L 2 U 24/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 100/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 24/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. aufgrund der Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Die am xxxxx 1970 geborene Klägerin absolvierte eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin und war anschließend in diesem Beruf bis zum 31. Dezember 1990 tätig. Bereits im September 1988 zeigte die Ausbildungsstätte der Klägerin, die U., gegenüber der Beklagten an, dass der Verdacht auf eine Berufskrankheit der Haut bestehe. Das Klinikum äußerte den Verdacht auf eine Neurodermitis bei Kontaktallergie und verminderter Alkaliresistenz.

Im Rahmen eines ersten Zusammenhangsgutachtens vom 28. Februar 1992 erklärte der Hautarzt Dr. U1, dass bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach der Nr. 5101 der Anlage 1 der BKV bestehe. Die Kontaktsensibilisierung auf diverse Gummiinhaltsstoffe sei beruflich erworben, wiederholt rückfällig aufgetreten, als schwer zu bezeichnen und habe zur Aufgabe aller Tätigkeiten geführt, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich gewesen seien oder sein könnten. Er schlug die Bemessung der MdE mit 20 v. H. vor. Hierbei berücksichtigte er die Geringfügigkeit der Hautbeschwerden zum Untersuchungszeitpunkt, den relativ hohen Sensibilisierungsgrad und die mittelgradige Verbreitung der beschriebenen Allergene.

Der Hautarzt Dr. B. bemängelte in seinem Gutachten vom 4. März 1993, dass in der gesamten Akte keine Behandlungsberichte mit einem kontinuierlichen Behandlungsablauf vorlägen. Eine schwere Erkrankung bzw. eine wiederholte Rückfälligkeit sei nicht erkennbar und gehe nicht aus der entsprechenden aktenmäßigen Dokumentation hervor. Jedoch liege bei der Klägerin eine schwere Allergie vom Soforttyp vor. Diese könne im Gegensatz zur Allergie vom Ekzemtyp eindeutig lebensbedrohlich sein. Daher müsse die Erkrankung als schwer bezeichnet werden. Der Umfang der Sensibilisierung sei gering, die Intensität der Sensibilisierung müsse nach Vorliegen der seinerzeitigen RAST-Klasse zumindest als mittelgradig bezeichnet werden (zehn Punkte). Die Verbreitung von Latex auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt scheine mit fünf Punkten korrekt bewertet, insofern ergebe sich insgesamt eine Gesamtpunktzahl von 30 Punkten und eine MdE von 20 v. H.

In einem weiteren Gutachten vom 8. Juni 1993 wies Dr. B. noch einmal darauf hin, dass bei der Klägerin der Fall einer Typ-I-Allergie vorliege, die derzeit die Kriterien der klinischen Schwere nach Maßgabe der durchgeführten Allergiediagnostik noch aufweise. Die alternative Anwendung latexfreier Handschuhe erscheine nicht möglich. Zusätzlich verwies der Gutachter auf das erheblich degenerativ-toxische Hautgeschehen, welches auch das Tragen von Handschuhen überhaupt fraglich erscheinen lasse.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 27. Juni 1994 die Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV an und gewährte der Klägerin ab dem 2. Dezember 1990 eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. Als Folgen der Berufskrankheit erkannte die Beklagte eine allergische Sensibilisierung vom Typ IV gegenüber Gummiinhaltsstoffen und vom Typ I gegenüber Latex an.

In einer gutachterlichen Stellungnahme vom 8. November 2005 erklärte Dr. B., dass sich im Bereich der Finger drei und vier rechts, des rechten Daumens sowie der Finger vier und fünf der linken Hand eine ausgeprägte interdigitale Dyshidrosis ergeben habe. Zudem bestünden eine ganz erhebliche Alteration der Fingernägel im Bereich der distalen dorsalen Fingerregionen sowie blutende Rhagaden und Hauteinrisse. Er schätze die MdE auf 25 v. H.

Dr. K. gelangte in seinem hautärztlichen Fachgutachten vom 31. Juli 2006 zu dem Ergebnis, dass sich im Vergleich zum Vorgutachten ein deutlich verbesserter Hautbefund zeige. Es fänden sich keine dyshidrosiformen Bläschen und keine Rhaghaden mehr, sondern sehr umschriebene Ekzeme im Bereich der Finger streckseitig und in den Fingerzwischenräumen, mit starker Betonung der rechten Hand sowie einer Alteration des rechten Daumennagels und beginnender Alteration der Nägel der Finger 2 bis 4 rechts und des linken Daumens. Es lägen ein allergisches dyshidrosiformes Handekzem bei multiplen Typ-IV-Sensibilisierungen (Gummiinhaltsstoffe, Nickel, Kobalt, Kaliumdichromat, Mercapto-Mix, Mercaptobenzothiazol, Zinkdiethyldithiocarbamat, Duftstoffe) und eine Typ-I-Sensibilisierung auf Latex und eine Rhinokonjunktivitis allergica bei allgemeiner atopischer Disposition vor. Die Hauterscheinungen seien zum jetzigen Zeitpunkt mittelschwer. Weiterhin sei davon auszugehen, dass sich der Umfang und die Intensität der bekannten starken Sensibilisierungen im Vergleich zu November 2005 nicht wesentlich verändert hätten, so dass eine MdE von 25 v. H. angemessen erscheine.

Mit Gutachten vom 27. Oktober 2006 bewertete Dr. B. die MdE mit 30 v. H. Zum Untersuchungszeitpunkt habe bei der Klägerin ein schweres, nässendes, zum Teil blutendes, rhaghadiformes, allergisches Ekzem der Hände vorgelegen. Gegenüber dem Untersuchungszeitpunkt 1993 finde sich zusätzlich eine Sensibilisierung vom Ekzemtyp gegenüber Gummiinhaltsstoffen. Neben einer erheblichen Sensibilisierung liege eine in ihrer Intensität und Akuität zunehmende Hauterkrankung vor, die einen rezidivierenden und insgesamt deutlich schweren Verlauf nehme. Diese im Bereich der Hände vorliegende, derzeit schwere Hauterkrankung führe zu erheblichen Beeinträchtigungen im täglichen Leben. Er gehe von schwerwiegenden Auswirkungen einer Allergie nach Maßgabe des Bamberger Merkblatts aus und empfehle nunmehr eine MdE von 30 v. H.

Mit Bescheid vom 20. März 2007 erhöhte die Beklagte die MdE auf 30 v. H. Neben den bereits bekannten Sensibilisierungen bestehe eine Hauterkrankung, die einen rezidivierenden, deutlich schweren Verlauf nehme und die in ihrer Intensität und Akuität zunehme. Diese Beschwerden erforderten die Anwendung hochgestellter topischer Steroide. Als Folgezustand der Kortikosteroidbehandlung sei es zu einer dünneren, vulnerablen Haut gekommen.

Am 20. Januar 2009 berichtete Dr. B., dass sich der Umfang und die Intensität der Sensibilisierung tendenziell verschlechtert hätten, auch der Hautbefund habe sich im Vergleich zum Vorgutachten verschlechtert. Hinsichtlich der Auswirkungen der Allergie ergebe sich eine deutliche Verbreitung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei klinisch deutlicher Sensibilisierung. Die Hauterscheinungen seien aber gerade noch nicht als schwer im Sinnen der Empfehlungen zu bezeichnen. Es resultiere weiterhin eine MdE von 25 v. H. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 3. März 2009 gab Dr. B. an, dass die MdE weiterhin 30 v. H. betrage. Dies sei lediglich ein Übertragungsfehler gewesen.

Dr. B. erklärte in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 21. Juni 2012, dass es im Vergleich zum Gutachten vom 27. Oktober 2006 zu einer wesentlichen Änderung hinsichtlich des Hautzustandes der Klägerin gekommen sei. Nach Maßgabe der Empfehlung zur Einschätzung der MdE bei Hauterkrankungen seien diese als leicht zu bezeichnen, da sie deutlich selten aufträten und bei adäquater Therapie abheilten. Weiterhin lägen eine Unverträglichkeit sonstiger irritativer Hautbelastung und das Risiko eines Wiederaufflammens stärkerer Hauterscheinungen bei Allergenkontakt vor. Bei der Klägerin liege eine klinisch besonders intensive Sensibilisierung vor, die nur aufgrund ihrer guten Mitarbeit keine weiteren Auswirkungen habe. Es resultiere eine MdE von 20 v. H.

Am 3. Juli 2012 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer Herabsetzung der Rente mit Wirkung zum 1. August 2012 auf eine MdE von 20 v. H. an. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 23. Juli 2012 setzte die Beklagte auf der Grundlage der gutachterlichen Stellungnahme die MdE auf 20 v. H. fest. Es bestehe weiterhin ein allergisches Kontaktekzem bei Sensibilisierung gegenüber Gummiinhaltsstoffen und Latex. Das Ausmaß der Hauterscheinungen bei weiterhin schwerwiegenden Auswirkungen der Allergien sei allerdings nur noch als leicht einzuschätzen. Die Entscheidung zu den Folgen der Berufskrankheit und zur MdE stütze sich auf das Gutachten von Dr. B. vom 21. Juni 2012.

In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 16. September 2015 wies Dr. B. darauf hin, dass die Klägerin seit mindestens einem Jahr oder länger extrem hauterscheinungsarm gewesen sei. Daher müsse festgestellt werden, dass bei nicht vermeidbarem Kontakt im täglichen Leben, z. B. gegenüber Gummiinhaltsstoffen, dieser Kontakt nicht mehr ausreiche, um eine klinische Manifestation zu erzielen. Daher sei davon auszugehen, dass zum einen der endogene Eruptionsdruck der atopischen Dermatitis deutlich zur Ruhe gekommen sei und dass hinsichtlich der üblichen Lebensführung Hautbelastungen nicht mehr aufträten. Insofern ergebe sich gegenüber dem maßgeblichen Gutachten vom 21. Juni 2012 eine Änderung dahingehend, dass von einer deutlichen Stabilisierung des Hautzustandes auszugehen sei. Eine Verschlimmerung sei nicht mehr festzustellen. Es lägen derzeit auch keine relevanten Hauterscheinungen mehr vor. Hinsichtlich des Umfangs und der Intensität der Sensibilisierung bestünden allenfalls mittelgradige Auswirkungen einer Allergie. Somit resultiere eine MdE von 10 v. H.

Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 25. September 2015 zu einer beabsichtigten Entziehung der Rente mit Wirkung zum 1. November 2015 an. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2015 entzog die Beklagte der Klägerin die Rente ab dem 1. November 2015. Eine rentenberechtigende MdE liege nicht mehr vor. Hinsichtlich des Umfangs und der Intensität habe sich die Sensibilisierung deutlich gebessert. Es lägen auch keine relevanten Hauterscheinungen mehr vor. Die Entscheidung zu den Folgen der Berufskrankheit und zur MdE stütze sich auf das Gutachten von Dr. B. vom 16. September 2015.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte eine ergänzende Prüfung. Es finde eine intensive Hautpflege statt. Zudem sei sie zwei Wochen vor der Untersuchung auf den Balearen gewesen. Die Sonne, das Salzwasser, der Bräunungsgrad und die genommenen Heilbäder hätten zu einer erheblichen Besserung der Hauterscheinung geführt. Sie habe weiterhin massive Hauterscheinungen und benötige ständig Medikamente.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Krankenkasse habe wegen der Hauterkrankung seit 2011 keine Leistungen mehr erbracht und entsprechend auch keine Kosten mit der Beklagten abgerechnet. Eine weitere Vorstellung bei dem Hautarzt Dr. M. sei nicht erfolgt. Auch einen angekündigten Untersuchungstermin am 3. Februar 2017 habe die Klägerin nicht wahrgenommen. Es lägen keine Befunde vor, die eine schwere Hauterkrankung in dem geschilderten Ausmaß objektivierten.

Die Klägerin hat am 24. April 2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und insbesondere vorgetragen, dass es im vorliegenden Verfahren ausschließlich darauf ankomme, ob im Vergleich zu der Befundlage, die dem Dauerrentenbescheid vom 27. Juni 1994 zu Grunde gelegen habe, eine wesentliche Besserung eingetreten sei. Dieses sei vorliegend nicht der Fall.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass Bezugspunkt des Sach- und Rechtslagenvergleiches im Sinne des § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) diejenige Regelung sei, die den im Zeitpunkt der Überprüfung noch maßgeblichen Rechtsgrund für die infrage stehende Leistung gesetzt habe. Hier sei also auf den letzten bindend gewordenen Bescheid, also den Bescheid vom 23. Juli 2012, abzustellen.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung diverser Befundberichte sowie durch Einholung eines dermatologischen/allergologischen Gutachtens von Dr. K1 vom 18. Juni 2018. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass bei der Untersuchung keine krankhaften Hautveränderungen hätten ausgemacht werden können. Auch im Bereich der Füße und im Bereich der Zehenzwischenräume seien keine Hautveränderungen vorzufinden gewesen. Eine hautärztliche Behandlung durch den Hautarzt Dr. M. sei letztmals am 18. Dezember 2012 dokumentiert. Hautbefunde nach dem Jahre 2015, also nach der Begutachtung durch Dr. B., seien nicht erneut dokumentiert worden. Es sei vorliegend weder von schweren noch von mittelschweren Hauterscheinungen auszugehen. Es bestünden sicher weiterhin Sensibilisierungen im Sinne einer Typ IV Allergie nach Commbs und Gell gegen Gummiinhaltsstoffe und vom Typ I gegen Latex. Von einer wesentlichen Änderung (Besserung) müsse ausgegangen werden, weil weder schwere noch mittelschwere Hauterscheinungen vorlägen. Ob leichte Hautveränderungen durch eine adäquate Therapie hätten vermieden werden können, müsse spekulativ bleiben, weil eine adäquate Therapie nicht durchgeführt worden sei. Es bestünden keine Zweifel, dass die Sensibilisierungen durch berufliche Tätigkeit erworben worden seien. Die MdE sei mit 10 v. H. einzuschätzen.

Dr. K1 hat ergänzend Stellung genommen, dass die seit Erstellung des Gutachtens im Jahre 1993 vorliegende Literatur, insbesondere zur Beurteilung der Auswirkung einer Allergie gegenüber Naturgummi Latex bei der MdE im Rahmen der BK 5101 nun eindeutig entnommen werden könne, dass die Einschätzung durch Dr. B. so nicht mehr gängigem wissenschaftlichen Standard entspreche. Insofern werde man von einer wesentlichen Änderung der Erkrankungsfolgen im Sinne einer Besserung ausgehen müssen.

Im weiteren Verlauf hat die Klägerin Bilder ihrer Hände und von dem unteren Teil des Gesichts, die Hauterscheinungen zeigten, vorgelegt. Dr. K1 hat in einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 13. November 2018 ausgeführt, dass die jetzt vorliegenden Aufnahmen sowie der Verlauf der Hauterkrankung, nämlich lange Zeiträume eines weitgehend unauffälligen Hautbefundes und Zeiten der Exazerbation, eher für ein endogenes Leiden im Sinne einer Neurodermitis sprächen, welches unabhängig von der Berufskrankheit bewertet werden müsse. Er empfehle, den Hautbefund der Klägerin minutiös über mindestens ein Jahr unter adäquater dermatologischer Therapie zu dokumentieren.

Das Sozialgericht Hamburg hat die Klage mit Urteil vom 11. April 2019 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Weitergewährung einer Rente nach einer MdE von 20 v. H. aufgrund der Folgen ihrer anerkannten Berufskrankheit Hauterkrankung, da nach den medizinischen Befunden ab dem Jahre 2015 eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung der Erkrankung berücksichtigt werden müsse. Nach § 73 Abs. 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei bei der (neuen) Feststellung der MdE für eine Rente eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. betrage. Ausgangspunkt der Prüfung seien die "beim Erlass" des Verwaltungsaktes maßgebenden Verhältnisse. Maßgeblicher Vergleichsbescheid für die Einschätzung der Änderung der Verhältnisse sei der bestandskräftige Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2012 und nicht der Feststellungsbescheid vom 27. Juni 1994. Zwar sei zu berücksichtigen, dass sog. Anpassungsbescheide nach dem ersten Feststellungsbescheid nicht ohne weiteres als Vergleichsbescheide berücksichtigt werden könnten. Dies z. B., wenn seit der ersten Bewilligung Anpassungsbescheide ergangen seien und die wesentliche Änderung der Verhältnisse auf nicht im Anpassungsbescheid entschiedenen Umstände beruhe. Abzustellen sei als Rechtsgrundlage des Leistungsbezugs in diesem Sinne auf den letzten gültigen und nicht aufgehobenen Bescheid. Da die wesentliche Änderung der Verhältnisse auf Umständen beruhe, die in dem bestandskräftigen Bescheid vom 23. Juli 2012 festgestellt worden seien, müsse dieser als maßgeblicher Vergleichsbescheid zur Beurteilung einer wesentlichen Änderung herangezogen werden. Unstreitig habe nach dem Gutachten von Dr. B. vom 27. Oktober 2006 zwar eine Verschlimmerung der Hauterkrankung vorgelegen, so dass die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. März 2007 die MdE mit 30 v. H. festgestellt habe. Ebenso unstreitig habe aber nach Abheilung der Verschlimmerung ab dem 1. August 2012 weiterhin ein allergisches Kontaktekzem bei Sensibilisierungen gegenüber Gummiinhaltsstoffen und Latex vorgelegen, wobei das Ausmaß der Hauterscheinungen bei weiterhin schwerwiegenden Auswirkungen der Allergien nur noch als leicht einzuschätzen gewesen sei, woraus nach dem bestandskräftigen Bescheid vom 23. Juli 2012 eine MdE mit 20 v. H. festzustellen gewesen sei. Nachvollziehbar habe Dr. B. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 16. September 2015 dargestellt, dass die Klägerin seit mindestens einem Jahr extrem hauterscheinungsarm gewesen sei. Dr. K1 habe dies in seinem späteren gerichtlichen Gutachten vom 18. Juni 2018 bestätigt und darauf hingewiesen, dass die Klägerin sogar seit Dezember 2012 (Befunde des Hautarztes Dr. M.) nicht mehr aufgrund von Hauterscheinungen in ärztlicher Behandlung gewesen sei oder solche medizinisch nachgewiesen worden sei, woraus sich eine signifikante Besserung des Zustandes der Hauterkrankung ergebe, da Dr. B. in seiner letzten, für den Bescheid vom 23. Juli 2012 maßgeblichen, gutachterlichen Stellungnahme vom 21. Juni 2012 darauf hingewiesen habe, dass die Hauterkrankung als "leicht" zu bezeichnen sei, da die Hauterscheinungen deutlich seltener aufträten und bei adäquater Therapie abheilten. Nunmehr sei offenbar seit mindestens 6 Jahren von überhaupt keiner berufskrankheitsbedingten Therapie oder relevanten Hauterscheinungen mehr auszugehen. Darüber hinaus sei für die Kammer im Rahmen der Feststellung einer wesentlichen Änderung im Sinne einer Besserung der Folgen der Hauterkrankung entscheidend gewesen, dass Dr. B. plausibel erklärt habe, dass hinsichtlich des Umfangs und der Intensität der Sensibilisierung allenfalls nur noch mittelgradige Auswirkungen einer Allergie bestünden. Für dieses Ergebnis spreche auch die Beobachtung von Dr. B., dass relevante Hautbelastungen in der Lebensführung der Klägerin nicht mehr aufträten. Die von der Klägerin Ende des Jahres 2018 vorgelegten Bilder über Hauterscheinungen (u. a. im Gesicht) zeigten nach Ansicht von Dr. K1 keine typischen Zeichen einer berufskrankheitsbedingten Hauterkrankung, sondern eher Auffälligkeiten, die aufgrund der langen Zeiträume eines weitgehend unauffälligen Hautbefundes und Zeiten der Exazerbation nachvollziehbar für ein endogenes Leiden im Sinne einer Neurodermitis sprächen.

Gegen das ihr am 16. April 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Mai 2019 Berufung eingelegt. Die Klägerin ist der Auffassung, dass nicht von einer deutlichen Stabilisierung des Hautzustandes auszugehen sei. Dies habe sie im erstinstanzlichen Verfahren mittels aktueller Bilder ihrer Hände und von dem unteren Teil ihres Gesichts dargelegt. Folglich träten weiterhin relevante Hautbelastungen in der Lebensführung bei ihr auf. Sie befinde sich in hautärztlicher Behandlung bei Frau Dr. B1.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. April 2019 und den Bescheid vom 16. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf ihr bisheriges Vorbringen, die Ausführungen von Dr. K1 und die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts Hamburg.

Der Senat hat einen Befundbericht von der Fachärztin für Haut und Geschlechtskrankheiten Dr. B1 eingeholt. Diese hat mit Bericht vom 16. Dezember 2019 mitgeteilt, dass sich die Klägerin bei ihr einmalig am 16. Mai 2019 vorgestellt habe. Zum Zeitpunkt der Vorstellung seien keine pathologischen Hautbefunde erhoben worden. Eine Diagnostik sei nicht erfolgt. Die Klägerin hat zu dem Befundbericht vorgetragen, dass sehr wohl starke Hautveränderungen zu sehen gewesen seien. Die Symptomatik der Haut habe sich nicht verändert, es sei lediglich zu einer drastischen Verschlechterung im Hinblick auf die Häufigkeit und Sensibilität gekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift vom 5. August 2020 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.

Die Beklagte war durch § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 73 Abs. 3 SGB VII ermächtigt, den Bescheid vom 23. Juli 2012 durch Bescheid vom 16. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2017 aufzuheben und die Rente ab 1. November 2015 zu entziehen. Die Beklagte hat die Entscheidung über die Aufhebung des maßgeblichen Verwaltungsakts sowohl formell als auch materiell rechtmäßig getroffen.

Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X ist bei der Feststellung der MdE nach § 73 Abs. 3 SGB VII nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. beträgt. In den tatsächlichen Verhältnissen ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Vergleichsgrundlage sind diejenigen Umstände, die im Zeitpunkt des Erlasses der bindend gewordenen letzten bescheidmäßigen Feststellung der Leistung vorgelegen haben (Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 5). Die letzte bescheidmäßige Feststellung der Leistung erfolgte mit Bescheid vom 23. Juli 2012. Die Gewährung einer Verletztenrente mit einer MdE von 20 v. H. ist ursprünglich mit Bescheid vom 27. Juni 1994 bewilligt, dann mit Bescheid vom 20. März 2007 auf eine MdE von 30 v. H. erhöht und schließlich mit Bescheid vom 23. Juli 2012 wiederum nur noch unter Zugrundelegung einer MdE von 20 v. H. gewährt worden. Dem Bescheid vom 23. Juli 2012 liegt eine umfassende neue gutachterliche Bewertung der MdE in Höhe von 20 v. H. zugrunde. Auf diese wird im Bescheid vom 23. Juli 2012 Bezug genommen und auch die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen dargelegt und die Höhe der MdE von 20 v. H. begründet. Damit erfolgte eine umfassende neue Feststellung der Leistung.

Nach dem Bamberger Merkblatt, S. 22 (Begutachtungsempfehlungen für die Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV) ist die Höhe der MdE unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Allergie und des Ausmaßes der Hauterscheinungen zu treffen. Dr. B. ging in seinem Gutachten vom 21. Juni 2012, das dem Bescheid vom 23. Juli 2012 zugrunde lag, davon aus, dass bei der Klägerin nur noch leichte Hauterscheinungen vorlägen, aber eine besonders intensive Sensibilisierung bestehe. Nach dem Bamberger Merkblatt resultierte daraus eine MdE von 20 v. H. Im Vergleich hierzu lagen nach dem Gutachten von Dr. B. vom 16. September 2015 bei der Klägerin seit über einem Jahr keine Hauterscheinungen mehr vor und hinsichtlich des Umfangs und der Intensität der Sensibilisierung bestanden allenfalls mittelgradige Auswirkungen der Allergie. Bei nicht vermeidbarem Kontakt im täglichen Leben zu den Allergenen, reichte dieser Kontakt nicht mehr aus, um eine klinische Manifestation zu erreichen. Auch der gerichtliche Sachverständige Dr. K1 bestätigte, dass keine schweren oder mittelschweren Hauterscheinungen bei der Klägerin vorlägen. Dies deckt sich auch damit, dass die Klägerin keine hautärztliche Behandlung mehr in Anspruch genommen hat und sich lediglich einmalig während des gerichtlichen Verfahrens bei der Hautärztin Dr. B1 vorgestellt hat, die keinen pathologischen Hautbefund erheben konnte. Der Vortrag der Klägerin, ihr Hautbild habe sich drastisch verschlechtert, hat sich durch objektive Befunde nicht bestätigen lassen. In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 13. November 2018 vermutete Dr. K1 zudem, dass der Verlauf der Hauterkrankung mit langen Zeiträumen eines weitgehend unauffälligen Hautbefundes und Zeiten der Exazerbation eher für ein endogenes Leiden im Sinne einer Neurodermitis spreche, die unabhängig von der Berufskrankheit zu bewerten sei. Eine MdE ist bei allenfalls nur mittelgradigen Auswirkungen der Allergie und keinen Hauterscheinungen in Höhe von 10 v. H. festzusetzen.

Auch die weiteren Voraussetzungen einer Aufhebung nach § 48 SGB X lagen vor. Die Klägerin wurde angehört und die erforderlichen Fristen wurden gewahrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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