L 4 AS 3/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 AS 3727/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 3/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat 5% der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die vollständige Aufhebung und Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die ihm der Rechtsvorgänger des Beklagten für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2007 und vom 19. Februar 2009 bis zum 31. Dezember 2010 gewährt hatte.

Der 1960 geborene Kläger stellte erstmals im Oktober 2004 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bei dem Rechtsvorgänger des Beklagten. Er gab an, über kein weiteres Einkommen als das der Arbeitslosenhilfe zu verfügen und auch über kein Vermögen. Er habe ein Konto bei der A -Bank mit der Kontonummer. Über weitere Konten verfüge er nicht. Er versicherte, dass die Angaben zuträfen und er Änderungen in den Verhältnissen unverzüglich mitteilen würde. Der Rechtsvorgänger des Beklagten bewilligte mit Bescheid vom 11. November 2004 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2005 in Höhe von insgesamt 4.700 Euro. Im Weiterbewilligungsantrag vom 18. Mai 2005 und 8. Oktober 2005 gab der Kläger an, dass sich in seinen Verhältnissen keine Änderungen ergeben hätten. Mit Bewilligungsbescheid vom 24. Mai 2005 gewährte der Rechtsvorgänger des Beklagten für die Monate Juni 2005 bis Oktober 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von insgesamt 4.614,64 Euro. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2005 wurden Leistungen für die Zeit vom 1. November 2005 bis 30. April 2006 in Höhe von insgesamt 5.400 Euro bewilligt. 212,72 Euro wurden für den April 2006 aufgrund einer Betriebskostenabrechnung nachgezahlt, hierüber jedoch keinen Bescheid erteilt. In den Folgeanträgen vom 7. April 2006, 6. Juli 2006 und 1. November 2006 gab der Kläger mit Ausnahme einer kurzzeitigen Beschäftigung im Oktober 2006 jeweils an, dass sich keine Änderungen ergeben hätten, weshalb der Rechtsvorgänger des Beklagten mit weiteren Bescheiden vom 7. April 2006, 7. Juli 2006 und 16. November 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Januar 2007 Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. April 2007 in Höhe von insgesamt 11.017 Euro bewilligte.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 20. April 2007 hin, mit welchem erneut keine Änderungen in den Vermögensverhältnissen mitgeteilt wurden, gewährte der Rechtsvorgänger des Beklagten mit Bewilligungsbescheid vom 20. April 2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 2. Juni 2007 und 14. Mai 2008 und dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Mai 2008 für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis 31. August 2007 Leistungen in Höhe von insgesamt 2.616,06 Euro. Der Kläger nahm zum 20. Juni 2007 eine Beschäftigung auf und schied sodann zum 1. September 2009 aus dem Leistungsbezug wegen bedarfsdeckenden Einkommens aus.

Der Kläger wurde erneut arbeitslos und stelle am 19. Februar 2009 einen Neuantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Er gab an, nur über ein Konto bei der A bank und über einen Bausparvertrag mit einem Guthaben in Höhe von 2.438,00 Euro zu verfügen. Mit Bescheid vom 3. März 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. Juni 2009 gewährte der Rechtsvorgänger des Beklagten dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 19.02.2009 bis 31.08.2009 in Höhe von insgesamt 1.432,97 Euro.

Im Rahmen des Weiterbewilligungsantrags vom 12. August 2009 teilte der Kläger mit, dass er Einkommen in Form des Arbeitslosengeldes I und aus dem Nebenverdienst erziele, im Übrigen sich jedoch keine Änderungen in den Verhältnissen ergeben hätten. Mit Bescheid vom 24. August 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8. Februar 2010 bewilligte der Rechtsvorgänger des Beklagten dem Kläger Leistungen in Höhe von insgesamt 4.273,36 Euro für den Zeitraum September 2009 bis Februar 2010. In den Weiterbewilligungsanträgen vom 20. Januar 2010, 10. Mai 2010 und 3. November 2010 teilte der Kläger erneut keine Änderungen mit, weshalb der Rechtsvorgänger des Beklagten mit Bewilligungsbescheid vom 8. Februar 2010 Leistungen für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. Mai 2010 in Höhe von 2.338,53 Euro und mit dem Bescheid vom 1. Juni 2010 in Höhe von insgesamt 4.237,62 Euro für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 und mit Bescheid vom 1. Dezember 2010 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 in Höhe von 715,27 Euro monatlich bewilligte.

Zum 1. Dezember 2010 nahm der Kläger eine Beschäftigung als Taxifahrer auf. Im gleichen Monat erzielte er ein bedarfsdeckendes Erwerbeinkommen, welches im Januar 2011 zur Auszahlung kam. Die Leistungen wurden zum 1. Februar 2011 eingestellt und die Leistungen für Januar mit Bescheid vom 9. März 2011 zurückgefordert.

Ende 2011 erhielt der Beklagte im Rahmen eines Datenabgleichs Auskunft darüber, dass der Kläger im Jahr 2010 Kapitalerträge erzielt hatte. Da das Konto bei der B dem Beklagten bisher nicht bekannt war, wurde ein Kontenabrufverfahren eingeleitet. Nach dessen Ergebnis verfügte der Kläger neben dem Girokonto bei der A Bank (Kontonummer ) über ein Girokonto bei der B (Kontonummer ) sowie über weitere Konten (Bausparverträge, Riesterverträge). Darüber hinaus war der Kläger für diverse Konten u.a. einer Frau G. und für ein Konto der Frau J. als Verfügungsberechtigter eingetragen.

Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 4. April 2012 auf, Kontoauszüge für die näher bezeichneten Konten vorzulegen. Aus den unvollständig eingereichten Kontoauszügen des Klägers bei der B ergaben sich erhebliche Bareinzahlungen und Überweisungen von Fremdkonten, insgesamt in Höhe von mehr als 38.000 Euro im Jahr 2009 und in Höhe von mehr als 39.000 Euro im Jahr 2010. Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 11. Mai 2012 auf, die Kontoauszüge vollständig einzureichen und setzte hierzu eine Frist bis zum 28. Mai 2012.

Mit Anhörungsschreiben vom 31. Mai 2012 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Aufhebung- und Erstattung der in der Vergangenheit gewährten Leistungen in Höhe von 49.531,43 Euro an. In einer Stellungnahme vom 21. Juni 2012 führte der Kläger aus, dass er für das Konto der Frau G. keine Kontovollmacht mehr habe. Er habe zu keinem Zeitpunkt Geld vom Konto der Frau G. abgehoben. Sie würde ihm monatlich 450,00 Euro überweisen, die er sofort zurück überweise. Es handele sich um einen Freundschaftsdienst, weil Frau G. so keine Kontoführungsgebühren zahlen müsse. Darüber hinaus bestätigte Frau M.J., dass die Überweisungen auf das Konto bei der B alle von ihrem Konto bei der BC stammten. Da es ihr aus organisatorischen Gründen nicht möglich sei, in Hamburg Einkäufe zu tätigen, habe sie ihren Bruder damit beauftragt.

Mit Bescheid vom 1. August 2012 hob der Beklagte die datumsmäßig benannten Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2007 sowie für den Zeitraum 19. Februar 2009 bis 31. Dezember 2010 vollständig auf und verlangte die Erstattung des Betrages in Höhe von 49.531,43 Euro einschließlich der gezahlten Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass auf den weiterhin unvollständigen Kontoauszügen eine Vielzahl von hohen Einzahlungen, Fondsauflösungen und anderes ersichtlich seien. Die Herkunft der Gelder sei nicht nachgewiesen. Anhand der vorgelegten Unterlagen lasse sich daher nicht feststellen, ob der Kläger in der Vergangenheit hilfebedürftig gewesen sei. Der Kläger habe bei Antragstellung am 12. Oktober 2004 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben getätigt.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigte Widerspruch (Schreiben vom 29. August 2012). Zur Begründung führte er aus, dass ihm nicht mitgeteilt worden sei, welche Unterlagen konkret fehlten. Der Beklagte listete daraufhin mit Schreiben vom 21. September 2012 die fehlenden Unterlagen auf und bat darum, einzelne auf das Konto der B in der Zeit vom 13. März 2008 bis 2. November 2010 in bar oder durch Überweisung eingegangene Zahlungen sowie auf das Konto der A Bank in der Zeit vom 19. Januar 2009 bis 19. Dezember 2010 bezüglich Herkunft plausibel zu erklären und Nachweise hierüber zu erbringen. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 mit, dass die Girokonten bei der B und der A bank im Zusammenhang gesehen werden müssten. Den Einzahlungen auf dem Konto der A Bank gingen jeweils Abhebungen vom Konto bei der B voraus. Dies mache er, weil von dem Konto der A bank die Miete und die Nebenkosten abgingen. Den Bareinzahlungen vom B konto gingen Abhebungen am gleichen Tag oder den Tagen davor voraus. Das Konto sei dann gebührenfrei. Des Weiteren legte der Kläger Bestätigungen der Frau J., der Frau M.J. und der Frau I.J. vor. Danach hätten die Schwester M.J. und die Mutter I.J. dem Kläger jeweils nach Datum und Höhe genannte Beträge überwiesen, damit der Kläger für sie in Hamburg Geschäfte erledige. Das Geld habe ihm nicht zum Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden. Die Schwester J. bestätigte, dass die dem Kläger am 13. Juli 2010 überwiesenen 2.000 Euro eine Rückzahlung auf ein ihr gewährtes Darlehen sei, welches sie kurz zuvor vom Kläger erhalten habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Bewilligungs- und Änderungsbescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen, denn der Kläger sei nicht hilfebedürftig gewesen. Zwar habe die Einkommenslage des Klägers nicht vollständig aufgeklärt werden können. Es lägen aufgrund der lückenhaft vorgelegten Kontoauszüge mit Einzahlungen und Überweisungen in erheblicher Höhe aber Gründe für eine Beweislastumkehr zulasten des Klägers vor. Er habe die Herkunft der Gelder nicht plausibel dargelegt und nachgewiesen. Konkrete Einkaufsaufträge seien nicht genannt worden. Keine einzige Transaktion sei nachgewiesen worden, obwohl die Mutter dem Kläger teilweise Summen bis zu 10.400 Euro überwiesen habe. Da Auszahlungen und Einzahlungen zeitlich nicht zusammenpassten, könne ebenfalls nicht nachvollzogen werden, dass es sich lediglich um Umschichten handele. Auch spreche der Umstand, dass der Kläger die Konten nicht sofort offengelegt habe, dafür, dass etwas verschleiert werden solle. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Daraufhin erhob der Kläger am 3. Dezember 2012 Klage. Zur Begründung führte er mit Schriftsatz vom 25. März 2013 zunächst aus, dass es sich bei einem Teil der Konten gar nicht um seine Konten handele. Er sei nur bevollmächtigt, sie seien ihm nicht zuzurechnen. Des Weiteren hätten J., M.J. und I.J. Bestätigungen überreicht, aus denen sich das Datum und der Betrag der Überweisung ergebe sowie die Bestätigung, dass es sich um Geld gehandelt habe, mit dem der Kläger Einkäufe habe bezahlen und abholen sollen. Das Konto bei der B sei nur durch die getätigten Umsätze gebührenfrei gewesen. Der Kläger legte Kopien von neun Belegen und Quittungen über getätigte Einkäufe vor. Dabei handelte es sich um den Ankauf von Gold und Silber. Darüber hinaus reichte der Kläger mit Schreiben vom 10. April 2014 eine Aufstellung zur Akte, die belegen soll, welche Ausgaben in Höhe von insgesamt 18.162,16 Euro ("Beleg") den Eingängen auf das Konto des Klägers in Höhe von insgesamt 18.300 Euro (Eingang) gegenübergestanden hätten. Hierzu erläuterte der Kläger, seine Mutter habe Wertgegenstände ersteigern wollen auf Auktionen, bei denen man in bar zahle und den Preis nicht immer vorhersehen könne. Die Buchungen umfassen den Zeitraum vom 26. Januar 2009 bis zum 17. Juni 2010. Des Weiteren sollen sich aus der Aufstellung alle Bareinzahlungen auf das Konto der ehemaligen Lebensgefährtin, Frau G., ergeben. Der Kläger führte ergänzend aus, dass Frau G. lediglich um die 800 Euro verdient habe, weshalb zur Vermeidung der Kontoführungsgebühren jeden Monat 450 Euro auf ihr Konto in bar eingezahlt wurden. Frau G. habe dann den Betrag an Frau I.J., seine Mutter, überwiesen. Das Sozialgericht schrieb die A Bank, B , Bausparkasse und vier weitere Banken des Klägers an und forderte Kontoauszüge an. Zudem zog es die Akten des Amtsgerichts Wandsbek zum Strafverfahren 727a CS 101/16 bei. Am 26. April 2018 führte das Sozialgericht eine mündliche Verhandlung durch, hörte den Kläger an und vernahm die Zeuginnen I.J., J. und M.J ... Der Kläger gab u.a. zu der Herkunft der 20.000 Euro (Bareinzahlung auf sein Konto am 27. März 2008) an, dass er das Geld während seiner Erwerbstätigkeit zu Hause zurückgelegt habe. Durch seine Wertpapierverkäufe habe er sich eine oder zwei gute Urlaubsreisen finanzieren können. Der Kläger kam auch auf sein Konto bei der X.-Bank zu sprechen. Der Rechtsstreit wurde vertagt.

Das Sozialgericht forderte sodann auch die Kontoauszüge bei der X.-Bank an. Hierauf befinden sich im Jahr 2006 Gutschriften in Höhe von mehr als 40.000 Euro. Das Sozialgericht befragte den Silberhändler Herrn als Zeugen im schriftlichen Verfahren. Auf sozialgerichtliche Ermittlungsverfügung vom 9. Mai 2018 hin, welche eigentlich nur ein Wertpapier-Depot betraf, teilte die B mit, dass der Kläger über weitere Konten verfüge, nämlich neben dem aus dem Verwaltungsfahren des Beklagten bekannten Kontokorrentkonto (Nr. ) über ein weiteres Kontokorrentkonto (Nr. ), dazugehörige Depots sowie zwei Sparkonten (). Dazu wurden von der Bank die Kontoauszüge übersandt. Ersichtlich ist darauf eine Gutschrift auf das Kontokorrentkonto Nr. am 24. Januar 2007 aus einer Sparkontoauflösung bei der Y. Bank.

Das Sozialgericht hat sodann mit Ladung vom 4. Oktober 2018 unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 106a SGG den Kläger aufgefordert, Nachweise über die Herkunft von Bareinzahlungen und Überweisungen (u.a. Überweisung von 10.000 Euro vom Konto der Frau G. am 19. März 2008 auf das Konto der B Nr. sowie Bareinzahlungen auf das Konto der A Bank in Höhe von 2.500 Euro am 28. Dezember 2005 und in Höhe von 20.000 Euro am 27. März 2008), über den Hintergrund der Überweisung vom Konto der Frau G. auf das Konto des Klägers am 11. Februar 2009 in Höhe von 2789,47 Euro mit dem Verwendungstext "Comega-Verkauf" sowie Kontoauszüge für das Konto bei der Y. Bank und sämtlicher weiterer Konten vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2018 teilte der Kläger nunmehr mit, dass er und seine Schwester J. mit dem Konto der G. "gearbeitet" hätten und darüber Überweisungen, Bareinzahlungen und Abhebungen vorgenommen hätten. Des Weiteren trug er vor, dass die Bareinzahlung von 20.000 Euro so zustande komme, dass 9.388 Euro von I.J. und 10.000 Euro von G. überwiesen worden seien. Hiervon seien dann 400 Euro und 19.488 Euro abgehoben und am 27. März 2008 bar bei der A Bank eingezahlt worden. Im Hinblick auf die Bareinzahlungen auf das Konto der B Nr. 0 in Höhe von insgesamt 9568,69 Euro im Zeitraum vom 29. Dezember 2006 bis 17. März 2008 teilte der Kläger mit, dass diese wiederum im Auftrag seiner Mutter und seiner Schwester erfolgt seien. Belege oder Quittungen fügte er nicht bei.

In der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2018 hat das Sozialgericht den Kläger erneut angehört. Er führte zunächst aus, dass die 20.000 Euro zum Teil von seiner Mutter und zum Teil von Frau G. stammten. Er korrigierte sich, dass das Geld nicht von Frau G. stammen könne, da diese ja nur 850 Euro verdient habe, es habe vielmehr seiner Schwester J. gehört. Das Sozialgericht hat Frau G. als Zeugin vernommen. Frau G. sagte im Wesentlichen aus, dass sie sich nicht mehr gut erinnere; ihre Ersparnisse hätten etwa 3000 Euro betragen. Der Kläger habe ihr Konto nicht genutzt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. November 2018 abgewiesen. Die Rücknahme der Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2007 und für den Zeitraum 19. Februar 2009 bis 31. Dezember 2010 sei gem. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X rechtmäßig. Die Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheiden seien begünstigende Bescheide und infolge fehlender Hilfebedürftigkeit des Klägers von Anfang an wegen Verstoßes gegen die Regelungen der §§ 19 Abs. 1, 7 Abs. 1, 9 Abs. 1 SGB II rechtswidrig.

Zwar könne nicht aufgeklärt werden, in welchem Umfang der Kläger Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II erzielt oder über Vermögen gem. § 12 SGB II verfügt habe und ob dies ausreichend gewesen sei, seinen Lebensunterhalt zu decken. Die Nichterweislichkeit gehe jedoch zu Lasten des Klägers.

Nach den Einlassungen des Klägers und den Zeugenaussagen der Mutter und der Schwestern des Klägers könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger tatsächlich von einem Teil des auf sein Konto transferierten Geldes Ankäufe von Edelmetallen im Auftrag seiner Verwandten getätigt habe. Es verblieben aber Zweifel und Unklarheiten über den Umfang und den Preis. Im Einzelnen hätten die Zahlungsströme weder vom Gericht nachvollzogen noch vom Kläger hinreichend plausibel dargelegt werden können. Seine Angaben seien widersprüchlich. Die mit Schreiben vom 10. April 2014 eingereichte Aufstellung stelle Überweisungen bestimmten Belegen gegenüber. Danach sollten von den Überweisungen am 26. Januar 2009 und 27. Januar 2009 in Höhe von 3.600 Euro am 26. Januar 2009, 27. Januar 2009, 4. Februar 2009 und 14. August 2009 Ausgaben in Höhe von 4.787,45 Euro getätigt worden sein. Der Kläger müsse daher bis zur nächsten Überweisung am 27. Januar 2010 mehr als 1.000 Euro ausgelegt haben. Zugleich habe der Kläger mit Schriftsatz vom 12. Juni 2014 geltend gemacht, dass er nicht habe in Vorleistung treten können. Darüber hinaus habe der Kläger seiner Aufstellung gemäß von den 14.700 im Januar 2010 überwiesenen Euro, die er am 29. Januar 2010 sogleich vom Konto abgehoben haben will, erst im April, Mai und Juni 2010 Edelmetalle gekauft. Dies widerspreche seiner Darstellung in den mündlichen Verhandlungen, dass er – sofern er bei der Auktion den Zuschlag nicht erhalten habe – das abgehobene Geld wieder einzahle, damit er nicht so viel Bargeld zu Hause habe.

Widersprüche ergäben sich auch bezüglich des Kontos der Zeugin G ... Während der Kläger im Verwaltungsverfahren angegeben habe, die Zeugin G. überweise ihm 450 Euro, die er zur Vermeidung von Kontoführungsgebühren sofort wieder zurücküberweise, habe die Zeugin G. gegenüber der Polizei ausgesagt, der Kläger habe das Geld von seinem oder dem Konto seiner Mutter überwiesen. Im Klageverfahren habe der Kläger sodann ausgeführt, er habe das Geld für die monatlichen Rückzahlungen von seiner Mutter in bar erhalten. Dies wiederum habe die Mutter des Klägers bestritten und ausgesagt, es sei nicht ihr Konto, sondern das ihres Sohnes gewesen, auf das die Zeugin G. das Geld überwiesen habe.

Auch die Herkunft der 20.000 Euro auf das Konto der A Bank mit der Kontonummer am 27. März 2008, die der Kläger auf sein Konto bei der B mit der Kontonummer überwiesen habe, um Wertpapiere davon zu kaufen (Depotkonto bei der B mit der Kontonummer ), habe der Kläger nicht nachgewiesen. In der mündlichen Verhandlung am 26. April 2018 habe er angegeben, das Geld angespart zu haben. Später habe er angegeben, das Geld stamme von seiner Mutter (9388 Euro) und von Frau G. (10.000 Euro). Auf Nachfrage des Gerichts habe er schließlich angegeben, die 10.000 Euro hätten seiner Schwester J. gehört. Hierfür jedoch gebe es keine Belege.

Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, von den Wertpapiergeschäften ein zwei gute Urlaubsreichen finanziert zu haben. Die Schwester J. habe ausgesagt, sie habe dem Kläger Geld geliehen, wenn er selbst Gold habe kaufen wollen. Schließlich fehlten auch die Kontoauszüge des Kontos bei der Y. Bank.

Aufgrund dieser Umstände und der Tatsache, dass der Kläger immer nur bei Aufdeckung von Widersprüchlichkeiten weiteres eingeräumt habe, habe die Kammer Zweifel daran, dass der Kläger nicht doch über höheres Vermögen verfügt habe, als angegeben. Dass ein Teil der Geldströme in den Zeitraum falle, in dem der Kläger keine Leistungen bezogen habe, sei unschädlich. Bei den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen handele es sich um Vorgänge, die in der Sphäre des Klägers wurzelten. Da eine zeitnahe Prüfung nicht möglich gewesen sei, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt den Umfang seiner zahlreichen weiteren Konten und die sich hieraus ergebenen Geldumschichtungen angezeigt habe, sei eine Beweislastumkehr gerechtfertigt. Der Kläger habe im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht, indem er Einkommen erzielt bzw. über Vermögen verfügt und dies gegenüber dem Beklagten nicht angegeben habe. Er sei stets darauf hingewiesen worden, Änderungen in seinen persönlichen Verhältnissen mitzuteilen. Er habe wiederholt bestätigt, über keine weiteren Konten zu verfügen. Aufgrund dieser Umstände habe er unzweifelhaft zu der Erkenntnis gelangen können, dass es für die Bewilligung der Leistungen von Bedeutung sei, ob und in welcher Höhe er Einnahmen oder Vermögen habe.

Der Kläger hat gegen das seiner Bevollmächtigten am 10. Dezember 2018 zugestellte Urteil am 4. Januar 2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das Gericht habe nicht alle verfügbaren Erkenntnisquellen genutzt. Es sei möglich, alle Einzahlungen auf den Konten des Klägers zu ermitteln. Diesen hätten dann die Aufstellungen über die Einkäufe, die er für seine Angehörigen getätigt habe, gegenübergestellt werden können. Insbesondere habe die Zeugin J. einen Ordner, aus dem sich alle Einkäufe für sie ergeben würden. Auf dieser Grundlage hätte eine realistische Schätzung erfolgen können. Das Gericht habe jahrelang keine Ermittlungen angestellt, so dass große Teile der erschwerten Aufklärung dem Zeitablauf geschuldet sei, was dem Kläger nicht anzulasten sei. Die Beweislastumkehr sei nicht gerechtfertigt.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2020 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass die in dem angefochtenen Bescheid geforderten Erstattungsbeträge um die Rentenversicherungsbeiträge in der Gesamthöhe von 2.693,44 Euro reduziert werden. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. November 2018 sowie den Bescheid vom 1. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1 November 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Für eine Schätzung des Einkommens des Klägers gebe es keine Rechtsgrundlage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der beigezogenen Akten und Unterlagen verwiesen. Sie haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist aber unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt vollumfänglich auf die überzeugenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts vom 8. November 2018 Bezug gem. § 153 Abs. 2 SGG.

Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren die vom Sozialgericht aufgezeigten, das Urteil des Sozialgerichts tragenden Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten bzgl. der Herkunft eines großen Teils des Geldes auf seinen diversen Konten nicht aufgeklärt. Hinreichende Anhaltspunkte für eine realistische Schätzung der Einkommensverhältnisse des Klägers lagen damit nicht vor. Aus den Verfügungen des Beklagten im Verwaltungsverfahren, den Verfügungen des Sozialgerichts im Klageverfahren und den Urteilsgründen des Sozialgerichts geht deutlich hervor, dass vom Kläger erwartet wird, Bareinzahlungen und Gutschriften durch Überweisung auf seinen Konten nach Herkunft des Geldes schlüssig darzulegen und stichhaltig zu belegen. Weitere Ermittlungen des Senats von Amts wegen waren nicht angezeigt. Es wären Ermittlungen ins Blaue hinein gewesen. Da es an schlüssigen Angaben des Klägers mangelte, musste sich der Senat auch nicht gedrängt sehen, den lediglich in der mündlichen Verhandlung zur kurzfristigen Einsichtnahme zur Verfügung gestellten Ordner der Schwester J. einzusehen.

Es ist aufgrund der vorliegenden Umstände eine Beweislastentscheidung möglich mit der Folge, dass der Kläger für den streitigen Aufhebungszeitraum durchgehend als nicht hilfebedürftig anzusehen ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 15.6.2016, B 4 AS 41/15 R). Die nicht näher aufklärbaren finanziellen Vorgänge wurzeln sämtlich in der Verantwortungssphäre des Klägers. Entgegen seiner Auffassung in der Berufungsbegründung hat das Sozialgericht auch nicht versäumt, Ermittlungen anzustellen. Vielmehr hat das Sozialgericht in beispielloser Weise den Sachverhalt ermittelt und unverzüglich nach Eingang der Schweigepflichtentbindung des Klägers bzgl. mehr als 15 Konten Auskünfte und Kontoauszüge der Banken eingeholt. Des Weiteren hat es in zwei Verhandlungsterminen den Kläger angehört und vier Zeugen vernommen. Es ist dagegen der Kläger, der die zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben und unzureichende Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung erschwert und verhindert hat. Denn er selbst hat lediglich die Inhaberschaft für ein einziges Girokonto und einen Bausparvertrag mitgeteilt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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