L 2 R 20/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 34 R 698/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 20/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
L
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe einer großen Witwenrente.

Die Klägerin ist die Witwe des am 27. Dezember 2012 verstorbenen B. (im Folgenden: Versicherter). Zuvor war der Versicherte verheiratet mit der im April 2011 verstorbenen M ... Die Ehe wurde geschieden. Im Wege des Versorgungsausgleichs zu Lasten des Versicherten wurden aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Ahrensburg vom 17. November 1994 Rentenanwartschaften in Höhe von mtl. 669,53 DM bezogen auf das Ende der Ehezeit am 28. Februar 1993 im Wege des Splittings auf M. übertragen. Die Entscheidung ist seit dem 6. Januar 1995 rechtskräftig. Am 6. Juni 1995 heiratete der Versicherte die Klägerin.

Am 17. Mai 2011 beantragte der Versicherte die Aussetzung der Kürzung seines Rentenanrechts wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person. Mit Bescheid vom 6. Juni 2011 teilte die Beklagte dem Versicherten mit, dass sie auf seinen Antrag vom 17. Mai 2011 die Kürzung seines Rentenanrechts ab 1. Juni 2011 aussetze. Zugleich enthielt der Bescheid den Satz: "Die Aussetzung der Kürzung wirkt sich nur auf Ihre Versichertenrente aus. Eine Hinterbliebenenrente aus Ihrer Versicherung wird aufgrund des Versorgungsausgleiches gekürzt". Der Versicherte verstarb am 27. Dezember 2012 ohne selbst eine Versichertenrente bezogen zu haben. Auf den Antrag der Klägerin vom 8. Januar 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 13. Februar 2013 eine große Witwenrente beginnend am 27. Dezember 2012.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf Aussetzung des Versorgungsausgleiches. Mit Bescheid vom 26. Januar 2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Kürzung ihrer Witwenrente durch den Versorgungsausgleich ab. Dem Antrag ihres verstorbenen Ehemannes auf Anpassung wegen Todes der ausgleichberechtigten Person sei zwar mit Bescheid vom 6. Juni 2011 entsprochen worden. Eine Rente mit besitzgeschützten persönlichen Entgeltpunkten, die auch als besitzgeschützte persönliche Entgeltpunkte der sich anschließenden Hinterbliebenenrente zugrunde zu legen wären (§ 88 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ( SGB VI)), habe ihr Ehemann aber vor seinem Tod nicht bezogen. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) bestehe für die Hinterbliebene keine Antragsberechtigung.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2015 legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Januar 2015 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2015, der am 12. Mai 2015 zur Post gegeben wurde, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person folge aus §§ 37 und 38 VersAusglG. Die Aussetzung der Kürzung des Anrechts könne sich nur für den ausgleichspflichtigen Ehegatten selbst in seiner Versichertenrente auswirken. Für Hinterbliebenenrenten aus seiner Versicherung sei eine Anpassung nicht zulässig. Darauf sei in dem Anpassungsbescheid vom 6. Juni 2011 hingewiesen worden. Dem Antrag, die Witwenrente ohne den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich nach der Scheidung der ersten Ehe zu berechnen, könne deshalb nicht entsprochen werden. Die Klägerin hätte auch keine ungekürzte Witwenrente erhalten, wenn ihr verstorbener Ehemann noch zu Lebzeiten eine Rente unter Berücksichtigung der Anpassung wegen Todes erhalten hätte. Die Witwenrente hätte zunächst mit dem Malus aus dem Versorgungsausgleich, also ohne Anpassung wegen Todes gemäß § 37 VersgAusglG, berechnet werden müssen. Lediglich aufgrund eines möglicherweise bestehenden Besitzschutzes an persönlichen Entgeltpunkten aus der Versichertenrente (§ 88 Abs. 2 SGB VI) hätte sich der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich in der Hinterbliebenenrente eventuell nicht ausgewirkt. Daraus dürfe jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass für die Witwenrente ein "originärer" Anspruch auf Anpassung wegen Todes nach § 37 VersorgAusglG bestehe. Ein Vertrauensschutz hätte sich in der vorstehend geschilderten Fallgestaltung nur mittelbar durch den Schutz von persönlichen Entgeltpunkten ergeben. Aus dem Bescheid vom 6. Juni 2011 könne sie keine Rechte herleiten.

Die Klägerin hat dagegen am 12. Juni 2015 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Sie ist der Auffassung, dass ihre Witwenrente auf der Grundlage der Rente zu berechnen sei, die auch ihr Ehemann erhalten hätte, wenn er das Rentenalter erreicht hätte. Das Bundesozialgericht (BSG) habe diese Frage zu ihren Gunsten auf der Grundlage von Sachverhalten entschieden, die mit dem hiesigen weitestgehend vergleichbar seien (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. April 2014 – B 13 R 25/12 R). Das BSG habe entschieden, dass die Witwenrente auf der Grundlage der persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Ehemannes berechnet würde, die sich wieder um den ursprünglichen Abschlag aus dem Versorgungsausgleich erhöht habe. Wörtlich heiße es beim BSG: "Für eine Hinterbliebenenrente, die sich an eine andere Rente anschließt (sog. Folgerente) besteht (jedoch) Bestandschutz nach § 88 Abs. 2 S. 1 SGB VI". Der einzige Unterschied zwischen dem Fall, den das BSG entschieden habe, und dem der Klägerin liege darin, dass der vorverstorbene Ehemann hier so früh verstorben sei, dass er selbst noch überhaupt keine Rente bezogen habe.

Die Beklagte hat sich im Wesentlichen auf den Inhalt ihres Bescheides vom 26. Januar 2015 und ihren Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2015 bezogen.

Mit Urteil vom 2. November 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe dem Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Kürzung ihrer Witwenrente durch den Versorgungsausgleich zu Recht nicht entsprochen, da die Klägerin keinen Anspruch auf eine um den Versorgungsausgleich ungekürzten Rente habe. Zwar werde nach § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben sei. Die Anpassung finde gemäß § 37 Abs. 2 VersAusglG aber nur statt, wenn die ausgleichberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen habe. Antragsberechtigt sei nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG nur die ausgleichpflichtige Person. Die Antragberechtigung der Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG sei nach dem eindeutigen Wortlaut einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich, zumal auch in § 37 Abs.1 Satz 1 VersAusglG nur vom "Anrecht der ausgleichpflichtigen Person" die Rede sei. Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen stehe – anders als nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden § 9 Abs. 2 Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) – keine Antragsberechtigung mehr zu (Hinweis auf BSG, Urteile vom 20. März 2013 – B 5 R 2/12 R und vom 24. April 2014 – B 13 R 25/12 R). Der Klägerin fehle damit als Hinterbliebene der ausgleichpflichtigen Person, ihres verstorbenen Ehemannes, bereits das Antragsrecht. Auch aus § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ergebe sich nichts anderes. Diese Vorschrift besage nur, dass für eine Hinterbliebenenrente, die sich an eine andere Rente anschließt Bestands- und Besitzschutz bestehe. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hätte aber noch gar keine eigene Versichertenrente bezogen, so dass ein Bestands- und Besitzschutz im Sinne dieser Vorschrift hier nicht in Betracht komme.

Auch aus dem an den verstorbenen Ehemann der Klägerin ergangenen Bescheid vom 16. Juni 2011 über die Anpassung wegen Todes könne die Klägerin keine Rechte herleiten, da dieser sich nur an den verstorbenen Ehemann gerichtet habe. Er habe sogar den Hinweis enthalten, dass die Aussetzung der Kürzung sich nur auf seine Versichertenrente auswirke und eine Hinterbliebenenrente aus seiner Versicherung aufgrund des Versorgungsausgleiches gekürzt werde. Auch wenn sich der Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ableite, gehe es nicht kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittele dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen. Nach dem VersAusglG richte sich das Recht, die Anpassung wegen Todes der ausgleichberechtigten Person zu beantragen (§ 37 VersAusglG) allein nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG (Hinweis auf BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 5 R 2/12 R), wonach eine Antragsberechtigung der Klägerin nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil, das ihrem Prozessbevollmächtigten am 28. Februar 2019 zugestellt worden war, hat die Klägerin am 25. März 2019 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass es auf ein fehlendes eigenes Antragsrecht der Hinterbliebenen nicht ankomme, da für eine Hinterbliebenenrente, die sich an eine andere Rente anschließe, Bestandsschutz bestehe. Zwar setze § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB VI voraus, dass der verstorbene Ehepartner schon ungekürzte Rentenzahlung erhalten habe. Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, dass der Hinterbliebene, dessen Ehegatte nur deshalb keine ungekürzten Zahlungen erhalten hat, weil er bereits vor Rentenbeginn verstorben war, nun auch seinerseits keinen Anspruch auf ungeschmälerte Witwenrente habe. Ein solches Sonderopfer komme ausschließlich dem Rentenversicherungsträger zugute und sei weder mit dem Sinn des VersAusglG noch mit Art. 3 Abs. 2 S. 1, Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar. Hätte der Ausgleichsverpflichtete bereits eine ungekürzte Rente erhalten, wäre dies auch der Hinterbliebenen zugute gekommen. Da dieser Grundsatz auch dann gelte, wenn der Ausgleichsberechtigte für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren eine Hinterbliebenenrente erhalten habe, die die nach dem Versorgungsausgleich übertragenen Entgeltpunkte enthalte, müsse dies nach dem Grundsatz "e maiore ad minus" erst recht gelten, wenn der Rentenversicherungsträger weder Zahlungen an die geschiedene Ehefrau noch an den Ausgleichsverpflichteten selbst geleistet habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. November 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Witwenrente der Klägerin auf der Grundlage der nicht um den Versorgungsausgleich gekürzten Rente zu berechnen, die ihr verstorbener Ehemann erhalten hätte, wenn er das Renteneintrittsalter erreicht hätte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und schließt sich der Urteilsbegründung an.

Der Senat hat über die Berufung am 19. Februar 2020 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso wie auf die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung erweist sich als unbegründet. Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, dass die ihr seit dem 27. Dezember 2012 zustehende große Witwenrente ungekürzt, also angepasst wegen Todes der ausgleichsberechtigten ersten Ehefrau des Versicherten ausgezahlt wird.

1. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VersAusglG wird das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichspflichtige Person gestorben ist und die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat. Antragsberechtigt ist nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG die ausgleichspflichtige Person.

Der Gesetzgeber hat mit dieser am 1. September 2009 in Kraft getreten Vorschrift (vgl. Art. 23 Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 3. April 2009) das materielle Recht des Versorgungsausgleichsrechts grundlegend neu geregelt (vgl. Breuers in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1 VersAusglG Rn. 6). Gleichzeitig ist das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) vom 21. Februar 1983 in der Fassung vom 17. Dezember 2008 außer Kraft getreten. Nach neuem Recht ist gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG antragsberechtigt für die "Anpassung" (den Rückausgleich) nur noch der ausgleichspflichtige Ehepartner, nicht mehr ein Hinterbliebener (wie noch nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VAHRG). Dem entspricht, dass § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG nur noch davon spricht, dass ein Anrecht "der ausgleichspflichtigen Person" nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt wird (§ 4 Abs. 1 VAHRG betraf noch die Versorgung "des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen"). Hierzu heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 16/10144, S. 75): "Anders als in § 4 Abs. 1 VAHRG ist aber ein Anpassungsanspruch nicht mehr vorgesehen, wenn nur die Hinterbliebenen der ausgleichspflichtigen Person von der Anpassung profitieren würden. Diese haben kein schutzwürdiges Interesse an der Rückgängigmachung der Versorgungskürzung. Die Witwe oder der Witwer der ausgleichspflichtigen Person konnte und musste damit rechnen, dass die (Hinterbliebenen-)Versorgung der ausgleichspflichtigen Person um den für den Versorgungsausgleich abgezogenen Betrag reduziert war." Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass den Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes nicht entnommen werden kann, dass das durch den ausgleichspflichtigen Ehepartner wahrgenommene Antragsrecht zugunsten der Hinterbliebenen weiterwirkt (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2014 – B 13 R 25/12 R, juris Rn.16). Es lässt sich von der Überlegung leiten, dass sich der Anpassungsantrag des Ausgleichsverpflichteten nur auf seinen eigenen Versicherten-, nicht aber auf künftige Hinterbliebenenleistungen seiner Angehörigen bezieht. Ein Antragsteller kann danach immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen. Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ableitet, geht es nicht kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittle dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen. Damit erhalten beim Versterben des Ausgleichspflichtigen die Hinterbliebenen, die aus seiner (ggf. ungekürzten) Versorgung Witwen- oder Waisengeld ableiten, diese im Gegensatz zum früheren Recht wegen des Versorgungsausgleichs nicht ungekürzt (in diesem Sinne auch: Holzwarth in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Auflage 2015, § 37 VersAusglG Rn. 1 unter Hinweis auf die "eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers, der ein schutzwürdiges Interesse der Hinterbliebenen verneint"; Brudermüller in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Auflage 2019, § 37 VersAusglG Rn. 3; Maaß in BeckOGK Stand 1.12.2019, VersAusglG § 37 Rn. 25.1). Dieses Gesetzesverständnis entspricht auch den Arbeitsanweisungen der Deutschen Rentenversicherung zum Versorgungsausgleich: Da der Versicherte noch keine Rente bezogen habe, könnten sich auch keine besitzgeschützten persönlichen Entgeltpunkte ergeben, die in einer Hinterbliebenenrentenberechnung zu berücksichtigen wären (vgl. https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de, Beispiel 4 zu § 37 VersAusglG). Der vereinzelt vertretenen Gegenmeinung, dass im Fall der Anwendung der Anpassungsnorm auf den Ausgleichspflichtigen auch spätere Hinterbliebenenversorgungen daraus nicht mehr der Kürzung unterliegen (vgl. Gutdeutsch in BeckOK BGB, Stand: Feb. 2017, § 37 VersAusglG Rn. 5; anders jetzt Bergmann in BeckOK BGB, Stand: 1. Januar 2019, § 37 VersAusglG Rn. 6) schließt sich der Senat nicht an. Dieser Fortsetzungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus der Begründung in BT-Drs. 16/10144 S. 76, wonach ein Anpassungsanspruch dann nicht mehr vorgesehen ist, wenn "nur" die Hinterbliebenen der ausgleichspflichtigen Person von der Anpassung profitieren würden. Der folgende Satz der Begründung, der lautet: "Diese haben kein schutzwürdiges Interesse an der Rückgängigmachung der Versorgungskürzung", müsste dann aber gelesen werden wie "Diese haben allein kein schutzwürdiges ". Das hieße aber andererseits, dass differenziert werden müsste zwischen dem Fall der Kürzungsaufhebung zu Gunsten des Ausgleichspflichtigen, die sich dann zu Gunsten der Hinterbliebenen fortsetzt und dem Fall der Nichtanwendung der "Aussetzungsnorm" beim Ausgleichspflichtigen, bei dem also nur die Hinterbliebenen begünstigt würden, was nach neuem Recht unzulässig ist. Für eine derartige Differenzierung lässt sich kein sachlicher Grund erkennen. Auch angesichts des Wortes "nur" in der zitierten Gesetzesbegründung kann den §§ 37, 38 VersAusglG nicht entnommen werden, dass das durch den ausgleichspflichtigen Ehepartner wahrgenommene Antragsrecht im Rentenrecht zugunsten der Hinterbliebenen weiterwirkt (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2014 – B 13 R 25/12 R, a.a.O). Um auch für die Hinterbliebenen einen "Rückausgleich" durchführen zu können, müssten diese ebenfalls einen entsprechenden Antrag stellen dürfen. Die Möglichkeit sah das alte Recht noch vor. Nach der Neuregelung durch das Gesetz über den Versorgungsausgleich aber steht den Hinterbliebenen das (Antrags-)Recht auf Rückausgleich nicht mehr zu, auch nicht für den Fall, dass der verstorbene ausgleichspflichtige Ehepartner bereits wegen des noch von ihm beantragten Rückausgleichs eine eigene Rente ohne versorgungsausgleichsbedingte Abschläge bezogen hatte (vgl. BayVGH, Urteil vom 18. Juli 2017 – 3 BV 16.590, juris).

2. Im Rahmen des Sozialversicherungsrechts besteht nur bei Hinterbliebenenrenten, die sich an eine andere Rente anschließen, gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ein Besitz- und Bestandsschutz (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2014 – B 13 R 25/12 R, a.a.O. Rn.19; und vom 20. März 2013 – B 5 R 2/12 R SozR 4, 2600 § 88 Nr.2; kritisch: Rehbein, jurisPR-FamR 25/2013 Anm. 5 unter Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber bei den Hinterbliebenen mit der Regelung des § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG einen Besitzschutz gerade nicht mehr für notwendig erachtet habe). Dies führt dazu, dass der Hinterbliebenenrente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt

werden müssen. Ist der Abschlag (Malus) aus dem früheren Versorgungsausgleich unterblieben, weil die Versorgung der oder des verstorbenen Versicherten nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt worden war, erhöhen sich insoweit die persönlichen Entgeltpunkte der Vorrente, auf welche der Versicherte zuletzt vor Beginn der Folgerente Anspruch hatte. Den Hinterbliebenen kommt unter diesen Voraussetzungen mittelbar zu Gute, dass der verstorbene Versicherte durch Antragstellung nach den einschlägigen Härteregelungen erreicht hatte, dass bei seiner eigenen Rente trotz des zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleichs kein Abschlag an Entgeltpunkten erfolgt ist. Im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 VAHRG a.F. sieht § 37 VersAusglG aber keine Anpassung für den Fall vor, dass nur die Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Ehegatten von der Anpassung profitieren würden. Die Hinterbliebenen haben kein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Versorgungskürzung rückgängig gemacht wird (vgl. Kreikebohm, SGB VI, Kommentar, 5. Aufl. 2017, § 88 Rn. 21). Das Witwengeld unterliegt mangels eigener Antragsberechtigung der Hinterbliebenen nach § 38 VersAusglG auch dann der Kürzung, wenn für den verstorbenen Versicherten auf Antrag keine Kürzung seines Ruhegehalts durch den Versorgungsausgleich erfolgt ist (vgl. Breuers in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 38 VersAusglG, Rn. 8 f.; BayVGH – Urteil vom 18. Juli 2017, BV 16.590, juris).

Das Argument der Klägerin, ihr würde ein dreifaches Sonderopfer abverlangt, geht fehl: Der Gesetzgeber hat bewusst einen Rückausgleich für die zuvor wegen des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften nur zugunsten des Versicherten vorgesehen. Wenn allein die Hinterbliebenen von dieser Anpassung profitierten, kommt ein Rückausgleich nicht in Betracht. Für sie sieht er einen Besitzschutz nur vor, soweit der Versicherte bereits eine (angepasste) Rente bezogen hat und sich sein Ehegatte auf die Höhe dieses Familieneinkommens einstellen durfte. In diesem Fall soll die Anpassung nach Versterben des Versicherten zum Nachteil der Hinterbliebenen nicht wieder rückgängig gemacht werden. Bei der Hinterbliebenenrente handelt es sich rechtstechnisch nämlich nicht um eine von der Versichertenrente abgeleitete Leistung. Sie wird vielmehr davon unabhängig nach den §§ 63 ff SGB VI ermittelt, wenngleich aus dem Versichertenkonto des Verstorbenen. Dabei können die Grundlagen für die Berechnung der Leistung für Versicherte und Hinterbliebene unterschiedlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 – B 5 R 36/17 R, juris). Der Gesetzgeber hätte die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation auch anders regeln können und beispielsweise die Höhe der Hinterbliebenenrente stets an die fiktiv zu berechnende Höhe der Rente des vor Renteneintritt verstorbenen Versicherten knüpfen können. Die im geltenden Recht vorgesehene Regelung ist jedoch nicht verfassungswidrig, sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 14 GG. Ansprüche von Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Versorgung ihrer Hinterbliebenen unterliegen nicht dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs. 1 GG. Nach der Konzeption des Gesetzgebers ist die Hinterbliebenenversorgung dem Versicherten nicht als "seine Rechtsposition" zugeordnet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1998 – 1 BvR 1318/861 BvR 1484/86 – juris – Rn 60). Eine von Art. 14 GG geschützte Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente entsteht vielmehr frühestens mit dem Ableben des Versicherten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Dezember 2008 – L 13 R 2351/08, juris, Rn. 25). Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Das wäre nur dann der Fall, wenn durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt würde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 1999 – 1 BvL 8/97, BVerfGE 100, 195 ff.). Im Streitfall könnte man allenfalls daran denken, dass die durch § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB VI geregelte Besserstellung von Hinterbliebenen, die eine Folgerente beziehen, gegenüber Hinterbliebenen bei denen der Versicherte vor Renteneintritt verstorben ist, gegen den Gleichheitssatz verstößt. Der Unterschied zwischen beiden Normadressaten liegt jedoch auf der Hand: Nur dann, wenn der Versicherte selbst bereits eine Rentenleistung bezogen hat, die auch dem hinterbliebenen Ehepartner zugute gekommen ist, besteht für seine Hinterbliebenen Bedarf für einen Besitzschutz. Sind Rentenleistungen aber noch gar nicht geflossen, ist für Vertrauensschutzgesichtspunkte kein Raum. Die Hoffnung auf eine möglicherweise erreichte Rentenhöhe des Versicherten wird nicht geschützt. Die Ungleichbehandlung knüpft damit an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal an.

Ein Verstoß gegen Art. 6 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil aus Art. 6 Abs. 1 GG keine Pflicht folgt, dem überlebenden Ehegatten überhaupt einen Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenrente einzuräumen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 2010 – 1 BvR 2584/06, juris ; BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2009 – 8 CN 1/09, NJW 2009, 3316, 3318).

Die Berufung ist deshalb mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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