L 5 KA 25/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 175/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 25/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
L
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Honorarabrechnung für das vierte Quartal 2013.

Die Klägerin betreibt ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), in dem Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinder- und Jugenddiabetologie und -endokrinologie sowie Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig sind.

Für das hier streitige Quartal 4/13 wurde am 11.10.2013 auch ein Antrag auf Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten gestellt. Dieser wurde mit Schreiben vom 22.10.2013 mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Praxisbesonderheiten im individuellen Leistungsbudget (ILB) automatisch berücksichtigt würden. Die Klägerin stellte dennoch am 07.11.2013 nochmals einen Antrag auf Anerkennung einer Praxisbesonderheit.

Mit Honorarbescheid vom 27.5.2014 setzte die Beklagte für das vierte Quartal 2013 ein Gesamthonorar von 115.885,08 EUR fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 12.6.2014 Widerspruch mit der Begründung ein, das Individuelle Leistungsbudget (ILB) sei falsch. Praxisbesonderheiten seien nicht berücksichtigt und auch Herr Dr. B. als neuer Arzt habe ein falsches ILB erhalten. Mit Bescheid vom 30.6.2014 korrigierte die Beklagte ihren Bescheid vom 27.5.2014 wegen eines technischen Fehlers. Das Gesamthonorar betrug danach nunmehr 115.915,16 EUR. Das ILB der Kinderärzte habe 36.095,11 EUR betragen. Im ILB Bereich seien von den Kinderärzten 45.821,92 EUR angefordert worden. Dies sei eine Überschreitung in Höhe von 9.726,81 EUR. Die quotierte Vergütung bei den Kinderärzten sei 1.319,13 EUR. Die Kinder- und Jugendpsychiater hätten bei einem ILB von 46.046,48 EUR den Betrag von 34.242,27 EUR angefordert. Insgesamt habe sich im ILB Bereich eine Vergütung von 71.656,51 EUR ergeben. Mit Schreiben vom 18.6.2014 erläuterte die Beklagte der Klägerin die Zusammensetzung der ILB der einzelnen Ärzte. Mit einem weiteren Berichtigungsbescheid vom 6.8.2014 wegen der versehentlichen Streichung einer Gebührenordnungsposition erhöhte sich die quotierte Vergütung auf 2.438,33 EUR und die Summe der Vergütung im ILB Bereich betrug 72.775,71 EUR. Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Honorarberechnung in ihrer korrigierten Fassung vom 30.6.2014 und der rechnerischen Berichtigung vom 6.8.2014 sei nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen durchgeführt worden. Insbesondere bei der Berechnung des ILB für die einzelnen Ärzte der Klägerin sei kein Fehler festzustellen. Im Ablehnungsbescheid zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit (Tätigkeitsbereich der Kinder- und Jugenddiabetologie und Betreuung von chronisch kranken Kindern) vom 21.8.2013 für das vierte Quartal 2012 sei festgestellt worden, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit im vierten Quartal 2012 zwar vorgelegen hätten, es jedoch wegen der hohen Auszahlungsquote nicht zu einer Honorarnachzahlung gekommen sei. Infolgedessen sei die Anerkennung der Praxisbesonderheit in der Berechnung des ILB für das vierte Quartal 2013 außer Acht gelassen worden.

Die Klägerin hat am 13.11.2014 Klage erhoben. Sie wendet sich gegen die aus ihrer Sicht zu niedrige Vergütung im ILB ihrer Kinderärzte. Sie hat geltend gemacht, in den Rechtsstreiten S 27 KA 61 und 62/13 sei eine Praxisbesonderheit anerkannt worden, was auch in diesem Verfahren maßgeblich sei.

Die Verfahren S 27 KA 61 und 62/13 betrafen die Quartale 3/11, 4/11, 1/12 und 2/12. Hier war eine Praxisbesonderheit grds. von der Beklagten anerkannt worden und es ging im Rechtsstreit um deren Berechnung. Nach den Bescheidungsurteilen des Sozialgerichts vom 10. Juni 2015 haben sich die Beteiligten in einem Vergleich vom 15.1.2016 dann auf eine pauschale Zahlung von 5.000,- pro Quartal geeinigt.

Weiter hat die Klägerin vorgetragen, sie stelle die Versorgung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendendokrinologie sicher. Neben ihr erbrächten in Hamburg nur noch eine weitere Klinik und eine weitere Praxis Leistungen nach der Gebührenordnungsposition (GOP) 04580 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM). Diese GOP sei für die allgemein-hausärztlich tätigen Pädiatrien untypisch. Sie betreibe eine reine Zuweisungspraxis. Dies alles müsse im Rahmen einer Praxisbesonderheit mit einer Erhöhung des ILB berücksichtigt werden. Ebenso müsse der Vergleich vom 15.1.2016 berücksichtigt werden, wonach für die Quartal 3/2011, 4/2011, 1/2012 und 2/2012 insgesamt eine Honorarnachzahlung von 20.000 EUR vereinbart worden sei.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass ab dem vierten Quartal 2013 die Prüfung von Praxisbesonderheiten aus methodischen Gründen obsolet geworden sei, weil die ILB Systematik im ersten Rechenschritt bereits auf die vollständigen Leistungsbedarfsanteile einschließlich des für die Praxisbesonderheit reklamierten Leistungsbedarfs des Vorjahresquartals abstelle. Für das Vorjahresquartal (4/2012) sei der Antrag auf Anerkennung einer Praxisbesonderheit bestandskräftig abschlägig beschieden worden. Wenn sich die Klägerin auf den Vergleich vom 15.1.2016 beziehe, so sei dieser zur Erledigung der Verfahren S 27 KA 61/13 und S 27 KA 62/13 ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage geschlossen worden. Die darin vereinbarten Nachzahlungen hätten sich nicht auf das vierte Quartal 2012 bezogen. Eine "Basiswirksamkeit" der Gutschrift sei nicht vereinbart worden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.07.2017 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf ein höheres Honorar für das vierte Quartal 2013, insbesondere bestehe weder ein Anspruch auf ein höheres ILB der Kinderärzte der Klägerin oder gar auf eine nicht quotierte Vergütung im Bereich des ILB der Klägerin. Festzuhalten bleibe, dass die Klägerin im ILB Bereich ihrer Kinderärzte 45.821,92 EUR angefordert habe. Unter Berücksichtigung des Korrekturbescheides vom 30.6.2014 mit einem Honorar der Kinderärzte im Bereich ILB von 37.414,24 EUR und der rechnerischen Korrektur im Bescheid vom 6.8.2014 in Höhe von 1.119,20 EUR beliefe sich die Vergütung im ILB Bereich der Kinderärzte auf 38.533,44 EUR im vierten Quartal 2013. Die Beklagte habe das ILB der Kinderärzte für das vierte Quartal 2013 zutreffend berechnet. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit werde je Quartal und Arzt ein individuelles Leistungsbudget in Euro als Obergrenze der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen vorgegeben (§ 15 Abs. 1 Satz 1 des Verteilungsmaßstabs der Beklagten vom 25.9.2013 ab 1.10.2013 in Verbindung mit §§ 85, 87 b Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, SGB V). Das arztbezogene individuelle Leistungsbudget werde u.a. errechnet als relativer Anteil des Arztes am Leistungsbedarf seiner Arztgruppe in Euro des Vorjahresquartals (§ 16 Abs. 1 VM). Schon hieraus werde deutlich, dass es auf die Leistungen ankomme, die der Arzt im Vorjahresquartal erbracht habe. Diese Leistungen habe die Beklagte bezogen auf die Ärzte der Beklagten im Schreiben vom 18.6.2014 ausführlich dargestellt. Bei der Klägerin sei auch aus Gründen der Sicherstellung keine Anpassung des individuellen Leistungsbudgets vorzunehmen (§ 19 Abs. 1 VM). Es könne dahinstehen, ob wegen § 19 Abs. 3 VM Gegenstand eines Klageverfahrens gegen einen Honorarbescheid überhaupt die Anpassung des individuellen Leistungsbudgets sein könne, denn die Beklagte habe dies selbst zum Gegenstand ihres Widerspruchsbescheides und des Klageverfahrens gemacht. Nach der Rechtsprechung sei das Tatbestandsmerkmal der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der Honorarverteilung zunächst im Zusammenhang mit der Ausnahme von der sogenannten Teilbudgetierung ausgelegt worden, weil durch die Versagung von Teilbudget-Aussetzungen keine spezifische Praxisausrichtung blockierte werden könne (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts, BSG, vom 29.6.2011, B 6 KA 17/10 R, juris, Rdnr. 20). In Bezug auf die Systematik der Regelleistungsvolumina (RLV) habe das BSG ausgeführt, dass auch hier im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Budgeterweiterung vorzunehmen sein könnte. Zur Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" führe das BSG aus: "dass eine im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung vorliegen müssten, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl hätten ( ...). Dabei habe er (der Senat) als mögliches Indiz für die Atypik im Vergleich zur Fachgruppe angesehen, dass im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet vorliegt. Zusätzlich sei erforderlich, dass die Honorierungsquote für die speziellen Leistungen überdurchschnittlich gering gewesen sei, was voraussetze, dass das Gesamtleistungsvolumen insgesamt signifikant überdurchschnittlich hoch gewesen sei" (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –,juris, Rdnr. 21). Ebenso wie das BSG diese Kriterien unter Geltung des RLV für geeignet halte, das Merkmal der Sicherstellung der Versorgung zu konkretisieren (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 22), könnten diese Kriterien auch unter Geltung des ILB zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Sicherstellung in § 19 VM herangezogen werden. Weiter sei aber zu berücksichtigen, dass nicht nur eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet vorliege, sondern es zusätzlich erforderlich sei, dass die Honorierungsquote für die speziellen Leistungen überdurchschnittlich gering gewesen seien (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 21), was gerade wegen der Ausrichtung der Praxis auf die speziellen Leistungen dazu führe, dass die Honorierungsquote insgesamt im Vergleich zur Fachgruppe erheblich geringer sei, also der Praxis ein Nachteil aus der speziellen Ausrichtung entstehe. Der Klägerin sei darin zuzustimmen, dass sie insbesondere mit der GOP 04580 EBM (Zusatzpauschale Diagnostik und Behandlung eines Patienten mit morphologischen Veränderungen einer Hormondrüse) spezielle Leistungen erbringe. Gleichwohl führe dies nicht zu einer Anpassung des ILB, weil die Honorierungsquote der Klägerin im Vergleich zur Fachgruppe der Kinder- und Jugendärzte nicht erheblich niedriger gewesen sei. Die Beklagte habe hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, im 4. Quartal 2013 habe die Auszahlungsquote der Kinderärzte der Klägerin 84 % betragen. Bei der Fachgruppe der Kinderärzte habe die Auszahlungsquote bei 83 % gelegen. Ein erheblicher Nachteil durch die spezielle Praxisausrichtung sei der Klägerin also nicht entstanden.

Es liege auch kein Fall der allgemeinen Härteklausel vor. Dies setze voraus, dass sowohl die wirtschaftliche Existenz der Praxis gefährdet sei als auch ein spezifischer Sicherstellungsbedarf bestehe. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin sei jedoch nicht ersichtlich. Es lägen auch keine Hinweise darauf vor, dass im Bezirk der Beklagten im betreffenden Zeitraum kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr für eine vertragsärztliche Tätigkeit bestanden habe und deswegen die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet gewesen wäre.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.08.2017 zugestellte Urteil am 30.08.2017 Berufung eingelegt. Mit dieser vertieft sie ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Sie ist weiterhin der Meinung, dass der Umstand, dass von ihr besonders (zeit und kosten)aufwändige Leistungen erbracht werden, eine besondere Berücksichtigung finden müsse. Die besondere Ausrichtung der Klägerin sei letztlich auch auf Wunsch der Beklagten erfolgt, so dass diese nun auch die Klägerin wirtschaftlich zu unterstützen habe. Die Umstellung vom RLV zum ILB führe dazu, dass unzulässiger Weise keine Praxisbesonderheiten mehr berücksichtigt würden. Ein vom Sozialgericht eingeräumter Anfangs- und Erprobungsspielraum könne der Beklagten nicht zugestanden werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Hamburg sowie den Honorarbescheid der Beklagten für das 4. Quartal 2013 in der Fassung der Bescheide vom 27. Mai 2014, 30. Juni 2014 und 6. August 2014 zu ändern sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über das Honorar der Klägerin für das 4. Quartal 2013 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist nach wie vor der Ansicht, dass selbst bei der Annahme einer Praxisbesonderheit diese nicht berücksichtigt werden könne, weil die Klägerin über der durchschnittlichen Vergütungsquote der Arztgruppe liege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht gem. §§ 143, 151 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und daher zulässig. Sie ist aber unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die streitigen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.

Hinsichtlich der Darstellung der rechtlichen Grundlagen wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Streitgegenstand dieses Verfahrens sind die Honorarbescheide für das Quartal 4/2013.

Die von der Klägerin geltend gemachte Praxisbesonderheit kann grds. nicht im Rahmen der Anfechtung des Honorarbescheides angegriffen werden, sondern es bedarf für deren Anerkennung eines Antrages, über den dann im eigenständigen Verwaltungs- und ggf. Gerichtsverfahren zu entscheiden ist. Eine sich daraus ergebende Korrektur nimmt die Beklagte unabhängig von einer evtl. inzwischen eingetretenen Bestandskraft des Honorarbescheides an diesem stets vor (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 5 VM).

Im Rahmen der Honorarberechnung im System des ILB kann die Praxisbesonderheit insoweit eine Rolle spielen, als die Systematik des ILB durch die Anknüpfung an die Honoraranforderung für das Aufsatzquartal hierauf Bezug nimmt. Für das sich hier ergebende Aufsatzquartal 4/2012 hat die Klägerin zwar einen Antrag auf Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten gestellt; dieser wurde jedoch mit bestandskräftigem Bescheid vom 21. August 2013 abschlägig beschieden. Damit kann in diesem Zusammenhang eine Praxisbesonderheit keine Rolle spielen. Auch sonst sind Fehler in der reinen Berechnung des Honorars für das streitige Quartal weder ersichtlich noch im Berufungsverfahren von der Klägerin plausibel dargelegt. Vielmehr geht es ihr um eine gesonderte Berücksichtigung der Besonderheiten ihres Praxisbetriebs. Die einzig verbleibende Möglichkeit hierfür ist ein Antrag nach § 19 Abs. 1 VM, der eine Anpassung des ILB u.a. "aus Gründen der Sicherstellung" ermöglicht.

Die Klägerin hat für das Quartal 4/2013 einen Antrag auf Berücksichtigung einer Praxisbesonderheit gestellt, der mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 von der Beklagten mit dem Hinweis abgelehnt worden ist, dass die Praxisbesonderheiten im ILB automatisch berücksichtigt würden. Die Klägerin hat dann am 7. November 2013 nochmals einen entsprechenden Antrag gestellt. Dieser ist nach dem Senat vorliegenden Erkenntnissen bisher von der Beklagten nicht beschieden worden. Der Ansicht des Sozialgerichts, dass mit dem streitigen Honorarbescheiden auch über die Frage der "Praxisbesonderheit" mitentschieden ist, teilt der Senat nicht. In dem Widerspruchsbescheid vom 16.10.2014 bezieht sich die Beklagte lediglich auf den ablehnenden Bescheid vom 21.08.2013, trifft jedoch keinerlei Entscheidung zu dem noch offenen Antrag vom 07.11.2013.

Die Beklagte wird daher die Antragsbescheidung nachzuholen und bei entsprechend für die Klägerin positivem Ausgang ggf. den Honorarbescheid anzupassen haben.

Dabei geht der Senat davon aus, dass der noch offene Antrag als ein solcher im Sinne des § 19 Abs. 1 VM zu verstehen ist. Zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass es nach der ILB-Systematik keine "Praxisbesonderheiten" im namentlichen Sinn gibt. Es gibt jedoch die Anträge nach § 19 Abs. 1 VM auf Anerkennung eines Härtefalls bzw. aus Gründen der Sicherstellung. Dabei dürfte die "Praxisbesonderheit" der Sache nach ein Fall der Sicherstellung und damit ein Härtefall im weiteren Sinne sein (vgl. BSG, Urt. v. 26.06.2019 – B 6 KA 1/18 R, Rn. 13; Urt. v. 22.06.2005 – B 6 KA 80/03 R, Rn. 47). Im Ergebnis bedeutet dies, dass ein Antrag auf "Praxisbesonderheiten" als ein Antrag auf Härte im weiteren Sinn nach § 19 Abs. 1 VM auszulegen ist.

Unabhängig von der Frage, ob eine Praxisbesonderheit im herkömmlichen Sinne im Rahmen des § 19 Abs. 1 VM Berücksichtigung finden kann – oder dies entsprechend dem Vortrag der Beklagten im System des ILB nicht mehr nötig bzw. möglich ist, weil die Praxisbesonderheit durch die Anknüpfung an die Honoraranforderung im Aufsatzquartal "abgegolten" ist –, scheint die Argumentation der Beklagten, dass sie selbst bei tatbestandlichem Vorliegen einer Praxisbesonderheit auf Rechtsfolgenseite im Rahmen des Ermessens eine Berücksichtigung der Praxisbesonderheit ablehnt, wenn die Praxis mit ihrer Vergütungsquote den Arztgruppendurchschnitt erreicht, für den Senat nachvollziehbar. Wenn man davon ausgeht, dass mit der Berücksichtigung einer Härte im weiten Sinne die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Teilnahme an der Versorgung möglich gemacht werden soll, insbesondere um eine spezialmedizinische Versorgung den Versicherten anbieten zu können, dann wird man dieses Ziel als erreicht ansehen können, wenn der Honorardurchschnitt der Arztgruppe erreicht wird. Andernfalls müsste man davon ausgehen, dass ein darüberhinausgehender Anreiz geschaffen werden soll, diese Leistung anzubieten. Schon davon ist jedoch nicht auszugehen. Überdies bleibt die Frage offen, wie dieser Anreiz zu bemessen und zu berechnen wäre.

Dabei ist es grundsätzlich Aufgabe der Gebührenordnung dafür zu sorgen, dass eine dort abgebildete Leistung für das angegebene Entgelt wirtschaftlich zu erbringen ist. Diese Aufgabe kann nicht die Honorarverteilung übernehmen. Das bedeutet, dass das Vorliegen einer Praxisbesonderheit nur bei Betrachtung der Honorarseite abbildbar zu seien hat. Es muss also ein Fall sein, in dem trotz an sich wirtschaftlicher Bemessung der Gebührenpositionen gerade durch den Honorarverteilungsvorgang sich – unabhängig von der Ausgabenseite – eine Verteilungsungerechtigkeit ergibt. Davon kann man beim Erreichen des Arztgruppendurchschnitts jedoch nicht ausgehen. Ein ähnliches Abstellen auf den Arztgruppendurchschnitt findet sich in der Rechtsprechung des BSG zu den umsatzmäßig unterdurchschnittlich wirtschaftenden Praxen (vgl. hierzu mwN BSG, Beschl. v. 28.06.2017 – B 6 KA 89/16 B).

Zutreffend ist, dass durch die im Rahmen der Quotierung stattfindende Umverteilung die wirtschaftlichen Wertungen der Gebührenordnung verzerrt werden können. Das bedeutet: Selbst wenn die Werte der Gebührenordnung tatsächlich wirtschaftlich auskömmlich bemessen sind, wird diese Bemessung durch die Quotierung beeinflusst. Denn dadurch wird im Ergebnis weniger für den Behandlungsfall gezahlt, als von der Gebührenordnung dafür vorgesehen wurde. Dieses Problem stellt sich allerdings für alle Ärzte gleichermaßen. Denn es ist gerade das Problem und der Grund für die Quotierung, dass die Mittel für die Honorierung aller nach der Gebührenordnung sich ergebenden Beträge nicht auskömmlich sind. Die Klägerin müsste demnach begründen, dass sich dieser Umstand für sie und die Ärzte des MZV in besonders unangemessener Weise auswirkt, weil im MZV bestimmte – kostenintensive? – Gebührenpositionen besonders häufig abrechnet werden. Wenn man davon ausgeht, dass alle Positionen der Gebührenordnung gleichmäßig wirtschaftlich auskömmlich bemessen sind, dann kann diese Argumentation nicht überzeugen, da die prozentuale Vergütungsquote die Werte des einzelnen Arztes in angemessene Relation zueinander stellt.

Ist es auf der Grundlage dieser Systematik einer Praxis bzw. einem Arzt durch die Quotierung nicht möglich ein besonderes Leistungsprofil anzubieten und ist gleichzeitig aber diese Leistungserbringung für die Sicherstellung der Versorgung unabdingbar, dann kann sich hieraus die Notwendigkeit der Anpassung des individuellen Leistungsbudgets im Sinne des § 19 Abs. 1 VM ergeben. In diese Richtung zielt die Argumentation der Klägerin, wenn sie vorträgt, sie erbringe ihre stark spezifischen Leistungen auf Wunsch bzw. Drängen der Beklagten und es gebe im Versorgungsbereich der Beklagten (fast) keine Versorgungsalternative. Die Beklagte wird daher im Rahmen ihrer Entscheidung über den noch offenen Antrag nach § 19 Abs. 1 VM auch die diesem Vortrag zugrundeliegenden Umstände zu ermitteln und zu bewerten haben. Gleiches gilt für den besonderen Härtefall der wirtschaftlichen Existenzbedrohung. Hierzu liegt allerdings – bisher – kein substantiierter Vortrag der Klägerin vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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