Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 6 RI 271/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 05.08.2003 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, bei der der Klägerin gewährten großen Witwenrente eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Zeitraum 01.10.1993 bis einschließlich 26.09.1996 anzurechnen.
Die im Jahre 1926 geborene Klägerin ist die Witwe des im März 1925 geborenen Versicherten H K. Der Versicherte bezog seit 01.08.1980 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid der Beklagten vom 27.04.1980). Mit Bescheid vom 05.02.1990 wurde ihm ab 01.04.1990 Altersruhegeld ausgehend von einem Versicherungsfall am 21.03.1990 gewährt.
Der Versicherte verstarb am 24.09.1993. Mit Bescheid vom 28.10.1993 wurde der Klägerin eine große Witwenrente ab 01.10.1993 bewilligt. Am 25.03.1994 bewilligte die Bauberufsgenossenschaft F der Klägerin wegen der Berufskrankheit ihres verstorbenen Mannes ab 24.09.1993 ebenfalls eine Hinterbliebenenrente. Als Tag des Versicherungsfalles wurde der 05.07.1993 zu Grunde gelegt.
Mit Bescheid vom 11.04.1994 berechnete die Beklagte die der Klägerin gewährte große Witwenrente ab 01.10.1993 neu. Die Leistungen, die die Klägerin aus der gesetzlichen Unfallversicherung des Versicherten beziehe, seien anrechenbar. Mit Bescheiden vom 09.05.1994 und 09.06.1995 wurde die Witwenrente neu berechnet.
Am 12.12.1995 beantragte die Klägerin ihr die Witwenrente ab 01.10.1993 wieder in voller Höhe zu gewähren. Zur Begründung bezog sie sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 21.06.1995 (5 RJ 4/95) in dem festgestellt worden sei, dass in einem Fall wie dem Vorliegenden, die Witwenrente aus der Rentenversicherung trotz Zusammentreffens mit einer Witwenrente aus der Unfallversicherung in voller Höhe auszuzahlen sei. Mit Bescheid vom 10.06.1996 berechnete die Beklagte die Witwenrente neu.
Mit Bescheid vom 11.10.1996 wies sie den Antrag der Klägerin vom 12.12.1995 nach § 44 SGB X zurück. Zur Begründung führte sie aus, grundsätzlich werde die Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausgezahlt, soweit sie mit einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusammentreffe. Von dieser grundsätzlich vorzunehmenden Anrechnung sehe § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI nur in besonderen Fällen eine Ausnahme vor. Eine Anrechnung finde nach § 93 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB VI dann nicht statt, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Arbeitsunfall - oder diesem gleichstehend für eine Berufskrankheit - geleistet werde, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet habe. Diese Regelung ziele dahin, dem Rentenbezieher weiterhin den Betrag zu belassen, der ihm aus einer neben dem Rentenbezug ausgeübten Beschäftigung zufließe und aufgrund des Eintritts eines dieser Beschäftigung zuzuordnenden unfallversicherten Risikos durch eine Verletztenrente ersetzt werde. Nur in diesen Fällen sei es gerechtfertigt, wenn die Rente aus der Unfallversicherung nicht zur Minderung der schon bisher geleisteten Rente aus der Rentenversicherung führe, weil es insoweit nicht zu einer ungerechtfertigten Doppelversorgung komme. Die Ausnahmeregelung betreffe deshalb nur die Bezieher einer Rente aus eigener Versicherung und gelte im Übrigen nur für die Dauer des Bezugs dieser Rente. Sie finde bei Hinterbliebenenrenten keine Anwendung, denn hier könne sich ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit nicht nach Beginn dieser Rente ereignen. Dem von der Klägerin angeführten Urteil des Bundessozialgerichts werde nicht gefolgt. Die von ihr vertretene Auffassung sei zwischenzeitlich auch durch den Gesetzgeber im Wege einer klarstellenden Formulierung bestätigt worden. Die Regelung des § 93 Abs. 5 Satz 3 SGB VI, die durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.09.1996 eingefügt worden sei, bestimme ausdrücklich, dass die in § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI enthaltene Ausnahmeregelung auf Hinterbliebenenrenten nicht anzuwenden sei. Diese Gesetzesänderung sei auch rückwirkend zum 01.01.1992 in Kraft getreten (Art. 12 Abs. 8 WFG). Der Bescheid vom 11.04.1994 sei folglich nicht aufzuheben.
Mit Bescheid vom 14.05.1998 wies die Beklagte auch den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit Urteil vom 05.08.2003 hat das Sozialgericht Koblenz den Bescheid der Beklagte vom 11.10.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.1998 sowie die Bescheide vom 11.04.1994, 09.05.1994, 09.06.1995 und 10.06.1996 aufgehoben. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, der Klägerin im Zeitraum 01.10.1993 bis einschließlich 26.09.1996 große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Anrechnung der Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht Folgendes ausgeführt:
Die Beklagte dürfe die Witwenrente der Klägerin aus der gesetzlichen Unfallversicherung im genannten Zeitraum nicht leistungsmindernd auf die große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anrechnen. Für die Frage, ob die Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung anrechenbar sei, sei auf § 93 SGB VI in der seit 01.01.1992 geltenden Fassung abzustellen. Abs. 1 Nr. 2 der genannten Regelung sehe vor, dass in einem Fall, in dem für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe, die Rente aus der Rentenversicherung erst dann nicht geleistet werde, wenn die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkom-mensanrechnung einen bestimmten Grenzbetrag übersteige. Nach § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI in der seit 01.01.1992 geltenden Fassung seien die Anrechnungsregelungen jedoch nicht anzurechnen, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Arbeitsunfall geleistet werde, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet habe. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI in der seit 01.01.1992 geltenden Fassung seien in der Person des Versicherten erfüllt gewesen. Zu den Renten aus der Unfallversicherung zähle auch eine Rente wegen einer Berufskrankheit. Die Berufskrankheit des Versicherten sei am 05.07.1993 eingetreten und damit nach Beginn des seit April 1990 gewährten Altersruhegeldes. Sinn der Regelung des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI in der auch im April 1994 geltenden Fassung sei es gewesen, dem Rentner weiterhin den Betrag zu belassen, der ihm aus einer neben dem Bezug der Rente ausgeübten Tätigkeit zugeflossen und - nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. der Berufskrankheit - durch eine hierfür gewährte Verletztenrente in etwa ersetzt worden sei. Der Fall, in dem der Versicherte im Zeitpunkt des Beginns der Berufskrankheit, die erst längere Zeit nach Aufgabe der gefährdeten Tätigkeit zum Ausbruch gekommen sei, nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, sondern seinen Lebensunterhalt allein aus dem Altersruhegeld der Rentenversicherung bestritten habe, sei vom Normzweck nicht ausdrücklich erfasst. Der Wortlaut der Regelung sei jedoch weit gefasst und lasse keinen Raum für eine entsprechend einschränkende Auslegung. Auch wenn der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI möglicherweise nicht an den Fall einer erst nach Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung auftretenden Berufskrankheit gedacht haben sollte, so verlange die Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut jedoch lediglich das Eintreten eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit und setze nicht voraus, dass zu diesem Zeitpunkt noch ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Hätte der Versicherte also den Erlass des Bescheides durch die Berufsgenossenschaft noch erlebt, hätte die ihm zugebilligte Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht auf dessen Altersruhegeld angerechnet werden dürfen. An dieser Konstellation ändere sich durch den Tod des Versicherten nichts. Der Schutz der Nichtanrechnungsvorschrift des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI erfasse nicht nur die Versicherten-, sondern auch die Hinterbliebenenrenten. Der in § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI verwendete Begriff des "Rentenbeginns" sei im Falle des Zusammentreffens von Hinterbliebenenrenten dahingehend auszulegen, dass maßgebender Zeitpunkt nicht der Beginn der Hinterbliebenenrente, sondern der Beginn der Versichertenrente sei. Diese Auslegung finde ihre Stütze auch in der amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf. Die bis zum 31.12.1991 geltenden Vorschriften über das Zusammentreffen und Ruhen von Renten seien durch die Rechtsprechung so ausgelegt worden, dass eine Witwenrente aus der Rentenversicherung trotz Zusammentreffens mit einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ruhe, wenn der Versicherte den Anspruch auf die höchstmögliche Rente aus der Rentenversicherung erworben habe, bevor der Arbeitsunfall eingetreten sei. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI seit 1992 habe eine andere Regelung schaffen wollen.
Die Anrechnung die Hinterbliebenenunfallrente sei für den Zeitraum 01.10.1993 bis 26.09.1996 auch nicht durch die Ergänzung des § 93 Abs. 5 SGB VI durch die Einfügung eines neuen Satzes (Satz 3) durch das WFG vom 25.09.1996 zugelassen worden. Die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf Art. 12 Abs. 8 des WFG, der die Regelung zum 01.01.1992 in Kraft gesetzt habe. Es liege kein Fall einer Rückwirkung vor. Rechtlich ausschlaggebend sei, dass der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 28.10.1993, ursprünglich rechtmäßig gewesen sei. Wie bereits ausgeführt, sei durch die Bewilligung der Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung keine nach den §§ 45 bis 48 SGB X erhebliche rechtliche oder tatsächliche Änderung eingetreten, denn die Witwenrente aus der Unfallversicherung sei auf die große Witwenrente aus der Rentenversicherung nicht anzurechnen. In Fällen, in denen der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch, also hier der Anspruch auf große Witwenrente, kraft Gesetzes zum Ruhen komme oder ganz oder teilweise weggefallen sei, dürfe der betreffende Verwaltungsakt (also hier der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 28.10.1993) nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X nur mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn der Betroffene von dem Ruhen bzw. den Wegfall des Anspruchs wusste oder deshalb nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt habe. Diese subjektiven Voraussetzungen könnten nicht vor Verkündung des mit der Rückwirkung versehenen Gesetzes vorliegen. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber des WFG mit der neuen Fassung des § 93 Abs. 5 SGB VI nicht nur rückwirkend leistungsrechtliche Ansprüche regeln, sondern zugleich auch die Vertrauensschutzgewährleistung des SGB X einschränken wollte. Dies bedeute für den vorliegenden Fall, dass die Klägerin erst mit Verkündung des WFG am 27.09.1996 bei Aufbietung der erforderlichen Sorgfalt Kenntnis davon erlangen konnte, dass nunmehr Witwenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Witwenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen sind. Erst ab diesem Zeitpunkt könne ihr schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung vom 28.10.1993 nicht mehr zugebilligt werden. Das WFG entfalte insoweit nur eine unechte Rückwirkung. Diese sei nach Auffassung des Gerichts verfassungsrechtlich unbedenklich.
Gegen das ihr am 13.08.2003 zugestellte Urteil richtet sich die von der Beklagten am 12.09.2003 eingelegte Berufung.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 11.04.1994 gemäß § 44 SGB X. Das Recht sei nicht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erwiesen habe. Zwar sei für die Frage, ob ein Verwaltungsakt als rechtswidrig im Sinne der Rücknahmeregelungen der §§ 44 ff SGB X zu qualifizieren sei, grundsätzlich auf den Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn sich die Rechtslage nach Erlass des Verwaltungsaktes rückwirkend ändere. In einem derartigen Fall sei die Frage der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung zu beurteilen. Diese Rechtsauffassung werde auch zum Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vertreten. Folge man der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 93 Abs. 5 SGB VI alte Fassung, so sei der Bescheid vom 11.04.1994 im Zeitpunkt seines Erlasses zwar rechtswidrig gewesen. Diese Rechtswidrigkeit werde jedoch durch die rückwirkende Änderung der Vorschrift durch Art. 12 Abs. 8 WFG geheilt. Der Bescheid könne daher nicht mehr als rechtswidrig eingestuft werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 05.08.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Beklagte war nicht berechtigt, im Zeitraum 01.10.1993 bis einschließlich 26.09.1996 die der Klägerin gewährte große Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ihres verstorbenen Ehemannes auf die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen.
Der Senat nimmt zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug, die er sich vollinhaltlich zu Eigen macht.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten ist Folgendes ergänzend festzustellen:
Der von der Klägerin nach § 44 SGB X gestellte Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 11.04.1994 führt zum Erfolg, wenn der Bescheid vom 11.04.1994 rechtswidrig war. Hierbei muss es auf die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides geltende Rechtslage ankommen. Spätere Rechtsänderungen könne nur berücksichtigt werden, wenn sie zugunsten des Betroffenen erfolgt sind. Anderenfalls wäre die Rechtssicherheit gefährdet und Vertrauensgesichtspunkte würden nicht berücksichtigt. Der Bescheid vom 11.04.1994 war rechtswidrig, denn die damals geltende Fassung des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI ließ eine Auslegung dahingehend, dass die Regelung nicht für Hinterbliebenenrenten gilt, nicht zu. Dies hat das Sozialgericht zutreffend und ausführlich mit dem Wortlaut der Vorschrift begründet und damit, dass es auch bis 1991 also bis zum Erlass des Rentenreformgesetzes einhellige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts war, dass die Regelung auch auf Hinterbliebenenrenten Anwendung finden.
Unabhängig von der Frage, welche Regelungen des WFG rückwirkend erlassen wurden, und ob dem das verfassungsrechtliche Verbot echter Rückwirkung entgegensteht, ist die hier zu entscheidende Konstellation eine andere. Es gilt also die Frage zu beantworten, ob der Bescheid vom 11.04.1994 zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig und deshalb in Anwendung von § 44 SGB X zurückzunehmen war. Diese Frage hat das Sozialgericht zutreffend für die Zeit bis einschließlich 26.09.1993 bejaht.
In Fällen der vorliegenden Art, in denen der Rentenversicherungsträger durch Anrechnungsverwaltungsakte, die vor dem 27.09.1996 bekannt gegeben wurden, Unfallversicherungs-Hinterbliebenenrenten für Bezugszeiten davor auf die Zahlungsansprüche aus dem Recht der Rentenversicherungs-Hinterbliebenenrenten gesetzwidrig angerechnet hat, müssen die Klagen der Hinterbliebenen jedenfalls für Bezugszeiten bis zu dem Zeitpunkt Erfolg haben, zu dem der Rentenversicherungsträger die Anrechnungsregelung erstmals rechtmäßig hätte in einem belastenden Anrechnungsverwaltungsakt durchsetzen können (so auch BSG Urteil vom 31.03.1998 - B 4 RA 59/96 R).
Der Senat sieht sich hierbei auch nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ((BVerfG), 1 BvL 19/97, 20/97, 21/97 und 11/98). Das BVerfG hat inhaltlich nicht über die Vorlagen entschieden, sondern lediglich festgestellt, dass diese den Anforderungen an die Feststellung der Entscheidungserheblichkeit der zu verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Vorschriften nicht gerecht werden. Hinsichtlich des Vorbringens des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung hat es ausgeführt, dass auch der Gesetzgeber es nur für zulässig hält, die ihm durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen durch gesetzliche Bestimmungen nachträglich authentisch zu interpretieren. Dies bedeutet, dass auch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und mit ihm die Bundesregierung der Ansicht ist, dass die Grundsätze des Vertrauensschutzes durch die rückwirkende Inkraftsetzung des WFG nicht außer Kraft gesetzt werden.
Dies kann für den vorliegenden Fall nur bedeuten, dass die der Klägerin gewährte Unfallrente erst ab Verkündung des WFG, mithin ab 27.09.1996, bei der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden kann. Im Sozialverfahrensrecht ist im Vergleich zum allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht der Gedanke des Vertrauensschutzes in besonderer Weise ausgestaltet. Das dem Sozialleistungsträger eingeräumte Ermessen ist bei der Entscheidung über die Rücknahme einer Entscheidung insoweit eingeschränkt, als sie den rechtswidrigen Verwaltungsakt - anders als nach § 48 VwVfG - nur dann mit Rückwirkung für die Vergangenheit zurücknehmen darf, wenn sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen kann, weil es sich unlauter im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X verhalten hat oder ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 ZPO vorliegt. Geht man von diesen Überlegungen im vorliegenden Fall aus, so wird erkennbar, dass der Bescheid vom 11.04.1994 zum Zeitpunkt seines Erlasses nicht hätte ergehen dürfen. Dieses rechtswidrige Vorgehen der Beklagten kann auch durch eine spätere Gesetzesänderung nicht nach nachträglich legitimiert werden.
Nach alledem ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der über § 44 SGB X zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 11.04.1994 rechtswidrig war. Er wurde daher vom Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht für die Zeit vor Verkündung des WFG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, für die Zeit bis zum 26.09.1996 große Witwenrente ohne Anrechnung von Leistungen aus der Unfallversicherung zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
2. Die Beklagte hat die Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, bei der der Klägerin gewährten großen Witwenrente eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Zeitraum 01.10.1993 bis einschließlich 26.09.1996 anzurechnen.
Die im Jahre 1926 geborene Klägerin ist die Witwe des im März 1925 geborenen Versicherten H K. Der Versicherte bezog seit 01.08.1980 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid der Beklagten vom 27.04.1980). Mit Bescheid vom 05.02.1990 wurde ihm ab 01.04.1990 Altersruhegeld ausgehend von einem Versicherungsfall am 21.03.1990 gewährt.
Der Versicherte verstarb am 24.09.1993. Mit Bescheid vom 28.10.1993 wurde der Klägerin eine große Witwenrente ab 01.10.1993 bewilligt. Am 25.03.1994 bewilligte die Bauberufsgenossenschaft F der Klägerin wegen der Berufskrankheit ihres verstorbenen Mannes ab 24.09.1993 ebenfalls eine Hinterbliebenenrente. Als Tag des Versicherungsfalles wurde der 05.07.1993 zu Grunde gelegt.
Mit Bescheid vom 11.04.1994 berechnete die Beklagte die der Klägerin gewährte große Witwenrente ab 01.10.1993 neu. Die Leistungen, die die Klägerin aus der gesetzlichen Unfallversicherung des Versicherten beziehe, seien anrechenbar. Mit Bescheiden vom 09.05.1994 und 09.06.1995 wurde die Witwenrente neu berechnet.
Am 12.12.1995 beantragte die Klägerin ihr die Witwenrente ab 01.10.1993 wieder in voller Höhe zu gewähren. Zur Begründung bezog sie sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 21.06.1995 (5 RJ 4/95) in dem festgestellt worden sei, dass in einem Fall wie dem Vorliegenden, die Witwenrente aus der Rentenversicherung trotz Zusammentreffens mit einer Witwenrente aus der Unfallversicherung in voller Höhe auszuzahlen sei. Mit Bescheid vom 10.06.1996 berechnete die Beklagte die Witwenrente neu.
Mit Bescheid vom 11.10.1996 wies sie den Antrag der Klägerin vom 12.12.1995 nach § 44 SGB X zurück. Zur Begründung führte sie aus, grundsätzlich werde die Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausgezahlt, soweit sie mit einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusammentreffe. Von dieser grundsätzlich vorzunehmenden Anrechnung sehe § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI nur in besonderen Fällen eine Ausnahme vor. Eine Anrechnung finde nach § 93 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB VI dann nicht statt, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Arbeitsunfall - oder diesem gleichstehend für eine Berufskrankheit - geleistet werde, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet habe. Diese Regelung ziele dahin, dem Rentenbezieher weiterhin den Betrag zu belassen, der ihm aus einer neben dem Rentenbezug ausgeübten Beschäftigung zufließe und aufgrund des Eintritts eines dieser Beschäftigung zuzuordnenden unfallversicherten Risikos durch eine Verletztenrente ersetzt werde. Nur in diesen Fällen sei es gerechtfertigt, wenn die Rente aus der Unfallversicherung nicht zur Minderung der schon bisher geleisteten Rente aus der Rentenversicherung führe, weil es insoweit nicht zu einer ungerechtfertigten Doppelversorgung komme. Die Ausnahmeregelung betreffe deshalb nur die Bezieher einer Rente aus eigener Versicherung und gelte im Übrigen nur für die Dauer des Bezugs dieser Rente. Sie finde bei Hinterbliebenenrenten keine Anwendung, denn hier könne sich ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit nicht nach Beginn dieser Rente ereignen. Dem von der Klägerin angeführten Urteil des Bundessozialgerichts werde nicht gefolgt. Die von ihr vertretene Auffassung sei zwischenzeitlich auch durch den Gesetzgeber im Wege einer klarstellenden Formulierung bestätigt worden. Die Regelung des § 93 Abs. 5 Satz 3 SGB VI, die durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.09.1996 eingefügt worden sei, bestimme ausdrücklich, dass die in § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI enthaltene Ausnahmeregelung auf Hinterbliebenenrenten nicht anzuwenden sei. Diese Gesetzesänderung sei auch rückwirkend zum 01.01.1992 in Kraft getreten (Art. 12 Abs. 8 WFG). Der Bescheid vom 11.04.1994 sei folglich nicht aufzuheben.
Mit Bescheid vom 14.05.1998 wies die Beklagte auch den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit Urteil vom 05.08.2003 hat das Sozialgericht Koblenz den Bescheid der Beklagte vom 11.10.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.1998 sowie die Bescheide vom 11.04.1994, 09.05.1994, 09.06.1995 und 10.06.1996 aufgehoben. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, der Klägerin im Zeitraum 01.10.1993 bis einschließlich 26.09.1996 große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Anrechnung der Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht Folgendes ausgeführt:
Die Beklagte dürfe die Witwenrente der Klägerin aus der gesetzlichen Unfallversicherung im genannten Zeitraum nicht leistungsmindernd auf die große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anrechnen. Für die Frage, ob die Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung anrechenbar sei, sei auf § 93 SGB VI in der seit 01.01.1992 geltenden Fassung abzustellen. Abs. 1 Nr. 2 der genannten Regelung sehe vor, dass in einem Fall, in dem für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe, die Rente aus der Rentenversicherung erst dann nicht geleistet werde, wenn die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkom-mensanrechnung einen bestimmten Grenzbetrag übersteige. Nach § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI in der seit 01.01.1992 geltenden Fassung seien die Anrechnungsregelungen jedoch nicht anzurechnen, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Arbeitsunfall geleistet werde, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet habe. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI in der seit 01.01.1992 geltenden Fassung seien in der Person des Versicherten erfüllt gewesen. Zu den Renten aus der Unfallversicherung zähle auch eine Rente wegen einer Berufskrankheit. Die Berufskrankheit des Versicherten sei am 05.07.1993 eingetreten und damit nach Beginn des seit April 1990 gewährten Altersruhegeldes. Sinn der Regelung des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI in der auch im April 1994 geltenden Fassung sei es gewesen, dem Rentner weiterhin den Betrag zu belassen, der ihm aus einer neben dem Bezug der Rente ausgeübten Tätigkeit zugeflossen und - nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. der Berufskrankheit - durch eine hierfür gewährte Verletztenrente in etwa ersetzt worden sei. Der Fall, in dem der Versicherte im Zeitpunkt des Beginns der Berufskrankheit, die erst längere Zeit nach Aufgabe der gefährdeten Tätigkeit zum Ausbruch gekommen sei, nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, sondern seinen Lebensunterhalt allein aus dem Altersruhegeld der Rentenversicherung bestritten habe, sei vom Normzweck nicht ausdrücklich erfasst. Der Wortlaut der Regelung sei jedoch weit gefasst und lasse keinen Raum für eine entsprechend einschränkende Auslegung. Auch wenn der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI möglicherweise nicht an den Fall einer erst nach Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung auftretenden Berufskrankheit gedacht haben sollte, so verlange die Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut jedoch lediglich das Eintreten eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit und setze nicht voraus, dass zu diesem Zeitpunkt noch ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Hätte der Versicherte also den Erlass des Bescheides durch die Berufsgenossenschaft noch erlebt, hätte die ihm zugebilligte Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht auf dessen Altersruhegeld angerechnet werden dürfen. An dieser Konstellation ändere sich durch den Tod des Versicherten nichts. Der Schutz der Nichtanrechnungsvorschrift des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI erfasse nicht nur die Versicherten-, sondern auch die Hinterbliebenenrenten. Der in § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI verwendete Begriff des "Rentenbeginns" sei im Falle des Zusammentreffens von Hinterbliebenenrenten dahingehend auszulegen, dass maßgebender Zeitpunkt nicht der Beginn der Hinterbliebenenrente, sondern der Beginn der Versichertenrente sei. Diese Auslegung finde ihre Stütze auch in der amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf. Die bis zum 31.12.1991 geltenden Vorschriften über das Zusammentreffen und Ruhen von Renten seien durch die Rechtsprechung so ausgelegt worden, dass eine Witwenrente aus der Rentenversicherung trotz Zusammentreffens mit einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ruhe, wenn der Versicherte den Anspruch auf die höchstmögliche Rente aus der Rentenversicherung erworben habe, bevor der Arbeitsunfall eingetreten sei. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI seit 1992 habe eine andere Regelung schaffen wollen.
Die Anrechnung die Hinterbliebenenunfallrente sei für den Zeitraum 01.10.1993 bis 26.09.1996 auch nicht durch die Ergänzung des § 93 Abs. 5 SGB VI durch die Einfügung eines neuen Satzes (Satz 3) durch das WFG vom 25.09.1996 zugelassen worden. Die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf Art. 12 Abs. 8 des WFG, der die Regelung zum 01.01.1992 in Kraft gesetzt habe. Es liege kein Fall einer Rückwirkung vor. Rechtlich ausschlaggebend sei, dass der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 28.10.1993, ursprünglich rechtmäßig gewesen sei. Wie bereits ausgeführt, sei durch die Bewilligung der Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung keine nach den §§ 45 bis 48 SGB X erhebliche rechtliche oder tatsächliche Änderung eingetreten, denn die Witwenrente aus der Unfallversicherung sei auf die große Witwenrente aus der Rentenversicherung nicht anzurechnen. In Fällen, in denen der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch, also hier der Anspruch auf große Witwenrente, kraft Gesetzes zum Ruhen komme oder ganz oder teilweise weggefallen sei, dürfe der betreffende Verwaltungsakt (also hier der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 28.10.1993) nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X nur mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn der Betroffene von dem Ruhen bzw. den Wegfall des Anspruchs wusste oder deshalb nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt habe. Diese subjektiven Voraussetzungen könnten nicht vor Verkündung des mit der Rückwirkung versehenen Gesetzes vorliegen. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber des WFG mit der neuen Fassung des § 93 Abs. 5 SGB VI nicht nur rückwirkend leistungsrechtliche Ansprüche regeln, sondern zugleich auch die Vertrauensschutzgewährleistung des SGB X einschränken wollte. Dies bedeute für den vorliegenden Fall, dass die Klägerin erst mit Verkündung des WFG am 27.09.1996 bei Aufbietung der erforderlichen Sorgfalt Kenntnis davon erlangen konnte, dass nunmehr Witwenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Witwenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen sind. Erst ab diesem Zeitpunkt könne ihr schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung vom 28.10.1993 nicht mehr zugebilligt werden. Das WFG entfalte insoweit nur eine unechte Rückwirkung. Diese sei nach Auffassung des Gerichts verfassungsrechtlich unbedenklich.
Gegen das ihr am 13.08.2003 zugestellte Urteil richtet sich die von der Beklagten am 12.09.2003 eingelegte Berufung.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 11.04.1994 gemäß § 44 SGB X. Das Recht sei nicht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erwiesen habe. Zwar sei für die Frage, ob ein Verwaltungsakt als rechtswidrig im Sinne der Rücknahmeregelungen der §§ 44 ff SGB X zu qualifizieren sei, grundsätzlich auf den Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn sich die Rechtslage nach Erlass des Verwaltungsaktes rückwirkend ändere. In einem derartigen Fall sei die Frage der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung zu beurteilen. Diese Rechtsauffassung werde auch zum Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vertreten. Folge man der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 93 Abs. 5 SGB VI alte Fassung, so sei der Bescheid vom 11.04.1994 im Zeitpunkt seines Erlasses zwar rechtswidrig gewesen. Diese Rechtswidrigkeit werde jedoch durch die rückwirkende Änderung der Vorschrift durch Art. 12 Abs. 8 WFG geheilt. Der Bescheid könne daher nicht mehr als rechtswidrig eingestuft werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 05.08.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Beklagte war nicht berechtigt, im Zeitraum 01.10.1993 bis einschließlich 26.09.1996 die der Klägerin gewährte große Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ihres verstorbenen Ehemannes auf die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen.
Der Senat nimmt zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug, die er sich vollinhaltlich zu Eigen macht.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten ist Folgendes ergänzend festzustellen:
Der von der Klägerin nach § 44 SGB X gestellte Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 11.04.1994 führt zum Erfolg, wenn der Bescheid vom 11.04.1994 rechtswidrig war. Hierbei muss es auf die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides geltende Rechtslage ankommen. Spätere Rechtsänderungen könne nur berücksichtigt werden, wenn sie zugunsten des Betroffenen erfolgt sind. Anderenfalls wäre die Rechtssicherheit gefährdet und Vertrauensgesichtspunkte würden nicht berücksichtigt. Der Bescheid vom 11.04.1994 war rechtswidrig, denn die damals geltende Fassung des § 93 Abs. 5 Nr. 1 SGB VI ließ eine Auslegung dahingehend, dass die Regelung nicht für Hinterbliebenenrenten gilt, nicht zu. Dies hat das Sozialgericht zutreffend und ausführlich mit dem Wortlaut der Vorschrift begründet und damit, dass es auch bis 1991 also bis zum Erlass des Rentenreformgesetzes einhellige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts war, dass die Regelung auch auf Hinterbliebenenrenten Anwendung finden.
Unabhängig von der Frage, welche Regelungen des WFG rückwirkend erlassen wurden, und ob dem das verfassungsrechtliche Verbot echter Rückwirkung entgegensteht, ist die hier zu entscheidende Konstellation eine andere. Es gilt also die Frage zu beantworten, ob der Bescheid vom 11.04.1994 zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig und deshalb in Anwendung von § 44 SGB X zurückzunehmen war. Diese Frage hat das Sozialgericht zutreffend für die Zeit bis einschließlich 26.09.1993 bejaht.
In Fällen der vorliegenden Art, in denen der Rentenversicherungsträger durch Anrechnungsverwaltungsakte, die vor dem 27.09.1996 bekannt gegeben wurden, Unfallversicherungs-Hinterbliebenenrenten für Bezugszeiten davor auf die Zahlungsansprüche aus dem Recht der Rentenversicherungs-Hinterbliebenenrenten gesetzwidrig angerechnet hat, müssen die Klagen der Hinterbliebenen jedenfalls für Bezugszeiten bis zu dem Zeitpunkt Erfolg haben, zu dem der Rentenversicherungsträger die Anrechnungsregelung erstmals rechtmäßig hätte in einem belastenden Anrechnungsverwaltungsakt durchsetzen können (so auch BSG Urteil vom 31.03.1998 - B 4 RA 59/96 R).
Der Senat sieht sich hierbei auch nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ((BVerfG), 1 BvL 19/97, 20/97, 21/97 und 11/98). Das BVerfG hat inhaltlich nicht über die Vorlagen entschieden, sondern lediglich festgestellt, dass diese den Anforderungen an die Feststellung der Entscheidungserheblichkeit der zu verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Vorschriften nicht gerecht werden. Hinsichtlich des Vorbringens des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung hat es ausgeführt, dass auch der Gesetzgeber es nur für zulässig hält, die ihm durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen durch gesetzliche Bestimmungen nachträglich authentisch zu interpretieren. Dies bedeutet, dass auch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und mit ihm die Bundesregierung der Ansicht ist, dass die Grundsätze des Vertrauensschutzes durch die rückwirkende Inkraftsetzung des WFG nicht außer Kraft gesetzt werden.
Dies kann für den vorliegenden Fall nur bedeuten, dass die der Klägerin gewährte Unfallrente erst ab Verkündung des WFG, mithin ab 27.09.1996, bei der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden kann. Im Sozialverfahrensrecht ist im Vergleich zum allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht der Gedanke des Vertrauensschutzes in besonderer Weise ausgestaltet. Das dem Sozialleistungsträger eingeräumte Ermessen ist bei der Entscheidung über die Rücknahme einer Entscheidung insoweit eingeschränkt, als sie den rechtswidrigen Verwaltungsakt - anders als nach § 48 VwVfG - nur dann mit Rückwirkung für die Vergangenheit zurücknehmen darf, wenn sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen kann, weil es sich unlauter im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X verhalten hat oder ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 ZPO vorliegt. Geht man von diesen Überlegungen im vorliegenden Fall aus, so wird erkennbar, dass der Bescheid vom 11.04.1994 zum Zeitpunkt seines Erlasses nicht hätte ergehen dürfen. Dieses rechtswidrige Vorgehen der Beklagten kann auch durch eine spätere Gesetzesänderung nicht nach nachträglich legitimiert werden.
Nach alledem ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der über § 44 SGB X zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 11.04.1994 rechtswidrig war. Er wurde daher vom Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht für die Zeit vor Verkündung des WFG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, für die Zeit bis zum 26.09.1996 große Witwenrente ohne Anrechnung von Leistungen aus der Unfallversicherung zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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