haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. April 2014 – L 9 AL 297/13; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2014 – L 9 AL 219/13, beide in juris).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist vorliegend der Tag des Abschlusses des Handelsvertretervertrags am 21. August 2014 als Aufnahmezeitpunkt anzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt bestand kein 150 Tage umfassender Restanspruch auf Arbeitslosengeld mehr. Würde man einen solchen rückblickend aufgrund der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung ab 7. August 2014 annehmen, fehlte es am unmittelbaren Vorbezug von Arbeitslosengeld.
Da nach alledem schon die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 SGB III nicht vorliegen, kann keiner der Anträge des Klägers Erfolg haben. Die vom Kläger angemahnte Berücksichtigung von Vertrauensschutz kann auf der Tatbestandsebene nicht vorgenommen werden, sondern hat allenfalls Platz im Rahmen einer hier nicht vorgenommenen und auch nicht vorzunehmenden Ermessensbetätigung. Im Übrigen liegt ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten (venire contra factum proprium) nicht darin, dass sie einerseits den Gründungszuschuss ablehnte und andererseits die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 7. August 2014 aufhob. Mit der Aufhebung stellte sie mitnichten das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit ab dem 7. August 2014 fest, sondern trug lediglich der Abmeldung des Klägers aus dem Arbeitslosengeldbezug Rechnung. Möglicherweise war der Kläger ab dem 7. August 2014 auch tatsächlich nicht mehr arbeitslos, weil er in einem zeitlich erheblichen Umfang einen V.-Vertreter bei dessen Kundenbesuchen begleitete, hatte jedoch selbst seine selbstständige Tätigkeit noch nicht aufgenommen.
Auch aus der E-Mail der Mitarbeiterin der Beklagten M. vom 22. Dezember 2014 kann der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses herleiten. Zum einen erfüllt die E-Mail schon nicht das Schriftformerfordernis für eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (vergleiche hierzu Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 34 Rn. 10), zum anderen kommt in der Nachricht kein unbedingter Leistungswille für den Fall der Erfüllung konkret benannter Bedingungen zum Ausdruck, sondern es wird lediglich ein aus Sicht der Autorin möglicher – tatsächlich jedoch nicht gangbarer – Weg zu einer Bewilligung aufgezeigt.
Schließlich käme, selbst wenn man das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen unterstellte, allenfalls ein Neubescheidungsanspruch in Betracht, dessen Ausgang gerade angesichts der nur so gerade eben bescheinigten Tragfähigkeit der Existenzgründung und des noch gar nicht geprüften Vermittlungsvorrangs des gelernten Groß- und Außenhandelskaufmanns und ausgebildeten Bühnendarstellers fraglich wäre.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
IV. Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zugelassen.
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