L 3 R 65/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 33 R 375/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 65/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Juli 2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

Die 1960 geborene Klägerin ist als Verwaltungsfachangestellte sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Ein Grad der Behinderung von 40 wurde bei der Klägerin seit dem 21. Juli 2011 festgestellt, ein Neufeststellungsantrag abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos, die Berufung der Klägerin wurde vom erkennenden Senat als unbegründet zurückgewiesen (L 3 SB 15/17).

Die Klägerin absolvierte zuletzt 2015 eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der D. Klinik in B ...

Am 6. Mai 2016 stellte die Klägerin auf Aufforderung der Krankenkasse erneut bei der D. einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer stationären Maßnahme sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die D. leitete den Antrag am 9. Mai 2016 an den beklagten Rentenversicherungsträger weiter. In einer der Beklagten vorgelegten E-Mail an ihren behandelnden Arzt teilte die Klägerin mit, zur Besserung der Schmerzen in der Halswirbelsäule sehe sie als einzige Möglichkeit regelmäßiges Rückenschwimmen und Wärme. Hierzu sei die Rehabilitationsmaßnahme notwendig, die Schwimmbäder seien ansonsten überfüllt. Ihr behandelnder Orthopäde Dr. D1 legte einen Bericht vor, ausweislich dessen die Klägerin seit ca. einem Jahr über Taubheit und Kribbeln im Fuß und Unterschenkel mehr links als rechts klage.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 12. Juli 2016 mit der Begründung ab, die letzte Rehabilitationsmaßnahme sei noch keine vier Jahre her. Dringende gesundheitliche Gründe, die eine vorzeitige Leistung erfordern würden, seien nicht erkennbar.

Am 2. August 2016 legte die Klägerin Widerspruch per E-Mail mit der Begründung ein, die letzte stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei aufgrund einer psychischen Diagnose gewährt worden. Diese Maßnahme sei aufgrund eines Unfalls im Jahre 2013 notwendig, infolgedessen sie Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule erlitten habe. Sie sei bei der letzten Reha-Maßnahme davon ausgegangen, dass die Folgen des Unfalls berücksichtigt würden, was nicht der Fall gewesen sei.

Die Beklagte forderte von dem behandelnden Orthopäden der Klägerin einen ärztlichen Bericht an. Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 wies die Beklagte die Klägerin dann darauf hin, dass die Erhebung des Widerspruchs per E-Mail nicht zulässig ist. Die Klägerin übersandte daraufhin einen unterzeichneten Ausdruck der E-Mail an die Beklagte.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2017 als unbegründet zurück.

Am 7. April 2017 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung hat sie angegeben, ihr Orthopäde habe entgegen der Begründung im Widerspruchsbescheid eine Stellungnahme abgegeben. Sie habe am 12. August 2013 einen Unfall gehabt, ihre Arbeitsstelle verloren und nach Wiedereingliederung und schwerem Kampf nun einen Arbeitsplatz, an dem sie arbeiten könne. Sie führe dreimal wöchentlich Therapien und zweimal wöchentlich Reha-Sport durch. Eine Nasenoperation stehe bevor und sie werde voraussichtlich ins Schlaflabor aufgenommen. Neu sei ADHS als Diagnose hinzugekommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben und Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt sowie medizinische Unterlagen beigezogen. Dr. V. hat am 13. September 2017 angegeben, dass ein relevantes obstruktives Schlafapnoesyndrom bei der Klägerin nicht festgestellt worden sei. Der behandelnde Orthopäde Dr. D1 hat am 6. November 2017 angegeben, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin aus fachorthopädischer Sicht nicht eingeschränkt sei. Die Erwerbsfähigkeit sei weder gefährdet noch gemindert.

Das Sozialgericht hat ein Sachverständigengutachten der Fachärztin für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie und Sozialmedizin Dr. S. eingeholt. In dem Gutachten vom 22. März 2018 ist die Sachverständige nach Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in Bezug auf ihre Tätigkeit als Verwaltungsfachangestellte weder gefährdet noch gemindert sei. Die ambulanten physiotherapeutischen und physikalischen Maßnahmen und die ausgestellte Reha-Sport-Verordnung seien medizinisch ausreichend und zweckmäßig, um die wiederkehrenden Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrome symptomatisch zu behandeln. Die Klägerin könne aufgrund der Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule keine schweren oder mittelschweren körperlichen Arbeiten mehr verrichten. Das Leistungsvermögen sei auf leichte körperliche Arbeiten mit einer durchschnittlichen Gewichtsbelastung herabgesunken. Das Bewegen, Heben und Tragen mittelschwerer und schwerer Lasten ohne eine Hilfsperson oder technische Hilfsmittel sei nicht möglich. Aufgrund der wiederkehrenden, in die Beine ausstrahlenden Beschwerden solle die Klägerin nicht dauerhaft im Stehen oder Gehen arbeiten. Überwiegend sitzende Tätigkeiten mit gelegentlichem Wechsel in gehende und stehende Arbeitspositionen seien zumutbar, auch Tätigkeiten im Wechselrhythmus von Gehen, Stehen, Sitzen zu annähernd gleichen Teilen. Bei einer sitzenden Tätigkeit solle die Klägerin die Möglichkeit haben, pro Stunde etwa fünf Minuten in eine gehende oder stehende Tätigkeit zu wechseln. Die Klägerin solle nicht in Wirbelsäulenzwangshaltungen, beengten Räumen, im Knien oder Fersenhocksitz, dauernder Rumpfvorbeuge, mit verdrehtem Körper unter gleichzeitiger Gewichtsbelastung, dauerhaft über Kopf, auf Leitern und Gerüsten oder an gefährdenden Arbeitsplätzen unter Absturzgefahr arbeiten. Monotone Tätigkeiten wie reine Sortier- oder Bildschirmarbeiten seien nicht möglich. Sie könne mit den Armen leichte und gelegentlich mittelschwere Hebel oder Werkzeuge bedienen, gelegentlich in Armvorhalte und über Kopf arbeiten. Häufiges Treppensteigen, Gehen auf unebenem, rutschigen, vibrierendem oder schwankendem Untergrund und Ganzkörpervibrationen seien auszuschließen. Die Klägerin solle keinen Atemwegsreizstoffen, Rauch, Gasen, Dämpfen und inhalativen Allergenen ausgesetzt werden. Besondere Anforderungen an das Sehvermögen könnten nicht gestellt werden wegen einer Sehbehinderung. Tätigkeiten ausbildungsgemäßer, geistiger Art und Verantwortung, durchschnittlicher nervlicher Belastung und durchschnittlichen Anforderungen an die Ein-, Umstellungs-, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeiten seien zumutbar. Besonders stressbelastete Tätigkeiten, wie taktgebundene Arbeiten im Akkord oder Fließband- und Nachtschichttätigkeiten sollten ausgeschlossen werden. Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die Team- und Kontaktfähigkeit, häufigem Publikumskontakt und zunehmenden kognitiv-konzentrativen Anforderungen seien nicht zumutbar. Die Klägerin könne unter diesen Voraussetzungen sechs Stunden und mehr arbeitstäglich tätig sein. Sie leide an einer psychischen Minderbelastbarkeit (kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen narzisstischen Anteilen, gemischt ängstlich-depressive Störung), einer Minderbelastbarkeit der Halswirbelsäule bei Bandscheibenvorfall C5/C6 ohne neuromuskuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen, einer Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule bei geringer linkskonvexer Fehlstatik und Bandscheibenvorwölbungen L4/5 und L5/S1 ohne neuromuskuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen, ISG-Irritation beidseits, einem hyperreagiblem Bronchialsystem, fraglichem Asthma bronchiale und obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom, Sehbehinderung, links mehr als rechts, bei angegebener Kurzsichtigkeit und Übergewicht.

Die Klägerin hat das Gutachten angegriffen. Die Sachverständige habe sich nicht zu den Auswirkungen von Borrelien-Infektionen geäußert. Es falle ihr schwer, die Schmerzen auszuhalten. Wie Dr. S. darauf komme, dass sie keine Ausfallerscheinungen habe, wisse sie nicht. Sie habe Taubheitsgefühle in beiden Beinen, diese fühlten sich wie eingeschlafen an. Dr. S. habe ihr gesagt, dass sie erst für 2019 eine stationäre Reha-Maßnahme befürworten könne. Der Physiotherapeut habe zum Fersensitz zur Entlastung des Hohlkreuzes geraten, die Sachverständige rate hingegen davon ab. Dr. S. habe Adipositas festgestellt. Die Klägerin schaffe ohne Unterstützung die erforderliche Gewichtsreduktion nicht. Sofern das Verfahren bis 2019 ausgesetzt und dann eine Reha-Maßnahme bewilligt werde, sei sie damit einverstanden. Eine Klinik mit Schwimmmöglichkeit würde sie bevorzugen.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 15. Juni 2018 hat Dr. S. darauf hingewiesen, dass die Beurteilung anhand der objektiven Befunde erfolge und subjektive Beschwerden in die Beurteilung einflößen, soweit sie angegeben wurden. Lähmungen, Teillähmungen oder auch Störungen des Gefühlsempfindens habe die Klägerin jedoch nicht benannt. Entgegen der Aussage der Klägerin habe sie keine Reha-Maßnahme für 2019 empfohlen, sondern erläutert, dass nach dem letzten Heilverfahren 2015 erst nach Ablauf von vier Jahren eventuell ein weiteres Heilverfahren in Betracht gezogen werden könne. Die gewünschte Gewichtsreduktion könne im ambulanten Rahmen durch Diät- und Ernährungsberatung, durch moderate Sporttherapie ggf. Verhaltenstherapie erreicht werden.

Die Klägerin hat dazu erneut Stellung genommen. Sie habe selbstverständlich über Taubheitsgefühle gesprochen. Die Schmerzen auszuhalten koste unheimlich viel Energie, sie könne sich dann schlecht konzentrieren, mache Fehler und es sei zeitaufwändig, diese zu korrigieren. Eine Reha-Maßnahme sei ihre letzte Hoffnung. Sie sei mit dem Gutachten von Dr. S. nicht einverstanden. Sie beantrage ein Zweitgutachten. Die Beklagte sei allein aus Kostengründen nicht bereit, die Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren. Diese sei notwendig wegen der Adipositas und einer Schmerztherapie. Letztere sei ambulant nicht möglich. Eine weitere Operation stehe an.

Das Sozialgericht hat bei dem behandelnden Orthopäden Dr. D1 einen Folgebefundbericht angefordert und die Akte des Landessozialgerichts Hamburg zum Aktenzeichen L 3 SB 15/17 angefordert. In dem Verfahren hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. ein Gutachten erstellt. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sich gegenüber dem gesundheitlichen Zustand der Klägerin im Jahr 2016 keine wesentliche Änderung feststellen lasse.

Die Klägerin hat weitere medizinische Unterlagen eingereicht. Die Sachverständige Dr. S. hat am 26. April 2019 ergänzend dargelegt, dass dem Befundbericht von Dr. D1 nichts Neues zu entnehmen sei. Sämtliche durch Dr. D1 dokumentierten Befunde seien bei der Begutachtung bereits bekannt gewesen. Auch zu den Beeinträchtigungen an der Lendenwirbelsäule, durch die Schlafapnoe und auf psychiatrischem Fachgebiet fänden sich keine weiteren Erkenntnisse von sozialmedizinischer Bedeutung.

Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten am 19. Juli 2019 durch Gerichtsbescheid entschieden und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer stationären Reha-Maßnahme. Die Klägerin erfülle nicht die persönlichen Voraussetzungen im Sinne des § 10 Sozialgesetzbuch-Sechstes Buch (SGB VI). Zudem greife ein Ausschlussgrund, sodass Leistungen durch die Beklagte nicht zu erbringen seien. Aufgrund des Sachverständigengutachtens von Frau Dr. S. sei davon auszugehen, dass weder eine Gefährdung noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege. Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen und es sei auch nicht wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Funktionseinschränkungen damit zu rechnen, dass ohne die begehrte Rehabilitationsleistung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eintrete (sogenannte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit). Ambulante Maßnahmen seien im Hinblick auf die orthopädischen Beeinträchtigungen nach dem eingeholten Sachverständigengutachten ausreichend, um die Beschwerden zu lindern. Bei den immer wieder auftretenden Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndromen handele es sich jeweils um akut behandlungsbedürftige Erkrankungen, die eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme ausschließen würden (§ 13 Abs. 2 Nummer 1 SGB VI). Die Sachverständige Dr. S. habe keine wesentlichen Beeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule feststellen können. Die Beweglichkeit sei nur endgradig schmerzhaft eingeschränkt gewesen, degenerative Veränderungen hätten nicht vorgelegen. Das gelte auch für die Beweglichkeit der Brust-und Lendenwirbelsäule. Nervenwurzelreizerscheinungen seien nicht nachgewiesen, ebenso hätten Lähmungen und Teillähmungen entgegen den Angaben der Klägerin nicht festgestellt werden können. Auch die erhobenen Befunde würden das Vorbringen der Klägerin insoweit nicht stützen. Durch die geltend gemachten Erkrankungen an der Wirbelsäule ergebe sich weder, dass mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit zu rechnen sei, noch dass eine solche bereits vorliege. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei ihrer Tätigkeit als Verwaltungsfachangestellte durchaus immer wieder wechselnden Körperhaltungen einnehmen könne. Sie habe nach eigenen Angaben ein Stehpult erhalten, sodass sie auch im Stehen arbeiten könne. Die von der Klägerin geltend gemachten Schmerzen ließen sich in dem angegebenen Ausmaß nicht objektivieren. Maßgeblich seien die aus den objektiv vorliegenden Erkrankungen folgenden Funktionseinschränkungen für berufliche Tätigkeiten und nicht die subjektiven Angaben und Überzeugungen der Klägerin. Im Hinblick auf das Schlafapnoesyndrom und ADHS stünden ebenfalls Therapien zulasten der Krankenkasse zu Verfügung und es sei nicht erkennbar, dass die üblichen Behandlungen bereits ausgeschöpft worden seien. Gleiches gelte für die Adipositas, die ebenfalls im Rahmen einer normalen hausärztlichen Behandlung in Angriff genommen werden könne. Auch die Borrelien-Infektionen könnten bei ihrem Auftreten durch die behandelnden Ärzte der Klägerin behandelt werden.

Gegen den ihr am 23. Juli 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. Juli 2019 Berufung eingelegt. Sie teilt mit, dass sie in naher Zukunft über die Krankenkasse eine psychosomatische Klinik aufsuchen werde und eine stationäre Reha-Maßnahme durchgeführt würde. Jedoch ginge es im vorliegenden Fall um die körperliche Rehabilitation und Gewichtsabnahme. Sie sei am 25. Juli 2019 am rechten Fuß operiert worden und benötige eine solche Maßnahme. Das gelte auch für die Wirbelsäulenbeschwerden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19.07.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2016 und den Widerspruchsbescheid vom 28.03.2017 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation mit orthopädischem Schwerpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Sozialgericht habe den festgestellten Sachverhalt zutreffend gewürdigt und die Entscheidung überzeugend begründet.

Das Berufungsgericht hat aktuelle Befundberichte eingeholt, unter anderem über die durchgeführte Fußoperation (Operationsbericht der Klinik F., Bericht des Physiotherapeuten M. vom 19. Oktober 2019, Befundbericht des medizinischen Versorgungszentrums für Gefäßmedizin vom 21. November 2019). Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens im Hinblick auf die weiteren Befunde und die Fußoperation durch die Sachverständige Dr. S ... Diese ist in ihrem Gutachten vom 4. Mai 2020 nach erneuter Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis gelangt, dass nach Korrekturoperation eine X-Fehlstellung im Großzehengrundgelenk rechts (Hallux valgus) im Juli 2019 keine neuen sozialmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen vorliegen würden. Das Gangbild zu ebener Erde mit Einlagenversorgung sei unauffällig, eine nennenswerte Muskelminderungen des rechten Beins im Seitenvergleich oder auch eine ausgeprägtere Schwellneigung würden nicht vorliegen. In den letzten Röntgenbildern des rechten Fußes zeige sich eine zunehmende knöcherne Konsolidierung nach Korrekturoperation des Hallux valgus. Nach der geplanten Materialentfernung am rechten Großzehen sei von vorübergehender Arbeitsunfähigkeit von vier bis maximal sechs Wochen auszugehen. Es habe sich im Vergleich zum Vorgutachten vom 22. März 2018 und den ergänzenden Stellungnahmen nichts geändert, sodass auf dieses Gutachten zu verweisen sei. Nach der geplanten Materialentfernung im Bereich des rechten Großzehs und vorübergehender Arbeitsunfähigkeit seien fachärztliche angeleitete ambulante physiotherapeutische oder physikalische Maßnahmen und das Tragen der bereits verordneten Unterschenkel-Kompressionsstrümpfe ausreichend und zweckmäßig. Ebenso seien zur Behandlung der wiederkehrenden Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen ebenfalls ambulante wohnortnahe Maßnahmen medizinisch ausreichend. Es wird inhaltlich Bezug genommen auf das Ergänzungsgutachten vom 4. Mai 2020 der Sachverständigen Dr. S ...

Die Klägerin hat Einwände gegen das Gutachten erhoben. Die Gutachterin habe selbst beschlossen, keine neuen Röntgenaufnahmen zu fertigen, sie sei nicht gefragt worden. Sie benötige dringend eine stationäre Reha-Maßnahme, insbesondere wegen der Wirbelsäule, Halswirbelsäule der Beine und wegen ihrer Adipositas. Wenn sich die Situation mit ihrem Fuß verbessere gehe sie davon aus, dass sie spätestens Ende 2020 oder Anfang 2021 eine solche stationäre Reha-Maßnahme antreten könne. Sie nehme die Berufung nicht zurück und sei gegenwärtig arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte, form- und fristgerechte Berufung (§§ 151, 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es besteht kein Anspruch auf Gewährung einer stationären medizinischen Rehabílitationsmaßnahme. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist weder gemindert noch gefährdet. Ambulante Heil- oder Rehabilitationsmaßnahmen reichen aus.

Wie das Sozialgericht zutreffend und mit überzeugender Begründung dargelegt hat, fehlt es an der erforderlichen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die Klägerin ist weiterhin in der Lage, ihrer beruflichen Tätigkeit als Verwaltungsangestellte nachzugehen und es ist auch nicht zu befürchten, dass die Erwerbsfähigkeit aufgrund der Erkrankungen der Klägerin in rentenrechtlich relevantem Ausmaß gefährdet ist. Sie ist soweit es ihre orthopädischen und internistischen Erkrankungen betrifft ggf. auf ambulante Maßnahmen der Rehabilitation zu verweisen. Wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, erbringen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI keine Leistungen der medizinischen Rehabilitation. Eine stationäre Reha-Maßnahme im Hinblick auf psychische Erkrankungen ist bereits zu Lasten der Krankenversicherung durchgeführt worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme, die durchgeführte Beweisaufnahme und Beweiswürdigung auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die vom Berufungsgericht aufgrund der vorgetragenen Verschlechterung und der zwischenzeitlich durchgeführten Fußoperation durchgeführte Beweisaufnahme führt zu keiner anderen Einschätzung. Die bereits erstinstanzlich beauftragte Sachverständige Dr. S. hat in ihrem Ergänzungsgutachten vom 4. Mai 2020 nach erneuter Untersuchung plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass auch nach Korrekturoperationen einer X-Fehlstellung im Großzehengrundgelenk im Juli 2019 keine neuen sozialmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen vorliegen. Das Gangbild zu ebener Erde mit Einlagenversorgung sei mittelschrittig und unauffällig, eine nennenswerte Muskelminderungen des rechten Beines im Seitenvergleich oder auch ausgeprägtere Schwellneigung sei trotz der bisher noch nicht durchgeführten Versorgung mit unterschenkellangen Kompressionsstrümpfen beidseits nicht gegeben. Die vorliegenden Röntgenbilder vom 5. September 2019 zeigten eine zunehmende knöcherne Konsolidierung nach Korrekturoperation des Hallux valgus im Bereich des ersten Mittelfußknochens und des Großzehengrundgelenks. Nach der geplanten Materialentfernung sei mit einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit von vier bis maximal sechs Wochen zu rechnen.

Damit besteht auch nach der Fußoperation keine Indikation für die gewünschte stationäre medizinische Rehabilitation. Die Ausführungen der Sachverständigen sind für das Gericht auch plausibel. Sie stehen im Einklang mit den vorliegenden Befunden. Aus dem vorliegenden Operationsbericht von Dr. B1 ergibt sich ein normaler Verlauf der Operation ohne Komplikationen. Der Röntgenbefund vom 5. September 2019 ist mit einer guten Korrekturstellung bewertet worden. Hiermit korrespondierend hat die Sachverständige Dr. S. im Rahmen der am 22. April 2020 durchgeführten Untersuchung ein flüssiges Gangbild festgestellt. Ein Schonhinken zeige sich auch barfüßig nicht. Die Füße seien von der Klägerin regelrecht abgerollt worden. Die Stand-und Gangproben auf Fersen, Fußinnen-und Außenkanten seien regelgerecht vorgeführt worden. Nach der durchgeführten Operation besteht daher keine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit, die Wegefähigkeit ist nach wie vor gegeben und die Klägerin in der Lage, in ihrem Beruf weiterhin tätig zu sein. Soweit im Zusammenhang mit der Operation weitere Behandlungen wie das Entfernen des eingesetzten Materials erforderlich sind, handelt es sich um im Rahmen der Krankenversicherung zu erbringende akute Heilbehandlungsmaßnahmen. Eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme kann nach der gesetzlichen Regelung nicht erbracht werden. Die übrigen Erkrankungen und Beschwerden sind bereits in den Vorgutachten vor dem Sozialgericht gewürdigt worden. Die Sachverständige hat in ihrer erneuten Untersuchung vor dem Berufungsgericht keine relevanten Verschlechterungen feststellen können. Wie vom Sozialgericht dargestellt, kann die Adipositas mit ambulanten Maßnahmen im Rahmen der hausärztlichen Betreuung behandelt werden.

Die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgetragenen Einwände gegen das Sachverständigengutachten verfangen nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im Einverständnis mit der Klägerin keine neuen Röntgenaufnahmen gefertigt worden sind. Denn es ist nicht erkennbar, dass dies erforderlich gewesen ist. Der von der Sachverständigen festgestellte Untersuchungsbefund ist unauffällig gewesen, das Gangbild der Klägerin ist als flüssig ohne Schonhinken beschrieben worden. Die Beschwerden im Zusammenhang mit der Wirbelsäule sind ausführlich im Sachverständigengutachten vor dem Sozialgericht gewürdigt worden, die weitere Untersuchung hat keine Veränderungen ergeben. Nicht von Belang ist, ob aufgrund der Corona-Krise stationäre Maßnahmen überhaupt durchgeführt werden können, denn hierauf besteht ohnehin kein Anspruch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 160 SGG nicht vorliegen
Rechtskraft
Aus
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