L 1 U 104/04

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 4 U 69/03
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 1 U 104/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 30. August 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Entschädigungsleistungen aus der Versicherung des am 28. Dezember 2002 verstorbenen Ehemannes der Klägerin Dietrich G (Versicherter).

Der am 1924 geborene Versicherte war bei der Beklagten als selbständiger Rechtsanwalt freiwillig versichert. Der Versicherte nahm regelmäßig Akten aus seiner Kanzlei zur Bearbeitung mit in das mit der Klägerin gemeinsam bewohnte Einfamilienhaus. Aus dem Büro kommend fuhr er regelmäßig mit dem Auto in die im Keller seines Hauses befindliche Garage. Diese war mit einem festen Garagentor verschlossen. Von der Garage gelangte man durch eine Tür in den Keller und von dort aus über eine Treppe ins Parterre. Um das Parterre zu betreten, musste oben an der Kellertreppe eine Tür durchschritten werden. Im Parterre befand sich unter anderem auch der Wohnbereich, der in einen Essbereich und einen gemütlichen Teil mit Sofa und Sesseln aufgeteilt war. An der Grenze zwischen diesen beiden offenen Bereichen stand ein Sekretär, an dem der Versicherte die aus dem Büro mitgenommenen Akten bearbeitete und bis zum nächsten Tag aufbewahrte. Ein eigenes Arbeitszimmer stand ihm im Haus nicht zur Verfügung.

Am 5. November 2002 zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass der Versicherte am 2. Oktober 2002 aus dem Büro kommend auf dem Weg in die Wohnung einen Unfall erlitten habe. In einem persönlichen Gespräch mit dem Mitarbeiter der Beklagten Herrn R am 19. November 2002 schilderte die Klägerin, dass der Versicherte nach dem Mittagessen gegen 15:00 Uhr erneut ins Büro gefahren sei. Er müsse gegen 17:30 Uhr wieder nach Hause gekommen sein. Gegen 18:00 Uhr habe sie den Versicherten im Keller vor der Treppe in einer riesigen Blutlache liegend gefunden. Der Versicherte sei nicht mehr ansprechbar gewesen. Auf der Kellertreppe hätten mehrere Akten verstreut gelegen, die der Versicherte bei sich gehabt habe.

Der Versicherte erlitt infolge des Sturzes unter anderem ein offenes Schädel-Hirn-Trauma 3. Grades, eine Blutungsanämie sowie eine akute Linksherzdekompensation mit paroxysmaler Tachyarrhythmia absoluta und Pleuraergüssen beidseits (Bericht des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H vom 23. Oktober 2002). Er befand sich seit dem Unfalltag in einem Wachkomazustand (Appallisches Syndrom), aus dem er bis zu seinem Tode am 28. Dezember 2002 nicht mehr erwachte.

Die Beklagte zog unter anderem Befundberichte des Klinikums der Christian-Albrechts-Universität zu K - Klinik für Neurologie - vom 9. Juli 1999, 14. Juli 1999 und 8. März 2000 sowie von Prof. Dr. M (Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik K ) vom 30. April 1999 und 30. Juni 1999 bei. Danach litt der Kläger seit dem Jahre 1990 an einer progredienten Stand- und Gangataxie. Am 20. August 1998 war der Kläger auf dem Weg zum Büro gestolpert und gestürzt. Privatdozent Dr. J (Krankenhaus I ) hatte damals in dem D-Arztbericht vom 12. August 1998 einen arteriellen Hypertonus, eine Ataxie sowie einen Zustand nach Kopfplatzwunde links frontal diagnostiziert.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Für den Sturz sei nicht ein äußeres Ereignis, sondern aufgrund der Vorerkrankungen des Versicherten vermutlich eine innere Ursache verantwortlich. Die Beweislosigkeit gehe zu Lasten des Versicherten. Selbst wenn eine äußere Ursache angenommen würde, sei fraglich, ob der Versicherte zum Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei. Es liege kein Wegeunfall vor, da der Versicherte bereits die Außentür des Wohnhauses durchschritten habe und der Versicherungsschutz mit Betreten des Hauses ende. Es sei nicht geklärt, ob der Versicherte zunächst einer persönlichen Verrichtung oder seiner Arbeit am Sekretär habe nachgehen wollen. Eine versicherte Tätigkeit im häuslichen Bereich sei daher nicht nachgewiesen.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein: Es liege ein äußeres Ereignis vor, da der Versicherte durch einen Sturz auf der Kellertreppe zu Schaden gekommen sei. Selbst wenn der Sturz auf einen Schwindel zurückzuführen sei, ändere dies nichts an einer Qualifikation des Sturzes als Arbeitsunfall, da jedenfalls die Verletzungsfolgen auf das äußere Ereignis "Sturz" zurückzuführen seien. Es sei ferner davon auszugehen, dass der Versicherte die Akten erst einmal in seinem häuslichen Arbeitszimmer habe ablegen wollen, bevor er sich etwaigen anderen Verrichtungen habe widmen wollen. Der Weg vom Keller zum Arbeitszimmer sei daher versichert.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2003 mit der Begründung zurück: Es liege kein Wegeunfall vor, weil Versicherungsschutz bei Durchschreiten der Außentür des Gebäudes ende. Versicherungsschutz bestehe nur dort, wo im häuslichen Bereich einer unternehmerischen Tätigkeit nachgegangen werde. Dies sei nur im Arbeitszimmer selbst der Fall, nicht aber auf dem Weg dorthin. Auch bestehe kein Versicherungsschutz für die Wegstrecken zwischen Büro und häuslichem Arbeitszimmer. Des Weiteren sei kein Versicherungsschutz wegen Verwahrens oder Beförderns eines Arbeitsgerätes gegeben. Der Vorgang des Verwahrens habe noch nicht begonnen. Es liege auch kein Vorgang des Beförderns vor, da die eigene Bewegung des Versicherten nicht nebensächlich zurückgetreten sei. Er habe die Akten lediglich mit sich geführt.

Hiergegen hat die Klägerin am 10. Juni 2003 bei dem Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben und sich auf ihre Begründung aus dem Verwaltungsverfahren gestützt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2003 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, Entschädigungsleistungen aus übergegangenem Recht zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen.

Das Sozialgericht Itzehoe hat die Beklagte am 30. August 2004 verurteilt, Entschädigungsleistungen aus übergegangenem Recht zu gewähren. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen: Es liege ein Arbeitsunfall vor, da der Verstorbene einer versicherten Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII nachgegangen sei. Er habe die mitgeführten Akten verwahrt. Eine Verwahrung könne die Unterbringung eines Arbeitsgerätes auch im sonstigen unversicherten Bereich sein. Die Verwahrung müsse mit der versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang stehen. Versichert seien auch an sich sonst unversicherte Wege. Der Versicherte sei als Rechtsanwalt für die sichere Verwahrung der Akten verantwortlich gewesen. Der Keller und das Auto seien keine sicheren Orte. Er habe sich auf der Treppe auf dem Weg zur sicheren Verwahrung befunden. Die Beweislosigkeit für das Vorliegen einer inneren Ursache gehe zu Lasten der Beklagten.

Gegen dieses am 9. September 2004 zugestellt Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 8. Oktober 2004 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Zur Begründung macht die Beklagte geltend: Nach ihrer Auffassung seien nicht alle Wege im häuslichen Bereich von und zu dem Verwahrungsort versichert, sondern nur solche, die mit der Verwahrungshandlung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellten. Dies könne erst dann angenommen werden, wenn der Versicherte den Ort der Verwahrung erreicht habe. Auch seien Wege, die ausschließlich zum Zwecke der Verwahrung angetreten würden, dem Verwahren von Arbeitsgeräten zuzuordnen. Der Gesetzgeber habe zusätzliche Unfallrisiken, die mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang stünden, versichern wollen. Nicht als einheitlicher Lebensvorgang seien solche Wege anzusehen, die der Versicherte ohnehin im häuslichen Bereich zurücklegen müsse. Dazu zählten solche Wege, um überhaupt in den Wohnbereich zu gelangen. Auf einem solchen, zuletzt genannten Weg habe sich der Verstorbene befunden. Ein zusätzliches Unfallrisiko gegenüber dem herkömmlichen Erreichen des Wohnbereichs sei nicht zu erkennen. Das Urteil des Sozialgericht stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dieses habe Wege, die nicht mehr von der Verwahrungshandlung mitgeprägt seien, nicht als versicherte Tätigkeit angesehen. Zudem sei das vermutlich von dem Versicherten beabsichtigte Ablegen der Akten auf dem Sekretär nicht als Verwahrung im Sinne des Gesetzes zu bewerten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Itzehoe vom 30. August 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützt sich auf ihren bisherigen Vortrag und die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils.

Der Senat hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten in der Berufungsverhandlung vom 30. Juni 2005 erörtert.

Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere Form und Frist sind gewahrt (vgl. § 151 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klägerin ist zur Klage befugt. Denn soweit dem Versicherten Ansprüche zugestanden hätten, sind diese nach § 56 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 SGB I auf die Klägerin als dessen Ehefrau übergegangen. Die Ansprüche wären nicht nach § 59 S. 1 SGB I ausgeschlossen, da das Verwaltungsverfahren zum Todeszeitpunkt bereits begonnen hatte. Der Klägerin stehen aber die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die Klage abzuweisen, weil die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht beschwert ist (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin hat wegen des Ereignisses vom 2. Oktober 2002 keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus übergegangenem Recht.

Ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen setzt den Eintritt eines Versicherungsfalls voraus (vgl. Sozialgesetzbuch, Siebentes Buch - SGB VII -, Überschrift zum 3. Kapitel). Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Vorliegend kommt allein ein Arbeitsunfall in Betracht. Dieser liegt nicht vor.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind auch die in § 8 Abs. 2 SGB VII genannten Tätigkeiten. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist es erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, also ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 82, 92 und 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn. 19 und 26). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu denen der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der Vollnachweis erforderlich (vgl. BSG SozR 2200 § 555a Nr. 1 mit weiteren Nachweisen; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 550 Nrn. 4 und 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 90). Darüber hinaus ist für die Verrichtungen eines Unternehmers entscheidend, ob sich die jeweilige Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens hält (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 41). Maßgebend ist, dass die zum Unfall führende Verrichtung als solche im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liegt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nrn. 30 und 41).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Versicherte keinen Arbeitsunfall erlitten.

Vorliegend kann offen bleiben, ob sich der Versicherte auf dem Weg von seinem Büro in sein Wohnhaus auf einem Betriebsweg (§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII), d. h. einem Weg, der in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird, Teil der versicherten Tätigkeit ist und damit der Betriebsarbeit gleichsteht, oder auf einem Weg vom Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) befand. Denn in beiden Alternativen beginnt bzw. endet die versicherte Tätigkeit grundsätzlich mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes (Mehr- oder Einfamilienhaus), in dem sich die Wohnung des Versicherten befindet; Außentür ist neben der Haustür jede Tür, durch welche der häusliche Bereich verlassen werden kann (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 80). Besteht eine direkte Verbindung zwischen Wohnhaus und Garage, so ist die Garagentür eine der Außentüren, mit deren Durchschreiten der Versicherungsschutz beginnt bzw. beim Heimweg endet (BSGE 37, 36; Brackmann/Krasney, § 8 SGB VII, Rdz. 184 m.w.N.). Das BSG hat diese Rechtsprechung zuletzt mit Urteil vom 7. November 2000 - B 2 U 39/99 R - bestätigt. Befinden sich private und betrieblich genutzte Räume im selben Gebäude, so beginnt der Versicherungsschutz infolgedessen grundsätzlich erst mit dem Erreichen der Betriebsräume und endet mit dem Verlassen dieser Räume (vgl. Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand August 2005, Rdnr. 714.2). Da sich der Sturz des Versicherten auf der Kellertreppe ereignete und er den Standort seines Arbeitsplatzes, nämlich den Sekretär im Wohnbereich, noch nicht erreicht hatte, hat sich der Unfall im unversicherten häuslichen Bereich ereignet.

Der Versicherte ist auch keiner gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII versicherten Tätigkeit nachgegangen. Nach dieser Norm sind versicherte Tätigkeiten u. a. das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren oder Befördern eines Arbeitsgeräts. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift können außer "klassischen" Werkzeugen auch Geschäftsunterlagen "Arbeitsgerät" im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII sein (BSG, Urteil vom 11. August 1998, B 2 U 17/97 R; BSGE SozR § 243 RVO Nr. 59; BSG SozR 3-2200 § 549 Nr. 1). Insoweit sind die auch von dem Versicherten mitgeführten Handakten als Arbeitsgerät anzusehen. Im Zeitpunkt des Treppensturzes hat der Versicherte die Akten jedoch weder verwahrt noch befördert.

Unter "Verwahrung" ist das Unterbringen des Arbeitsgeräts am Arbeitsplatz oder an einem anderen Ort zu verstehen; zur Verwahrung in diesem Sinne gehört auch deren Gegenstück, die "Entwahrung" des Arbeitsgeräts (BSG SozR Nr. 1 zu § 449 RVO). Anders als im Rahmen des zivilrechtlichen Dauerschuldverhältnisses der Verwahrung beschränkt sich die Verwahrungshandlung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII auf den einmaligen Akt der Unterbringung des Arbeitsgerätes an einem bestimmten Ort oder deren Beendigung (Entwahrung) und die damit zusammenhängenden Wege und Handlungen sowohl auf dem Arbeitsplatz als auch an einer anderen Stelle. Wege aber, die mit dem Arbeitsgerät zurückgelegt werden, sind begrifflich nicht als Verwahrung zu bezeichnen, sondern können den Begriff der Beförderung erfüllen (BSG, Urteil vom 6. Mai 2003 - B 2 U 33/02 R). Gemessen daran liegt keine Verwahrung vor. Der Verwahrvorgang hatte im Zeitpunkt des Sturzes auf der Treppe noch nicht begonnen, denn der Versicherte hatte den Ort, an dem das bestimmungsmäßige Verwahren, d. h. das Ablegen der Akten im oder auf dem Sekretär, stattfinden sollte, noch nicht erreicht. Der Versicherte befand sich mit den Handakten lediglich auf dem Weg zu dem Ort, an dem die Unterbringungshandlung stattfinden sollte.

Der Sturz des Versicherten erfolgte auch nicht bei der "Beförderung" der Akten. Eine Beförderung liegt vor, wenn die Zurücklegung des zu diesem Zweck unternommenen Weges von der Absicht, die Sache nach einem anderen Ort zu schaffen, derart maßgebend beherrscht wird, dass demgegenüber die Fortbewegung der eigenen Person als nebensächlich zurücktritt (BSG SozR 3-2200 § 8 Nr. 3 m.w.N.); kein Versicherungsschutz besteht mithin, wenn das Arbeitsgerät lediglich mitgeführt wird (BSGE SozR 3-2200 § 8 Nr. 3; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 Rdnr. 294 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien liegt keine Beförderung vor. Der Versicherte befand sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstätte. Nach den Schilderungen der Klägerin führte er dabei häufig - so wohl auch zum Unfallzeitpunkt - Akten bei sich, die er zu Hause bearbeiten wollte. Hauptzweck des Weges war demnach das Erreichen des häuslichen Bereiches, um dort die Nacht zu verbringen. Deshalb begab sich der Versicherte auf die Kellertreppe. Das Mitführen der Handakten trat dabei als nebensächlich zurück.

Die Berufung der Beklagten hat deshalb Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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