L 1 KR 77/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 KR 213/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 77/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Krankengeld.

Der 1983 geborene Kläger war von April 2012 bis Juni 2016 Rechtsreferendar im Bezirk des Gericht (Gericht Hamburg). Hierbei handelte es sich um ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis mit Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe (§ 37 des Hamburgischen Juristenausbildungsgesetzes (HmbJAG)). Es bestand Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch i.V.m. § 37 Abs. 2 S. 4 HmbJAG). Aus der Unterhaltsbeihilfe wurden von der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. § 37 Abs. 2 S. 1 HmbJAG in der bis zum 6. Juni 2017 geltenden Fassung sah eine ungekürzte Zahlung der Unterhaltsbeihilfe unter anderem im Krankheitsfall vor. Erst mit Wirkung ab 7. Juni 2017 wurde die Vorschrift ausdrücklich um den Zusatz ergänzt, dass das Entgeltfortzahlungsgesetz Anwendung finde.

Des Weiteren übte der Kläger eine selbstständige künstlerische Nebentätigkeit aus, die von Oktober 2012 bis Ende 2014 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) begründete.

Vom 30.September 2013 bis zum 31. März 2014 war der Kläger arbeitsunfähig. Die FHH zahlte die Unterhaltsbeihilfe für sechs Wochen bis zum 10. November 2013 fort. Anschließend bezog der Kläger Krankengeld von der Beklagten, das diese zunächst mit Bescheid vom 18. Dezember 2013 in Höhe von 10,21 EUR brutto kalendertäglich bewilligte und mit Bescheid vom 27. Dezember 2013 rückwirkend ab dem 11. November 2013 auf kalendertäglich 8,14 EUR brutto festsetzte. Bei der Berechnung legte sie das Einkommen aus der selbstständigen künstlerischen Tätigkeit entsprechend den Meldungen der Künstlersozialkasse zugrunde.

Auf einen Widerspruch des Klägers hin hob die Beklagte den Bescheid vom 27. Dezember 2013 auf (Bescheid vom 10. Juli 2014), teilte dem Kläger mit, dass Krankengeld entsprechend dem Bescheid vom 18. Dezember 2013 in der Zeit vom 11. November 2013 bis zum 31. März 2014 in Höhe von 10,21 EUR brutto gezahlt werde und zahlte die Differenz in Höhe von 393,40 EUR nach.

Der Kläger sah darin noch keine vollständige Abhilfe und hat am 25. Februar 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben. Er hat die Zahlung ausstehenden Krankengelds begehrt und dessen festgestellte Höhe für unzutreffend gehalten.

Nachdem am 24. September 2015 in dem Verfahren S 25 KR 1296/12 vom Sozialgericht (SG) Hamburg durch Urteil rechtskräftig festgestellt worden war, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Rechtsreferendar im Bezirk des Gericht Hamburg der Krankenversicherungspflicht als Beschäftigter unterliege, berechnete die Beklagte den Krankengeldanspruch des Klägers unter Berücksichtigung der Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 900,00 EUR brutto monatlich neu und setzte mit Bescheid vom 9. Februar 2016 den Krankengeldanspruch in etwa doppelt so großer Höhe wie bisher fest (kalendertäglich 20,40 EUR brutto). Hiervon wurden keine Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt.

Der Kläger hat seine Klage aufrechterhalten und gemeint, die Unterhaltsbeihilfe für Referendare sei eine Sozialleistung und kein Entgelt. Ein Krankengeldanspruch könne aber nur für Entgelt entstehen. Der Bescheid sei rechtswidrig, weil keine Rentenversicherungsbeiträge abgeführt würden, so dass ihm eine Lücke in der Rentenversicherung entstehe.

Nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2019 abgewiesen. Die Klage sei zum einen bereits unzulässig, weil das Vorverfahren gemäß § 78 Abs. 1 SGG nicht vollständig durchgeführt worden sei. Sie sei zum anderen aber auch unbegründet. Der Kläger sei nicht in seinen Rechten verletzt. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2016 erweise sich als rechtmäßig. Die Beklagte habe das Krankengeld zu Recht aus der erhaltenen Unterhaltsbeihilfe für Referendare berechnet. Wie im Urteil vom 24. September 2015 ausgeführt, seien Rechtsreferendare krankenversicherungspflichtig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 37 HmbJAG (so auch Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 31. März 2015 – B 12 R 1/13 R). Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V betrage das Krankengeld 70 vom Hundert des erzielten regemäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens soweit es der Beitragsberechnung unterliege (Regelentgelt). Das Regelentgelt bei Rechtsreferendaren bestehe in der Unterhaltsbeihilfe nach § 37 Abs. 2 HmbJAG, auch wenn es der Hilfe zum Lebensunterhalt diene. Denn Arbeitsentgelt seien nach § 14 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuchs Viertes Buch (SGB IV) in seiner bis heute unveränderten Fassung alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen bestehe, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet würden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt würden. Hierzu gehörten auch Einnahmen aus oder im Zusammenhang mit einer nach § 7 Abs. 2 SGB IV als Beschäftigung geltenden Ausbildung, selbst wenn diese ohne rechtliche Verpflichtung sowie unter dem Vorbehalt vorhandener Haushaltsmittel und deren Verwendung nach Bedürftigkeit gewährt würden (Hinweis auf BSG, a.a.O.). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen aus dem Krankengeld in der Zeit vom 11. November 2013 bis zum 31. März 2014. Denn er sei als Rechtsreferendar in Hamburg nicht gesetzlich rentenversicherungspflichtig. Nach § 37 Abs. 2 Satz 6 HmbJAG werde Referendaren nach beamtenrechtlichen Vorschriften eine Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährt. Demnach seien solche Rechtsreferendare in Hamburg gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 Nr. 4 SGB VI rentenversicherungsfrei während ihrer Ausbildung. Gegebenenfalls erfolge später eine Nachversicherung.

Gegen diesen, ihm am 26. Juni 2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 16. Juli 2019 eingelegte Berufung des aufgrund einer rückwirkenden Bewilligung seit Februar 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehenden Klägers, mit der er vorträgt, er habe nicht auf eine Rentenversicherungspflicht des Krankengeldes geklagt. Durch die Krankengeldzahlung sei jedenfalls in seinem Rentenversicherungsverlauf eine Lücke entstanden, für die mangels eigentlich angezeigter Zahlung von Unterhaltsbeihilfe auch keine Nachversicherung erfolgen könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des SG Hamburg vom 20. Juni 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die angefochtene Entscheidung des SG.

Der erkennende Senat hat durch Beschluss vom 20. Juni 2019 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 11. Juni 2020 sowie die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst weiterem Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen weiteren Prozess- und Verwaltungsakten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil der ordnungsgemäß geladene Kläger auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Der Senat legt das Begehren des Klägers dahingehend aus, dass dieser die Bewilligung von Krankengeld auf der Grundlage der zuvor gezahlten Unterhaltsbeihilfe aus der Welt haben möchte, um stattdessen – wie von ihm für richtig gehalten – Unterhaltsbeihilfe beziehen zu können.

Die so verstandene Berufung ist statthaft (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 SGG) eingelegt orden. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit nach damaligem Erkenntnisstand zutreffender Begründung aufgrund naheliegender Auslegung des Klagebegehrens abgewiesen. Der erkennende Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und ergänzt nur, dass der Kläger auch sein nunmehr formuliertes Klageziel nicht erreichen kann. Abgesehen davon, dass es sich bei der Bewilligung von Krankengeld um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, sodass der Kläger dadurch eigentlich nicht beschwert sein kann, ist diese zu Recht erfolgt. Der Anspruch beruht auf § 44 SGB V, dessen Voraussetzungen aufgrund der krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers und der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit vorliegen. Dass der Kläger meint, auch für den Zeitraum nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe gehabt zu haben, ändert nichts an dem bestehenden Krankengeldanspruch. Dieser würde nur durch die tatsächliche Zahlung von Unterhaltsbeihilfe zum Ruhen gebracht werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Dabei ist dem Kläger zuzugestehen, dass seine Rechtsauffassung, wonach das Entgeltfortzahlungsgesetz für ihn nicht gegolten, sondern er einen Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe für die gesamte Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit gehabt habe, sehr gut vertretbar erscheint. Ein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe wäre von ihm jedoch gegen die FHH vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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