L 4 SO 82/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 52 SO 341/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 82/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg insoweit abgeändert, als dass die Beklagte der Klägerin aufgewendete Leistungen in Höhe von 52.687,96 Euro zu erstatten hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen. 3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten, zwei Sozialhilfeträger, streiten um die Erstattung entstandener Aufwendungen für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der 1965 in Bremerhaven geborene Hilfeempfänger ist seelisch behindert. Im Jahr 2007 wurde ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.

Vom 24. November 2011 bis zum 22. Oktober 2012 war der Hilfeempfänger im Therapiezentrum P. der Stiftung F. stationär untergebracht.

Am 22. Oktober 2012 zog der Hilfeempfänger nach Bremen. Er lebte hier in verschiedenen Notunterkünften, nämlich vom 25. Oktober 2012 bis zum 6. Januar 2013 im J., vom 7. Januar 2013 bis zum 13. Februar 2013 in der H. und vom 14. bis zum 18. Februar 2013 noch einmal im J ... Während des Aufenthalts in Bremen bezog er vom Jobcenter Bremen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 18. Februar 2013 begab sich der Hilfeempfänger nach Hamburg. Noch an diesem Tag wurde er in die Klinik in Hamburg aufgenommen, wo er stationär untergebracht war. Zum 29. Mai 2013 wechselte er in das B. in Lübeck, wo er ebenfalls stationär untergebracht war. Hier wurden Maßnahmen der Eingliederungshilfe erbracht. Der Aufenthalt – unterbrochen durch einen Krankenhausaufenthalt vom 20. Juli 2013 bis zum 29. August 2013 – dauerte bis zum 19. Juli 2014. Dadurch entstanden Kosten in Höhe von 63.527,35 Euro.

Mit Schreiben vom 19. April 2013 beantragte der Hilfeempfänger, vertreten durch seinen Betreuer, bei der Klägerin die Übernahme der Kosten für die stationäre Unterbringung im B ... Die Klägerin hielt sich für örtlich unzuständig. Mit Bescheid vom 11. Juni 2013 lehnte sie die Kostenübernahme unter Hinweis auf ihre fehlende örtliche Zuständigkeit ab und regte an, dass der Hilfeempfänger bei der aus Sicht der Klägerin zuständigen Stadt Bremen einen Antrag auf Kostenübernahme stelle. Eine Weiterleitung des Antrags durch die Klägerin erfolgte nicht.

Der Hilfeempfänger beantragte während des laufenden Verwaltungsverfahrens beim Sozialgericht Lübeck den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Klägerin – dort die Antragsgegnerin – vorläufig zur Übernahme der Unterbringungskosten zu verpflichten (dortiges Az. S 31 SO 175/13 ER). Die hiesige Beklagte war zu jenem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beigeladen. Die Klägerin bekräftigte in diesem Verfahren ihre Ansicht, dass sie örtlich unzuständig sei. Der Hilfeempfänger habe seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der stationären Unterbringung in Bremen gehabt. Die Beklagte trat dem entgegen. Das Sozialgericht Lübeck hielt es in einem Hinweis vom 3. September 2013 für "eher zweifelhaft", dass der Hilfeempfänger einen gewöhnlichen Aufenthalt in Bremen gehabt habe, und regte an, dass die Klägerin die Kosten der Unterbringung "zumindest vorläufig mit der Möglichkeit eines Erstattungsverfahrens" übernehme. Die Klägerin erklärte daraufhin gegenüber dem Sozialgericht Lübeck im Schriftsatz vom 9. September 2013 ihre Bereitschaft, "aufgrund von § 14 SGB IX vorläufig die Kosten für die stationäre Unterbringung des (Hilfeempfängers) zu übernehmen. Die (Beklagte) geht weiterhin davon aus, tatsächlich nicht für die Kostenübernahme zuständig zu sein. Die tatsächliche Zuständigkeit ist im Anschluss zu klären. Die Kosten sind dann vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 4 SGB IX zu erstatten". Das Eilverfahren endete daraufhin unstreitig.

In der Folgezeit erließ die Klägerin mehrere Bewilligungsbescheide, mit denen sie zugunsten des Hilfeempfängers die Kosten der stationären Eingliederungshilfe ab Mai 2013 übernahm. Alle Bewilligungsbescheide enthielten den Hinweis, dass die Bewilligung auf der Grundlage der Erklärung im Eilverfahren S 31 SO 175/13 ER des SG Lübeck "ohne Präjudiz zur tatsächlichen Rechtslage" erfolge.

Mit Schreiben vom 14. März 2014 meldete die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für den Aufenthalt des Hilfeempfängers im B. an. Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme mit Schreiben vom 19. Juni 2014 ab. Sie hielt sich nicht für zuständig und führte aus, dass der Hilfeempfänger in Bremen keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe, weil er sich dort lediglich in Einrichtungen der Nichtsesshaftenhilfe befunden habe. Der Hilfeempfänger habe nicht den Willen gehabt, in der Übernachtungsstätte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu begründen.

Nach erneuter Ablehnung des Begehrens durch die Beklagte mit Schreiben vom 16. April 2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Der Hilfeempfänger habe seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der stationären Unterbringung im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gehabt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt könne auch in Übergangsheimen und ähnlichen, eigentlich nicht zum dauerhaften Wohnen gedachten Unterkünften begründet werden. Der Hilfeempfänger habe bereits während seines Aufenthalts im Therapiezentrum P. in Hamburg den Entschluss gefasst, nach dem Ende der stationären Therapie nach Bremen ziehen zu wollen. Hintergrund sei gewesen, dass er dort aufgewachsen sei und dort auch einen Neuanfang habe wagen wollen, um sein Leben wieder in Ordnung zu bringen. Diesen Entschluss habe er am 22. Oktober 2012 in die Tat umgesetzt. Die Tatsache, dass die Klägerin den Antrag des Hilfeempfängers im Verwaltungsverfahren nicht gemäß § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an die Beklagte weiterleitet habe, stehe einem Erstattungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Eine abschließende Klärung der örtlichen Zuständigkeit sei in der Frist des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht möglich gewesen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Der Hilfeempfänger habe vor der Aufnahme in die Einrichtung B. seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich gehabt. Er habe sich ausschließlich in Notunterkünften aufgehalten. In Notunterkünften könne aber kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden. Als der Hilfeempfänger im Februar 2013 nach Hamburg zurückgekehrt sei, habe er dies eigenständig und freiwillig getan. Es sei nicht davon auszugehen, dass er dort nur einen Besuch habe machen wollen. Die Aufnahme in die Klinik am 18. Februar 2013 sei ungeplant gewesen. Durch seinen Wechsel nach Hamburg hätte der Hilfeempfänger einen gewöhnlichen Aufenthalt dort begründen können, bevor die stationäre Unterbringung begann. Eine Kostenerstattung sei auch nach Maßgabe von § 14 SGB IX ausgeschlossen. Die Klägerin hätte den Leistungsantrag des Hilfeempfängers innerhalb von zwei Wochen nach Eingang weiterleiten müssen. Wenn der erstangegangene Träger seine Zuständigkeit anerkannt habe, könne er im Normalfall keine Kostenerstattung mehr erhalten.

Mit Urteil vom 4. Juni 2018 hat das Sozialgericht Hamburg der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin aufgewendete Leistungen für die Unterbringung des Hilfeempfängers vom 24. Mai 2013 bis zum 19. Juli 2014 in Höhe von Euro 53.603,46 zu erstatten. Der Anspruch ergebe sich aus § 102 Abs. 1 SGB X. Die Norm setze voraus, dass der vorleistende Träger im Bescheid an den Leistungsberechtigten auf die noch ungeklärte Zuständigkeit und die daraus resultierende Vorläufigkeit der Leistung hinweise. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Die ab Oktober 2013 ergangenen Bewilligungsbescheide enthielten allesamt den Hinweis auf die Vorläufigkeit der Bewilligungen. Die vorläufigen Leistungen der Eingliederungshilfe seien auch rechtmäßig gewesen. Als Schwerbehinderter falle der Hilfeempfänger dem Grunde nach in den Anwendungsbereich der § 53 ff. SGB XII. Die im B. erbrachten Leistungen erfassten jedenfalls auch Maßnahmen der Rehabilitation, sodass die §§ 53 ff. SGB XII dem Grunde nach einschlägig seien. An der Erforderlichkeit der Maßnahme bestünden keine Zweifel. Die Beklagte sei dem auch nicht entgegengetreten. Der Erstattungsanspruch richte sich schließlich auch zu Recht gegen die Beklagte, denn sie sei für die ab Mai 2013 gewährten Leistungen der örtlich zuständige Träger. Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folge aus § 98 Abs. 2 SGB XII. Nach dessen Satz 1 sei für stationäre Leistungen der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt habe. Im Falle eines Übertritts von einer Einrichtung in eine andere sei der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend (Satz 2). Dies zugrunde gelegt, sei, da sich bei der stationären Unterbringung im B. um eine Folgeunterbringung im Anschluss an eine Unterbringung in der Klinik handele, nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII der Ort maßgeblich, an dem der Hilfeempfänger vor der ersten Aufnahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Das sei der Zuständigkeitsbereich der Beklagten, denn der Hilfeempfänger habe ab Oktober 2012 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bremen begründet. Dort habe er sich über einen Zeitraum von insgesamt fast vier Monaten tatsächlich aufgehalten und während des Aufenthalts in Bremen vom dortigen Leistungsträger durchgängig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II erhalten. Allein dies dokumentiere eine auf Dauer angelegte Beziehung des Hilfeempfängers zu Bremen. Der Umstand, dass er sich dabei in Notunterkünften aufgehalten habe, steht dem nicht entgegen: Auch in ihnen könne ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden. Der Aufenthalt in Bremen sei auch von dem Willen getragen gewesen, dort dauerhaft zu verweilen. Ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt in Hamburg sei vor der Aufnahme in die Einrichtung jedenfalls nicht mehr begründet worden. Schließlich sei die Anwendung des § 102 SGB X nicht von § 14 SGB IX gesperrt. Zwar sei anerkannt, dass der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX grundsätzlich den §§ 102 ff. SGB X vorgehe. Der § 14 Abs. 4 SGB IX begründe einen – hier nicht einschlägigen – Erstattungsanspruch des zweitangegangenen Trägers. Der als Unzuständiger leistende erstangegangene Träger hingegen habe in aller Regel weder einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX noch nach § 102 SGB X, weil er nicht in gleicher Weise als schutzwürdig angesehen werde wie der zweitangegangene Träger. Dies gelte allerdings nicht, wenn der erstangegangene Träger infolge eines Kompetenzkonflikts einem Leistungszwang ausgesetzt sei, der dem des zweitangegangenen Trägers vergleichbar sei. So liege es hier, weil im Sommer 2013 eine schnelle Lösung zugunsten des Hilfeempfängers habe herbeigeführt werden sollen. Die Leistungserbringung durch die Klägerin sei wesentlich auf einen richterlichen Hinweis des Sozialgerichts Lübeck im dortigen Eilverfahren S 31 SO 175/13 ER zurückzuführen, mit dem das dortige Gericht eine schnelle und unstreitige Erledigung des Eilverfahrens, nicht aber eine abschließende Klärung des Rechtsstreits an sich habe bewirken wollen. Dementsprechend habe die Klägerin durch die Gewährung von Leistungen reagiert, die sie ausdrücklich als "vorbehaltlich" gekennzeichnet habe.

Gegen dieses ihr am 3. September 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. September 2018 Berufung eingelegt. Die Klägerin habe ihre Zuständigkeit mit einem Schreiben der Klinik vom 23. April 2013 gegenüber der BKK S. anerkannt. Auch fehle es an einem gewöhnlichen Aufenthalt des Hilfeempfängers in Bremen; das Sozialgericht habe insoweit nicht die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts notwendige Prognose angestellt. § 102 SGB X sei nicht anwendbar, da aufgrund richterlichen Hinweises eine Kostenübernahme nach § 14 SGB IX erklärt worden sei. § 14 Abs. 4 SGB IX passe aber nicht, weil die Klägerin nicht zweitangegangener Träger gewesen sei. Hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung sei einzuwenden, dass die Aufnahme in das B. erst am 29. Mai 2013 erfolgt sei und für den Zeitraum vom 20. Juli bis 29. August 2013 wegen eines Krankenhausaufenthalts des Hilfebedürftigen allenfalls ein Platzfreihaltegeld verlangt werden dürfe.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Juni 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit die Erstattungssumme einen Betrag von 52.687,96 Euro nicht übersteigt.

Sie räumt ein, dass – anders als zunächst angenommen – die Aufnahme im B. erst am 29. Mai 2013 erfolgte und dass ein Krankenhausaufenthalt des Hilfeempfängers im Juli/August 2013 nicht berücksichtigt worden sei. Insoweit korrigiert die Klägerin ihre Klagforderung und legt dazu Berechnungen vor. Ansonsten stützt sie sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung erklärt. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte nach § 155 Abs. 3, 4 und § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

II. Die Berufung ist zulässig, aber ganz überwiegend unbegründet.

1. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und form- sowie fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

2. Die Berufung bleibt in der Sache aber, bis auf eine geringfügige Korrektur des Erstattungsbetrags, erfolglos. Das Sozialgericht hat der Klage ganz überwiegend zu Recht stattgegeben. Der Senat verweist nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des mit der Berufung angefochtenen Urteils, denen er folgt. Das Berufungsvorbringen greift dagegen nicht durch.

a. Insbesondere liegt in dem Schreiben der Klinik (Klinik) an die BKK Se. vom 23. April 2013 kein Anerkenntnis der Zuständigkeit bzw. der Zahlungspflicht durch die Klägerin. Ganz unabhängig von der Frage, ob die Klinik die Klägerin überhaupt verpflichten könnte, ist das Schreiben nämlich lediglich als Wissenserklärung zu verstehen, wenn es dort heißt: "Das aufnehmende Übergangswohnheim der Diakonie, B. ( ...) hat die generelle Aufnahme von Herrn W. zugesagt. Die Kostenübernahme für die Maßnahme erfolgte vom Fachamt Eingliederung W/EH". Eine Willenserklärung im Sinne eines Anerkenntnisses lässt sich dem Wortlaut nach Auffassung des Senats nicht entnehmen.

b. Die Annahme des Sozialgerichts eines gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers in Bremen begegnet keinen Bedenken. Das Sozialgericht hat zu Recht erkannt, dass auch in einer Notunterkunft ein solcher gewöhnlicher Aufenthalt genommen werden kann (vgl. auch Mrozynski, SGB I, 3. Auflage 2003, § 30 Rn. 20). Der Aufenthalt in Bremen war nach den Umständen auch nach Überzeugung des Senats von dem Willen des Hilfeempfängers zum dortigen dauerhaften Verbleib getragen. Das hat das Sozialgericht bereits erläutert und einem Vermerk vom 11. Juni 2013 (Bl. 80 der Sozialhilfeakte Bd. II der Klägerin) zufolge hatte der Hilfeempfänger geplant, dort in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens unterzukommen.

c. Weiterhin hat das Sozialgericht zutreffend die Vorschrift des § 102 SGB X angewendet und insbesondere richtig erkannt, dass hier nicht etwa § 14 SGB IX entgegenstand. Man mag das Verhältnis der beiden Vorschriften bereits so beschreiben können, dass § 14 SGB IX keinen Ausschluss von Erstattungsansprüchen des erstangegangenen Trägers bewirkt, sondern lediglich eine spezielle Regelung für den zweitangegangenen Träger bereitstellt (so Grauthoff, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 4. Auflage 2015, § 14 Rn. 27 m.w.N.). Selbst wenn der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX grundsätzlich als lex specialis gegenüber den §§ 102 ff. SGB X verstanden wird – der als Unzuständiger leistende erstangegangene Träger hat "in aller Regel" weder einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX noch nach § 102 SGB X, weil er nicht in gleicher Weise als schutzwürdig angesehen wird wie der zweitangegangene Träger (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, Az. B 1 KR 34/06 R; Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, Vor §§ 102-114 Rn. 18a) – kann das aber nicht uneingeschränkt gelten. Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat in seiner Entscheidung vom 20. Oktober 2009 (Az. B 5 R 44/08 R) in Ausnahmefällen einen Erstattungsanspruch des erstangegangenen Trägers nach § 102 SGB X für gerechtfertigt gehalten (darauf weist auch Roos, a.a.O., hin). Das gilt nach Auffassung des 5. Senats unter anderem dann, wenn der erstangegangene Träger infolge eines Kompetenzkonflikts einem Leistungszwang ausgesetzt ist, der dem des zweitangegangenen Trägers vergleichbar ist (ebenso der 8. Senat: BSG, Urteil vom 25. September 2014, Az. B 8 SO 7/13 R). So lag es hier, wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, weil im Sommer 2013 eine schnelle Lösung zugunsten des Hilfeempfängers herbeigeführt werden musste. Die Leistungserbringung durch die Klägerin geschah ganz maßgeblich aufgrund des richterlichen Hinweises des Sozialgerichts Lübeck im dortigen Eilverfahren S 31 SO 175/13 ER, mit dem allein eine rasche Erledigung des Gerichtsverfahrens durch vorläufige Regelung, nicht aber eine abschließende Klärung des Rechtsstreits beabsichtigt war. Erkennbar war den Beteiligten klar, dass ein nachträgliches Erstattungsverlangen offengehalten werden sollte. Dieser Hinweis war hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit folgerichtig auch weitgehend offen. Das Gericht sprach lediglich von "eher zweifelhaft" und erklärte gleichzeitig ausdrücklich, dass eine endgültige Klärung der örtlichen Zuständigkeit in einem eigenständigen Erstattungsverfahren erfolgen könne. Dementsprechend erbrachte die Klägerin Leistungen, die sie ausdrücklich als "vorbehaltlich" bezeichnete. Wenn die Klägerin auf dieser offenen Grundlage im Interesse des betroffenen Hilfeempfängers von Beginn an unter Ablehnung einer Rechtspflicht Leistungen erbracht hat, dann kann die Regelung des § 14 Abs. 4 SGB IX auch nach Überzeugung des Senats die Anwendung von § 102 SGB X nicht versperren.

d. Der Höhe nach war allerdings eine Korrektur der Klageforderung vorzunehmen, das hat die Beklagte zu Recht eingewandt. Der Senat folgt der Berechnung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19. Februar 2020, mit der sowohl das (spätere) Aufnahmedatum als auch die Ersparnis wegen des Krankenhausaufenthaltes (5,66 Euro täglich ausweislich der vorgelegten Vergütungsvereinbarung) zutreffend berücksichtigt worden sind.

III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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