L 5 B 210/05 KR ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 9 KR 33/05 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 210/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 8. Juli 2005 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beschwerdegegnerin. Der Streitwert wird auf 1.250.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 8. Juli 2005, mit dem sie im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet wird, eine die Herabsetzung der Beitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung betreffende Satzungsänderung der Beschwerdegegnerin zu genehmigen.

Die Beschwerdegegnerin wurde von der Beschwerdeführerin durch Genehmigungsbescheid vom 16. Januar 2003 mit Wirkung vom 1. Februar 2003 als neue, mittlerweile bundesweit geöffnete Innungskrankenkasse errichtet. Sie hat ihren Sitz in Kiel und arbeitet überwiegend online, also über das Internet. Bei der Eröffnung der Beschwerdegegnerin betrug der allgemeine Beitragssatz zur Krankenversicherung 12,9 %, der erhöhte 16,0 % und der ermäßigte 11,7 %. Eine bereits im Juni 2003 beschlossene Senkung des Beitragssatzes wurde von der Beschwerdeführerin nicht genehmigt. Das hiergegen eingeleitete einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Kiel blieb für die Beschwerdegegnerin ohne Erfolg. Im Dezember 2003 beschloss der Verwaltungsrat der Beschwerdegegnerin eine Beitragssenkung von 12,9 % auf 11,9 %, von 16,0 % auf 15 % und von 11,7 % auf 10,7 %. Nachdem die Beschwerdeführerin auch diese Satzungsänderung nicht genehmigt hatte, erwirkte die Beschwerdegegnerin beim Sozialgericht Kiel im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes deren Verpflichtung zur Genehmigung. Auf die Beschwerde der Beschwerdegegnerin hob der beschließende Senat den genannten Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 22. Januar 2004 auf und wies den Antrag der Beschwerdegegnerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück (Beschluss vom 24. Februar 2004 - L 1 B 21/04 KR ER -).

Die durchschnittliche Mitgliederzahl der Beschwerdegegnerin betrug 2003 1.355, im Januar 2004 4.419, im Januar 2005 61.460 und im Mai 2005 81.498. Die Beschwerdegegnerin erwartet - als Folge der hier streitigen Beitragsreduzierung - für 2005 eine durchschnittliche Mitgliederzahl von 90.884 und für Dezember 2005 einen Mitgliederbestand von 120.273.

Im Zusammenhang mit der durch Gesetz vom 14. November 2003 in § 241a Sozialgesetzbuch V (SGB V) vorgeschriebenen Beitragssenkung zum 1. Juli 2005 plante die Beschwerdegegnerin eine zusätzliche Beitragsherabsetzung. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2004 teilte ihr die Beschwerdeführerin mit, dass eine solche Beitragsreduzierung nicht genehmigungsfähig sei. Dieselbe Mitteilung erhielt die Beschwerdegegnerin von der Beschwerdeführerin am 6. Mai 2005, nachdem die Beschwerdegegnerin in einer Pressemitteilung angekündigt hatte, sie werde zum 1. Juli 2005 eine Beitragssenkung von derzeit 12,9 % auf mindestens 11,9 % beantragen. Am 18. Mai 2005 teilte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin mit, der Verwaltungsrat beabsichtige in seiner Sitzung am 8. Juni 2005, den unter Einrechnung des Zusatzbeitrages gemäß § 241a SGB V geltenden allgemeinen Beitragssatz in Höhe von 12,0 % auf 11,8 % zu senken. Der erhöhte Beitragssatz solle dann 14,6 % betragen, der ermäßigte 10,7 %. Im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 3. Juni 2005 an die Beschwerdegegnerin ist unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 2. Dezember 2004 ausgeführt, die geplante Beitragssatzsenkung werde nicht genehmigt werden.

Am 7./8. Juni 2005 beschloss der Verwaltungsrat der Beschwerdegegnerin eine Änderung des § 15 der Satzung im Sinne der zuvor genannten Beitragssenkung. Mit Schreiben vom 13. Juni 2005 beantragte die Beschwerdegegnerin bei der Beschwerdeführerin die Genehmigung dieser Satzungsänderung.

Da die Beschwerdegegnerin davon ausging, dass die Genehmigung nicht erteilt werden würde, hat sie am 20. Juni 2005 beim Sozialgericht Kiel den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel gestellt, die Beschwerdeführerin zu verpflichten, die Änderung des § 15 der Satzung vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu genehmigen. Während dieses Verfahrens hat die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin den Bescheid vom 6. Juli 2005 erteilt, mit dem die beantragte Genehmigung abgelehnt worden ist. Es ist in dem Bescheid lediglich eine Änderung des § 15 in dem Sinne genehmigt worden, dass § 241a SGB V entsprochen wird. Das bedeutet, dass der allgemeine Beitragssatz 12,0 % beträgt, der erhöhte Beitragssatz 15,1 % und der ermäßigte Beitragssatz 10,8 %. Zur Begründung ist in dem genannten Bescheid u.a. ausgeführt: Die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Prognose der erwarteten Einnahmen und Ausgaben und damit des Gewinns von 17,8 Millionen Euro sei mit den Grundsätzen einer sorgfältigen und vorausschauenden Finanzplanung nicht vereinbar. Die Beschwerdegegnerin habe die Grenzen der ihr zustehenden Einschätzungsprärogative überschritten. Das Ergebnis der Jahresrechnung 2004 verliere auf Grund der Wachstumsdynamik der Beschwerdegegnerin jegliche Aussagekraft. Die Aufsichtserfahrungen der Beschwerdeführerin zeigten, dass Kassenwechsler in den ersten Monaten nach dem Kassenwechsel kaum Leistungen in Anspruch nähmen. Allerdings steige innerhalb von ein bis zwei Jahren ihre Leistungsinanspruchnahme an, sie wandle sich von einem hervorragenden zu einem durchschnittlich guten Risiko. Auf Grund der Mitgliederentwicklung der Beschwerdegegnerin im Jahre 2004 sei ein Großteil der Mitglieder deutlich weniger als 12 Monate Mitglied gewesen. Die in der Jahresrechnung 2004 enthaltenen Ausgaben stammten somit aus dem Zeitraum, in denen die Mitglieder ein hervorragendes Risiko mit geringen Ausgaben dargestellt hätten. Auf Grund der Wandlungen zum durchschnittlich guten Risiko seien die Ausgaben des Jahres 2004 nicht repräsentativ für die Folgejahre, vielmehr sei mit einem deutlichen Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben zu rechnen. Vor diesem Hintergrund biete die Jahresrechnung 2004 keine valide Grundlage für die Beitragssatzkalkulation des Jahres 2005. Eine zusätzlich zu finanzierende Belastung ergebe sich aus der Differenz zwischen dem allgemeinen Beitragssatz und dem Ausgleichsbedarfssatz (ABS) im Risikostrukturausgleich (RSA). Der ABS werde nach den aktuellen Prognosen des RSA-Schätzerkreises bei 13,05 % liegen. Erhebe die Krankenkasse einen Beitragssatz unterhalb des Ausgleichsbedarfes, so führe dies dazu, dass jedem neuen Mitglied der Kasse im RSA eine höhere Finanzkraft zugemessen werde als es tatsächlich an Beiträgen an die Kasse zahle. Jedes Mitglied werde bei der Berechnung der Ausgleichsverpflichtung der Kasse auf der Finanzkraftseite zu einem Belastungsfaktor, der auf der Beitragsbedarfsseite des RSA durch die Kasse zur Verringerung der sich hieraus ergebenden Verpflichtung kompensiert werden müsse. Eine Beitragssatzsenkung sei auch nicht durch § 220 Abs. 3 SGB V gedeckt. Zum 31. Dezember 2004 habe die Beschwerdegegnerin zwar ausweislich ihrer Jahresrechnung über Betriebsmittel und Rücklagen in Höhe von 17,6 Millionen Euro verfügt. Dies entspreche dem 1,8fachen einer durchschnittlichen Monatsausgabe und liege oberhalb der nach Gesetz und Satzung zulässigen Obergrenze von 7,35 Millionen Euro bzw. 0,7 Monatsausgaben. Jedoch stelle die in § 260 Abs. 2 SGB V enthaltene Betriebsmittelobergrenze zunächst lediglich eine Soll-Vorschrift dar. Sie, die Beschwerdeführerin, habe bereits darauf hingewiesen, dass das Überschreiten des Betriebsmittelsolls durch die Beschwerdegegnerin auf Grund der bekannten und näher dargelegten Finanzrisiken einer Wachstumskasse aufsichtsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Zudem berücksichtige die Beschwerdegegnerin nicht, dass die Bezugsgröße für die Anwendung des § 220 Abs. 3 SGB V die im Haushaltsplan 2005 vorgesehenen Ausgaben seien. Für eine Wachstumskasse wie die Beschwerdegegnerin sei diese Unterscheidung wegen des sich ausweitenden Ausgabenvolumens von erheblicher Bedeutung. So weise der Haushaltsplan 2005 Ausgaben von rund 394,1 Millionen Euro aus, eine Monatsausgabe betrage somit 32,8 Millionen Euro. Bezogen auf das Haushaltsjahr 2005 betrage das Betriebsmittel- und Rücklagevermögen zum 31. Dezember 2004 rund 0,6 Monatsausgaben und liege damit unterhalb der zulässigen Obergrenze von 0,7 Monatsausgaben. Die der beschlossenen Beitragssatzsenkung zu Grunde liegenden Berechnungen der Einnahmen und Ausgaben gingen von einer weit unterdurchschnittlichen Leistungsinanspruchnahme der Mitglieder bzw. der Versicherten aus. Diese Prognosen orientierten sich somit ausschließlich am Günstigkeitsprinzip und nicht am sich aus den Grundsätzen der sorgfältigen und vorausschauenden Finanzplanung ergebenden Vorsichtsprinzip. Die Beitragssatzbemessung verstoße daher gegen § 220 Abs. 1 SGB V und sei nicht genehmigungsfähig.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdegegnerin beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Das Verfahren wird dort unter dem Aktenzeichen S 19 KR 135/05 geführt.

Ihren beim Sozialgericht Kiel eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Beschwerdegegnerin u.a. wie folgt begründet:

Die zum Jahresende 2004 bestehende Finanzlage habe bestätigt, dass die für das Jahr 2004 beschlossene, aber von der Beschwerdeführerin nicht genehmigte Beitragssatzsenkung auf 11,9 % (die auch vom beschließenden Senat im Beschluss vom 24. Februar 2004 nicht für rechtmäßig gehalten worden sei) auskömmlich gewesen wäre. Die Haushaltsplanung für 2005 zeige, dass bei Beibehaltung des allgemeinen Beitragssatzes von 12,9 % die Einnahmen die erwarteten Ausgaben erheblich übersteigen würden und sich ein weiterer Rücklagen- und Betriebsmittelüberschuss von oberhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen bilden würde, so dass eine Beitragssatzsenkung notwendig sei. Für 2005 errechne sich ein kostendeckender allgemeiner Beitragssatz von 12,08 % (unter Abzug des in § 241a SGB V vorgesehenen Beitragssatzes von 0,9 % also 11,18 %). Die vorgesehene Beitragssenkung auf 11,8 % falle deshalb äußerst vorsichtig aus. Unterbliebe eine solche Beitragssatzsenkung, so sei Ende des Jahres 2005 mit Reserven von 20.947.987,50 EUR zu rechnen neben den Reserven aus den Vorjahren. Hinsichtlich der zu erwartenden Ausgaben sei auch von Bedeutung, dass sich in der Mitgliederstruktur im Vergleich von Juni 2004 zu Mai 2005 keine wesentliche Änderung ergeben habe. Noch immer seien 61 % der Mitglieder unter 40 Jahre alt, wiesen also vergleichsweise geringe Leistungsrisiken auf. Da die Verminderung des Beitragssatzes um nur 0,2 % extrem vorsichtig kalkuliert sei, sei die Beschwerdegegnerin verpflichtet, diese Beitragssatzsenkung zu genehmigen. Deren Standpunkt, eine Beitragssatzsenkung sei immer dann nicht genehmigungsfähig, wenn nach ihr die Krankenkasse als preisgünstigste Kasse am Markt auftrete, sei rechtswidrig. Sie meine zu Unrecht, in dieser wettbewerblichen Lage werde die Kasse von nicht vorhersehbaren Mitgliederzahlen mit unvorhersehbaren Risiken überwältigt, die es angeblich grundsätzlich unmöglich mache, im Vorfeld eine vertretbare Prognose zu den Ausgaben und damit zum erforderlichen Beitragssatz zu treffen. Folge dieser Haltung sei, dass eine Krankenkasse mit Beitragssätzen im unteren Sektor und einer günstigen finanziellen Entwicklung ihrer Pflicht aus § 220 Abs. 3 SGB V nicht nachkommen dürfe. Es sei ein ausschließlich politischer Aspekt, keine "Ausreißer" hinsichtlich der Beitragshöhe in der Kassenlandschaft dulden zu wollen. Im Übrigen müsse eine Beitragssatzkalkulation von Vergangenheitsdaten ausgehen und darauf basierend Daten prognostizieren. Das gelte unterschiedslos für alle Krankenkassen bei der jährlich erforderlichen Beitragssatzkalkulation. Dieses für Wachstumskassen nicht gelten lassen zu wollen, belege lediglich die Haltung der Beschwerdeführerin, dass sie bei Wachstumskassen Beitragssatzveränderungen nach unten ausschließen wolle.

Die Beschwerdegegnerin hat sich zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung im Wesentlichen auf den Inhalt ihres Bescheides vom 6. Juli 2005 bezogen.

Am 8. Juli 2005 hat das Sozialgericht Kiel die beantragte einstweilige Anordnung erlassen und die Antragsgegnerin vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, den 8. Nachtrag zur Satzung der Antragstellerin hinsichtlich der Änderung des § 15 der Satzung bezüglich der Ermäßigung der Beitragssätze zu genehmigen.

Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Gemäß § 220 Abs. 2 SGB V seien die Beiträge durch Änderung der Satzung zu ermäßigen, wenn die Einnahmen der Krankenkasse die Ausgaben überstiegen und das gesetzliche Betriebsmittel- und Rücklagesoll erreicht sei. Die Voraussetzungen des § 220 Abs. 3 SGB V seien erfüllt. Die Antragstellerin habe die genannten Voraussetzungen glaubhaft gemacht. Auch die Vorgaben des § 220 Abs. 1 SGB V seien gegeben. Danach würden die Mittel für die Krankenversicherung durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht. Die Beiträge seien so zu bemessen, dass sie zusammen mit den sonstigen Einnahmen die im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben und die vorgeschriebene Auffüllung der Rücklage deckten. Für die Bemessung seien der Betrag der vorgesehenen Einnahmen um den zu Beginn des Haushaltsjahres vorhandenen Betriebsmittelüberschuss und der Betrag der vorgesehenen Ausgaben um die erforderliche Auffüllung des Betriebsmittelbestandes zu erhöhen. Die Antragstellerin werde diesen Anforderungen mit ihrem Haushaltsplan für 2005 und die geplante Beitragsermäßigung gerecht. Für das Haushaltsjahr 2005 habe die Antragstellerin glaubhaft errechnet, dass sich ein kostendeckender allgemeiner Beitragssatz von 12,08 % ergebe. Die Antragstellerin habe zu Recht bei der Kalkulation des zu senkenden Beitragssatzes u.a. prognostisch die Mitgliederentwicklung unter Beachtung des Effektes der Beitragssatzsenkung berücksichtigt. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin vorgenommene Prognose als unrealistisch einschätze und die finanziellen Entwicklungen der Antragstellerin nur als nicht relevante "Momentaufnahmen" darstelle, vermöge eine Ablehnung der Genehmigung einer Beitragssenkung nicht zu begründen. Der Gesetzgeber habe nämlich keine Kriterien dafür aufgestellt, wie eine Krankenkasse die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung für das kommende Haushaltsjahr zu prognostizieren habe. Entscheidend könne für die Antragsgegnerin bei ihrer Genehmigungsentscheidung nur sein, dass die Antragstellerin bei der jetzigen Mitgliederstruktur die Ausgaben auch mit einem allgemeinen Beitragssatz von 11,9 decken könne. Die weitere Entwicklung der tatsächlichen Einnahmen- und Ausgabensituation falle immer in den Bereich der Spekulation. - Des Weiteren liege auch ein Anordnungsgrund vor. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens wäre für die Antragstellerin unzumutbar, da die Entscheidung über die Beitragssatzsenkung spätestens in einem Jahr, nämlich im Zeitpunkt der erneuten Haushaltsplanung für das Jahr 2006, möglicherweise auf der Grundlage einer veränderten Ausgangssituation erneut überprüft werden müsse und dann die jetzige Einnahmen- und Ausgabensituation sich schon wieder verändert habe. Auch im Hinblick auf den unter den Krankenkassen bestehenden Wettbewerb, der vom Gesetzgeber mit der Einführung des Wahlrechts der Versicherten gewollt sei und entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht gegen § 220 SGB V verstoße, mache eine Beitragssatzermäßigung nur für die Zukunft Sinn und nicht für die Vergangenheit, da mit ihr gerade für die Zukunft die Einnahmen- und Ausgabensituation verändert werden solle.

Gegen diesen der Beschwerdeführerin am 14. Juli 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 15. Juli 2005 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 28. Juli 2005).

Zur Begründung ihrer Beschwerde nimmt die Beschwerdeführerin zum Einen Bezug auf ihre bisherigen Ausführungen. Weiterhin trägt sie u.a. vor: Es liege weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vor. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts setze die gesetzlich vorgesehene Genehmigung auch eine Überprüfung der von der Beschwerdegegnerin vorgenommenen Prognose voraus. Diese Prognose müsse auf das vom Gesetz insoweit als schutzwürdig erachtete Interesse an einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Vermögens- und Finanzdarstellung einerseits und am Erhalt der Vermögenssubstanz andererseits ausgerichtet sein. Den §§ 172 SGB V sowie 252 Abs. 1 Nr. 4 Handelsgesetzbuch sei der Gedanke zu entnehmen, dass auch der Haushaltsplan einer Krankenkasse nach dem Vorsichtsprinzip auszurichten sei. Dieses Prinzip werde durch die Beschwerdegegnerin in eklatanter Weise verletzt. Sie besitze zwar Kenntnisse über ihre derzeitige Mitgliederstruktur in Bezug auf Alter und Geschlecht, jedoch keine Informationen über das Leistungsinanspruchnahmeverhalten ihrer Versicherten, da sie gerade über keine verfestigte Mitgliederstruktur verfüge. Insbesondere besitze sie keinerlei Information über die künftig noch aufzunehmenden Mitglieder. Der Tatsache, dass bei jedem neuen Mitglied mehr Finanzkraft abgeschöpft werde, als an Beiträgen überhaupt gezahlt werde, begegne die Antragstellerin mit einem Vergleich mit anderen Wachstumskassen. Dieser zeige, dass bei diesen Krankenkassen genau die Entwicklung eingetreten sei, die im Bescheid vom 6. Juli 2005 beschrieben werde. In der Vergangenheit hätten die Wachstumskassen regelmäßig einen "finanziellen Wachstumsinfarkt" erlitten, da der Beitragssatzvorteil systematisch überschätzt und die Dynamik des Wachstums unterschätzt werde. Das Vorhaben der Beschwerdegegnerin stelle eindeutig eine Verletzung des Vorsichtsprinzips dar. Außerdem halte die Kalkulation der Beschwerdegegnerin keinem an plausiblen Maßstäben ausgerichteten Vergleich stand. Die Beschwerdegegnerin gehe davon aus, dass überwiegend jüngere Versicherte mit einer unterdurchschnittlichen Leistungsinanspruchnahme zu ihr wechseln würden. Als gesetzliche Krankenkasse sei sie jedoch verpflichtet, jedes Mitglied unabhängig von seinem Gesundheitszustand aufzunehmen. Sie könne den Mitgliederzustrom somit auch nicht steuern. Krankenkassen mit deutlich unterdurchschnittlichen Beitragssätzen verzeichneten massive Mitgliederzuwächse. Dieses sei auch erklärtes Ziel der Beschwerdegegnerin. Die Beitragssatzfestsetzung ziele somit ausschließlich darauf ab, eine möglichst große Zahl von Mitgliedern zu gewinnen. Auch der Vertrag des Vorstandes sei auf Mitgliedergewinn ausgelegt, der er eine Prämie für jedes neu gewonnene Mitglied vorsehe. Diese massive Mitgliedergewinnung führe letztlich aber zu dem bereits dargelegten Finanzierungsinfarkt. - Entgegen der Annahme des Sozialgerichts seien auch die Voraussetzungen des § 220 Abs. 3 SGB V nicht erfüllt. Mit dieser Regelung wolle der Gesetzgeber verhindern, dass die Krankenkasse überhöhte Finanzpolster ansammle. Diese Regelung stelle auf einen stabilen und dauerhaften Zustand ab, der nur durch eine Senkung von Beiträgen beseitigt werden könne. Es müssten auch nach einer durchgeführten Beitragssenkung weiterhin sowohl Einnahmeüberschüsse erzielt werden als auch das gesetzliche Betriebsmittel- und Rücklagesoll überschritten sein. Diese Voraussetzungen erfülle die Beschwerdegegnerin nicht. Wie der beschließende Senat in seiner Entscheidung vom 24. Februar 2004 ausgeführt habe, sei die bisherige Mitgliederzahl der Beschwerdegegnerin nicht als Kalkulationsbasis geeignet, da durch die Beitragssatzsenkung deren Anzahl von der zu erwartenden Anzahl von Mitgliedern um ein Mehrfaches übertroffen werde. Die Planung könne mithin nur auf die neuen zu erwartenden Mitglieder gestützt werden. Insbesondere sei nach der genannten Entscheidung auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin mit dem von ihr begehrten Beitragssatz unter allen Beitragssätzen der allgemeinen Krankenkasse liege. Dass ein solcher Beitragssatz die voraussichtlichen Ausgaben decke, sei jedenfalls nicht wahrscheinlich, erst Recht nicht höchstwahrscheinlich. - Wegen des bundesweit niedrigsten Beitragssatzniveaus käme es zu einer starken Mitgliederbewegung und die Antragstellerin verzeichne in kürzester Zeit einen massiven Mitgliederzuwachs. Das bedeute wie bei allen Wachstumskassen auch hohe Leistungsausgaben, da die Kassen verpflichtet seien, jedes Mitglied aufzunehmen, unabhängig von dessen Gesundheitszustand oder der Anzahl der beitragsfrei familienversicherten Angehörigen. Das bedeute, dass sich unter dem zu erwartenden Mitgliederpotential zahlreiche Versicherte befänden, die über einen deutlich über dem beabsichtigten Beitragssatz liegenden Beitragsbedarf verfügten. - Die Erwägung des Sozialgerichts, das einen Anordnungsgrund mit der Wettbewerbssituation in der gesetzlichen Krankenversicherung begründe, überzeuge nicht. Zunächst übersehe das Gericht, dass sich die Beschwerdegegnerin mit ihrem gegenwärtigen Beitragssatz bereits in einer außerordentlich günstigen Wettbewerbssituation befinde. Dem durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung von 13,3 % (14,2 % abzüglich 0,9 % nach § 241a SGB V) stehe der Beitragssatz der Beschwerdegegnerin von 12,0 % gegenüber. Als bundesweit geöffnete Krankenkasse habe sie zusammen mit der bundesweit geöffneten BKK ATU damit bereits die Marktführerschaft hinsichtlich der Beitragssätze. Obwohl die Beschwerdegegnerin einen um 1,3 Beitragssatzpunkte günstigeren Beitragssatz als der Durchschnitt der gesetzlichen Krankenkassen erhebe, gehe das Sozialgericht davon aus, dass eine Beibehaltung des Beitragssatzes bis zur Entscheidung in der Hauptsache dem Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung schade. Das sei nicht nachvollziehbar. Außerdem sei der Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung kein Selbstzweck der Krankenkasse. Er beinhalte nicht ein Streben nach der größtmöglichen Mitgliederzahl um jeden Preis. Die Beschwerdegegnerin verfolge demgegenüber das erklärte Ziel, enorme Mitgliederzuwächse zu erzielen, die zwangsläufig zu Lasten anderer Krankenkassen gingen. Es sei bereits jetzt abzusehen, dass erheblich niedrigere Beitragssätze als die derzeitig durchschnittlichen Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu halten seien, da sich die Ausgaben für die neuen Mitglieder nicht in der von der Antragstellerin erwarteten Weise vom GKV-Durchschnitt unterscheiden würden.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 8. Juli 2005 aufzuheben und den Antrag der Beschwerdegegnerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin orientiere sich die von ihr, der Beschwerdegegnerin, angestellte Prognose der Leistungsausgaben an einer Unterstellung jeweils ungünstigster Bedingungen. Diese führe zu Ermittlungen eines notwendigen Beitragssatzes von 11,36 %, so dass ein solcher von 11,8 % eine erhebliche Sicherheit selbst für unrealistische Entwicklungen biete. Vorsichtiger gehe es nicht. Den Beitragssatz nicht zu senken, wäre wegen der Vorgaben des § 220 Abs. 3 SGB V rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin lege irrig für das hier zu Grunde zu legende Jahr 2004 eine im Haushaltsplan 2005 angenommene Monatsausgabe des Jahres 2005 zu Grunde. Ein zum Verharren verpflichtendes Vorsichtsprinzip in der Finanz- und Haushaltsplanung gebe es nicht. Sehr wohl könne sie, die Beschwerdegegnerin, auf Grund ihrer 2,5jährigen Existenz mit inzwischen 90.000 Mitgliedern ihre Mitgliederstruktur ausmachen und anhand der seit gut einem Jahr monatlich etwa gleichgroßen Neuzugänge prognostizieren, welche ungefähre Gesamtzahl bis Ende September 2005 erreicht werde. Ein Beitragssatz von nur 0,2 % unterhalb mehrerer Konkurrenten locke mit Sicherheit nicht so viele Wechsler. Sie, die Beschwerdegegnerin, kenne auch die Struktur ihrer jetzt 90.000 Mitglieder sowohl nach Alter als auch nach Geschlecht, als auch deren Leistungsinanspruchnahme. Die bisher jeweils neu hinzugekommenen Mitglieder entsprächen in dieser Struktur den bisherigen, und das obwohl sie jedes neue Mitglied aufnehmen müsse und keine Risikoselektion treffe.

Mit einstweiliger Anordnung vom 10. August 2005 hat der Senatsvorsitzende die Vollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss bis zur Erledigung dieses Verfahrens ausgesetzt.

Zur Ergänzung, insbesondere des ausführlichen weiteren Vortrages der Beteiligten, wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2005 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert worden.

II.

Die Beschwerde ist begründet. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Sozialgerichts, die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien erfüllt. Eine solche kann nur dann beansprucht werden, wenn sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Hier fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.

Ein solcher ist dann anzunehmen, wenn es der Antragstellerin unter Berücksichtigung ihrer Interessen nicht zugemutet werden kann, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Das vermag der Senat für die Beschwerdegegnerin nicht zu erkennen. Insbesondere fehlt es an der für die Bejahung einer Eilbedürftigkeit erforderlichen Notwendigkeit der Abwendung wesentlicher Nachteile. Deren erforderliche Intensität kann nur im Zusammenhang gesehen werden mit Sinn und Zweck der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Dem in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) niedergelegten Grundrecht auf Rechtsschutz wird nur dann genügt, wenn dieser effektiv ist. Er erfordert dann eine Eilentscheidung, wenn diese zur Sicherung des Hauptsacherechtsschutzes geboten ist, weil ohne eine Eilentscheidung dem Betroffenen schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden (vgl. Finkelnburg/Jahnk, vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rdn. 6 mit weiteren Nachweisen). Bei diesem Ansatz kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG als Tatbestandsvoraussetzung für die Rechtswegeröffnung eine Rechtsverletzung "durch die öffentliche Gewalt" formuliert ist. Daraus folgt, dass Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in erster Linie als Abwehrgrundrecht gegen Rechtsbeeinträchtigungen durch staatliche Institutionen zu verstehen ist. Auf diese Norm können sich somit nur Grundrechtsträger berufen (Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 7. Aufl., Rdn. 34 zu Art. 19 mit weiteren Nachweisen). Dazu gehören neben allen natürlichen Personen auch inländische juristische Personen, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG). Das ist bei juristischen Personen des öffentlichen Rechtes grundsätzlich nicht der Fall, denn sie sind selbst Teil der öffentlichen Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, also Teil der Institutionen, gegen deren Handeln Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Rechtsschutz gewährt, nicht aber Teil des durch diese Norm geschützten Personenkreises. Deshalb können juristische Personen des öffentlichen Rechtes sich grundsätzlich nicht auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG berufen (Jarass/Pieroth, a.a.O.; Krüger in Sachs, GG, Rdn. 114 zu Art. 19 m.w.N.). Für Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gilt nichts Anderes als für alle anderen Abwehrgrundrechte. Auf diese können sich die juristischen Personen des öffentlichen Rechtes nur in Ausnahmefällen berufen, wenn ihnen das Grundgesetz ausdrücklich entsprechende Rechtspositionen einräumt, wie bei Religionsgesellschaften, Universitäten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (vgl. Krüger a.a.O. Rdn. 93 bis 97 zu Art. 19 m.w.N.).

Aus dem Dargelegten folgt, dass die Beschwerdegegnerin schon vom konstruktiven Ansatz her auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG einen Anordnungsgrund nicht stützen kann. Sie ist als gesetzliche Krankenkasse (§ 21 Abs. 2 Sozialgesetzbuch I (SGB I) Träger eines Teils der Sozialversicherung und damit Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 29 Abs. 1 SGB IV). Für alle gesetzlichen Krankenkassen und damit auch für die Beschwerdegegnerin gilt, dass sie nur organisatorisch verselbstständigte Teile der Staatsgewalt sind, sie üben aber der Sache nach mittelbare Staatsgewalt aus. Es fehlt ihnen deshalb eine besondere Zuordnung zu dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich. Die Sozialversicherungsträger heben sich deshalb von den juristischen Personen des öffentlichen Rechtes, die dem Staat inkorporiert sind, nicht ab (so ausdrücklich für die gesetzlichen Krankenkassen Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 9. April 1975 - 2 BvR 879/73 - in BVerfGE 39, 302 ff.). An diesem Eingebundensein in die Staatsverwaltung ändert sich auch nichts dadurch, dass die Sozialversicherungsträger über einen begrenzten Raum eigenverantwortlichen Handelns - z.B. durch die ihnen eingeräumte Selbstverwaltung (§ 29 Abs. 1 und 2 SGB IV) - verfügen. Dadurch erlangen sie keine besondere Zuordnung zu dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich, wie das z.B. bei Universitäten und Rundfunkanstalten der Fall ist (so ausdrücklich Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 3. August 2000 - 3 C 30/99 - BVerwGE 111, 354 ff.). Deshalb scheidet auch eine ausnahmsweise Erstreckung der Grundrechte auf juristische Personen des öffentlichen Rechts unter dem Gesichtspunkt aus, "hinter" den gesetzlichen Krankenkassen stünden letztlich die Mitglieder als Grundrechtsträger. Anders als z.B. bei Universitäten hat das Grundgesetz den gesetzlichen Krankenkassen keine hieraus ableitbare eigene Befugnis zur Grundrechtswahrnehmung eingeräumt (BSG vom 24. Januar 2003 - B 12 KR 19/01 R - BSGE 90, 231 ff.). Insbesondere das Bundesverfassungsgericht hat die Notwendigkeit der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerade in den Fällen betont, in denen anders der sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebende Schutz des Einzelnen vor Grundrechtsverletzungen nicht effektiv durchgesetzt werden kann (BVerfG vom 19. Oktober 1977 - 2 BvR 42/76). In dieser Entscheidung wird ausdrücklich auf die Rechtssphäre des Bürgers und deren Schutz vor öffentlicher Gewalt abgestellt. Sie betraf die seinerzeit im SGG noch unzulängliche Regelung des einstweiligen Rechtsschutzes und war letztlich Anlass für den Gesetzgeber, die §§ 86a und insbesondere 86b SGG zu schaffen. Mit der Regelung der einstweiligen Anordnung in § 86b Abs. 2 SGG sollte die vorläufige Rechtsschutzmöglichkeit aber nicht über den grundgesetzlich geschützten Kreis hinaus erweitert werden. Deshalb kann schon vom systematischen Ansatz her bei innerstaatlichem Handeln, wie hier zwischen Aufsichtsbehörde und gesetzlicher Krankenkasse, eine zur effektiven Verwirklichung von Grundrechten erforderliche Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung nicht angenommen werden.

Auch wenn man diesen gegen die Bejahung eines Anordnungsgrundes sprechenden Gesichtspunkte nicht als entscheidungserheblich ansähe, führt der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter anderen rechtlichen Aspekten ebenfalls nicht zum Erfolg. Wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, verlangt Art. 19 Abs. 4 GG dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Beschluss vom 25. Oktober 1998 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 ff., Rdn. 17 im JURIS-Ausdruck, unter Hinweis auf BVerwGE 46, 166, 179). Die Beschwerdegegnerin hat bereits nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ohne einstweilige Anordnung ein solcher schwerer und unzumutbarer Nachteil entstünde, so dass es hier dahinstehen kann, ob eine nachträgliche Beseitigung im Hauptsacheverfahren noch möglich erscheint.

Ein unmittelbarer finanzieller Nachteil entsteht der Beschwerdegegnerin durch die Verweigerung der Beitragssatzsenkung nicht, im Gegenteil, sie hat dadurch sogar finanzielle Vorteile. Nach ihrem Vortrag führen die derzeitigen Beitragssätze zu einer Erhöhung von Betriebsmitteln und Rücklagen, also zu einem noch besseren "Finanzpolster". Auf finanzielle Nachteile für die Versicherten und die Arbeitgeber kann die Beschwerdegegnerin ihr Begehren nicht stützen. Wie bereits oben ausgeführt, gibt es keine verfassungsrechtliche Grundlage dafür, den Sozialversicherungsträgern die Möglichkeit der Wahrnehmung grundrechtlicher Positionen ihrer Mitglieder einzuräumen.

Wie sich aus den Akten, dem Vortrag der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung und aus deren Internet-Darstellung ergibt, geht es ihr ganz wesentlich um ihre Position gegenüber den anderen gesetzlichen Krankenkassen. Sie strebt an, von den bundesweit tätigen Krankenkassen diejenige mit den günstigsten Beitragssätzen zu werden, also ihre von der Beitragshöhe bereits jetzt äußerst günstige Wettbewerbsposition (mit einer weiteren Krankenkasse weist sie von den bundesweit tätigen Kassen die geringsten Beitragssätze auf) noch zu optimieren und die so genannte Marktführerschaft zu übernehmen. Unter Wettbewerbsgesichtspunkten lässt sich hieraus keine Eilbedürftigkeit ableiten. Zum Einen ergibt sich aus dem Vortrag der Beschwerdegegnerin, dass sie bereits bei derzeitiger Beitragshöhe einen erheblichen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen hatte und hat. Dass eine Beitragssenkung von nur 0,2 % diesen Zuwachs noch rasant beschleunigen würde und dass insbesondere ein Ausbleiben dieses weiteren Zuwachses bei der Beschwerdegegnerin zu einem unwiederbringlichen Schaden führen würde, hat sie weder vorgetragen noch ist dieses ersichtlich. Und was den Wettbewerb mit den anderen gesetzlichen Krankenkassen betrifft, verweist die Beschwerdeführerin zutreffend auf die vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätze. Nach dem Urteil vom 31. März 1998 - B 1 KR 9/95 R - in BSGE 82, 78 ff.) ist die Situation der um Mitglieder konkurrierenden Krankenkassen mit derjenigen eines Wettbewerbers im privaten Geschäftsverkehr nicht vergleichbar. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen untereinander werden vom öffentlichen Recht geprägt, dem infolgedessen auch die Regeln über die Mitgliederwerbung zu entnehmen sind. Unbeschadet des in einem gegliederten System der Krankenversicherung mit Kassenwahlfreiheit bestehenden Konkurrenzverhältnisses bleiben die Krankenkassen als Organe mittelbarer Staatsverwaltung auch bei ihren Werbemaßnahmen der gemeinsamen öffentlichen Aufgabe der gesundheitlichen Daseinsvorsorge verpflichtet. Beschränkungen hinsichtlich Form und Inhalt von Maßnahmen der Mitgliederwerbung ergeben sich insbesondere aus dem Gebot, bei der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben mit den übrigen Sozialversicherungsträgern zusammenzuarbeiten (§§ 15 Abs. 3 SGB I, 86 SGB X). Dass speziell die Krankenkassen im Interesse der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zur Zusammenarbeit untereinander verpflichtet sind, wird in § 4 Abs. 3 SGB V nochmals hervorgehoben (so BSG a.a.O.). Wegen dieser besonderen öffentlichen Konstellation lässt sich über den Gesichtspunkt des Wettbewerbs kein Anspruch auf eine vorläufige Regelung herleiten. Als Organ der mittelbaren Staatsverwaltung ist es der Beschwerdegegnerin grundsätzlich zuzumuten, die normale Dauer des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Nachteile, die sich aus dem damit verbundenen Zeitablauf ergeben, stellen keine Schäden dar, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen (vgl. auch BSG im Beschluss vom 5. September 2001 - B 3 KR 47/01 R -).

Das Sozialgericht und die Beschwerdegegnerin gehen zwar zutreffend davon aus, dass durch die Entscheidung im Hauptsacheverfahren das erstrebte Ziel einer Beitragssatzsenkung noch 2005 bei realistischer Betrachtungsweise nicht mehr erreicht werden kann. Zwar wäre es dem Sozialgericht nicht verwehrt, die Hauptsache losgelöst von der üblichen Praxis, die Streitverfahren in der Reihenfolge des Klageeingangs zu terminieren, alsbald zu entscheiden. Selbst dann wäre aber ein wesentlicher Zeitraum, auf den sich die Beitragssenkung ursprünglich erstrecken sollte, nämlich das zweite Halbjahr 2005, abgelaufen. Außerdem wäre zweifelhaft, ob ein - unterstellt - zusprechendes Urteil rechtskräftig würde. D.h., eine für die Beschwerdegegnerin positive zukünftige Hauptsacheentscheidung käme auf jeden Fall hinsichtlich des Hauptziels des Verfahrens zu spät. Damit hat die der Beschwerde stattgebende Entscheidung des Senats letztlich dieselbe Wirkung wie eine die Beschwerde zurückweisende. Während im letztgenannten Fall der eine Beitragssenkung anordnende Beschluss des Sozialgerichts bestätigt und damit eine Beitragsherabsetzung vorweggenommen werden würde, wird im erstgenannten Fall eine fristgerechte Beitragssenkung unmöglich gemacht (vgl. zur Vorwegnahme der Hauptsache in beiden Fällen Beschluss des Senats vom 31. August 2004 - L 1 B 102/04 KR ER -; Krodel in NZS 2002, 234, 239). Die in einem solchen Fall vorzunehmende Abwägung veranlasst den Senat ebenfalls dazu, die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung zu verneinen. Eine im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angeordnete Beitragssenkung könnte trotz ihres vorläufigen Charakters bei einem für die Beschwerdegegnerin negativen Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht mehr rückgängig gemacht werden, denn eine rückwirkende Beitragserhöhung ist rechtlich nicht möglich (BSG vom 12. Dezember 1972 - 3 RK 38/70 - SozR Nr. 1 zu § 391 RVO). Es müsste deshalb im Falle einer rechtskräftigen Abweisung der Klage für die Vergangenheit bei einer dann rechtswidrigen Beitragssenkung bleiben. Das wäre mit der Verpflichtung der Beschwerdegegnerin als ein an Gesetz und Recht gebundener Verwaltungsträger (Art. 20 Abs. 3 GG) zu rechtmäßigem Handeln nicht vereinbar. Dieselbe rechtlich nicht vertretbare Situation würde sich ergeben, wenn es nicht zu einer Entscheidung in der Hauptsache kommt, z. B. bei Klagerücknahme oder einer anderweitigen Erledigung. Auch dann würde der die Beitragssatzsenkung versagende Bescheid der Beschwerdeführerin bindend und die Beschwerdegegnerin hätte Beiträge nach nicht genehmigten Sätzen erhoben. Das spricht ebenfalls gegen eine dem Antrag stattgebende Eilentscheidung und dafür, über die Berechtigung der Beschwerdegegnerin zur Beitragssatzsenkung und damit über die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides der Beschwerdeführerin ausschließlich im Hauptsacheverfahren zu urteilen. Geht das Hauptsacheverfahren für die Beschwerdegegnerin positiv aus, wäre es ihr zumindest theoretisch möglich, eine rückwirkende Beitragssenkung - z.B. im Wege einer Verrechnung - vorzunehmen. In einem solchen Fall würde zwar feststehen, dass die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Beitragssenkung nach § 220 Abs. 3 SGB V erfüllt gewesen sind. Dies könnte aber nicht zum Vorwurf einer Rechtsverletzung gegenüber der Beschwerdegegnerin führen. Denn sie könnte sich immer auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin im Bescheid vom 6. Juli 2005 sowie auf deren Vortrag im gesamten Verfahren berufen, das Unterlassen einer Beitragssenkung werde nicht beanstandet. Bei einer Änderung des Klagebegehrens in eine Fortsetzungsfeststellungsklage können vom Gericht im Urteil für das Genehmigungsverfahren maßgebliche Grundsätze dargelegt werden. Das liegt auch im Interesse der Beschwerdegegnerin. Denn nach ihrem bisherigen Handeln (dreimaliger Versuch einer Beitragssenkung) ist anzunehmen, dass sie auch zukünftig entsprechende Genehmigungsanträge bei der Beschwerdeführerin einreichen wird.

Der Senat weicht nicht von dem im vorangegangenen Eilverfahren zwischen denselben Beteiligten (L 1 B 21/04 KR ER) erlassenen Beschluss vom 24. Februar 2004 ab. Dessen Ergebnis ist mit demjenigen dieses Verfahrens identisch. Seinerzeit hatte der Senat ausdrücklich offen gelassen, ob von der Beschwerdegegnerin ein Anordnungsgrund ausreichend glaubhaft gemacht worden war, weil das Fehlen eines Anordnungsanspruchs offenkundig war. Nunmehr hält es der Senat für sachgerecht, die Entscheidung auf das Fehlen eines Anordnungsgrundes zu stützen. Die Beteiligten können davon ausgehen, dass der Senat auch in vergleichbaren Verfahren zukünftig dieselben Maßstäbe anlegen wird, in der Regel also dazu neigen wird, den Antrag einer nicht grundrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Anordnungsgrundes abzulehnen.

Für die Erörterung der Anordnungsanspruchs ist nach alledem kein Raum. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass zwar - anders als im vorangegangenen Verfahren - einiges für einen wahrscheinlichen Erfolg in der Hauptsache spricht. Die tatsächlichen und finanziellen Voraussetzungen für eine Beitragssatzsenkung erscheinen nach dem Vortrag der Beschwerdegegnerin in diesem Verfahren und insbesondere in der mündlichen Verhandlung wesentlich eher erfüllt zu sein als in dem vorangegangenen Verfahren. Andererseits sind die in einem Verfahren über die Genehmigung einer Beitragssatzsenkung von der Beschwerdeführerin zu beachtenden Grundsätze sowie die Grenzen ihrer Prüfungsmöglichkeiten in der Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt (das Urteil des BSG vom 7. November 2000 - B 1 A 4/99 R - gibt insoweit lediglich einige Überlegungsansätze). Es würde deshalb den Rahmen eines Eilverfahrens mit seiner nur summarisch möglichen Beurteilung der Sach- und Rechtslage sprengen, wenn hier eine - nach dem Dargelegten letztlich die Hauptsacheentscheidung vorwegnehmende - materiell-rechtliche Entscheidung ergehen würde. Die anderslautenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts hält der Senat nicht für überzeugend. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat der Senat der Beschwerde stattgegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 197a Abs. 1 SGG, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz, 197a Abs. 1 Satz 1 SGG. Wie in dem im vorangegangenen Verfahren ergangenen Senatsbeschluss vom 10. Mai 2004 geht der Senat auch hier in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG (SozR 3-1930 § 8 Nr. 3) von dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdegegnerin, weitere Mitglieder zu erhalten, aus. Für jedes hypothetische Mitglied werden 50,00 EUR veranschlagt. Bei den erwarteten 50.000 neuen Mitgliedern wären das 2.500.000,00 EUR. Da es um eine Beitragssenkung nur für ein halbes Jahr geht und auch die Beschwerde im Juli 2005 erhoben worden ist, ist als Streitwert die Hälfte des genannten Betrages zu Grunde zu legen, also 1.250.000,00 EUR.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved