S 14 AL 1652/98

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 14 AL 1652/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 78/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Der Bescheid der Beklagten vom 29.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.1998 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten im notwendigen Umfange zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Kläger als Bevollmächtigten in einem von ihr durchgeführten Verwaltungsverfahren zurückweisen durfte.

Der Kläger ist Rentenberater.

Am 20.09.1990 hatte ihm der Präsident des Landgerichts Gießen gemäß Artikel I § 1 des Gesetzes zur Verhütung von Missbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung vom 13.12.1935 sowie gemäß § 1 und 2 der ersten Verordnung zur Ausführung des vorgenannten Gesetzes vom 13.12.1935 die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten als Rentenberater erteilt.

In dieser Eigenschaft vertrat der Kläger Frau C. in einem Rentenverfahren gegen die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt.

Das Rentenverfahren endete damit, dass Frau C. mit Bescheid der LVA Sachsen-Anhalt vom 20.10.1997 weiterhin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis zum 31.12.1998 geleistet wurde. Ab dem 01.09.1997 rechnete die LVA an Frau C. gezahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 574,60 DM auf die Rente an.

Mit Bescheid vom 27.01.1998 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.09.1997 bis 25.10.1997 gemäß §48 des 10. Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und forderte Arbeitslosengeld in Höhe von 1060,80 von Frau C. zurück.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger unter Vorlage einer Vollmacht von Frau C. Widerspruch.

Unter dem 25.02.1998 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Zurückweisung als Bevollmächtigter gemäß § 13 Abs. 5 SGB X an. Der Kläger äußerte sich dahingehend, durch seine Vertretung im Rentenverfahren bestehe ein direkter Zusammenhang mit dem Rückforderungsbescheid und damit sei auch seine Vertretungsbefugnis gegeben.

Mit an Frau C. gerichtetem Bescheid vom 07.04.1998 gab die Beklagte dem Widerspruch statt, indem sie den angefochtenen Bescheid vom 27.01.1998 aufhob.

Mit Bescheid vom 29.04.1998 wies die Beklagte den Klägers als Verfahrensbevollmächtigten von Frau C. unter Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 06.03.1997, Az.: 7 RAr 20/96, zurück.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, es seien die Voraussetzungen für eine sogenannte "Annexkompetenz" erfüllt. Bei dem von ihm eingeleiteten Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 27.01.1998 bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang mit seiner Rentenberatertätigkeit, der so eng sei, dass diese ohne die Rechtsbesorgung gegenüber der Beklagten unmöglich gemacht oder doch unangemessen erschwert würde. Aus der engen Verzahnung der Leistungsgewährung mit evtl. vorhandenen Erstattungsansprüchen bzw. Leistungsanrechnungen gemäß § 95 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) ergebe sich seine Annexkompetenz.

Zur Begründung verwies der Kläger weiter auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.03.1998.

Mit am selben Tag abgesandtem Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

In dem Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, die dem Kläger erteilte Erlaubnis umfasse nicht ein Tätigwerden auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung, das keine Rentenleistungen zum Gegenstand habe. Auch eine Annexkompetenz sei nicht gegeben. Es sei nicht erkennbar, dass die Wahrnehmung der Berufsaufgabe als Rentenberater ohne die Annextätigkeit unmöglich gewesen oder unangemessen erschwert worden wäre. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Der Kläger hat am 04.08.1998 vor dem Sozialgericht Fulda Klage erhoben.

Das Sozialgericht Fulda hat mit Beschluss vom 14.08.1998 den Rechtsstreit an das Sozialgericht Gießen verwiesen.

Zur Begründung bezieht der Kläger sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 05.11.1998 mit dem Aktenzeichen B 11 AL 31/98 R. In diesem Urteil wird die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.03.1998 (Az.: L 3 AL 1252/96) zurückgewiesen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, der vor dem Bundessozialgericht entschiedene Sachverhalt sei mit dem hier vorliegenden vergleichbar.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 29.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, das BSG-Urteil sei bei Erstattungsansprüchen nicht einschlägig. Hierbei handele es sich um eine Frage des Arbeitsförderungsrechts und nicht des Rentenrechts.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Dem Gericht lag die über Frau C. geführte Leistungsakte des Arbeitsamtes Magdeburg mit der Stammnummer 123456789 vor.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht durfte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten haben sich zudem mit einer solchen Entscheidung einverstanden erklärt.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG. Die Zurückweisung des Klägers erfolgte für ein bestimmtes Verwaltungsverfahren. Dieses Verwaltungsverfahren hat sich durch den Abhilfebescheid der Beklagten vom 07.04.1998 erledigt. Dadurch trat auch in dem Verfahren der Zurückweisung des Klägers als Bevollmächtigter eine Erledigung ein. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes, weil die Entscheidung der Beklagten sich auf seinen Gebührenanspruch auswirkt und zudem Wiederholungsgefahr besteht.

Die Klage ist auch begründet.

Die Beklagte hat zu Unrecht den Kläger gemäß § 13 Abs. 5 SGB X als Bevollmächtigten von Frau C. zurückgewiesen.

Nach dieser Vorschrift sind Bevollmächtigte und Beistände zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgen, ohne dazu befugt zu sein.

Bei der Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.01.1998 handelt es sich um eine von dem Kläger geschäftsmäßig betriebene fremde Rechtsangelegenheit. Er hatte den Widerspruch in Ausübung seines Berufs als Rentenberater eingelegt. Hierzu war der Kläger auch befugt.

Eine Befugnis im Sinne des § 13 Abs. 5 Satz 1 SGB X ist gegeben, wenn eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) vorliegt und das Tätigwerden im Einzelfall auf die Erlaubnis gestützt werden kann. Das Tätigwerden des Klägers war durch die von dem Präsidenten des Landgerichts Gießen erteilte und auf Artikel I § 1 RBerG gestützte Erlaubnis gedeckt.

Nach dieser Vorschrift darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen, geschäftsmäßig - ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit - nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist. Dem Kläger ist insoweit die in Artikel 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Rechtsberatungsgesetz vorgesehene Teilerlaubnis als "Rentenberater" erteilt worden. Diese Teilerlaubnis erfasst grundsätzlich nicht eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Arbeitsförderungsrechts einschließlich der Arbeitslosenversicherung (vgl. BSG, SozR 3-1300 § 13 Nr. 4 m. w. N.).

Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings dann, wenn eine sogenannte "Annexkompetenz" vorliegt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 05.11.1998, Az.: B 11 AL 31/98 R). Eine solche Annexkompetenz ist dann gegeben, wenn die umstrittene Tätigkeit mit der eigentlichen Tätigkeit als Rentenberater in einem Zusammenhang steht, der so eng ist, dass ohne die umstrittene Tätigkeit die erlaubte Tätigkeit unmöglich gemacht oder unangemessen erschwert wäre und es sich zudem um eine HiIfs- bzw. Nebentätigkeit im Vergleich zur eigentlichen Hauptaufgabe handelt (vgl. BSG SozR 3-1300 § 13 Nrn. 3 und 4).

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen diese Voraussetzungen hier vor.

Zwischen dem Rentenverfahren der Frau C. und dem Verwaltungsverfahren der Beklagten besteht ein so enger Zusammenhang, dass dem Kläger ohne die umstrittene Tätigkeit die erlaubte Tätigkeit unangemessen erschwert wäre.

Der Bescheid der Beklagten 27.01.1998 beruht auf dem Rentenbescheid der LVA Sachsen-Anhalt.

Der Bescheid ist rechtswidrig, weil die Beklagte hierin von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Die Beklagte hat nicht erkannt, dass bereits in dem Rentenbescheid der LVA Sachsen-Anhalt für die Zeit vom 01. September 1997 bis 30. November 1997 in Anwendung des § 95 SGB VI das Arbeitslosengeld auf die Rente der Frau C. angerechnet wurde. Auf diesem Fehler, der seinen Ursprung im Rentenrecht hat, beruht der Bescheid der Beklagten vom 27.01.1998. Im Gegensatz zu der Auffassung der Beklagten steht damit ein rentenrechtlicher Aspekt im Vordergrund und nicht das Arbeitsförderungsrecht. Das Tätigwerden des Klägers im Verwaltungsverfahren der Beklagten stellt sich insoweit als Nebentätigkeit dar, die der Haupttätigkeit, der Vertretung in Rentensachen, untergeordnet ist und dieser dient.

Soweit der Kläger schließlich beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, seine Kosten unter analoger Anwendung des § 116 Abs. 1 BRAGO zu erstatten, wird darauf hingewiesen, dass eine solche Kostenentscheidung Gegenstand des von der Beklagten insoweit noch durchzuführenden Verwaltungsverfahren ist und daher nicht zusammen mit der hier erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage geltend gemacht werden kann. Ob Kosten zu erstatten sind, richtet sich nach § 63 SGB X. Gegenstand dieses Verfahrens ist demgegenüber allein die Frage, ob die Beklagte den Kläger als Bevollmächtigten gemäß § 13 SGB X zurückweisen durfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist gemäß § 143 SGG zulässig.
Rechtskraft
Aus
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