L 1 KR 80/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 46 KR 5205/18 WA
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 80/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Mai 2019 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist ein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer selbst beschafften stationären Liposuktionsbehandlung und vorab die Frage, ob eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) eingetreten ist.

Die 1974 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin beantragte am 23. März 2016 bei der Beklagten die Durchführung einer stationären Liposuktion bei Lipödem im Bereich beider Knie und der linken Fessel. Sie fügte ein ärztliches Attest des Chefarztes des Zentrums für Venen- und Dermatochirurgie im Krankenhaus T. Dr. M. bei, der bei der Klägerin bis zum Jahre 2009 in insgesamt neun Sitzungen bereits eine Liposuktion im Oberschenkel- und Hüftbereich "mit langanhaltendem bzw. dauerhaftem Erfolg einer vollständigen Beschwerdereduktion" zu Lasten der Beklagten durchgeführt hatte. Im Bereich der Unterschenkel und Knie befinde sich ein noch ausgeprägter Befund (Diagnose: schmerzhaftes Lipödem Grad II (Unterschenkel)), was die Klägerin erheblich behindere. Sie beklage zunehmend Schweregefühl und Schwellneigung der Beine sowie eine Hämatomneigung. Bisherige Maßnahmen wie konsequente Lymphdrainagen und dauerhafte Kompressionstherapie seien durchgeführt worden, um die schmerzhaften Dysproportionierungen zu beseitigen. Die Behandlung sei medizinisch indiziert, keine kosmetische Maßnahme und wirtschaftlich, da Diäten, Sport und Kompressionstherapie und Lymphdrainagen alleine nicht ausreichend wirksam und langfristig gesehen zudem kostenintensiver seien. Aufgrund des ausgedehnten Befundes und der postoperativ erheblich auslaufenden Mengen an Tumeszenzlösung müsse die Behandlung unter kurzstationären Bedingungen erfolgen, um Nebenwirkungen der Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA) (pro Sitzung seien hier bis zu 6 l nötig) ärztlich überwachen zu können.

Mit Zwischenmitteilung vom 29. März 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zur Beurteilung des Falles den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeschaltet habe.

In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 6. April 2016 kam der MDK (Gutachter Dr. V.) zu dem Ergebnis, dass bei der hier bescheinigten Gesundheitsstörung aufgrund der fehlenden definierten Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit grundsätzlich keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bestätigt werden könne. Im vertragsärztlichen Bereich bestehe keine Möglichkeit der Abrechnung, da die Leistung weder im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthalten sei noch eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorliege. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) im Jahr 2008 bereits festgestellt habe, dass eine fehlende Abrechenbarkeit nicht die Notwendigkeit einer stationären Therapie begründe, werde die Leistung gehäuft im stationären Umfeld erbracht. Eine Liposuktion könne bei dem hier nur gering ausgeprägten Befund prinzipiell ambulant erfolgen. Empfohlen werde eine weitere Gewichtsreduktion sowie Fortführung der Bewegungstherapie und der komplexen physikalischen Entstauungstherapie.

Mit Bescheid vom 21. April 2016 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin unter Berufung auf die Ausführungen des MDK ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 30. April 2016 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, es sei für sie nicht nachvollziehbar, dass es sich bei der beantragten Liposuktion nicht um eine Kassenleistung handele, da bei ihr in der Vergangenheit bereits neun Liposuktionen übernommen worden seien. Auch der Verweis auf herkömmliche Maßnahmen wie Kompressionstrümpfe oder Lymphdrainage sowie eine weitere Gewichtsreduktion seien nicht geeignet. Dies versuche sie schon seit über 20 Jahren. Insbesondere in den betroffenen Bereichen der Knie und der Sprunggelenke sei eine Gewichtsreduktion schwierig. Sie legte noch eine Bescheinigung ihres behandelnden Facharztes für Dermatologie Dr. B. vor, der eine Liposuktion uneingeschränkt befürwortete, weil sie die einzige kausale Therapieoption darstelle.

Die Beklagte holte noch zwei weitere Stellungnahmen des MDK ( ) vom 17./18. Oktober und 5. Dezember 2016 ein, der mit ausführlicher Begründung unter Heranziehung von Fachliteratur und Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung an der Einschätzung festhielt, dass eine Zusage zur Kostenübernahme der strittigen Liposuktionstherapie nicht empfohlen werden könne, weil diese schon grundsätzlich nicht notwendig sei, erst recht nicht im Rahmen einer stationären Behandlung, da die Liposuktion grundsätzlich ambulant erbracht werden könne.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2017 zurück. Bei der Liposuktion bei Lipödem handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Diese dürfte im Krankenhaus nur erbracht werden, wenn sie ein ausreichendes Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative böte. Im ambulanten Bereich komme eine Leistung nur in Frage, wenn eine positive Empfehlung des G-BA vorliege, darüber hinaus nur bei einem Systemmangel, wenn also eine vertragliche Behandlung nicht zur Verfügung stehe und der G-BA die Behandlungsmethode trotz ausreichender Indizien nicht oder nicht zeitgerecht prüfe, oder wenn es sich um eine regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung handele und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder Besserung bestehe. All diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Im Hinblick auf die Leistungserbringung im Krankenhaus liege der Fall hier schon so, dass unabhängig von der Methode, aber auch auf Grund der Methode selbst keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit bestehe. Die Methode sei auch im Falle der Klägerin ambulant durchführbar.

Am 24. April 2017 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben (S 46 KR 761/17), ihr vorgerichtliches Vorbringen wiederholt und unter Vorlage einer Fotodokumentation sowie eines weiteren Schreibens des Chefarztes Dr. M. vertieft und dabei ergänzt, dass ihr Antrag sich ihretwegen auch auf eine ambulante Liposuktion hätte beziehen können. Die früheren Operationen seien immer mit einer Nacht auf Station verbunden gewesen, weil sehr viel Flüssigkeit in die Beine gegeben werde und diese über Stunden durch die geöffneten Wunden austrete. In diesem Zustand sei eine Heimreise nicht so angenehm, aber je nach Situation vielleicht auch nicht unmöglich. Am 5. September 2017 hat die Klägerin die beantragte Operation im Rahmen einer zweitägigen stationären Behandlung im Krankenhaus T. auf eigene Kosten durchführen lassen und ihren Klageantrag umgestellt auf Kostenerstattung in Höhe der von ihr gezahlten 1725,00 Euro. Hierauf habe sie auch Anspruch, denn im stationären Bereich bedürfe eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode keiner positiven Empfehlung des G-BA. Das Potenzial sei ausreichend. Dies sehe der G-BA ausweislich seines Beschlusses vom 20. Juli 2017 auch so, denn auf Grund des gesehenen Potenzials sei hiermit eine Erprobungsstudie in Auftrag gegeben worden. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) in seiner neueren Rechtsprechung zu einer anderen Bewertung komme, verstoße dies gegen Grundrechte. Die Operation sei im Übrigen ausweislich des Operationsberichtes auch stationär notwendig gewesen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat bekräftigt, dass Sie die Kostenübernahme nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Zum anderen sei keine Liposuktion indiziert gewesen, zum anderen wäre sie ambulant durchführbar gewesen, wenn sie indiziert gewesen wäre. Die Krankenhausbehandlung sei demnach nicht notwendig gewesen. Die stationäre Durchführung, um die Sperrwirkung von § 135 SGB V zu umgehen, führe nicht zur Kostentragungspflicht. Der vorgebrachte Systemfehler sei, insbesondere nachdem der G-BA nunmehr über die Liposuktion entschieden und aufgrund fehlender Studien Erprobungsstudien eingeleitet habe, auch nicht ersichtlich. Auf Hinweis des SG, dass möglicherweise durch Fristversäumnis der Beklagten die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V eingetreten sei, hat die Beklagte ergänzt, dass ihr für die Entscheidung aufgrund der Unterrichtung der Klägerin binnen drei Wochen, dass eine Stellungnahme des MDK eingeholt werde, eine Frist von fünf Wochen zur Verfügung gestanden habe, die sie auch eingehalten habe.

Nach vorübergehender Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit Blick auf das Revisionsverfahren B 1 KR 3/17 R (ein Verfahren, in dem gestritten worden ist, ob bei ausbleibendem Hinweis der Krankenkasse auf die Beauftragung des MDK die drei- oder die fünfwöchige Frist des § 13a Abs. 3a S. 1 SGB V gilt) und Wiederaufnahme unter einem neuen Aktenzeichen (S 46 KR 5205/18 WA) hat das SG über die Klage am 27. Mai 2019 mündlich verhandelt, ihr mit Urteil vom selben Tag stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 21. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2017 verurteilt, an die Klägerin 1725,00 Euro zu zahlen. Der Anspruch folge aus § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V beziehungsweise aus der kraft dieser Vorschrift entstandenen fiktiven Genehmigung. Die Krankenkasse habe über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt werde, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich halte, habe sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der MDK nehme innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Könne die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teile sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolge keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gelte die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschafften sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, sei die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a S. 1 bis 3 und 5 bis 7 SGB V). Diese Voraussetzungen seien erfüllt, denn die Klägerin habe bei der Beklagten einen fiktionsfähigen Antrag gestellt, hierüber habe die Beklagte nicht in der maßgeblichen Frist von drei Wochen ab Antragseingang entschieden und die Klägerin könne in der Rechtsfolge auch Kostenerstattung verlangen. Die Mitteilung der Beklagten vom 29. März 2016 stelle keine fristverlängernde Unterrichtung im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 2 SGB V dar, mit der die Beklagte die fünfwöchige Entscheidungsfrist hätte auslösen können. Wenngleich der Wortlaut der Norm lediglich die einfache Unterrichtung über die Einschaltung des MDK und nur im Falle eines absehbaren Fristversäumnisses eine schriftliche und begründete Mitteilung der Versicherten nach § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V erfordere, sei eine bloße Mitteilung über die Einschaltung des MDK zur Verlängerung der Frist nicht ausreichend. Dies folge aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Regelung sei mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013 (BGBl. I S. 277) eingeführt worden. Das erklärte Ziel der Gesetzesänderung sei es gewesen, allen Beteiligten im Gesundheitswesen zu ermöglichen, ihre Rechte zu kennen, und es den Patientinnen und Patienten zu ermöglichen, diese Rechte einzufordern (BT-Drs. 17/10488 S. 1). Der Gesetzgeber habe es sich zum Ziel gesetzt die Patientinnen und Patienten darüber zu informieren, in welchen Situationen welche der infrage kommenden Entscheidungsfristen gelte. Der Gesetzgeber schreibe hierzu: "Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu informieren, damit diese wissen, ob die Drei-Wochen-Frist oder die Fünf-Wochen-Frist gilt." Nach Auffassung der Kammer könne dieses Ziel nur dann realisiert werden, wenn der Versicherten in der Unterrichtung über den Wortlaut hinaus auch eine Fristverlängerung mitgeteilt werde. Die reine Information zur Einschaltung des MDK biete der Versicherten keine Möglichkeit, rechtliche Konsequenzen zu ziehen, sondern erscheine vielmehr als für sie unbeachtliche Nebeninformation. Anders wäre dies möglicherweise zu beurteilen, wenn die betreffende Regelung des § 13 Abs. 3a von der Beklagten im Rahmen der Unterrichtung wiedergegeben würde. Für diese Auslegung spreche darüber hinaus die bisher ergangene Rechtsprechung des BSG, wonach im Falle des § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V die Krankenkasse eine taggenaue Angabe der Frist vorzunehmen habe, wenn Hinderungsgründe für die rechtzeitige Entscheidung bestünden. Wenn für den Sonderfall des zu erwartenden Fristversäumnisses im Sinne des S. 5 eine taggenaue Frist angegeben werden müsse, wäre es nicht erklärlich, warum nicht bereits für den Normalfall die gesetzlich geltende Frist angegeben werden solle.

Gegen dieses ihr am 12. Juni 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Juli 2019 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie ihre Ansicht bekräftigt, dass eine Genehmigungsfiktion nicht eingetreten sei. Die Unterrichtung nach § 13 Abs. 3a S. 2 SGB V sei entgegen der Annahme des SG an keine bestimmte Form gebunden (Hinweis auf Hessisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 23. Februar 2017 – L 8 KR 372/16, juris) und damit auch nicht an eine Begründung oder die Angabe einer taggenauen Frist, innerhalb der beschieden werden solle, sodass sie mit ihrem Schreiben vom 29. März 2016 erfolgreich die gemäß § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V zunächst geltende dreiwöchige Frist verlängert und die fünfwöchige Frist gegolten habe, die sie nach dem Antrag der Klägerin vom 23. März 2016 mit ihrem Bescheid vom 21. April 2016 eingehalten habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Mai 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und nimmt auf diese Bezug.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Februar 2020 und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten und Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist begründet. Das SG hat der zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 21. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 23. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in deren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der von ihr aufgewandten Kosten für die selbst beschaffte stationäre Behandlung mit Liposuktion.

Der vom SG angenommene Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V scheitert daran, dass eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V nicht eingetreten ist.

Zunächst lässt sich dem Wortlaut des § 13 Abs. 3a S. 2 SGB V nur entnehmen, dass der Versicherte über die Einschaltung des MDK zu informieren ist. Dies hat die Beklagte vorliegend mit dem Schreiben vom 29. März 2016 hinreichend deutlich gemacht.

Mit der Information, dass die Beklagte zur Beurteilung des Falles den MDK eingeschaltet habe, musste der Klägerin klar gewesen sein, dass nun die fünfwöchige – von der Beklagten eingehaltene – Frist maßgeblich war. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf daher keiner Erläuterung in dem Schreiben. Das Schreiben soll und kann nicht die Funktion haben, den Gesetzestext zu erläutern. Um sich auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V berufen zu können, ist die Kenntnis dieser Norm unumgänglich. Bei Kenntnis der Norm ist wiederum die Information, dass der MDK eingeschaltet worden ist, ausreichend, um die Konsequenzen für den Fristlauf zu erkennen. Weitere Ausführungen in der Mitteilung würden vielmehr das Risiko in sich bergen, dass sie missverständlich sind und damit mehr schaden als dass sie nutzen. Auch aus der Rechtsprechung des BSG lässt sich nicht entnehmen, dass an die Unterrichtung im Sinne des Satzes 2 besondere Anforderungen zu stellen sind. Vielmehr stellt es, ohne weitere Probleme zu sehen, nur auf die erfolgte Information über die Einschaltung des MDK ab (vgl. BSG, Urteile vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R – und 6. November 2018 – B 1 KR 30/18 R, jeweils juris; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. November 2018 – L 4 KR 2696/16, juris).

Die Situation im Fall des § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V ist eine andere. Hier werden sowohl die drei- als auch die fünfwöchige Frist nicht eingehalten. Wenn das BSG in diesem Fall fordert, dass eine taggenaue neue Frist benannt wird (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R, juris), so ist dies konsequent. Denn ansonsten würde der Versicherte nicht wissen und auch nicht wissen können, wann genau die Genehmigungsfiktion eingreift. Der andere Charakter dieser Mitteilung wird auch dadurch deutlich, dass das Gesetz hier – anders als in Satz 2 – die Schriftform fordert und nicht von einer "Unterrichtung", sondern von einer "Mitteilung" spricht.

Ein Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V. Die von der Klägerin selbst beschaffte Leistung in Gestalt der stationären Liposuktionsbehandlung war nicht notwendig. Die Ablehnung durch die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden erfolgte zurecht.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob mit der aktuellen Rechtsprechung des 1. Senats des BSG davon ausgehen ist, dass eine Liposuktion als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode auch im Krankenhaus ohne Vorliegen einer positiven Stellungnahme des G-BA oder jedenfalls einer Erprobungsrichtlinie nach § 137 c Abs. 1 S. 4 SGB V nicht zulasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden kann (vgl. zuletzt trotz Einführung des § 137c Abs. 3 SGB V und der Gesetzesbegründung, wonach es sich hierbei nur um eine Konkretisierung und Klarstellung handele: Urteil vom 8. Oktober 2019 – B 1 KR 2/19 R, juris, m.w.N.). Denn es fehlt vorliegend jedenfalls an der Notwendigkeit einer Behandlung unter stationären Bedingungen.

Nach § 27 Abs. 1 S. 1 haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 39 SGB V). Nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre oder stationsäquivalente Behandlung durch ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die von der Klägerin bei der Beklagten beantragte und am 5. September 2017 im Wege der Selbstbeschaffung durchgeführte Liposuktion an beiden Knien sowie am linken medialen Knöchel hätte nach Überzeugung des Senats jedoch auch ambulant erbracht werden können.

Dies hat die Klägerin selbst in ihrer Klagebegründung eingeräumt, in dem sie ausgeführt hat, ihr Antrag hätte sich ihretwegen auch auf eine ambulante Liposuktion beziehen können, eine Heimreise nach dem Eingriff wäre wegen der aus den Wunden austretenden Flüssigkeit zwar nicht so angenehm, aber je nach Situation vielleicht auch nicht unmöglich. Auch in dem Bericht des Krankenhauses T. über die stationäre Behandlung vom 5./6. September 2017 wird lediglich darauf abgestellt, dass eine stationäre Überwachung bei regelhaft vermehrtem Austritt von TLA notwendig gewesen sei. Diese Begründung vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil, wie der MDK zu Recht mehrfach ausgeführt hat, die Liposuktion regelhaft ambulant erbracht und hierbei wiederum regelhaft die örtliche Betäubung mittels TLA zum Einsatz kommt (S1-Leitlinie Lipödem (AWMF Registernummer 037-012, aktueller Stand 10/2015); vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. April 2018 – L 11 KR 2695/16, KHE 2018/11, mit Anm. Neumair, jurisPR-SozR 14/2018; Thüringer LSG, Urteil vom 31. Januar 2017 – L 6 KR 885/14, KHE 2017/12; Thüringer LSG, Urteil vom 24. Oktober 2017 – L 6 KR 980/15, juris; SG München, Urteil vom 8. November 2016 – S 44 KR 753/16, juris). Eine individuelle medizinische Indikation für eine stationäre Behandlung der Klägerin ist vorliegend nicht ersichtlich. Entgegen den ursprünglichen Angaben des behandelnden Operateurs Dr. M. in dem dem Antrag der Klägerin von 23. März 2016 beigefügten Attest handelte es sich vorliegend nicht um einen ausgedehnten Befund, der möglicherweise eine stationäre Behandlung erfordert hätte. Ausweislich des Entlassungsberichts nach der stationären Behandlung vom 5./6. September 2017 wurde die Liposuktion, wie beantragt, nur an beiden Knien sowie am linken medialen Knöchel der Klägerin durchgeführt und das Volumen der abgetragenen Gesamtmenge betrug lediglich 500 ml, was deutlich unterhalb des Volumens von 4 bis 5 l pro Bein liegt, bei dem der vom Thüringer LSG im dortigen Verfahren L 6 KR 885/14 (Urteil vom 31. Januar 2017, a.a.O.) gehörte Sachverständige eine stationäre Maßnahme für angezeigt hielt (obwohl er gleichzeitig eine Therapie zur Entfernung dieses Volumens in mehreren ambulanten Sitzungen als möglich anführte). Es handelte sich bei der Klägerin also, wie der MDK zu Recht ausgeführt hat, um einen gering ausgeprägten Befund bei einem Lipödem Grad II in nur wenigen Bereichen der Knie und Unterschenkel.

Eine Kostenerstattung für eine fiktive ambulante Behandlung im Sinne fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die ambulante Liposuktion als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode mangels Richtlinie nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf (§ 135 Abs. 1 S. 1 SGB V).

Schließlich ergibt sich ein Leistungsanspruch der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels, wonach eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen kann, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsberechtigten Stellen oder dem G-BA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Hinsichtlich der Liposuktion hat der G-BA auf Antrag der Patientenvertretung vom März 2014 mit Beschluss vom Mai 2014 des Bewertungsverfahren begonnen und dieses zur Durchführung einer Erprobung nach § 137 e SGB V am 20. Juli 2017 ausgesetzt. Die Eckpunkte für die Erprobungsstudie sind am 18. Januar 2018 beschlossen worden, erste Patientinnen können im Rahmen der Studie voraussichtlich ab dem laufenden Jahr 2020 behandelt werden. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass das Bewertungsverfahren nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden ist und wird (vgl. zum Ganzen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. April 2018 – L 11 KR 2695/16, a.a.O., m.w.N.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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