L 5 KA 26/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 21/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 26/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anpassung seines individuellen Leistungsbudgets (ILB) für die Quartale IV/2013 und I/2014.

Der Kläger nimmt als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten teil. Die seit 1976 am B. bestehende Praxis wurde zunächst als Einzelpraxis, dann seit dem Eintritt des Klägers 1986 bis zum 31. März 2013 als Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) betrieben, zunächst mit Dr. S. und nach dessen Ausscheiden mit Dres. B. und W., die sich dessen Arztsitz teilten. Seit der Verlegung des Sitzes der Dres. B. und W. auf das Gelände des A.-Krankenhauses zum 1. April 2013 betreibt der Kläger die Praxis wiederum als Einzelpraxis.

Am 10. Januar 2014 beantragte der Kläger für das Quartal IV/2013 die Anpassung seines – erstmals in diesem Quartal der Honorierung im Bezirk der Beklagten zugrunde gelegten – ILB wegen erhöhter Fallzahlen nach Versorgungsübernahme. Ein Großteil seiner Patienten lebe im engen Umkreis der Praxis und suche diese auch nach dem Ausscheiden der Dres. B. und W. weiterhin auf. Der Kläger nahm Bezug auf seinen Antrag auf Erhöhung des damals der Honorierung noch zugrunde gelegten Regelleistungsvolumens (RLV) im Oktober 2012, mit dem er angekündigt hatte, sein Sprechstundenangebot erweitern zu wollen, um die mit Mehrarbeit verbundene wohnortnahe Versorgung der bislang in der Praxis behandelten Patienten gewährleisten zu können. Diesem Antrag hatte die Beklagte für die Quartale II und III/2013 entsprochen.

Mit Bescheid vom 27. August 2014 lehnte die Beklagte den Antrag für das Quartal IV/2013 ab, weil die für das Quartal II/2014 zur Abrechnung eingereichten ILB-relevanten Behandlungsfälle die Behandlungsfälle des Basisquartals lediglich um 49 überschritten, was 6% entspreche. Bei dieser Steigerung handele es sich nicht um eine außergewöhnlich starke Erhöhung der Zahl der behandelten Patienten, die eine Anpassung aus Gründen der Sicherstellung rechtfertige.

Mit seinem am 8. September 2014 eingegangenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass im Quartal IV/2013 im Vergleich zum Quartal IV/2012 85 Fälle mehr bei 800 Abrechnungsfällen vorlägen. Dies entspreche einer Zunahme von knapp 12%. Er verwies auf die Anerkennung einer Versorgungsübernahme für die Quartale II und III/2013 bei 809 bzw. 801 Abrechnungsfällen. Zusätzlich zu den Patienten seiner ehemaligen Kollegen habe er eine hohe Zahl von Notfallpatienten, die er aus medizinischen Gründen nicht abweisen könne. Es liege keine willkürliche Leistungs¬ausweitung vor, sondern eine außergewöhnlich starke Erhöhung der Zahl der behandelten Patienten. Es müsse zur Sicherstellung der Versorgung aus medizinischen Gründen eine Anpassung des ILB erfolgen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2015 zurück. Der Antrag auf Anpassung des ILB sei zu Recht abgelehnt worden. Nach den verbindlichen Bestimmungen des § 19 ihres Verteilungsmaßstabs (VM) könne eine Anpassung des ILB wegen eines außergewöhnlichen Grundes im Vorjahresquartal (z.B. Krankheit des Arztes), der zu einem außergewöhnlich niedrigen ILB des Arztes geführt habe, erfolgen. Diese Voraussetzungen würden vom Kläger nicht erfüllt. Im Vergleich zum Vorjahres¬quartal IV/2012 habe der Kläger 88 Fälle mehr versorgt. Dies entspreche einer Steigerung um 12%, aber ein Patientenabgleich habe ergeben, dass eine Versorgungsübernahme bei nur 49 Patienten vorliege, was einer Steigerung von 6% entspreche.

Am 27. Februar 2015 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben (S 27 KA 21/15).

Am 1. April 2014 hatte der Kläger bei der Beklagten die Anpassung seines ILB für das Quartal I/2014 beantragt. Diesen Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 2014 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger gegenüber dem Vorjahresquartal 137 Behandlungsfälle mehr gehabt habe, was einer Fallzahlsteigerung um 19% entspreche, wobei ein Patienten¬abgleich ergeben habe, dass nur 45 Patienten von den ehemaligen Kollegen Dres. B. und W. übernommen worden seien, was einer Steigerung aus Versorgungsübernahme um 6% entspreche. Eine Anpassung des ILB komme deshalb nicht in Betracht. Den dagegen vom Kläger am 17. November 2014 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2015 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Mai 2015 ebenfalls Klage beim SG Hamburg erhoben (S 27 KA 71/15), das beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden hat.

Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger vorgetragen, ohne die Honorarsystematik des ILB grundsätzlich angreifen zu wollen, ergebe sich trotzdem, dass die Ablehnung der Anpassung nach § 19 VM in den hier streitigen Quartalen rechtswidrig sei. Die Beklagte sei nicht auf den Sicherstellungsaspekt eingegangen. Sie, die Beklagte, habe ihr Ermessen falsch ausgeübt, weil sie Gründe der Sicherstellung nicht ausreichend geprüft habe. Gründe der Sicherstellung seien nicht weiter definiert. Wie die Beklagte Gründe der Sicherstellung beurteile, ergebe sich aus den angegriffenen Bescheiden nicht. Deshalb seien diese unzureichend begründet. Es seien nicht alle Gesichtspunkte erkennbar, von denen die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen sei. Zum Beispiel betrage die Inanspruchnahme bei ihm, dem Kläger, bei 88 zusätzlichen Fällen einen Zeitaufwand von häufig bis zu einer Stunde je Fall. Er müsse sich diesen neuen Patienten in besonderem Maße widmen, weil es im Wesentlichen um Krisenintervention gehe. Bei seiner Praxis handele es sich im Wesentlichen um eine Bestellpraxis, um den Ansturm zu kanalisieren. Bei der Art der Erkrankungen sei aber ein solches Bestellsystem nur bedingt einsetzbar, weil psychiatrische Notfälle nicht planbar und abweisbar seien. Bei entsprechenden Belastungs¬situationen sei immer eine Gefährdung von Leben und Gesundheit zu prüfen und sofortiges ärztliches Handeln erforderlich. Die Beklagte mache sich offenbar kein Bild über den Aufwand, den er zu leisten habe. Wie könne sonst in einer solchen Situation die Aussage erfolgen, die Behandlung von 88 neuen Patienten rechtfertige keine Anpassung des ILB? Die reine Fallzahl möge im Bereich der Fünf-Minuten-Medizin ein Kriterium sein, nicht jedoch im Rahmen der psychiatrischen Notfallversorgung.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegengetreten und hat ergänzend vorgetragen, bei der Ausfüllung ihres Beurteilungsspielraums hinsichtlich des Begriffs der Sicherstellung orientiere sie, die Beklagte, sich an dem Beschluss des Bewertungsausschusses in dessen 218. Sitzung vom 26. März 2010 Teil F Abschnitt I. Nr. 3.5 (Beschluss gemäß § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V mit Wirkung zum 1. Juli 2010). Die hier streitige Versorgungsübernahme erfülle den Tatbestand des § 19 Abs. 1 VM nicht, da nicht allein die Fallzahlsteigerung entscheidend sei, sondern der Patientenabgleich ergeben habe, dass nicht alle Patienten aus der Übernahme der Versorgung der Patienten von Dres. B. und W. stammten. Vielmehr habe sich hieraus nur eine Steigerung der Patienten¬zahl des Klägers um 6% ergeben. Da das Tatbestandsmerkmal des § 19 Abs. 1 VM nicht erfüllt sei, sei auch kein Ermessen auszuüben gewesen.

Das SG hat über die Klagen am 19. Juli 2017 mündlich verhandelt und sie mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Neubescheidung seiner Anträge auf Anpassung des ILB für die Quartale IV/2013 und I/2014. Nach § 19 Abs. 1 VM könne eine Anpassung des ILB u.a. aus Gründen der Sicherstellung erfolgen. Es begegne aus Sicht der Kammer keinen Bedenken, wenn die Beklagte zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "aus Gründen der Sicherstellung" auch noch unter Geltung der Regelungen des ILB Bezug nehme auf Teil F (Abschnitt I.) Nr. 3.5 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010. Dort heiße es u.a. "bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten aufgrund Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes in der eigenen Berufs-ausübungsgemeinschaft oder Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes in der näheren Umgebung der Arztpraxis" könnten Leistungen über das arzt-/praxisbezogene RLV hinaus vergütet werden. Aufgefangen werden solle durch eine Budgeterweiterung die Situation, dass Patienten wegen ihres Interesses an einer wohnortnahen Versorgung oder an einer Versorgung in der ihnen vertrauten BAG oder einer Praxis nahe der alten weiterhin behandelt werden wollten, also eine Versorgungsübernahme. Insofern sei es überzeugend, wenn die Beklagte zur Quantifizierung der außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten allein auf die tatsächlich übernommen Versicherten abstelle. Diese Patienten hätten mit 49 bzw. 45 Fällen beim Kläger nur einen Anstieg seiner Fallzahl um 6% in den streitigen Quartalen verursacht. Wenn die Beklagte erst bei einem Anstieg der Fallzahlen um 10% wegen der Übernahme der Versorgung den Tatbestand der Sicherstellung als erfüllt ansehe, so sei dies nicht zu beanstanden. Der Beklagten sei darin zuzustimmen, dass die Erfahrung der vertragsärztlichen Praxen und betriebswirtschaftliche Planung geringfügige, im einstelligen Bereich liegende Fallzahlschwankungen aus verschiedensten Gründen kenne. Diese müsse der Vertragsarzt als Unternehmer finanziell und organisatorisch einplanen, ohne dass es dafür Reaktionen der Beklagten bedürfe. Unter diese Verpflichtung des Vertragsarztes als Unternehmer falle auch, dass er selbst dafür Sorge zu tragen habe, dass ein Anstieg der Patientenzahlen aus anderen Gründen als der Versorgungsübernahme von ihm aufgefangen werde. Dies gelte für die weiteren 39 (88-49) bzw. 92 (137-45) Patienten in den hier streitigen Quartalen. In einem Planungsbereich wie dem der Beklagten seien Wege zur allgemeinen fachärztlichen Versorgung bis zu 12 km zumutbar (Hinweis auf § 12 Abs. 3 ÄBedarfsplRL in Verbindung mit Anlage 3.2 ÄBedarfsplRL und Seite 2 der Anlage zum Hamburger Bedarfsplan, Maßnahmen zur flexiblen Gestaltung der ambulanten Versorgung in Hamburg, Eine dynamisch-strukturierte Betrachtung der lokalen Versorgungs¬situation Stand 10.10.2014, abgerufen über http://www.kvhh.net/media/public/db/media/1/2013/07/598/anlagezumhamburgerbedarfsplan-massnahmenzurflexiblengestaltungderambulantenversorgunginhamburg.pdf). Nach der ständigen Rechtsprechung seien sogar Wege bis zu 25 km den Versicherten zumutbar, so dass neue Patienten auch an andere Ärzte der Fachgruppen verweisbar gewesen wären, zumal mit 125% eine Überversorgung im nervenärztlichen Bereich im Bezirk der Beklagten bestehe. Lasse man diese Rechtsprechung, die sich auf die Zulassung eines lokalen Sonderbedarfs beziehe, außer Betracht, so komme auch die Rechtsprechung zur Sicherstellung der Versorgung wegen spezieller Leistungen beim Kläger nicht zum Tragen. Hiernach sei das Tatbestandsmerkmal der Sicherstellung der vertrags¬ärztlichen Versorgung im Bereich der Honorarverteilung – wenn die Voraussetzungen für eine Versorgungsübernahme nicht gegeben seien – zunächst im Zusammenhang mit der Ausnahme von der sogenannten Teilbudgetierung ausgelegt worden, weil durch die Versagung von Teilbudget-Aussetzungen keine spezifische Praxisausrichtung blockiert werden könne (Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R, juris-Rn. 20). In Bezug auf die Systematik der RLV habe das BSG ausgeführt, dass auch hier im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungs¬bedarfs eine Budgeterweiterung vorzunehmen sein könnte (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 21). Zur Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" führe das BSG aus: "dass eine im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung vorliegen müssten, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl hätten ( ...). Dabei hat er (der Senat) als mögliches Indiz für die Atypik im Vergleich zur Fachgruppe angesehen, dass im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet vorliegt. Zusätzlich sei erforderlich, dass die Honorierungsquote für die speziellen Leistungen überdurchschnittlich gering gewesen sei, was voraussetze, dass das Gesamtleistungs¬volumen insgesamt signifikant überdurchschnittlich hoch gewesen sei" (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –juris, Rdnr. 21). Ebenso wie das BSG diese Kriterien unter Geltung des RLV für geeignet halte, das Merkmal der Sicherstellung der Versorgung zu konkretisieren (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 22), könnten diese Kriterien auch unter Geltung des ILB zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Sicherstellung in § 19 VM herangezogen werden. Weiter sei aber dann zu berücksichtigen, dass nicht nur eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet vorliegen müsse, sondern es zusätzlich erforderlich sei, dass die Honorierungsquote für die speziellen Leistungen überdurchschnittlich gering gewesen sei (Hinweis auf BSG, a.a.O., juris-Rn. 21), was gerade wegen der Ausrichtung der Praxis auf die speziellen Leistungen dazu führe, dass die Honorierungsquote insgesamt im Vergleich zur Fachgruppe erheblich geringer sei, also der Praxis ein Nachteil aus der speziellen Ausrichtung entstehe. Der Kläger betreibe eine nervenärztliche Praxis, ohne dass eine spezielle Praxisausrichtung erkennbar sei. Er beschreibe in seinen Anträgen lediglich die Problematik der Erstversorgung neuer Patienten in sogenannten Notfallsituationen. Das sei aber keine spezielle Leistung gegenüber der Fachgruppe im Sinne der oben skizzierten Rechtsprechung. Vielmehr gehöre es zum organisatorischen und unternehmerischen Risiko der Fachgruppe, also auch des Klägers, sich auf Derartiges einzustellen. Im Übrigen übersehe der Kläger, dass der Anstieg der Patientenzahlen durchaus budget-relevant werde. Das arztgezogene ILB errechne sich als relativer Anteil des Arztes am Leistungsbedarf seiner Arztgruppe in Euro des Vorjahresquartals (§ 16 Abs. 1 VM). Das habe zur Folge, dass die erhöhten Patientenzahlen in den hier streitigen Quartalen in den Quartalen IV/2014 und I/2015 bei der Berechnung des ILB zu Grunde gelegt würden. Im Quartal IV/2014 habe der Kläger jedoch 51 Fälle (Hinweis auf das Klageverfahren S 27 KA 254/14) und im Quartal I/2015 sogar 124 Fälle (Hinweis auf das Klageverfahren S 27 KA 212/16) weniger versorgt als in den streitigen Quartalen, dafür aber ein höheres ILB zur Verfügung gehabt. Dies zeige auch, dass die Festsetzung des ILB für die Quartale IV/2013 und I/2014 nicht gegen die Grundsätze, die in ständiger Rechtsprechung für eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht des Normgebers aufgestellt worden seien, verstießen. Der Anwendung dieser Grundsätze stehe schon entgegen, dass es um die ersten beiden Quartale nach Inkrafttreten des neuen Vergütungssystems, welches die Vergütung nach RLV und QZV abgelöst habe, gehe. Eine Reaktionspflicht der Beklagten aus Gründen der Honorar¬verteilungsgerechtigkeit setze aber voraus, dass es sich um eine dauerhafte, nicht nur vorübergehende Entwicklung handele (beispielhafter Hinweis auf Urteil des BSG vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 6/13, juris-Rn. 43 m.w.N.). Eine solche bestätige sich gerade mit Blick auf die Entwicklung der Patientenzahlen in den Quartalen IV/2014 und I/2015 nicht.

Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 7. August 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. August 2017 eingelegte Berufung des Klägers, die zunächst versehentlich unter zwei Aktenzeichen erfasst und geführt worden ist (L 5 KA 26/17 sowie L 5 KA 27/17). Er wiederholt und vertieft sein vorgerichtliches sowie erstinstanzliches Vorbringen und führt unter Angabe seiner Fallzahl- und Honorarentwicklung in den Jahren von 2012 bis 2016 ergänzend aus, dass seine Praxis einen deutlichen Wachstumstrend aufweise, was von ihm einen zunehmenden Handlungsumfang erfordere. Seine Fallzahlsteigerung in den streitgegenständlichen Quartalen liege über 10 %. Das sei das alleinige Kriterium, das die Beklagte selbst in ständiger Praxis anwende. Diesbezüglich nimmt er Bezug auf einen Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2017, mit dem sein Antrag auf Anpassung des ILB für das Quartal IV/2016 mit der Begründung abgelehnt worden ist, dass keine eine Anpassung des ILB aus Gründen der Sicherstellung rechtfertigende außergewöhnlich starke Erhöhung der Fallzahlen von mindestens 10 % im Vergleich zum Vorjahresquartal vorliege. Eine Differenzierung zwischen neuen Patienten aus diversen Praxen und Neupatienten aus der Praxis der früheren Gesellschafter der BAG mache im Hinblick auf ein Sicherstellungserfordernis auch keinen Sinn, Patient sei Patient. Das SG habe im Übrigen letztlich gar nicht gewürdigt, dass er eine große Anzahl an Akutpatienten behandle, die nicht in den geplanten Praxisablauf integrierbar seien und auch nicht an andere Praxen weitergeschickt werden könnten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Juli 2017 sowie die Bescheide der Beklagten a) vom 27. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Februar 2015 und b) vom 29. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seine Anträge auf Anpassung des jeweiligen ILB für die Quartale IV/2013 und I/2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Soweit der Kläger ausführe, die Beklagte weiche von ihrer eigenen Spruchpraxis ab, indem sie bei der Erhöhung der Fallzahl im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal nie im Rahmen der Ermessensentscheidung auf eine Versorgungsübernahme abstelle, werde die Prüfungsreihenfolge bei der Beklagten nicht verstanden. Die Beklagte prüfe in einem ersten Schritt, ob eine Fallzahlerhöhung mindestens in dieser Höhe stattgefunden habe. Sei dies nicht der Fall, komme eine ILB-Anpassung aus Sicherstellungsgründen in keinem Fall in Betracht. Des Weiteren werde auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. So habe das SG auch zutreffend dargelegt, dass die Versorgung von Akutpatienten keine spezielle Leistung im Vergleich zur Fachgruppe darstelle. Die Entwicklung der klägerischen Praxis in den den streitgegenständlichen nachfolgenden Quartalen spiele vorliegend keine Rolle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakten L 5 KA 26/17 (=S 27 KA 21/15) und L 5 KA 27/17 (=S 27 KA 71/15) sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, nachdem beide Beteiligte dieser Verfahrensweise zugestimmt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG,) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Neubescheidung seiner Anträge auf Anpassung des jeweiligen ILB für die Quartale IV/2013 und I/2014.

Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung. Er verkennt, dass der bloße Umstand einer Fallzahlsteigerung keine lLB-Anpassung aus Sicherstellungsgründen zu rechtfertigen vermag, sondern lediglich zu einer Erhöhung des ILB im entsprechenden Quartal des Folgejahres führt. Dies ist auch an den vom Kläger selbst vorgelegten Zahlen hinsichtlich der Entwicklung in den Jahren 2012 bis 2016 abzulesen, die im Übrigen kein stetiges Wachstum bescheinigen, sondern vielmehr ein Auf und Ab der Fallzahlen. Die Beklagte hat schlüssig dargelegt, dass sie den Tatbestand des §§ 19 Abs. 1 Var. 2 VM nur dann annimmt, wenn eine Fallzahlsteigerung von mehr als 10% auf eine Versorgungsübernahme zurückzuführen ist. Dies steht in Übereinstimmung mit der Wertung, die in dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010 in dessen Teil F Abschnitt I Nr. 3.5 zum Ausdruck gebracht wurde und die angesichts des Zwecks der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ohne weiteres nachvollziehbar ist. Eine hiervon abweichende Praxis ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Bescheid vom 22. Juni 2017, bei dem die Prüfung des Vorliegens eines Sicherstellungsbedarfs in der ersten Stufe ergab, dass keine Fallzahlsteigerung von mehr als 10% vorlag, unabhängig von der Frage, woher diese Fallzahlsteigerung rührte; diese Prüfung wäre erst in einem zweiten Schritt vorzunehmen gewesen. Dass die Versorgung von nicht weiter verweisbaren Akutpatienten, die im Übrigen auch in Notfallpraxen bzw. -ambulanzen der Krankenhäuser vorgenommen werden dürfte, keine Praxisbesonderheit darstellt, die zu einer ILB-Erhöhung aus Sicherstellungsgründen zu führen vermag, hat das SG zutreffend dargelegt. Dessen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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