L 4 AS 268/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 24 AS 663/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 268/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Vollstreckung aus einem nicht existenten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid.

Die 1962 geborene, erwerbsfähige Klägerin bezog seit dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie war seit dem Wintersemester 2003/2004 als ordentliche Studentin an der Universität Hamburg im Fach Zahnmedizin immatrikuliert. Am 29. Mai 2009 wurde die Klägerin nach eigenen Angaben aufgrund mangelnder Entrichtung der Studiengebühren zunächst exmatrikuliert. Zum 16. Juli 2009 erwirkte die Klägerin eine Wiederimmatrikulation. Sie blieb danach durchgehend bis einschließlich September 2010 immatrikuliert.

Der Beklagte erfuhr erstmals im August 2010 von der Immatrikulation der Klägerin. Nach Anhörung der Klägerin hob er mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2010 die Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. August 2010 auf und forderte Erstattung in Höhe von insgesamt 61.619,06 Euro. Die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin zum Sozialgericht Hamburg (S 6 AS 3530/10) hatte hinsichtlich der Aufhebung für die Zeiträume vom 1. Januar 2005 bis zum 30. April 2008 und vom 29. Mai 2009 bis zum 15. Juli 2009 sowie die auf diese Zeiträume entfallende Teile der Erstattungsforderung Erfolg (Urteil vom 2. Mai 2011).

Der Beklagte erließ daraufhin am 9. Mai 2011 einen neuen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem er die Bewilligungsentscheidungen für die Zeiträume vom 1. Mai 2009 bis zum 28. Mai 2009 und vom 17. Juli 2009 bis zum 31. August 2010 vollständig aufhob und die für den Zeitraum vom 17. Juli 2009 bis zum 31. August 2010 erbrachten Leistungen in Höhe von 12.858,30 Euro zurückforderte. Dieser Bescheid wurde Gegenstand der von der Klägerin erhobenen Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Mai 2011. Hinsichtlich der Rücknahme der Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Mai 2009 bis zum 28. Mai 2009 hob der Beklagte den Bescheid vom 9. Mai 2011 in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht auf. Das Landessozialgericht wies die Berufung mit Urteil vom 13. September 2012 zurück (L 4 AS 193/11). Die Klägerin habe in dem noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 17. Juli 2009 bis zum 31. August 2010 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt, da sie als Studierende dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II unterfalle. Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Aufhebung und Rückforderung lägen vor. In der Folgezeit erhob die Klägerin mehrmals Wiederaufnahmeklagen (L 4 AS 130/18 WA, L 4 AS 277/18 WA), die jeweils erfolglos blieben. Für die näheren Einzelheiten, insbesondere den Vortrag der Klägerin in den Gerichtsverfahren und die Argumentation des Sozialgerichts und des Senats wird auf die Prozessakten der genannten Verfahren Bezug genommen.

Am 2. Februar 2016 verschickte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Reckling-hausen, Inkasso-Service, an die Klägerin eine Zahlungserinnerung über 12.923,30 Euro (12.858,30 Euro zuzüglich Mahn¬ge¬bühr von 65,00 Euro). Aus der beigefügten Übersicht ergab sich, dass diese Forderung aus einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. Mai 2011 bzgl. des Zeitraums vom 17. Juli 2009 bis zum 31. August 2010 stammen sollte.

Am 17. Februar 2016 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht gegen die Vollstreckung erhoben (S 24 AS 663/16). Nachdem das Sozialgericht den Beklagten darauf hingewiesen hatte, dass der in der Zahlungserinnerung genannte Betrag mit einem Bescheid vom 9. Mai 2011 gefordert werde und ein Bescheid vom 13. Mai 2011 bisher nicht vorgelegt worden sei, hat der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. Mai 2011 über¬sandt und mitgeteilt, dass ein Bescheid vom 13. Mai 2011 offensichtlich nicht existiere.

Mit Schreiben vom 13. September 2018 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie weiterhin auf ihrer "Voll¬streckungsgegenklage" bestehe und dass sich diese nun (auch) gegen die Forderung aus dem Bescheid vom 9. Mai 2011 richte. Sie hat diesem Schreiben eine Mahnung der Bun¬des-agentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service vom 10. September 2018 beigelegt, mit der sie zur Zahlung von 12.923,30 Euro aufgefordert wurde. Aus der der Mahnung beigefügten Übersicht ergibt sich, dass die Forderung nun auf den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. Mai 2011 bzgl. des Zeitraums 17. Juli 2009 bis 31. August 2010 gestützt wurde.

Das Sozialgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 20. September 2018 vom Verfahren S 24 AS 663/16, das die Einstellung der Vollstreckung aus dem nicht existierenden Aufhebungs- u. Erstattungs¬be¬scheid vom 13. Mai 2011 betrifft, das Ver¬fah¬ren betreffend die Einstellung der Vollstreckung aus dem Aufhebungs- u. Er¬stat¬tungsbescheid vom 9. Mai 2011 zur gesonderten Ver¬hand¬¬lung und Entscheidung ab¬ge¬trennt, das letztere Verfahren wurde bzw. wird seitdem unter dem Aktenzeichen S 24 AS 3251/18 (L 4 AS 80/19) geführt.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 hat der Beklagte mitgeteilt, dass keine Vollstreckung aus einem Bescheid vom 13. Mai 2011 mehr erfolgen werde. Zudem hat die Bun¬des¬agentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Recklinghausen, Inkasso-Service am 12. Juni 2019 ein Schreiben an die Klägerin geschickt, in dem es wörtlich heißt: "Sehr geehrte Frau Meister, hiermit bestätige ich Ihnen, dass Forderungen aus einem Bescheid vom 13.05.2011 durch mich nicht vollstreckt werden. Mit freundlichen Grüßen im Auftrag Unland".

Mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig. Nachdem der Beklagte sowie der Inkasso-Service der Bun¬des¬agentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Recklinghausen erklärt hätten, dass nicht (mehr) aus einem Bescheid vom 13. Mai 2011 vollstreckt werde, fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 17. August 2019 zugestellt worden, am 13. September 2019 hat sie Berufung erhoben. Sie trägt vor, es habe lediglich eine bestimmte Mitarbeiterin der Inkasso-Stelle, Frau Unland, erklärt, dass sie persönlich nicht vollstrecken werde. Hierin liege keine endgültige und vollständige Vollstreckungseinstellung der Behörde.

Die Klägerin beantragt ihrem schriftlichen Vorbringen nach sinngemäß, den Gerichtsbescheid vom 6. August 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 13. Mai 2011 einzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Eine Vollstreckung aus dem Bescheid vom 13. Mai 2011 drohe nicht.

Mit Beschluss vom 13. März 2020 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheidet der Senat durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter.

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Klägerin ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis abgewiesen. Der Beklagte und die Inkasso-Stelle der Bundesagentur für Arbeit haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass aus einem vermeintlichen Bescheid vom 13. Mai 2011 nicht mehr vollstreckt werde. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zur Wahrung ihrer Rechte noch auf die Gerichte angewiesen wäre. Die Formulierung in dem Schreiben der Inkasso-Stelle steht dem nicht entgegen. Das Schreiben kommt von einer Behörde, es ist hinreichend klar, dass nicht die Bedienstete persönlich die Vollstreckung betreibt, sondern für die gesamte Behörde spricht. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass in Bezug auf einen Bescheid vom 13. Mai 2011 weitere Mahnung erfolgt oder die Vollstreckung eingeleitet worden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved