L 4 AS 79/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 24 AS 4025/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 79/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis zum 31. August 2011 und gegen die Ablehnung der Leistungsbewilligung für die Zeit ab dem 1. September 2011.

Die 1962 geborene, erwerbsfähige Klägerin bezog seit dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie war seit dem Wintersemester 2003/2004 als ordentliche Studentin an der Universität Hamburg im Fach Zahnmedizin immatrikuliert. Am 29. Mai 2009 wurde die Klägerin nach eigenen Angaben aufgrund mangelnder Entrichtung der Studiengebühren zunächst exmatrikuliert. Zum 16. Juli 2009 erwirkte die Klägerin ihre Wiederimmatrikulation. Sie blieb danach durchgehend bis einschließlich September 2010 immatrikuliert.

Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, dass sie ab Oktober 2010 exmatrikuliert sei, bewilligte der Beklagte – der zwischenzeitlich die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab Juli 2009 bis einschließlich September 2010 aufgehoben hatte – erneut Leistungen nach dem SGB II, u.a. mit Bescheiden vom 19. Januar 2011 und 26. März 2011 für den Zeitraum vom 1. März 2011 bis zum 31. August 2011. Im April 2011 teilte die Klägerin mit, sie verfüge wieder über die notwendigen Mittel zur Entrichtung der Studiengebühr und habe eine erneute Immatrikulation im Sommersemester 2011 erreicht. Mit Schreiben vom 5. Mai 2011 hörte der Beklagte die Klägerin zur vorgesehenen Leistungsaufhebung ab 1. Juni 2011 an und stellte die Zahlungen vorläufig ein. Mit Bescheid vom 12. Mai 2011 hob der Beklagte die Entscheidung über die Leistungsbewilligung ab 1. Juni 2011 ganz auf, da auf Grund der Immatrikulation der Klägerin im Sommersemester 2011 die Leistungsvoraussetzungen nicht mehr vorlägen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen, ihre Klage zum Sozialgericht Hamburg (S 6 AS 1649/11) und die Berufung zum Landessozialgericht (L 4 AS 440/11) blieben erfolglos. Auch hier erhob die Klägerin mehrere Wiederaufnahmeklagen (S 24 AS 3338/14 WA, L 4 AS 215/15 WA, L 4 AS 129/18 WA und L 4 AS 276/18 WA), wiederum ohne Erfolg.

Am 24. Juni 2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 1. September 2011, den der Beklagte mit Bescheid vom 27. Juni 2011 unter Hinweis auf § 7 Abs. 5 SGB II ablehnte. Widerspruch, Klage (S 6 AS 2352/11) und Berufung (L 4 AS 410/11) blieben ohne Erfolg, ebenso diverse Wiederaufnahmeklagen (S 24 AS 3337/14 WA, L 4 AS 213/15 WA, L 4 AS 127/18 WA und L 4 AS 274/18 WA).

Für die näheren Einzelheiten, insbesondere den Vortrag der Klägerin in den Gerichtsverfahren und die Argumentation des Sozialgerichts und des Senats wird auf die Prozessakten der genannten Verfahren Bezug genommen, die der Senat beigezogen hat.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2014 und 10. Juli 2014 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Rücknahme des Bescheids vom 12. Mai 2011 betreffend die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab dem 1. Juni 2011 und des Bescheids vom 27. Juni 2011 betreffend die Ablehnung der Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 1. September 2011. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 11. Juli 2014 ab, den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2014, der Klägerin zugestellt am 18. Oktober 2014, zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien nicht erfüllt. Ferner wäre eine Rücknahme aber auch nicht zielführend, weil gem. § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X Sozialleistungen nach Rücknahme eines Verwaltungsakts längstens für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr vor Beginn des Jahres, in dem der Antrag auf Rücknahme gestellt wurde, erbracht würden. Selbst bei einer Rücknahme der beanstandeten Entscheidungen kämen Leistungen nur für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 in Betracht, nicht aber für die von der Klägerin geltend gemachten Zeiträume.

Am 18. November 2014 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben. Sie hat vorgetragen, es müsse möglich sein, die ihr fehlerhaft nicht gezahlten Leistungen auch für einen weiter zurückliegenden Zeitraum vom Beklagten zu verlangen. Der Beklagte dürfe ja auch Leistungen entsprechend lange zurückfordern.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. Februar 2019 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Der Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, die Bescheide vom 12. Mai 2011 und 27. Juni 2011 aufzuheben und Leistungen zu gewähren. Dass diese Bescheide rechtmäßig seien, sei bereits weit vor Antragstellung rechtskräftig entschieden worden. Soweit mit der Klage unmittelbar die Aufhebung der Bescheide vom 12. Mai 2011 und 27. Juni 2011 begehrt werde, sei die Klage unzulässig. Dies sei bereits Gegenstand der Klage zum Aktenzeichen S 24 AS 2077/14.

Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 21. Februar 2019 zugestellt worden. Am 20. März 2019 hat sie Berufung eingelegt. Sie trägt vor, sie verfolge alle Anträge weiter und fordere, dass alle ihre seit 2010 geltend gemachten Tatsachen und Argumente berücksichtigt und gewürdigt werden müssten. Sie berufe sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Zulässigkeit und Notwendigkeit eines Rechtsmittels zur Beseitigung von Grundrechtsverletzungen. Ferner berufe sie sich auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH, wonach im Falle von Grundrechtsverletzungen die Rechtskraft gebrochen werden dürfe. Sie habe ein Recht darauf, dass die rechtswidrigen Unterlassungen und Unrichtigkeiten beseitigt würden. Als neuer Umstand müsse berücksichtigt werden, dass sie trotz umfangreicher Bemühungen weiterhin arbeitslos bliebe. Dies beweise die Notwendigkeit und Zulässigkeit ihres eigeninitiativen Weiterbildungsstudiums.

Die Klägerin beantragt ihrem schriftlichen Vorbringen nach sinngemäß, den Gerichtsbescheid vom 6. Februar 2019 und den Bescheid vom 11. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 12. Mai 2011 und 27. Juni 2011 aufzuheben und ihr Leistungen ab dem 1. Juni 2011 nachzuzahlen bzw. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Mit Beschluss vom 1. Juli 2019 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten und der beigezogenen Prozessakten L 4 AS 274/18 WA, L 4 AS 275/18 WA, L 4 AS 276/18 WA und L 4 AS 277/18 WA verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheidet der Senat durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter.

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Klägerin ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 SGG).

II. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 11. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Bescheide vom 12. Mai 2011 und 27. Juni 2011 aufhebt und ihr Leistungen ab dem 1. Juni 2011 nachzahlt bzw. bewilligt.

Dies ergibt sich schon aus der Regelung des § 40 Abs. 1 SGB II in der zum Zeitpunkt der Überprüfungsanträge vom 20. Juni 2014 bzw. 10. Juli 2014 geltenden Fassung vom 13. Mai 2011 (a.F.) i.V.m § 44 Abs. 4 SGB X. Danach werden im Fall der Rücknahme eines Verwaltungsakts Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr nach dem Beginn des Jahres erbracht, in dem der Überprüfungsantrag gestellt wurde. Hier wurde der Antrag im Jahr 2014 gestellt, Leistungen könnten daher allenfalls für Zeiträume in 2013 erbracht werden, nicht aber für die hier geltend gemachten Zeiträume in 2011. Kann die Klägerin keine Leistungen für diese Zeiträume mehr beanspruchen, so kann sie auch kein rechtliches Interesse an der Rücknahme der Bescheide mehr geltend machen und es besteht kein Anspruch auf Rücknahme der Bescheide (vgl. BSG, Urteil vom 28.2.2013 – B 8 SO 4/12 R).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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