L 2 AL 45/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 689/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 45/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung nicht eines fiktiven, sondern ihres tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts bei der Bemessung einschließlich desjenigen, das sie nach unmittelbar nach Beendigung der Elternzeit erfolgter unwiderruflicher Freistellung von der Arbeitsleistung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erzielte.

Die 1974 geborene Klägerin befand sich nach der Geburt ihres Sohnes K. am xxxxx 2013 nach Beendigung des Mutterschutzes (17. Januar 2013 bis 25. April 2013) vom 26. April 2013 bis 10. Februar 2016 in Elternzeit. Vor Beginn des Mutterschutzes war sie seit Anfang 2008 bei der L. GmbH (im Folgenden: Fa. L.) beschäftigt gewesen, zuletzt als Leiterin der Abteilung Public Relation in D ... Da ihr für die Zeit nach Beendigung der Elternzeit keine vergleichbare Position im Unternehmen mehr angeboten werden konnte, schloss die Klägerin unter dem 18. Januar 2016 mit ihrer damaligen Arbeitgeberin eine Vereinbarung über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2016, nach der sie eine am 31. August 2016 fällige Abfindung in Höhe von 71.800,00 Euro brutto sowie Outplacement-Kosten in Höhe von pauschal 15.000,00 Euro brutto erhielt und ab dem Ende der Elternzeit unter Fortzahlung einer Vergütung in Höhe von monatlich 8.784,00 Euro brutto unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Freizeitansprüche sowie Ansprüche auf Zeitguthaben bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. August 2016 von der Erbringung ihrer Arbeitspflichten unwiderruflich freigestellt wurde.

Nach telefonischem und E-Mail-Erstkontakt zur Beklagten am 3. März 2016 meldete die Klägerin sich am 3. Juni 2016 mit Wirkung zum 1. September 2016 persönlich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das ihr mit Bescheid vom 23. September 2016 ab dem 1. September 2016 für 360 Kalendertage – ausgehend von einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 116,20 Euro, der Lohnsteuerklasse V mit steuerlicher Berücksichtigung eines Kindes sowie einem Leistungsentgelt in Höhe von 58,93 Euro – mit einem täglichen Leistungsbetrag von 39,48 Euro (monatlicher Zahlbetrag: 1.184,40 Euro) bewilligt wurde. Mit einem in dem Bescheid in Bezug genommenen ergänzenden Schreiben vom 22. September 2016 wies die Beklagte darauf hin, dass der Bemessung des Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zu Grunde gelegt worden sei, weil die Klägerin in den letzten 2 Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Das fiktive Arbeitsentgelt richte sich nach der Beschäftigung, auf die sich die Vermittlungsbemühungen in erster Linie erstreckten und der dazugehörigen Qualifikationsstufe, wobei die Klägerin für eine Tätigkeit als "Leiter/in - Presse- und Öffentlichkeitsarbeit" geeignet sei, für die eine Ausbildung an einer Hochschule oder Fachhochschule erforderlich sei (Qualifikationsstufe 1, § 152 Abs. 2 Nr. 1 SGB III).

Den hiergegen am 7. Oktober 2016 unter Hinweis auf die mehr als 150-tägige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Zeitraum vom 11. Februar 2016 bis 31. August 2016 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit am selben Tag abgesandtem Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 zurück. Die Höhe des Arbeitslosengeldes sei den §§ 149 ff. SGB III entsprechend zutreffend ermittelt worden. Der gemäß § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III auf 2 Jahre erweiterte Bemessungsrahmen umfasse die Zeit vom 1. September 2014 bis 31. August 2016. Der Bemessungszeitraum nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III umfasse nur Entgeltabrechnungszeiträume versicherungspflichtiger Beschäftigungen nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Sonstige Versicherungszeiten blieben außer Betracht. Die Klägerin sei seit dem 11. Februar 2016 unwiderruflich von der Arbeit freigestellt gewesen, habe also nicht mehr in einem tatsächlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Dementsprechend sei das während der Freistellung erzielte Entgelt bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht zu berücksichtigen. Daher könne ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden und es sei gemäß § 152 SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das in der maßgeblichen Qualifikationsgruppe 1 ausgehend von der Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von jährlich 34.860,00 Euro 116,20 Euro täglich betrage, sodass sich unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse V und der gesetzlichen Abzüge sowie unter Berücksichtigung eines Kindes ein täglicher Leistungsbetrag in Höhe von 39,48 Euro ergebe.

Mit der hiergegen am 10. November 2016 beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhobenen Klage hat die Klägerin die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes beantragt und ihre Auffassung bekräftigt, dass ihr bis Ende August 2016 erzielter Bruttoverdienst bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen sei (was nach einer Proberechnung der Beklagten zu einem Leistungssatz in Höhe von täglich 61,81 / monatlich 1854,30 Euro führen würde). Die unwiderrufliche Freistellung berühre die Bewertung der fraglichen Zeiten nicht. Die Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers und dessen Eingliederung in einen ihm vorgegebenen Arbeitsablauf seien nicht stärker reduziert als in sonstigen Fällen der fortbestehenden Beschäftigung bei unterbrochener Arbeitsleistung wie z.B. der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 24. September 2008 – B 12 KR 22/07 R – entschieden, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraussetze. Sie – die Klägerin – habe bis zuletzt in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Die Auffassung der Beklagten führe zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass Arbeitsentgelt verbeitragt werde, ohne dass daraus leistungsrechtlich Anwartschaften erwüchsen. Eine Differenzierung nach beitragsrechtlichen und leistungsrechtlichen Aspekten sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht sachgerecht. Zu diesem Schluss seien auch die Beklagte, die Deutsche Rentenversicherung Bund und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung in der Besprechung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 30./31. März 2009 gekommen, wonach man ab 1. Juli 2009 die Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit einer Freistellung als unbeachtlich habe ansehen wollen. Ein Abstellen auf die ohne Einfluss des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber gewährte widerrufliche oder unwiderrufliche Freistellung führe zu willkürlichen Ergebnissen beim Arbeitslosengeld, was in den meisten Fällen sicher unproblematisch und für den Arbeitnehmer günstiger sei. Gerade in Fällen vorangegangener Elternzeit sei das aber anders. Damit treffe die Problematik typischerweise Berufsrückkehrer, die der Arbeitgeber zwischenzeitlich in der Hoffnung ersetzt habe, dass diese nicht zurückkehrten. Wenn diese dann doch zurückkämen, würden sie gekündigt und bis zum Ende der Kündigungsfrist freigestellt. So sei es auch vorliegend gewesen.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Bescheide sowie die Beschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. April 2010 – B 11 AL 160/09 B – und des erkennenden Senats vom 20. April 2016 – L 2 AL 31/16 B ER – entgegengetreten, wonach der Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung im Zusammenhang mit der Feststellung des Bemessungszeitraums anhand der Rechtsprechung des BSG zum leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses zu beurteilen, also unabhängig vom rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses sei.

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. August 2017 unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids der Beklagten abgewiesen. Maßgebend für die Bemessung seien die abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume für ein leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis. Ein leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis habe es aufgrund der Elternzeit und der unwiderruflichen Freistellung im erweiterten Bemessungsrahmen nicht gegeben. Die fiktive Bemessung sei daher nicht zu beanstanden. Hintergrund der fiktiven Bemessung sei, dass nach längerer Beschäftigungslosigkeit (unabhängig von dem Bezug von Arbeitsentgelt) bei einer Neueinstellung nicht mehr das bisherige Gehalt erzielt werden könne.

Gegen diesen ihrer Prozessbevollmächtigten am 18. August 2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. September 2017 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. § 150 Abs. 1 SGB III unterscheide nicht zwischen einem leistungsrechtlichen und einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Eine solche Unterscheidung sei bislang nur vom BSG in seinem Beschluss vom 30. April 2010 – B 11 AL 160/09 B – bei einem mit dem hiesigen nicht vergleichbaren Sachverhalt vorgenommen worden. Die Unterscheidung sei nur zu Gunsten von Arbeitnehmern eingeführt worden, die so parallel zur unwiderruflichen Freistellung bereits die Leistungen der Arbeitsvermittlung in Anspruch nehmen könnten. Mit der einschränkenden Auslegung des § 150 Abs. 1 SGB III u.a. durch den erkennenden Senat in dessen Urteil vom 5. April 2017 – L 2 AL 68/16 – werde dessen Wortlaut überdehnt und dessen Sinn und Zweck zuwider gehandelt. Die dieser Rechtsprechung erst 2016 angepasste Weisungslage der Beklagten habe dementsprechend keine rechtliche Grundlage, wie die I. in ihrer Stellungnahme vom 3. November 2016 zutreffend ausgeführt habe. Die einschränkende Auslegung führe ohne sachliche Rechtfertigung zu einer unangemessenen Benachteiligung von Müttern, die in Elternzeit gingen, und damit zu einer Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) widersprechenden und europarechtlich verbotenen mittelbaren Diskriminierung von Frauen. Die vom erkennenden Senat im vorgenannten Urteil vom 5. April 2017 angeführte Marktwertminderung durch Zeiten der unwiderruflichen Freistellung träte nicht stets ein und es bedürfte Ermittlungen im Einzelfall, ob eine solche eingetreten sei, was die Verwaltung jedoch nicht leisten könne. Auch rechtfertige sich die Heranziehung des Marktwertes nicht ohne weiteres aus der Lohnersatzfunktion des Arbeitslosengeldes. Es bedürfe einer angemessenen Rechtfertigung, warum Beitragsäquivalenz für fast alle Arbeitslosengeldbezieher gelte und für einige nicht und wann auf die Äquivalenz verzichtet werden könne. Im Falle der Klägerin sei im Übrigen gar kein reduzierter Marktwert gegeben, weil dieser nach außen für potentielle Arbeitgeber völlig unverändert geblieben sei. Da sie bis kurz vor dem Ende der Elternzeit gar keinen Anlass gehabt habe anzunehmen, dass sie nicht auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren würde, habe sie sich auch auf die Rückkehr entsprechend vorbereitet. Sie sei nach dem Ende ihrer Elternzeit unfreiwillig und in diskriminierender Weise von ihrem früheren Arbeitgeber freigestellt worden und sehe diese Diskriminierung nunmehr durch den Staat fortgesetzt. Die Klägerin hält die Rechtssache für grundsätzlich bedeutsam und verweist darauf, dass es zwischenzeitlich ein ihre Rechtsauffassung stützendes Urteil des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 23. Februar 2017 – L 9 AL 150/15 – gebe, das unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – und 24. September 2008 – B 12 KR 22/07 R) festgestellt habe, dass es auch für das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne unschädlich sei, wenn der Arbeitnehmer unwiderruflich freigestellt sei und der Arbeitgeber bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise auf die Ausübung seines Direktionsrechts verzichte (Revision anhängig beim BSG unter dem Aktenzeichen B 11 AL 15/17 R).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. August 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des durch das Schreiben vom 22. September 2016 ergänzten Bescheides vom 23. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2016 zu verurteilen, ihr – der Klägerin – Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 61,81 / monatlich 1854,30 Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Beklagte hält an ihrer Rechtsauffassung fest, nimmt Bezug auf die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 sowie in dem angefochtenen Gerichtsbescheid des SG und führt des Weiteren aus, dass sie die Zeit der unwiderruflichen Freistellung unter Fortzahlung von Arbeitsentgelt als sonstige versicherungspflichtige Zeit nach § 26 SGB III erfasse. Die Klägerin hätte sich zu Beginn der Freistellung bereits arbeitslos melden und Vermittlungsleistungen in Anspruch nehmen können, wobei der Anspruch auf Arbeitslosengeld geruht hätte. Die Darstellung, die Beklagte habe ihre Geschäftsanweisung in diesem Punkt im Juli 2016 inhaltlich geändert, treffe nicht zu. Diese sei aktualisiert, neu formatiert und redaktionell überarbeitet worden, ohne dass sich die Handhabung von Zeiten unwiderruflicher Freistellung geändert habe. Das zeitliche Auseinanderfallen des Bemessungsrahmens und des Bemessungszeitraums sei nicht zu beanstanden, auch nicht bei Eltern, die aufgrund der Erziehung ihrer Kinder versicherungspflichtig seien, aber zuletzt kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt hätten. Die ständige Rechtsprechung habe keine Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber bei allen Versicherten, die keinen ausreichend zeitnahen Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen hätten, die Indizwirkung des zuletzt erzielten Lohns für den aufgrund des Versicherungsfalls derzeit eintretenden Lohnausfall als nicht mehr gewährleistet ansehe und deshalb stattdessen den voraussichtlich aktuell erzielbaren Lohn mittels der Fiktiveinstufung als Bemessungsgrundlage heranziehe. In mehreren Verfahren sei dabei auch kein Verstoß gegen Art. 3, 6 GG oder gegen Europarecht gesehen worden (Hinweis auf Entscheidungen des BSG – B 11a/7a AL 64/06 und B 11a AL 23/07 R – sowie des Bundesverfassungsgerichts – 1 BvR 2909/08). Es treffe auch nicht zu, dass für die Zeit der Freistellung Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erhoben würden, ohne dass eine leistungsrechtliche Gegenleistung erfolge. Vielmehr diene die Zeit der beitragspflichtigen Freistellung der Erfüllung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld und werde zur Ermittlung der Dauer des Anspruchs mitberücksichtigt. Lediglich für die Bemessung des Anspruchs bleibe die Zeit außen vor.

Der Senat hat über die Berufung am 21. März 2018 mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Sitzungsniederschrift sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in deren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung höheren Arbeitslosengeldes.

Der Senat nimmt zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids des SG (§ 153 Abs. 2 SGG) sowie des angefochtenen Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 13. Oktober 2016 (§ 136 Abs. 3 SGG) lediglich mit der Einschränkung, dass weder § 25 SGB III lediglich Beschäftigungen im leistungsrechtlichen Sinn betrifft, noch Zeiten der Freistellung unter Fortzahlung von Arbeitsentgelt sonstige Versicherungspflichtverhältnisse im Sinne des § 26 SGB III darstellen; § 25 SGB III betrifft vielmehr Beschäftigungsverhältnisse im beitragsrechtlichen Sinne und umfasst daher auch die vorgenannten Freistellungszeiten. Die abgesehen davon von der Beklagten und dem SG den jeweiligen Entscheidungen zu Grunde gelegte Rechtsauffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG, das zuletzt mit seinen Entscheidungen vom 8. Juli 2009 – B 11 AL 14/08 R, SozR 4-4300 § 130 Nr. 6, und 30. April 2010 – B 11 AL 160/09 B, juris, bekräftigt hat, dass im Bemessungszeitraum nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III lediglich die Entgelte berücksichtigt werden können, die aufgrund einer Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinn gezahlt wurden. Hierzu gehören nicht Entgelte, die für Zeiträume nach einer erfolgten Freistellung von der Arbeit gezahlt werden. Diese Rechtsfrage ist geklärt (so ausdrücklich zuletzt Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Juli 2016 – L 10 AL 133/16 NZB, sowie Urteile des erkennenden Senates vom 5. April 2017 – L 2 AL 68/16 und L 2 AL 84/16, und schließlich Hessisches LSG, Beschluss vom 25. Juli 2017 – L 7 AL 16/17, jeweils juris).

Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass kein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne des § 152 SGB III festgestellt werden kann, sodass die fiktive Bemessung des Arbeitslosengeldes zu Recht erfolgte.

Der erkennende Senat hat in seinem o.g. Urteil vom 5. April 2017 (L 2 AL 68/16, in den Grundsätzen ebenso das weitere Urteil vom 5. April 2017 – L 2 AL 84/16, und Hessisches LSG, a.a.O.) Folgendes ausgeführt: Dieses Ergebnis läuft auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift bzw. den Grundrechten der Klägerin zuwider. Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht darauf hingewiesen, dass Hintergrund der fiktiven Bemessung sei, dass nach längerer Beschäftigungslosigkeit bei einer Neueinstellung nicht mehr das bisherige Gehalt erzielt werden könne. Unabhängig davon, ob ein Arbeitnehmer bei fehlender Beschäftigung z.B. aufgrund einer Freistellung oder längeren Erkrankung oder Elternzeit formal in einem Arbeitsverhältnis steht und ob er trotzdem noch beitragspflichtiges Arbeitsentgelt bezieht, fehlt es an der zur Beibehaltung des "Marktwertes" erforderlichen tatsächlichen Arbeitsleistung in seinem Beruf. Das Bestreben, ein Leistungsniveau zu verhindern, das über einen Ausgleich für das aktuell erzielbare Entgelt hinausgeht, rechtfertigt sich ohne Weiteres aus der Lohnersatzfunktion des Arbeitslosengeldes, und es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, bei Personen, deren Berufsbiografie Lücken aufweist und die in den letzten 2 Jahren nur für weniger als 150 Tage Arbeitsentgelt erzielt haben, typisierend davon auszugehen, dass der aktuelle Marktwert der Arbeitsleistung in der Regel durch die durchschnittlichen Entgelte aller in einer Beschäftigung stehenden Arbeitnehmer nicht mehr zutreffend repräsentiert wird (Rolfs in Gagel, SGB II/SGB III, 62. Ergänzungslieferung Juni 2016, § 152 SGB III Rn. 8 mit Nachweis aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Entgegen den klägerischen Ausführungen wird weder einfach- noch verfassungsrechtlich eine strenge Beitragsäquivalenz der Leistungen gefordert. Es ist auch nicht so, dass die während der Freistellungszeit erzielten beitragspflichtigen Arbeitsentgelte im Rahmen der Arbeitslosenversicherung keine Bedeutung hätten. Sie dienen vielmehr der Erfüllung der Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 1 SGB III.

Hieran hält der Senat auch in Kenntnis des von der Klägerin zur Stützung ihrer Position u.a. herangezogenen Urteils des LSG NRW vom 23. Februar 2017 (L 9 AL 150/15) fest, in dem unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R, SozR 4-4300 § 124 Nr. 6, und vom 24. September 2008 – B 12 KR 22/07 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 9) ausgeführt wird, dass das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis in der Arbeitslosenversicherung auch im Falle unwiderruflicher Freistellung von der Arbeitsleistung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestehe. Denn zum einen unterscheidet sich der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt dadurch erheblich von dem vorliegenden, dass es sich bei der dort vertraglich vereinbarten unwiderruflichen Freistellung tatsächlich nicht um eine solche handelte, weil die dortige Klägerin sich ihrer früheren Arbeitgeberin laut Vertrag während der Zeit der Freistellung unentgeltlich zur Beantwortung ihrer Fragen sowie zur Erstellung von Informationen jederzeit zur Verfügung gestellt hatte, sodass die dortige Klägerin immer noch jedenfalls teilweise dem Direktionsrecht der früheren Arbeitgeberin unterlag und möglicherweise gar keine Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne vorlag. Hiermit ist entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht vergleichbar, dass diese möglicherweise noch während der Freistellungsphase ein Mobiltelefon, einen Laptop sowie einen Firmenzugangsausweis zu verwahren hatte und ihren erheblichen, in der Elternzeit aufgelaufenen Urlaub nahm. Mit diesen Umständen ist keine fortbestehende Dienstbereitschaft verbunden gewesen. Zum anderen und vor allem widerspricht diese Entscheidung nach den obigen Ausführungen der einschlägigen Rechtsprechung des BSG, das die gegen das Urteil des LSG NRW eingelegte und noch anhängige Revision auf die Beschwerde der Beklagten hin zugelassen hat (B 11 AL 15/17 R), und zitiert selbst Entscheidungen des BSG, die überhaupt nicht zum Begriff des im Rahmen des § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III ("versicherungspflichtige Beschäftigungen" im Gegensatz zu § 150 Abs. 1 Satz 2: "letztes Versicherungspflichtverhältnis") maßgeblichen leistungsrechtlichen, sondern zu demjenigen des beitragsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der §§ 24, 25 SGB III ergangen sind. In der Entscheidung vom 24. September 2008 (B 12 KR 22/07 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 9, sowie in einer weiteren vom selben Tag – B 12 KR 27/07R, BSGE 101,273) bekräftigt das BSG sogar (unter Rn. 24) ausdrücklich die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne. Auch das von der Klägerin zitierte Besprechungsergebnis des GKV-Spitzenverbandes, der DRV Bund und der Beklagten über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 30./31. März 2009 betrifft lediglich den Begriff des beitragsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses.

Soweit die Klägerin meint, die Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers und dessen Eingliederung in einen ihm vorgegebenen Arbeitsablauf seien nicht stärker reduziert als in sonstigen Fällen der fortbestehenden Beschäftigung bei unterbrochener Arbeitsleistung wie z.B. der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, ist dem entschieden zu widersprechen. In Fällen der unwiderruflichen Freistellung bis zum bereits feststehenden rechtlichen Ende eines Arbeitsverhältnisses liegt keine bloße Unterbrechung der tatsächlichen Beschäftigung vor, sondern der Arbeitgeber begibt sich ein für alle Mal seines Direktionsrechts. Der dadurch Beschäftigungslose hat die Möglichkeit, sich bei der Beklagten arbeitslos zu melden, sich in eine neue dauerhafte Beschäftigung vermitteln zu lassen und Arbeitslosengeld zu beantragen. Dieser Anspruch würde nach § 157 Abs. 1 SGB III ruhen, ohne dass dadurch eine Minderung einträte (Umkehrschluss aus § 148 SGB III, vgl. Düe in Brandt, SGB III, 7. Aufl. 2015 § 157 Rn. 3).

In diesem Fall würden die nach Beginn der Freistellung erzielten Arbeitsentgelte bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes auch nicht herangezogen werden können, sodass kein überzeugender Grund dafür erkennbar ist, anders zu verfahren, wenn der Beschäftigungslose sich erst später – nämlich während oder nach der Freistellungsphase – arbeitslos meldet und damit der Beklagten auch erst zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit gibt, ihn schnell wieder in Arbeit zu vermitteln. Eine Überdehnung des Wortlauts des § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III vermag der Senat hierbei nicht zu erkennen. Ob mit dem "jeweiligen Beschäftigungsverhältnis" bzw. den "versicherungspflichtigen Beschäftigungen" jeweils Beschäftigungsverhältnisse im beitrags- oder leistungsrechtlichen Sinne gemeint sind, wird durch den Wortlaut nicht determiniert.

Dass die auf die nach Beginn der Freistellungsphase erzielten Arbeitsentgelte gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht ohne Gegenleistung erbracht werden, sondern der Erfüllung der Anwartschaft und der Berechnung der Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs dienen, hat die Beklagte zutreffend dargelegt.

Soweit die Klägerin moniert, dass in ihrem Fall eine Minderung des Marktwertes allenfalls in geringem Maße eingetreten sei und dies ggf. in jedem Einzelfall ermittelt werden müsste, ist ihr ihre eigene Einsicht entgegenzuhalten, dass dies in der Massenverwaltung nicht praktikabel ist und es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, auf typisierende Regelungen zurückzugreifen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine mittelbare Diskriminierung von Frauen durch eine Auslegung des Gesetzes im vorbezeichneten Sinn. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass Fälle der unwiderruflichen Freistellung von späteren Arbeitslosengeldbeziehern mit der Folge einer Nichtberücksichtigung von Entgelten, aus denen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet wurden, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes in besonderem Maße weibliche Versicherte betreffen. Es liegt schon nicht auf der Hand, dass in die spätere Arbeitslosigkeit mündende Aufhebungsvereinbarungen mit sofortiger unwiderruflicher Freistellung in größerer Zahl nach dem Ende von – tatsächlich wohl vor allem von Frauen in Anspruch genommenen – Elternzeiten geschlossen werden. Erst recht ist nicht erkennbar, dass derartige Fälle einen hohen Anteil an allen in die spätere Arbeitslosigkeit mündenden Sachverhalten mit Aufhebungsvereinbarungen mit sofortiger unwiderruflicher Freistellung haben. Derartige Sachverhalte dürften nach den Erfahrungen des Senats insbesondere im Zusammenhang mit Personalabbau in größeren Unternehmen sowie der Trennung von unliebsam gewordenen Mitarbeitern auftreten. Da die Rechtsprechung zur Berücksichtigung nur von Arbeitsentgelten aus Beschäftigungsverhältnissen im leistungsrechtlichen Sinn bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes alle diese Konstellationen unterschiedslos betreffen, liegt keine besondere Betroffenheit von Frauen vor. Die von der Klägerin behauptete Fortsetzung der Diskriminierung der Klägerin durch den Arbeitgeber nunmehr durch den Staat vermag der erkennende Senat nicht nachzuvollziehen.

Die Bemessung des Arbeitslosengeldes der Klägerin nach der Qualifikationsstufe 1 gemäß § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III ist ebenso wenig zu beanstanden wie die hiervon ausgehende Berechnung des Leistungsentgelts und schließlich des Leistungsbetrags.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen auch angesichts der Entscheidung des LSG NRW vom 23. Februar 2017 und der dagegen vom BSG zugelassenen und noch anhängigen Revision nicht vor. Abgesehen davon, dass der Entscheidung ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liegt, geht der erkennende Senat davon aus, dass das BSG bei der Entscheidung über die Revision nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen wird.
Rechtskraft
Aus
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