Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 81/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 13/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Honorars für die Quartale III/2014, IV/2014 und I/2015.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten seit dem 28. Januar 2010 zugelassen. Er war zunächst in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig, die er nach internen Meinungsverschiedenheiten verließ, um seit dem Quartal IV/2012 in Einzelpraxis tätig zu sein.
Mit Honorarbescheid vom 18. Februar 2015 setzte die Beklagte für das Quartal III/2014 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 45.147,40 EUR bei 412 Fällen fest. Das Honorar des Klägers im Bereich des Individuellen Leistungsbudgets (ILB) betrug 31.503,94 EUR bei einem ILB von 31.122,09 EUR, einer Anforderung von 35.958,84 EUR und einer quotierten Vergütung der Überschreitung (4.836,75 EUR) von 381,85 EUR. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2015 zurückwies. Am 23. Juni 2015 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 27 KA 81/15 hiergegen Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben.
Mit Honorarbescheid vom 21. Mai 2015 setzte die Beklagte für das Quartal IV/2014 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 41.003,17 EUR fest. Das Honorar des Klägers im Bereich des ILB betrug 26.370,95 EUR bei einem ILB von 23.175,84 EUR, einer Anforderung von 35.543,72 EUR und einer quotierten Vergütung der Überschreitung (12.367,88 EUR) von 3.195,11 EUR. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2017 zurückwies. Am 18. Januar 2018 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 27 KA 18/18 hiergegen Klage beim SG Hamburg erhoben.
Mit Honorarbescheid vom 20. August 2015 setzte die Beklagte für das Quartal I/2015 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 29.399,02 EUR fest. Das Honorar des Klägers im Bereich des ILB betrug 23.241,89 EUR bei einem ILB von 20.942,67 EUR, einer Anforderung von 40.403,46 EUR und einer quotierten Vergütung der Überschreitung (19.460,79 EUR) von 2.299,22 EUR. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2015 zurückwies. Am 4. Januar 2016 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 27 KA 2/16 hiergegen Klage beim SG Hamburg erhoben.
Das SG hat die drei Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Der Kläger hat in allen Verfahren – wie auch in den andere Quartale betreffenden Parallelverfahren L 5 KA 21/17 und L 5 KA 22/17 – die Auszahlung der nicht vergüteten Anteile seiner Anforderungen im Bereich ILB (III/2014: 4.454,90 EUR, IV/2014: 9.172,77 EUR, I/2015: 17.161,47 EUR (hier hat er sich um 0,10 EUR zu seinen Ungunsten verrechnet)), hilfsweise die Neubescheidung beantragt und vorgetragen, sein Honorar sei zu niedrig. Die Beklagte habe außer Acht gelassen, dass es sich beim ihm um eine unterdurchschnittlich abrechnende Neuniederlassung bzw. eine Aufbaupraxis handle. Aufgrund des Wettbewerbsverbots habe er keinen Patienten von E. nach H. an den neuen Standort mitnehmen können. Er habe sich einen neuen Patientenstamm und neue Zuweiser aufbauen müssen. Wegen der Neugründung im Quartal IV/2012 habe er nur wenige Patienten gehabt. Danach habe es einen überproportionalen Fall- und Umsatzanstieg gegeben, dabei sei er aber durch das – ab dem Quartal IV/2013 die RLV-/QZV-Systematik ablösende –Individuelle Leistungsbudget (ILB) ausgebremst worden. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R – hat er nicht nur geltend gemacht, dass unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen wie seiner, wenn sie nicht schon als Neugründung anzusehen sei, eine Steigerung auf den Durchschnittsumsatz der Arztgruppe innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden müsse, sondern dass sich eine entsprechende Regelung im VM selbst befinden müsse, was im Zuständigkeitsbereich der Beklagten nicht der Fall sei, und dass dies nicht der Einzelfallentscheidung des Vorstands der jeweiligen KV überlassen bleiben dürfe. Der Kläger hat – insbesondere im Verfahren betreffend das Quartal III/2013 – ausgeführt, wie prekär seine wirtschaftliche Situation sei. Die Praxis könne kaum kostendeckend betrieben werden. Lediglich aufgrund extremer Personaleinsparungen sei es ihm gelungen, seine Praxis überhaupt noch fortführen zu können. Private Einkünfte würden seit geraumer Zeit aus der Praxis nicht mehr erzielt. Ein Überleben sei ihm und seiner Familie bislang allein aufgrund der Tatsache möglich gewesen, dass er außerhalb der angebotenen üblichen Praxiszeiten durch Dienste in Krankenhäusern in geringfügigen Umfang ebenso geringfügige Zusatzeinkünfte erziele. Der Kläger hat sich auch gegen die Ablehnung der Anpassung des ILB für die Quartale IV/2013, II/2014 bis I/2015, III/2015 sowie I/2016 gewandt (S 27 KA 168/17, 169/17 und 19/18, in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2019 (gemeinsam mit S 27 KA 81/15 u.a. = L 5 KA 13/19) verbunden unter dem Aktenzeichen S 27 KA 168/17). Das diesbezügliche abweisende Urteil ist von ihm nicht mit der Berufung angegriffen worden.
Die Beklagte ist den Klagen unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakten entgegengetreten. Die Honorarberechnung sei nach den gesetzlichen Bestimmungen in Übereinstimmung mit dem Verteilungsmaßstab (VM) erfolgt. Ergänzend hat sie vorgetragen, das Honorar der Fachgruppe habe im Quartal III/ 2014 im ILB-Bereich 50.844,48 EUR betragen. Die Auszahlungsquote der Fachgruppe sei 74,41 % gewesen. Der Kläger habe eine Auszahlungsquote von 87,61 % gehabt. Im Quartal IV/2014 habe das Honorar der Fachgruppe im ILB-Bereich 44.432,20 EUR betragen bei einer Auszahlungsquote von 79,55 %. Die Auszahlungsquote des Klägers sei 74,19 % gewesen. Im Quartal I/2015 habe das Honorar der Fachgruppe im ILB-Bereich 46.861,96 EUR bei einer Auszahlungs¬quote von 76,16 % betragen. Die Auszahlungsquote des Klägers habe bei einer unterdurch¬schnittlichen Fallzahl von 429 nur 57,52 % betragen. Der Kläger habe aber seine Fallzahl schon im nächsten Quartal auf 761 steigern können. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass beim Vergleich der Honorarabrechnung des Klägers mit denen seiner Fachgruppe auffalle, dass dieser im Bereich der freien Leistungen (Kapitel 31 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM)) rund 10.000 EUR weniger abrechne als die Fach-gruppe.
Hierzu hat der Kläger erklärt, er führe z.B. Denervierungen im Gegensatz zur Fach¬gruppe nicht in der Praxis, sondern im Krankenhaus durch und rechne diese deshalb nicht über die Beklagte ab.
Das SG hat über die Klagen am 27. März 2019 mündlich verhandelt und sie mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte die Honorare des Klägers für die Quartale III/2014, IV/2014 und I/Quartal 2015 festgesetzt. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Auszahlung eines nicht quotierten ILB in den hier streitigen Quartalen in Höhe von insgesamt 30.789,24 EUR noch einen Anspruch auf eine Neubescheidung. Anders als noch in der ab 1. Juli 2008 gültigen Fassung des § 87 b des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) (in der Fassung des GKV-WSG vom 26. März 2007), der insbesondere in Absatz 3 konkrete Vorgaben für die Regelleistungsvolumina enthalten habe, sei die Beklagte seit dem 1. Januar 2012 berechtigt, den VM anzuwenden, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen festgesetzt worden sei (§ 87 b Abs. 1 Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 5. September 2011). Nach § 87 b Abs. 2 Satz 1 SGB V habe der VM Regelungen vorzusehen, die verhinderten, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 SGB V oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt werde; dabei solle dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Von der Möglichkeit nach § 87 b Abs. 1 und 2 SGB V habe die Beklagte erstmals mit dem VM vom 25. September 2013, gültig ab 1. Oktober 2013, Gebrauch gemacht, indem sie ab dem Quartal IV/2013 das ILB der Honorarabrechnung zu Grunde lege. Einen Verstoß gegen höherrangiges Recht vermöge die Kammer in den Regelungen des VM für die hier streitigen Quartale nicht zu erkennen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe wiederholt ausgesprochen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Ausformung des VM einen Gestaltungsspielraum hätten, weil die Honorarverteilung eine in der Rechts¬form einer Norm, nämlich einer Satzung, ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R, juris-Rn. 63 m.w.N.). So habe das BSG die Bildung von Honorarkontingenten für einzelne Fachgruppen als rechtmäßig angesehen. Nicht zu beanstanden sei auch die Bildung von individuellen Budgets, die sowohl nach den Abrechnungswerten des Fachgruppendurchschnitts als auch nach eigenen Abrechnungsergebnissen des jeweiligen Arztes in vergangenen Zeiträumen bemessen werden könnten (Hinweis auf BSG – B 6 KA 44/03 R, juris-Rn. 66 m.w.N.). Die Rechtsprechung habe bestimmte Anforderungen an die Ausgestaltung individueller Budgets gestellt, so müssten Ausnahme¬regelungen für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen, insbesondere für Praxen in der Aufbauphase vorhanden sein (vgl. § 17 VM) und der VM muss eine allgemeine Härteklausel (§ 19 VM) enthalten (Hinweis auf BSG, a.a.O.). Dies sei im VM der Beklagten der Fall (zur Anpassung des ILB nach § 19 VM Hinweis auf das Urteil der Kammer vom 27. März 2019 – S 27 KA 168/17). Das ILB des Klägers sei in den hier streitigen Quartalen nicht nach § 17 Abs. 1 VM zu berechnen gewesen. Neu zugelassene Ärzte, die in Einzelpraxis tätig seien, erhielten innerhalb einer Anfangsphase von 12 Quartalen nach erstmaliger Praxisaufnahme ein ILB in Höhe des arzt¬gruppendurchschnittlichen Leistungsbudgets unter Berücksichtigung ihres Versorgungs¬umfangs im Abrechnungsquartal (§ 17 Abs. 1 Satz 1 VM). Der Kläger sei kein neuzugelassener Arzt innerhalb einer Anfangsphase von 12 Quartalen mehr. Der Kläger sei im Bezirk der Beklagten seit dem Quartal I/2010 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Verlegung seines Standorts innerhalb desselben Planungsbereichs, also hier innerhalb Hamburgs, lasse seinen Zulassungsstatus unberührt (Hinweis auf Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, juris-Rn. 31). Unabhängig von den Gründen, die zu einer Standortverlegung geführt hätten, handle es sich um eine unternehmerische Entscheidung des zugelassenen Arztes, die ihn nicht wieder in die Situation einer Neuzulassung versetze. Ansonsten wäre mit Standortverlegung gerade in einem Planungsbereich wie Hamburg, in dem 3 bzw. 7,8 Kilometer unschwer mit öffentlichen Verkehrsmittel zu überwinden seien, es möglich, sich immer wieder durch Verlegung des Standorts den Vorteil arztgruppendurchschnittlicher Fallzahlen zu erhalten. Nur für die Aufbauphase von drei Jahren solle es neu gegründeten Praxen möglich sein, den Umsatz sofort auf den Durchschnittsumsatz zu steigern (Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R, juris-Rn. 15). Der Kläger sei auch keine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis, der es erlaubt sein solle, alle angeforderten Leistungen im Bereich seines ILB ohne Quotierung vergütet zu erhalten. Zwar müsse eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG, Urteile vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R, juris-Rn. 15 ff., und vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, juris-Rn. 34 ff.), die Chance haben, auch noch nach der Aufbauphase ihren Umsatz auf den Durchschnitts¬umsatz zu steigern. Anders als bei Jungpraxen müsse dies jedoch nicht sofort sein, sondern das BSG habe es für zulässig erachtet, dass erst im Folgejahr eine Erhöhung der Fallzahlen gegenüber dem Basisquartal (Vorjahresquartal) zum Tragen komme (zu den Grundlagen dieses Moratoriums Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, juris-Rn. 36 ff.). In dem seit dem Quartal IV/2013 gültigen VM der Beklagten komme es nicht mehr auf eine Erhöhung der Fallzahlen an, denn das ILB werde nach dem Leistungsbedarf aus dem Vorjahresquartal berechnet (vgl. § 16 Abs. 2 VM). Aber auch eine solche Regelung sei zulässig, denn es komme nicht darauf an, wie die Honorarverteilungsregelungen im Einzelnen ausgestaltet seien und welchen primären Zweck sie verfolgten, sondern wie sie sich letztlich auf den Honoraranspruch des Vertragsarztes auswirkten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R, juris-Rn. 16). Entscheidend sei, dass die Honorarbegrenzungsregelungen so viel Spielraum lassen müssten, dass der Durchschnittsumsatz der Fachgruppe innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erreicht werden könne. Dies sei beim Kläger der Fall gewesen und auch daran zu erkennen, dass er zumindest in dem Quartal III/2014 im ILB-Bereich eine höhere Auszahlungsquote erzielt habe als die Fachgruppe (87,61 % zu 74,41 %), aber auch daran, dass es ihm gelungen sei, das Gesamt¬honorar z.B. im Vergleich mit den Folgequartalen der Jahre 2015 und 2016 zu steigern. Wenn der Kläger nunmehr beanstande, dass es ihm erst in 2018 gelungen sei, zum Fachgruppendurchschnitt aufzuschließen, so falle auf, dass er im Gegensatz zur Fach¬gruppe wesentliche Leistungen (des Kapitels 31 EBM) nicht über die Beklagte abrechne, sondern direkt mit den Krankenkassen, weil er diese Leistungen im Krankenhaus erbringe. Insofern wäre das Honorar des Klägers nur dann mit dem fachgruppendurchschnittlichen Honorar vergleichbar, wenn seine Leistungen, die er nicht über die Beklagte, sondern mit dem Krankenhaus direkt abrechne, mit einbezogen würden. Die Kammer habe davon abgesehen, hier weiter zu ermitteln, weil für sie aus den vorliegenden Daten schon überzeugend ersichtlich gewesen sei, dass auch die neuen Honorarverteilungsregelungen dem Kläger so viel Spielraum gelassen hätten, dass er in der Lage gewesen sei, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu erreichen. Zu bedenken sei auch, dass es sich bei dem VM um neue Regelungen handle, die unter Anfangs- und Erprobungsregelungen fielen, die zwar einer gesteigerten Beobachtungspflicht der Beklagten unterlägen, die jedoch nicht bereits in den Quartalen III und IV/2014 und im Quartal I/2015 als gegen die Grundsätze der Honorarverteilungs¬gerechtigkeit verstoßend zu erkennen seien, denn bei der Prüfung, ob normative Regelungen der Honorar¬verteilung z.B. den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genügten, sei primär auf die generelle Situation der betroffenen Arztgruppe abzustellen und nicht auf die Ertragssituation einer einzelnen vertragsärztlichen Praxis (Hinweis auf BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R, juris-Rn. 140 m.w.N.), wenn es sich nicht um eine Praxis in der Aufbauphase oder eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis handle. Die Berücksichtigung der generellen Situation einer Arztgruppe schließe es zugleich aus, dass ein Anspruch auf höhere Vergütung mit Erfolg für einen kurzen Zeitraum oder für beliebig herausgegriffene Quartale geltend gemacht werden könne (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 141). Zur Erfassung der generellen Lage auch in Bezug auf die Beurteilung einer Norm des VM sei die Gesamtsituation der betroffenen Arztgruppe über einen längeren Zeitraum, nämlich über mindestens vier zusammenhängende Quartale zu betrachten. Ziel der vertragsärztlichen Vergütungsregelungen sei es u.a., einen Ausgleich zwischen der Gewährung einer angemessenen Vergütung einerseits und dem besonders hochrangigen Ziel der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten zu schaffen. Dieser Ausgleich sei nach der ständigen Rechtsprechung erst dann nicht mehr verhältnis¬mäßig realisiert, wenn in einem fachlich und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz bestehe, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet sei (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 153). Dies sei hier nicht der Fall, sodass auch keine Honoraranpassung aufgrund einer allgemeinen Härteklausel zur Sicherstellung der Versorgung in Betracht komme. Der Vertragsarzt – also auch der Kläger – habe das Risiko einer unwirtschaftlich betriebenen Praxis und unternehmerischer Fehleinschätzung selbst zu tragen (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 158). Eine selbstständige Tätigkeit als Vertragsarzt eröffne die Möglichkeit zur Gewinnerzielung, garantiere sie aber nicht (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 160).
Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 12. April 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Mai 2019 eingelegte Berufung des Klägers. Er ist nach wie vor der Auffassung, dass er einen Rechtsanspruch auf eine ungeschmälerte Zuweisung des von ihm angeforderten Honorars habe, wiederholt und vertieft seinen bisherigen Vortrag und geht davon aus, dass er sich in einer einer Neuniederlassung vergleichbaren Situation befunden habe und seine Einzelpraxis daher als Aufbaupraxis anzusehen sei. Jedenfalls müsse er nach den vom BSG aufgestellten Grundsätzen betreffend unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben, binnen fünf Jahren den Durchschnittsumsatz seiner Arztgruppe zu erreichen. Dies sei nicht der Fall. Eine entsprechende Regelung im VM der Beklagten fehle entgegen der Forderung des BSG. Die Härtefallregelung, von der vom Vorstand der Beklagten nach seinen Erfahrungen in völlig willkürlicher Weise Gebrauch gemacht werde und die bei ihm unberücksichtigt geblieben sei, reiche nicht aus.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. März 2019 aufzuheben und
1. die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 18. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2015 zu verurteilen, an ihn – den Kläger – weitere 4.454,90 EUR zu zahlen, 2. die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 21. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2017 zu verurteilen, an ihn – den Kläger – weitere 9.172,77 EUR zu zahlen, 3. die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2015 zu verurteilen, an ihn – den Kläger – weitere 17.161,47 EUR zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, über sein – des Klägers – Honorar für die Quartale III/2014 bis I/2015 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist darauf, dass massive Patienten- und Zuweiserverluste im Vergleich zu seiner vorangehenden Tätigkeit in die unternehmerische Sphäre des Klägers gehörten und für sich genommen nicht zu einer Stützung auf den Fachgruppendurchschnitt als unterdurchschnittlich abrechnende Praxis nach der Rechtsprechung des BSG berechtigten. Das BSG knüpfe für den Anspruch auf ein Fachgruppendurchschnittshonorar an einen Fallzahlzuwachs an. In den streitigen Quartalen hätten die Fallzahlen des Klägers jedoch deutlich unter denen der Fachgruppe gelegen, und auch im Kontext der Vor- bzw. Folgejahresquartale sei ein Aufbau anhand der Zahl der versorgten gesetzlich krankenversicherten Patienten nicht erkennbar (PA 109 mit Fallzahlübersicht PA 110).
Übersichten zur Entwicklung von ILB, Umsätzen, Vergütungsquoten und Fallzahlen des Klägers einerseits und seiner Arztgruppe andererseits sind vorliegend und in den parallel betriebenen, andere Quartale betreffenden Verfahren sowohl von der Beklagten als auch vom Kläger selbst eingereicht worden (L 5 KA 21/17: Bl. 114; L 5 KA 22/17: Bl. 108; L 5 KA 13/19: Bl. 31-35, 44, 46, 60-63, 67-70, 110).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2020 sowie den Inhalt der darin aufgeführten beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungs- sowie hilfsweise Verpflichtungsklage zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung weiteren Honorars für die Quartale III/2014 bis I/2015 in Höhe von insgesamt 30.789,14 Euro noch auf Neubescheidung seiner Honorarforderung für diese Quartale.
Der Senat nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG) mit der Maßgabe, dass die Ausführungen auf den dortigen Seiten 5 und 6, wonach der Kläger keine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis betreibe, dahingehend zu relativieren sind, dass dies offenbleiben kann, weil der Kläger nach den unten stehenden Ausführungen des Senats jedenfalls die Möglichkeit gehabt hätte, innerhalb von fünf Jahren den durchschnittlichen Umsatz seiner Arztgruppe zu erreichen, und sich nicht darauf berufen kann, dass ihm dies nicht gelungen sei. Sollte es den Tatsachen entsprechen, dass der Kläger im Jahr 2018 zum Fachgruppendurchschnitt aufgeschlossen habe, würde dies die Richtigkeit dieser Ausführungen unterstreichen. Der vom SG bemühte Vergleich der keine Aussagen zum Umsatz treffenden Auszahlungsquoten im ILB-Bereich ist hingegen kein geeignetes Kriterium im Hinblick auf die nach der BSG-Rechtsprechung maßgebliche Beurteilung der Umsatzentwicklung im Vergleich zur Fachgruppe.
Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung.
Zusammenfassend und ergänzend sei folgendes ausgeführt: 1. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den ab dem 1. Oktober 2013 und in den jeweiligen Fassungen der späteren Nachträge in den streitgegenständlichen Quartalen III/2014 bis I/2015 geltenden Verteilungsmaßstab falsch angewandt hat. Fehler der Berechnung des Honorars und seiner Grundlagen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte dessen Einzelpraxis zu Recht nicht als Aufbaupraxis nach § 27 VM privilegiert. Es handelte sich um keine Neuzulassung in diesem Sinn. Auch wenn das BSG in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – ausdrücklich u.a. nicht entschieden hat, ob bei Austritt aller bisherigen Partner und dadurch Umwandlung einer Berufsausübungsgemeinschaft in Einzelpraxen neue Aufbaupraxen entstehen können, ist dem SG – ebenfalls unter Bezugnahme auf die vorgenannte BSG-Entscheidung – beizupflichten, dass dies jedenfalls dann nicht der Fall ist, wenn eine unternehmerische Entscheidung eines bereits zugelassenen Arztes zu einer Verlegung seines Standorts innerhalb desselben Planungsbereichs führt. Hierfür gibt es angesichts der Möglichkeiten, innerhalb eines Planungsbereichs – gerade in einer mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut versorgten Großstadt wie Hamburg – Patientenbindungen zu erhalten und zusätzlich neue aufzubauen keinen sachlichen Grund. Die Möglichkeit, durch ständige Umzüge und/oder Änderungen der Rechtsform von der Privilegierung von Aufbaupraxen zu profitieren, würde sachwidrige Anreize setzen und andere Ärzte unter Verstoß gegen zentrale Grundsätze des Vertragsarztrechts wie insbesondere die Honorarverteilungsgerechtigkeit benachteiligen. Dementsprechend ist nicht zu beanstanden, dass § 27 VM der Beklagten Sonderregelungen für Aufbaupraxen nur im Fall einer Neuzulassung von Vertragsärzten vorsieht. Bezeichnenderweise benutzt das BSG als Synonym für den Begriff "Aufbaupraxis" auch denjenigen der "Anfängerpraxis". 2. Soweit der Kläger rügt, dass im VM der Beklagten entgegen der Forderung des BSG im Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R – keine Regelung für sonstige unterdurchschnittlich abrechnende Praxen vorhanden ist, übersieht er, dass dies nicht erforderlich ist, wenn die Vergütungsregelungen im VM als solche das Wachstum auf den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe innerhalb von fünf Jahren ermöglichen. Dies ist vorliegend auch der Fall. Mit Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – hat das BSG keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Wachstumsanspruchs einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis in einer Regelung gesehen, wonach Fallzahlerhöhungen erst im Folgejahr zu einer Höherbemessung des Regelleistungsvolumens führen, wie dies in den streitgegenständlichen Quartalen nach dem VM der Beklagten der Fall war. Dass dem Kläger dies nach den zu den Prozessakten gereichten Übersichten (unter Außerachtlassung der untypischerweise nicht in der Praxis, sondern im Krankenhaus erbrachten freien Leistungen) offensichtlich nicht gelungen ist – bzw. erst und nur möglicherweise im Jahr 2018 –, obwohl er den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil, wonach er in der mündlichen Verhandlung im Verfahren L 5 KA 21/17 gesagt habe, er habe den Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe im Quartal IV/2016 erreicht (was im dortigen Protokoll nicht festgehalten worden ist), nicht widersprochen hat, beruht darauf, dass er seine Fallzahlen gerade nicht dementsprechend steigern konnte. Ein deutlicher Anstieg der absoluten Zahlen gegenüber dem Stand Quartal III/2013 ist erstmals im Quartal III/2015 festzustellen, wobei der relative Anstieg im Vergleich zur Fallzahl der Fachgruppe nicht so stark ausfällt. Erstmals im Quartal I/2018 überschreitet die Fallzahl der Praxis des Klägers diejenige der Fachgruppe. Um von der Wachstumsmöglichkeit unterdurchschnittlich abrechnender Praxen Gebrauch machen zu können, müsste der Kläger jedoch über einen längeren Zeitraum eine deutlich höhere Fallzahl aufweisen als die Fachgruppe. Auch nach der Rechtsprechung des BSG gibt es keinen Anspruch darauf, ohne relative Fallzahlsteigerung im Vergleich zur Fachgruppe den Honorarumsatz absolut und relativ zu steigern. Auch dies widerspräche dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. 3. Auch unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Härtefalls nach § 19 VM (Antragsverfahren zur Sicherstellung) steht dem Kläger weder ein Anspruch auf höheres Honorar noch auf Neubescheidung zu. Zum einen liegen die Voraussetzungen nach dessen Abs. 1 nicht vor, insbesondere kein außergewöhnlicher Grund im Vorjahresquartal (z.B. Krankheit des Arztes), der zu einem außergewöhnlich niedrigen ILB des Arztes geführt hat. Die unternehmerische Entscheidung des Klägers, nach den geschilderten Streitigkeiten die BAG zu verlassen, sind mit dem genannten Regelbeispiel wertungsmäßig nicht zu vergleichen. Gründe der Sicherstellung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Übrigen könnte der Kläger im vorliegenden Verfahren keine Härtefall-/Sicherstellungsgründe geltend machen. Dies ist nach § 19 Abs. 3 VM ausschließlich im Rahmen eines entsprechenden Antragsverfahrens möglich, und Widersprüche gegen Honorarabrechnungen sind nicht zulässig, soweit sie sich inhaltlich auf die antragsgebundenen Sachverhalte gemäß Abs. 1 beziehen. Zu den Anträgen ergehen gesonderte rechtsbehelfsfähige Bescheide, und eventuelle Nachvergütungen aus Antragsbescheiden erfolgen auch bei Bestandskraft der betroffenen Honorarabrechnung Quartale. Eine solche Elementenfeststellung in einem gesonderten Verfahren ist im Vertragsarztrecht zulässig (BSG, Urteil vom 2. August 2017 – B 6 KA 16/16 R; LSG Hamburg, Urteil vom 21. November 2019 – L 5 KA 25/17). Vorliegend sind die Anträge des Klägers auf Anpassung des ILB unter anderem für die streitgegenständlichen Quartale nach dem rechtskräftig gewordenen Urteil des SG vom 27. März 2019 im Verfahren S 27 KA 168/17 bestandskräftig abgelehnt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Honorars für die Quartale III/2014, IV/2014 und I/2015.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten seit dem 28. Januar 2010 zugelassen. Er war zunächst in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig, die er nach internen Meinungsverschiedenheiten verließ, um seit dem Quartal IV/2012 in Einzelpraxis tätig zu sein.
Mit Honorarbescheid vom 18. Februar 2015 setzte die Beklagte für das Quartal III/2014 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 45.147,40 EUR bei 412 Fällen fest. Das Honorar des Klägers im Bereich des Individuellen Leistungsbudgets (ILB) betrug 31.503,94 EUR bei einem ILB von 31.122,09 EUR, einer Anforderung von 35.958,84 EUR und einer quotierten Vergütung der Überschreitung (4.836,75 EUR) von 381,85 EUR. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2015 zurückwies. Am 23. Juni 2015 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 27 KA 81/15 hiergegen Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben.
Mit Honorarbescheid vom 21. Mai 2015 setzte die Beklagte für das Quartal IV/2014 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 41.003,17 EUR fest. Das Honorar des Klägers im Bereich des ILB betrug 26.370,95 EUR bei einem ILB von 23.175,84 EUR, einer Anforderung von 35.543,72 EUR und einer quotierten Vergütung der Überschreitung (12.367,88 EUR) von 3.195,11 EUR. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2017 zurückwies. Am 18. Januar 2018 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 27 KA 18/18 hiergegen Klage beim SG Hamburg erhoben.
Mit Honorarbescheid vom 20. August 2015 setzte die Beklagte für das Quartal I/2015 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 29.399,02 EUR fest. Das Honorar des Klägers im Bereich des ILB betrug 23.241,89 EUR bei einem ILB von 20.942,67 EUR, einer Anforderung von 40.403,46 EUR und einer quotierten Vergütung der Überschreitung (19.460,79 EUR) von 2.299,22 EUR. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2015 zurückwies. Am 4. Januar 2016 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 27 KA 2/16 hiergegen Klage beim SG Hamburg erhoben.
Das SG hat die drei Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Der Kläger hat in allen Verfahren – wie auch in den andere Quartale betreffenden Parallelverfahren L 5 KA 21/17 und L 5 KA 22/17 – die Auszahlung der nicht vergüteten Anteile seiner Anforderungen im Bereich ILB (III/2014: 4.454,90 EUR, IV/2014: 9.172,77 EUR, I/2015: 17.161,47 EUR (hier hat er sich um 0,10 EUR zu seinen Ungunsten verrechnet)), hilfsweise die Neubescheidung beantragt und vorgetragen, sein Honorar sei zu niedrig. Die Beklagte habe außer Acht gelassen, dass es sich beim ihm um eine unterdurchschnittlich abrechnende Neuniederlassung bzw. eine Aufbaupraxis handle. Aufgrund des Wettbewerbsverbots habe er keinen Patienten von E. nach H. an den neuen Standort mitnehmen können. Er habe sich einen neuen Patientenstamm und neue Zuweiser aufbauen müssen. Wegen der Neugründung im Quartal IV/2012 habe er nur wenige Patienten gehabt. Danach habe es einen überproportionalen Fall- und Umsatzanstieg gegeben, dabei sei er aber durch das – ab dem Quartal IV/2013 die RLV-/QZV-Systematik ablösende –Individuelle Leistungsbudget (ILB) ausgebremst worden. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R – hat er nicht nur geltend gemacht, dass unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen wie seiner, wenn sie nicht schon als Neugründung anzusehen sei, eine Steigerung auf den Durchschnittsumsatz der Arztgruppe innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden müsse, sondern dass sich eine entsprechende Regelung im VM selbst befinden müsse, was im Zuständigkeitsbereich der Beklagten nicht der Fall sei, und dass dies nicht der Einzelfallentscheidung des Vorstands der jeweiligen KV überlassen bleiben dürfe. Der Kläger hat – insbesondere im Verfahren betreffend das Quartal III/2013 – ausgeführt, wie prekär seine wirtschaftliche Situation sei. Die Praxis könne kaum kostendeckend betrieben werden. Lediglich aufgrund extremer Personaleinsparungen sei es ihm gelungen, seine Praxis überhaupt noch fortführen zu können. Private Einkünfte würden seit geraumer Zeit aus der Praxis nicht mehr erzielt. Ein Überleben sei ihm und seiner Familie bislang allein aufgrund der Tatsache möglich gewesen, dass er außerhalb der angebotenen üblichen Praxiszeiten durch Dienste in Krankenhäusern in geringfügigen Umfang ebenso geringfügige Zusatzeinkünfte erziele. Der Kläger hat sich auch gegen die Ablehnung der Anpassung des ILB für die Quartale IV/2013, II/2014 bis I/2015, III/2015 sowie I/2016 gewandt (S 27 KA 168/17, 169/17 und 19/18, in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2019 (gemeinsam mit S 27 KA 81/15 u.a. = L 5 KA 13/19) verbunden unter dem Aktenzeichen S 27 KA 168/17). Das diesbezügliche abweisende Urteil ist von ihm nicht mit der Berufung angegriffen worden.
Die Beklagte ist den Klagen unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakten entgegengetreten. Die Honorarberechnung sei nach den gesetzlichen Bestimmungen in Übereinstimmung mit dem Verteilungsmaßstab (VM) erfolgt. Ergänzend hat sie vorgetragen, das Honorar der Fachgruppe habe im Quartal III/ 2014 im ILB-Bereich 50.844,48 EUR betragen. Die Auszahlungsquote der Fachgruppe sei 74,41 % gewesen. Der Kläger habe eine Auszahlungsquote von 87,61 % gehabt. Im Quartal IV/2014 habe das Honorar der Fachgruppe im ILB-Bereich 44.432,20 EUR betragen bei einer Auszahlungsquote von 79,55 %. Die Auszahlungsquote des Klägers sei 74,19 % gewesen. Im Quartal I/2015 habe das Honorar der Fachgruppe im ILB-Bereich 46.861,96 EUR bei einer Auszahlungs¬quote von 76,16 % betragen. Die Auszahlungsquote des Klägers habe bei einer unterdurch¬schnittlichen Fallzahl von 429 nur 57,52 % betragen. Der Kläger habe aber seine Fallzahl schon im nächsten Quartal auf 761 steigern können. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass beim Vergleich der Honorarabrechnung des Klägers mit denen seiner Fachgruppe auffalle, dass dieser im Bereich der freien Leistungen (Kapitel 31 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM)) rund 10.000 EUR weniger abrechne als die Fach-gruppe.
Hierzu hat der Kläger erklärt, er führe z.B. Denervierungen im Gegensatz zur Fach¬gruppe nicht in der Praxis, sondern im Krankenhaus durch und rechne diese deshalb nicht über die Beklagte ab.
Das SG hat über die Klagen am 27. März 2019 mündlich verhandelt und sie mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte die Honorare des Klägers für die Quartale III/2014, IV/2014 und I/Quartal 2015 festgesetzt. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Auszahlung eines nicht quotierten ILB in den hier streitigen Quartalen in Höhe von insgesamt 30.789,24 EUR noch einen Anspruch auf eine Neubescheidung. Anders als noch in der ab 1. Juli 2008 gültigen Fassung des § 87 b des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) (in der Fassung des GKV-WSG vom 26. März 2007), der insbesondere in Absatz 3 konkrete Vorgaben für die Regelleistungsvolumina enthalten habe, sei die Beklagte seit dem 1. Januar 2012 berechtigt, den VM anzuwenden, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen festgesetzt worden sei (§ 87 b Abs. 1 Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 5. September 2011). Nach § 87 b Abs. 2 Satz 1 SGB V habe der VM Regelungen vorzusehen, die verhinderten, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Absatz 3 SGB V oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt werde; dabei solle dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Von der Möglichkeit nach § 87 b Abs. 1 und 2 SGB V habe die Beklagte erstmals mit dem VM vom 25. September 2013, gültig ab 1. Oktober 2013, Gebrauch gemacht, indem sie ab dem Quartal IV/2013 das ILB der Honorarabrechnung zu Grunde lege. Einen Verstoß gegen höherrangiges Recht vermöge die Kammer in den Regelungen des VM für die hier streitigen Quartale nicht zu erkennen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe wiederholt ausgesprochen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Ausformung des VM einen Gestaltungsspielraum hätten, weil die Honorarverteilung eine in der Rechts¬form einer Norm, nämlich einer Satzung, ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R, juris-Rn. 63 m.w.N.). So habe das BSG die Bildung von Honorarkontingenten für einzelne Fachgruppen als rechtmäßig angesehen. Nicht zu beanstanden sei auch die Bildung von individuellen Budgets, die sowohl nach den Abrechnungswerten des Fachgruppendurchschnitts als auch nach eigenen Abrechnungsergebnissen des jeweiligen Arztes in vergangenen Zeiträumen bemessen werden könnten (Hinweis auf BSG – B 6 KA 44/03 R, juris-Rn. 66 m.w.N.). Die Rechtsprechung habe bestimmte Anforderungen an die Ausgestaltung individueller Budgets gestellt, so müssten Ausnahme¬regelungen für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen, insbesondere für Praxen in der Aufbauphase vorhanden sein (vgl. § 17 VM) und der VM muss eine allgemeine Härteklausel (§ 19 VM) enthalten (Hinweis auf BSG, a.a.O.). Dies sei im VM der Beklagten der Fall (zur Anpassung des ILB nach § 19 VM Hinweis auf das Urteil der Kammer vom 27. März 2019 – S 27 KA 168/17). Das ILB des Klägers sei in den hier streitigen Quartalen nicht nach § 17 Abs. 1 VM zu berechnen gewesen. Neu zugelassene Ärzte, die in Einzelpraxis tätig seien, erhielten innerhalb einer Anfangsphase von 12 Quartalen nach erstmaliger Praxisaufnahme ein ILB in Höhe des arzt¬gruppendurchschnittlichen Leistungsbudgets unter Berücksichtigung ihres Versorgungs¬umfangs im Abrechnungsquartal (§ 17 Abs. 1 Satz 1 VM). Der Kläger sei kein neuzugelassener Arzt innerhalb einer Anfangsphase von 12 Quartalen mehr. Der Kläger sei im Bezirk der Beklagten seit dem Quartal I/2010 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Verlegung seines Standorts innerhalb desselben Planungsbereichs, also hier innerhalb Hamburgs, lasse seinen Zulassungsstatus unberührt (Hinweis auf Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, juris-Rn. 31). Unabhängig von den Gründen, die zu einer Standortverlegung geführt hätten, handle es sich um eine unternehmerische Entscheidung des zugelassenen Arztes, die ihn nicht wieder in die Situation einer Neuzulassung versetze. Ansonsten wäre mit Standortverlegung gerade in einem Planungsbereich wie Hamburg, in dem 3 bzw. 7,8 Kilometer unschwer mit öffentlichen Verkehrsmittel zu überwinden seien, es möglich, sich immer wieder durch Verlegung des Standorts den Vorteil arztgruppendurchschnittlicher Fallzahlen zu erhalten. Nur für die Aufbauphase von drei Jahren solle es neu gegründeten Praxen möglich sein, den Umsatz sofort auf den Durchschnittsumsatz zu steigern (Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R, juris-Rn. 15). Der Kläger sei auch keine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis, der es erlaubt sein solle, alle angeforderten Leistungen im Bereich seines ILB ohne Quotierung vergütet zu erhalten. Zwar müsse eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG, Urteile vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R, juris-Rn. 15 ff., und vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, juris-Rn. 34 ff.), die Chance haben, auch noch nach der Aufbauphase ihren Umsatz auf den Durchschnitts¬umsatz zu steigern. Anders als bei Jungpraxen müsse dies jedoch nicht sofort sein, sondern das BSG habe es für zulässig erachtet, dass erst im Folgejahr eine Erhöhung der Fallzahlen gegenüber dem Basisquartal (Vorjahresquartal) zum Tragen komme (zu den Grundlagen dieses Moratoriums Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, juris-Rn. 36 ff.). In dem seit dem Quartal IV/2013 gültigen VM der Beklagten komme es nicht mehr auf eine Erhöhung der Fallzahlen an, denn das ILB werde nach dem Leistungsbedarf aus dem Vorjahresquartal berechnet (vgl. § 16 Abs. 2 VM). Aber auch eine solche Regelung sei zulässig, denn es komme nicht darauf an, wie die Honorarverteilungsregelungen im Einzelnen ausgestaltet seien und welchen primären Zweck sie verfolgten, sondern wie sie sich letztlich auf den Honoraranspruch des Vertragsarztes auswirkten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R, juris-Rn. 16). Entscheidend sei, dass die Honorarbegrenzungsregelungen so viel Spielraum lassen müssten, dass der Durchschnittsumsatz der Fachgruppe innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erreicht werden könne. Dies sei beim Kläger der Fall gewesen und auch daran zu erkennen, dass er zumindest in dem Quartal III/2014 im ILB-Bereich eine höhere Auszahlungsquote erzielt habe als die Fachgruppe (87,61 % zu 74,41 %), aber auch daran, dass es ihm gelungen sei, das Gesamt¬honorar z.B. im Vergleich mit den Folgequartalen der Jahre 2015 und 2016 zu steigern. Wenn der Kläger nunmehr beanstande, dass es ihm erst in 2018 gelungen sei, zum Fachgruppendurchschnitt aufzuschließen, so falle auf, dass er im Gegensatz zur Fach¬gruppe wesentliche Leistungen (des Kapitels 31 EBM) nicht über die Beklagte abrechne, sondern direkt mit den Krankenkassen, weil er diese Leistungen im Krankenhaus erbringe. Insofern wäre das Honorar des Klägers nur dann mit dem fachgruppendurchschnittlichen Honorar vergleichbar, wenn seine Leistungen, die er nicht über die Beklagte, sondern mit dem Krankenhaus direkt abrechne, mit einbezogen würden. Die Kammer habe davon abgesehen, hier weiter zu ermitteln, weil für sie aus den vorliegenden Daten schon überzeugend ersichtlich gewesen sei, dass auch die neuen Honorarverteilungsregelungen dem Kläger so viel Spielraum gelassen hätten, dass er in der Lage gewesen sei, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe zu erreichen. Zu bedenken sei auch, dass es sich bei dem VM um neue Regelungen handle, die unter Anfangs- und Erprobungsregelungen fielen, die zwar einer gesteigerten Beobachtungspflicht der Beklagten unterlägen, die jedoch nicht bereits in den Quartalen III und IV/2014 und im Quartal I/2015 als gegen die Grundsätze der Honorarverteilungs¬gerechtigkeit verstoßend zu erkennen seien, denn bei der Prüfung, ob normative Regelungen der Honorar¬verteilung z.B. den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) genügten, sei primär auf die generelle Situation der betroffenen Arztgruppe abzustellen und nicht auf die Ertragssituation einer einzelnen vertragsärztlichen Praxis (Hinweis auf BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R, juris-Rn. 140 m.w.N.), wenn es sich nicht um eine Praxis in der Aufbauphase oder eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis handle. Die Berücksichtigung der generellen Situation einer Arztgruppe schließe es zugleich aus, dass ein Anspruch auf höhere Vergütung mit Erfolg für einen kurzen Zeitraum oder für beliebig herausgegriffene Quartale geltend gemacht werden könne (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 141). Zur Erfassung der generellen Lage auch in Bezug auf die Beurteilung einer Norm des VM sei die Gesamtsituation der betroffenen Arztgruppe über einen längeren Zeitraum, nämlich über mindestens vier zusammenhängende Quartale zu betrachten. Ziel der vertragsärztlichen Vergütungsregelungen sei es u.a., einen Ausgleich zwischen der Gewährung einer angemessenen Vergütung einerseits und dem besonders hochrangigen Ziel der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten zu schaffen. Dieser Ausgleich sei nach der ständigen Rechtsprechung erst dann nicht mehr verhältnis¬mäßig realisiert, wenn in einem fachlich und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz bestehe, vertragsärztlich tätig zu werden, und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet sei (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 153). Dies sei hier nicht der Fall, sodass auch keine Honoraranpassung aufgrund einer allgemeinen Härteklausel zur Sicherstellung der Versorgung in Betracht komme. Der Vertragsarzt – also auch der Kläger – habe das Risiko einer unwirtschaftlich betriebenen Praxis und unternehmerischer Fehleinschätzung selbst zu tragen (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 158). Eine selbstständige Tätigkeit als Vertragsarzt eröffne die Möglichkeit zur Gewinnerzielung, garantiere sie aber nicht (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 160).
Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 12. April 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Mai 2019 eingelegte Berufung des Klägers. Er ist nach wie vor der Auffassung, dass er einen Rechtsanspruch auf eine ungeschmälerte Zuweisung des von ihm angeforderten Honorars habe, wiederholt und vertieft seinen bisherigen Vortrag und geht davon aus, dass er sich in einer einer Neuniederlassung vergleichbaren Situation befunden habe und seine Einzelpraxis daher als Aufbaupraxis anzusehen sei. Jedenfalls müsse er nach den vom BSG aufgestellten Grundsätzen betreffend unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben, binnen fünf Jahren den Durchschnittsumsatz seiner Arztgruppe zu erreichen. Dies sei nicht der Fall. Eine entsprechende Regelung im VM der Beklagten fehle entgegen der Forderung des BSG. Die Härtefallregelung, von der vom Vorstand der Beklagten nach seinen Erfahrungen in völlig willkürlicher Weise Gebrauch gemacht werde und die bei ihm unberücksichtigt geblieben sei, reiche nicht aus.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. März 2019 aufzuheben und
1. die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 18. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2015 zu verurteilen, an ihn – den Kläger – weitere 4.454,90 EUR zu zahlen, 2. die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 21. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2017 zu verurteilen, an ihn – den Kläger – weitere 9.172,77 EUR zu zahlen, 3. die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2015 zu verurteilen, an ihn – den Kläger – weitere 17.161,47 EUR zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, über sein – des Klägers – Honorar für die Quartale III/2014 bis I/2015 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist darauf, dass massive Patienten- und Zuweiserverluste im Vergleich zu seiner vorangehenden Tätigkeit in die unternehmerische Sphäre des Klägers gehörten und für sich genommen nicht zu einer Stützung auf den Fachgruppendurchschnitt als unterdurchschnittlich abrechnende Praxis nach der Rechtsprechung des BSG berechtigten. Das BSG knüpfe für den Anspruch auf ein Fachgruppendurchschnittshonorar an einen Fallzahlzuwachs an. In den streitigen Quartalen hätten die Fallzahlen des Klägers jedoch deutlich unter denen der Fachgruppe gelegen, und auch im Kontext der Vor- bzw. Folgejahresquartale sei ein Aufbau anhand der Zahl der versorgten gesetzlich krankenversicherten Patienten nicht erkennbar (PA 109 mit Fallzahlübersicht PA 110).
Übersichten zur Entwicklung von ILB, Umsätzen, Vergütungsquoten und Fallzahlen des Klägers einerseits und seiner Arztgruppe andererseits sind vorliegend und in den parallel betriebenen, andere Quartale betreffenden Verfahren sowohl von der Beklagten als auch vom Kläger selbst eingereicht worden (L 5 KA 21/17: Bl. 114; L 5 KA 22/17: Bl. 108; L 5 KA 13/19: Bl. 31-35, 44, 46, 60-63, 67-70, 110).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2020 sowie den Inhalt der darin aufgeführten beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungs- sowie hilfsweise Verpflichtungsklage zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung weiteren Honorars für die Quartale III/2014 bis I/2015 in Höhe von insgesamt 30.789,14 Euro noch auf Neubescheidung seiner Honorarforderung für diese Quartale.
Der Senat nimmt Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG) mit der Maßgabe, dass die Ausführungen auf den dortigen Seiten 5 und 6, wonach der Kläger keine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis betreibe, dahingehend zu relativieren sind, dass dies offenbleiben kann, weil der Kläger nach den unten stehenden Ausführungen des Senats jedenfalls die Möglichkeit gehabt hätte, innerhalb von fünf Jahren den durchschnittlichen Umsatz seiner Arztgruppe zu erreichen, und sich nicht darauf berufen kann, dass ihm dies nicht gelungen sei. Sollte es den Tatsachen entsprechen, dass der Kläger im Jahr 2018 zum Fachgruppendurchschnitt aufgeschlossen habe, würde dies die Richtigkeit dieser Ausführungen unterstreichen. Der vom SG bemühte Vergleich der keine Aussagen zum Umsatz treffenden Auszahlungsquoten im ILB-Bereich ist hingegen kein geeignetes Kriterium im Hinblick auf die nach der BSG-Rechtsprechung maßgebliche Beurteilung der Umsatzentwicklung im Vergleich zur Fachgruppe.
Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung.
Zusammenfassend und ergänzend sei folgendes ausgeführt: 1. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den ab dem 1. Oktober 2013 und in den jeweiligen Fassungen der späteren Nachträge in den streitgegenständlichen Quartalen III/2014 bis I/2015 geltenden Verteilungsmaßstab falsch angewandt hat. Fehler der Berechnung des Honorars und seiner Grundlagen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte dessen Einzelpraxis zu Recht nicht als Aufbaupraxis nach § 27 VM privilegiert. Es handelte sich um keine Neuzulassung in diesem Sinn. Auch wenn das BSG in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – ausdrücklich u.a. nicht entschieden hat, ob bei Austritt aller bisherigen Partner und dadurch Umwandlung einer Berufsausübungsgemeinschaft in Einzelpraxen neue Aufbaupraxen entstehen können, ist dem SG – ebenfalls unter Bezugnahme auf die vorgenannte BSG-Entscheidung – beizupflichten, dass dies jedenfalls dann nicht der Fall ist, wenn eine unternehmerische Entscheidung eines bereits zugelassenen Arztes zu einer Verlegung seines Standorts innerhalb desselben Planungsbereichs führt. Hierfür gibt es angesichts der Möglichkeiten, innerhalb eines Planungsbereichs – gerade in einer mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut versorgten Großstadt wie Hamburg – Patientenbindungen zu erhalten und zusätzlich neue aufzubauen keinen sachlichen Grund. Die Möglichkeit, durch ständige Umzüge und/oder Änderungen der Rechtsform von der Privilegierung von Aufbaupraxen zu profitieren, würde sachwidrige Anreize setzen und andere Ärzte unter Verstoß gegen zentrale Grundsätze des Vertragsarztrechts wie insbesondere die Honorarverteilungsgerechtigkeit benachteiligen. Dementsprechend ist nicht zu beanstanden, dass § 27 VM der Beklagten Sonderregelungen für Aufbaupraxen nur im Fall einer Neuzulassung von Vertragsärzten vorsieht. Bezeichnenderweise benutzt das BSG als Synonym für den Begriff "Aufbaupraxis" auch denjenigen der "Anfängerpraxis". 2. Soweit der Kläger rügt, dass im VM der Beklagten entgegen der Forderung des BSG im Urteil vom 3. Februar 2010 – B 6 KA 1/09 R – keine Regelung für sonstige unterdurchschnittlich abrechnende Praxen vorhanden ist, übersieht er, dass dies nicht erforderlich ist, wenn die Vergütungsregelungen im VM als solche das Wachstum auf den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe innerhalb von fünf Jahren ermöglichen. Dies ist vorliegend auch der Fall. Mit Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R – hat das BSG keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Wachstumsanspruchs einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis in einer Regelung gesehen, wonach Fallzahlerhöhungen erst im Folgejahr zu einer Höherbemessung des Regelleistungsvolumens führen, wie dies in den streitgegenständlichen Quartalen nach dem VM der Beklagten der Fall war. Dass dem Kläger dies nach den zu den Prozessakten gereichten Übersichten (unter Außerachtlassung der untypischerweise nicht in der Praxis, sondern im Krankenhaus erbrachten freien Leistungen) offensichtlich nicht gelungen ist – bzw. erst und nur möglicherweise im Jahr 2018 –, obwohl er den Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil, wonach er in der mündlichen Verhandlung im Verfahren L 5 KA 21/17 gesagt habe, er habe den Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe im Quartal IV/2016 erreicht (was im dortigen Protokoll nicht festgehalten worden ist), nicht widersprochen hat, beruht darauf, dass er seine Fallzahlen gerade nicht dementsprechend steigern konnte. Ein deutlicher Anstieg der absoluten Zahlen gegenüber dem Stand Quartal III/2013 ist erstmals im Quartal III/2015 festzustellen, wobei der relative Anstieg im Vergleich zur Fallzahl der Fachgruppe nicht so stark ausfällt. Erstmals im Quartal I/2018 überschreitet die Fallzahl der Praxis des Klägers diejenige der Fachgruppe. Um von der Wachstumsmöglichkeit unterdurchschnittlich abrechnender Praxen Gebrauch machen zu können, müsste der Kläger jedoch über einen längeren Zeitraum eine deutlich höhere Fallzahl aufweisen als die Fachgruppe. Auch nach der Rechtsprechung des BSG gibt es keinen Anspruch darauf, ohne relative Fallzahlsteigerung im Vergleich zur Fachgruppe den Honorarumsatz absolut und relativ zu steigern. Auch dies widerspräche dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. 3. Auch unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Härtefalls nach § 19 VM (Antragsverfahren zur Sicherstellung) steht dem Kläger weder ein Anspruch auf höheres Honorar noch auf Neubescheidung zu. Zum einen liegen die Voraussetzungen nach dessen Abs. 1 nicht vor, insbesondere kein außergewöhnlicher Grund im Vorjahresquartal (z.B. Krankheit des Arztes), der zu einem außergewöhnlich niedrigen ILB des Arztes geführt hat. Die unternehmerische Entscheidung des Klägers, nach den geschilderten Streitigkeiten die BAG zu verlassen, sind mit dem genannten Regelbeispiel wertungsmäßig nicht zu vergleichen. Gründe der Sicherstellung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Übrigen könnte der Kläger im vorliegenden Verfahren keine Härtefall-/Sicherstellungsgründe geltend machen. Dies ist nach § 19 Abs. 3 VM ausschließlich im Rahmen eines entsprechenden Antragsverfahrens möglich, und Widersprüche gegen Honorarabrechnungen sind nicht zulässig, soweit sie sich inhaltlich auf die antragsgebundenen Sachverhalte gemäß Abs. 1 beziehen. Zu den Anträgen ergehen gesonderte rechtsbehelfsfähige Bescheide, und eventuelle Nachvergütungen aus Antragsbescheiden erfolgen auch bei Bestandskraft der betroffenen Honorarabrechnung Quartale. Eine solche Elementenfeststellung in einem gesonderten Verfahren ist im Vertragsarztrecht zulässig (BSG, Urteil vom 2. August 2017 – B 6 KA 16/16 R; LSG Hamburg, Urteil vom 21. November 2019 – L 5 KA 25/17). Vorliegend sind die Anträge des Klägers auf Anpassung des ILB unter anderem für die streitgegenständlichen Quartale nach dem rechtskräftig gewordenen Urteil des SG vom 27. März 2019 im Verfahren S 27 KA 168/17 bestandskräftig abgelehnt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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