S 15 KR 155/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 15 KR 155/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 360/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 34/19 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Ein Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V für die Behandlung durch einen nicht zugelassenen Psychotherapeuten besteht nicht, da die selbstbeschaffte Leistung nicht zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
2. Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V besteht nur, wenn der Krankenkasse die rechtzeitige Leistungserbringung durch einen Vertragsbehandler als Sachleistung unmöglich war.
3. Der Versicherte muss alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan haben, um die Leistung auf dem Sachleistungswege zu erhalten. Er muss sich u.a. auch bei der Krankenkasse über die Möglichkeiten zur Sachleistungserbringung erkundigen.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung durch eine kassenärztlich nicht zugelassene Psychotherapeutin.

Der Kläger leidet an einer längeren depressiven Reaktion. Zudem besteht der Verdacht auf Vorliegen des Asperger Syndroms.

Mit E-Mail vom 21. Oktober 2015 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für die psychotherapeutische Behandlung bei der Diplom-Psychologin Frau D. Frau D. hat keine Kassenzulassung und betreibt eine Privatpraxis. In seiner E-Mail gab der Kläger an, er habe immer noch keinen Psychotherapeuten gefunden.

Mit E-Mail vom 23. Oktober 2015 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab, da Frau D. keine Kassenzulassung besitze. Zudem übersandte sie eine Liste mit zugelassenen Therapeuten in der Umgebung des Klägers sowie einen Link zur Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung, auf welcher Vertragstherapeuten abgerufen werden könnten. In dringenden Fällen sei ein Facharzt aufzusuchen und eine Krisenintervention durchzuführen.

Mit E-Mail vom 23. Oktober 2015 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er suche bereits seit Monaten erfolglos nach einem Therapeuten. Er sei nun bereits mehrfach zur Behandlung in der Praxis von Frau D. gewesen. Ein Neubeginn der Behandlung bei einem anderen Therapeuten sei der Genesung abträglich.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünde grundsätzlich nur ein Anspruch auf Kostenübernahme für Psychotherapeuten mit Kassenzulassung. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V scheitere zudem daran, dass es sich nicht um eine unaufschiebbare, nicht rechtzeitig erbrachte Leistung der Krankenkasse handele. Im Falle einer Behandlung aus dringenden medizinischen Gründen durch einen nicht zugelassenen Therapeuten könne dieser zudem direkt gegenüber der Krankenkasse abrechnen und die Vergütung nicht vom Versicherten verlangen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Über die Notfallbehandlung hinaus bestehe dann jedoch kein Anspruch auf weitere Vergütung. Im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen bestehe im Bereich der ärztlichen Psychotherapeuten und der psychologischen Psychotherapeuten für Erwachsene nach wie vor eine Überversorgung. Es müsse auch eine längere Anfahrt in Kauf genommen werden. Daher sei nicht von einer nicht rechtzeitig erbrachten Leistung der Beklagten auszugehen.

Hiergegen hat der Kläger am 25. April 2016 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, es habe ein Versorgungsmangel bestanden. Der Kläger habe sich bereits im Juni 2015 mit einer Vielzahl an zugelassenen Therapeuten in Verbindung gesetzt. Diese hätten die Behandlung jedoch abgelehnt. Auch seitens der Beklagten habe dem Kläger keine angemessene Behandlung vermittelt werden können. Ein Wechsel sei inzwischen aufgrund der bereits begonnenen Behandlung nicht mehr förderlich. Bei der Inanspruchnahme von Frau D. im Juli 2015 habe ein medizinischer Notfall vorgelegen. Der Kläger hat eine Liste von fünf namentlich benannten Psychotherapeuten vorgelegt, die er erfolglos kontaktiert habe. Zudem hat er mitgeteilt, er habe erfolglos versucht, mit 12 weiteren (nicht namentlich benannten) Praxen Kontakt aufzunehmen. Weitere Beweise habe er nicht gesichert, da er nicht mit einem Klageverfahren gerechnet habe. Auf die Angaben des Klägers auf Bl. 28 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid vom 23. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 aufzuheben
2. und der Beklagten aufzugeben, die dem Kläger im Rahmen der Behandlung durch Frau D. bislang entstandenen Kosten zu erstatten
3. sowie die Beklagte zu verpflichten, weiterhin die entstehenden Kosten der weiterführenden Behandlung des Klägers durch Frau D. zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides verwiesen.

Der Kläger hat einen Bericht von Frau D. vom 23. August 2016 vorgelegt. Darin hat Frau D. berichtet, der Kläger habe sich erstmals im Juli 2015 in ihre Behandlung begeben. Sie habe die Diagnosen "längere depressive Reaktion" und "VD auf Asperger Syndrom" gestellt. Der Kläger habe im Zeitpunkt der ersten Behandlung im Juli 2015 von einer sichtlich emotionalen Belastung und seinen psychischen und körperlichen Beschwerden berichtet. In seiner Schilderung hätten Gefühle von Überforderung, Hilflosigkeit und Kontrollverlust sowie depressive Stimmungen, Antriebsminderung und eine psychophysische Erschöpfung im Mittelpunkt gestanden. Sie habe einen verzweifelten, sichtlich depressiven und hilflosen Patienten mit deutlichen subsuizidalen Tendenzen erlebt. Im therapeutischen setting habe sich jedoch sehr bald eine positive Übertragung entwickelt.

Außerdem hat der Kläger einen Bericht des Diplom-Psychologen E. vorgelegt. Dieser hat mitgeteilt, der Kläger habe sich heute (der Bericht enthält kein genaues Datum, dürfte aber ungefähr im März 2017 erstellt worden sein) bei ihm vorgestellt. Er habe zwar einen freien Behandlungsplatz, eine Behandlung des Klägers verbiete sich jedoch aus folgenden Gründen: Die Kosten für eine Behandlung würden sich für die Krankenkasse erhöhen, weil die Fortführung einen Neuaufbau der therapeutischen Beziehung notwendig machen würde. Dies sei jedoch nicht möglich, weil die bestehende therapeutische Beziehung gut und eine Trennung vom Patienten nicht gewollt sei. Dem Kläger sei es nicht zuzumuten den Therapeuten zu wechseln. Es entstünde ein Schaden für den Kläger, der in einer Verunsicherung, Ablehnung und Frustration seiner Person bestehe. Zudem sei es einem Therapeuten nicht zuzumuten, einen Patienten zu behandeln, der bei seinem Behandler bleiben möchte.

Das Gericht hat die Therapeuten befragt, die der Kläger bezüglich seiner Therapeutensuche namentlich benannt hat. Die Diplom-Psychologin F. hat unter dem 4. Oktober 2016 mitgeteilt, der Kläger habe im Dezember 2015 bei ihr nach einem Therapieplatz gefragt. Sie habe einen solchen aber nicht anbieten können. Diplom-Psychologin G. hat auf Anfrage des Gerichts unter dem 6. Oktober 2016 mitgeteilt, die Versorgungssituation sei in der Region Lich stark angespannt. Dies gelte auch für ihre Praxis. Im Sommer 2015 habe die Wartezeit bei ihr bis zu 9 Monate betragen. Ob der Kläger einen Therapieplatz angefragt habe, könne sie nicht sagen, da dies nicht dokumentiert werde. Der Diplom-Psychologe J. hat unter dem 10. Oktober 2016 mitgeteilt, im Sommer 2015 habe bei ihm eine Wartezeit von etwa sechs Monaten bestanden. Er habe den Eindruck, dass es in der Region Lich und der Wetterau schwierig für einen Kassenpatienten sei, einen zeitnahen Termin zu erhalten. Dr. H. (Universitätsklinikum Gießen und Marburg) hat unter dem 13. Oktober 2016 mitgeteilt, er könne genaue Angaben zu Wartezeiten im niedergelassenen Bereich nicht machen. Allerdings hielten die Krankenkassen Psychotherapeutenlisten vor. Die Diplom-Psychologin K. hat unter dem 13. Dezember 2016 mitgeteilt, der Kläger habe sich erstmals im Januar 2016 an sie gewandt

Auf Anfrage des Gerichts hat zudem die Kassenärztliche Vereinigung Hessen unter dem 3. November 2016 Stellung genommen. Diese hat mitgeteilt, der Landkreis Gießen gelte hinsichtlich der im Jahr 2015 und 2016 vorhandenen Psychotherapeuten als überversorgt. Der Versorgungsgrad habe bei über 300 % gelegen. Im Jahr 2015 hätten sich im Landkreis Gießen knapp 90 psychotherapeutische Sitze oberhalb der Sperrung des Planungsbereichs befunden. Etwa die Hälfte der Psychotherapeuten im Landkreis Gießen lägen hinsichtlich der Behandlungsminuten unterhalb des hessischen Durchschnitts und wiesen daher statistisch gesehen freie Kapazitäten auf. In den Städten Lich, Hungen sowie Reiskirchen hätten die dort ansässigen 10 Psychotherapeuten leicht über dem hessischen Durchschnittswert gelegen. Einzelne Psychotherapeuten hätten jedoch statistisch gesehen freie Kapazitäten aufgewiesen. Insgesamt sei festzustellen, dass der Planungsbereich Gießen gut versorgt gewesen sei.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2018 (Beklagte) und vom 8. Februar 2018 (Kläger) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Auf die Anhörung des Gerichts vom 20. April 2018, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei, hat die Beklagte mit Schreiben vom 23. April 2018 ihr Einverständnis erklärt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 30. April 2018 mitgeteilt, der Kläger sei mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht einverstanden.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, denn die Sache weist keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist aufgrund der beigezogenen und vorgelegten Unterlagen sowie des Vorbringens der Beteiligten umfänglich geklärt. Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden und haben nichts vorgetragen, was einer Entscheidung nach § 105 SGG entgegenstehen würde. Die Beklagte hat sich mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt. Der Kläger hat mitgeteilt, mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei er nicht einverstanden. Er hat jedoch keinerlei Gründe vorgetragen, die einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenstehen. Das Gericht übt das ihm zustehende Ermessen daher für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid aus.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung bzw. Übernahme der Kosten für die psychotherapeutische Behandlung bei der kassenärztlich nicht zugelassenen Diplom-Psychologin Frau D.

Gemäß §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB V erbringt die Krankenkasse ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als Sach- bzw. Dienstleistung. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V können die Versicherten (nur) unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten frei wählen, wobei zugelassene Psychotherapeuten wie Ärzte an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V dürfen andere Ärzte in Notfällen in Anspruch genommen werden. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V können Versicherte anstelle der Sach- und Dienstleistung Kostenerstattung wählen (hierzu I.). Abgesehen davon können abweichend vom Sach- bzw. Dienstleistungsprinzip Kosten nur gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V erstattet werden, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht hat und dem Versicherten dadurch Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind (hierzu II.). Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten der Behandlung durch die Diplom-Psychologin Frau D. nicht zu erstatten.

I. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V scheidet aus, da der Kläger nicht die sogenannte Kostenerstattung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hat. Im Übrigen fehlte es an der gemäß § 13 Abs. 2 Satz 6 SGB V erforderlichen vorherigen Zustimmung der Beklagten.

II. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheidet aus, da die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nicht erfüllt sind. Die Beklagte hat weder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (hierzu 1.) noch eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht (hierzu 2.).

1. Voraussetzung einer Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 SGB ist, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Dann sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender primärer Sachleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist umgekehrt gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruches rechtswidrig abgelehnt hat und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn insoweit auch ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 3 KR 20/08 R -, Rn. 10, juris).

a) Hinsichtlich der vor der Antragstellung am 21. Oktober 2015 angefallenen Kosten besteht bereits kein Anspruch, da der Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Es fehlt an dem notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung. Voraussetzung für diesen Ursachenzusammenhang ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die Kostenbelastung des Versicherten wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruht. Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre, oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 3 KR 20/08 R -, Rn. 11, juris, m.w.N.). Der Kläger hat die Behandlung bei der Diplom-Psychologin D. bereits im Juli 2015 begonnen und erst im Oktober 2015 den Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Ein Ursachenzusammenhang scheidet daher mangels Vorbefassung der Krankenkasse für die bis zur Antragstellung angefallenen Kosten aus (vgl. ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. September 2015 - L 9 KR 343/14 -, Rn. 30, juris). Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankungssituation des Kläger so dringlich war, dass sich der Kläger nicht hätte vorab an die Beklagte wenden können (vgl. hierzu z.B. HLSG, Urteil vom 21. Oktober 2004 L 1 KR 554/01 -, Rn. 30, juris), sind nicht ersichtlich.

Zudem stellt sich die Frage, ob ein Anspruch auf Erstattung der Kosten insgesamt (vor und nach Antragstellung), bereits aufgrund einer Vorfestlegung des Klägers auf die Diplom-Psychologin D. ausscheidet. Eine solche würde den notwendigen Ursachenzusammenhang ebenfalls entfallen lassen. Denn mit seinem Widerspruch vom 23. Oktober 2015 hat der Kläger mitgeteilt, dass er aufgrund der bereits erfolgten Behandlung bei Frau D. einen Therapeutenwechsel als wenig sinnvoll ansehe. Zudem hat Herr E. im März 2017 berichtet, der Kläger wünsche keinen Behandlungswechsel. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da eine Kostenübernahme bereits aus den zuvor genannten sowie den nachfolgenden Gründen ausscheidet.

b) Denn es besteht auch hinsichtlich der Kosten insgesamt kein Anspruch nach der 2. Alternative des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, da die selbstbeschaffte Leistung nicht zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Denn der Kläger hat entgegen § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Behandlung bei einem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Behandler in Anspruch genommen (vgl. SG Duisburg, Urteil vom 24. Mai 2011 S 31 (11) KR 208/08 -, Rn. 25, juris). Gerade aus diesem Grund hat die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 23. Oktober 2015 abgelehnt.

2. Ein Fall der nicht rechtzeitigen Leistungserbringung bei unaufschiebbarer Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V) ist ebenso wenig gegeben. Eine unaufschiebbare Leistung, die durch die Beklagte nicht rechtzeitig erbracht worden wäre, liegt nicht vor. Unaufschiebbarkeit einer Behandlungsmaßnahme im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V liegt vor allem in den Notfällen im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, d. h. dann, wenn die Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar und der Versicherte daher auf die Hilfe eines Nichtvertragsarztes angewiesen ist. Ferner gehören dazu aber auch dringende Bedarfslagen, in denen eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Insbesondere betrifft § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V die Fälle des Systemversagens, der Systemstörungen oder Versorgungslücken (vgl. HLSG, Urteil vom 21. Oktober 2004 - L 1 KR 554/01 -, Rn. 26, juris).

a) Fraglich erscheint im vorliegenden Fall, wie dringlich die Behandlung des Klägers im Zeitpunkt der Aufnahme der Behandlung bei Frau D. im Juli 2015 sowie im weiteren Verlauf war. Diese hat in ihrem Befundbericht vom 23. August 2016 mitgeteilt, sie habe anfangs einen verzweifelten, sichtlich depressiven und hilflosen Patienten mit deutlichen subsuizidalen Tendenzen erlebt. Im therapeutischen setting habe sich jedoch sehr bald eine positive Übertragung entwickelt. Das tatsächliche Ausmaß der Erkrankung kann jedoch dahingestellt bleiben, da nicht davon auszugehen ist, dass die Beklagte eine notwendige Behandlung nicht rechtzeitig erbracht hat.

b) Eine Unmöglichkeit der Behandlung durch einen Vertragsarzt und damit die Unmöglichkeit der Beklagten hinsichtlich einer rechtzeitigen Leistungserbringung durch einen Vertragsbehandler als Sachleistung ist nicht feststellbar. Es kann nicht festgestellt werden, dass eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung stand, ein Fall des Systemversagens, der Systemstörung oder Versorgungslücken vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn kein anderer als ein außervertraglicher Leistungserbringer für die Behandlung zur Verfügung gestanden hätte (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 -, Rn. 29 ff., 33, juris). Nicht rechtzeitig erbracht hat die Krankenkasse die Leistung, wenn diese den Versicherten, obwohl sie alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan haben, um die Leistung auf dem Sachleistungswege zu erhalten, nicht in der - der Dringlichkeit - angemessenen Zeit (insofern sind neben medizinischen auch andere Gründe relevant) zuteilwurde. Die Fähigkeit der Kasse, auch unaufschiebbare Leistungen rechtzeitig zu erbringen, ist grundsätzlich nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Dass der Versicherte von der konkreten Leistungsmöglichkeit (subjektiv) keine Kenntnis hat (z. B. einen zugelassenen Leistungserbringer sucht, aber nicht findet), ist regelmäßig unerheblich, wenn und solange er sich, was seiner Obliegenheit entspricht, bei seiner Kasse nicht erkundigt hat (vgl. Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand 11/16, § 13, Rn. 50, m.w.N.).

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger alles nach den konkreten Umständen Erforderliche, Mögliche und Zumutbare getan hat, um die Leistung auf dem Sachleistungswege rechtzeitig zu erhalten. Zwar hat der Kläger angegeben, er habe sich vor Behandlungsbeginn mit einer Vielzahl an Praxen im weiteren Umkreis seines Wohnortes in Verbindung gesetzt, er habe jedoch keinen Behandlungstermin angeboten bekommen. Er hat eine Liste mit fünf von ihm kontaktierten Praxen vorgelegt. Auf Anfrage des Gerichts haben die Diplom-Psychologinnen F. und K. berichtet, der Kläger habe erstmalig im Dezember 2015 (Praxis F.) bzw. im Januar 2016 (Praxis K.) Kontakt aufgenommen. Die Behandlung bei Frau D. hat der Kläger jedoch bereits im Juli 2015 begonnen. Die Diplom-Psychologen G. und J. sowie die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Gießen (Dr. H.) haben bzw. konnten keine Angaben mehr dazu machen, ob sich der Kläger bei ihnen um einen Therapieplatz bemüht hat. Dass er sich bereits vor der Aufnahme der Behandlung bei Frau D. im Juli 2015 hinreichend um einen vertragsärztlichen Therapieplatz bemüht hat, lässt sich den Ermittlungen daher nicht entnehmen. Darüber hinaus bleiben die Angaben des Klägers sehr vage und er hat lediglich von einer Kontaktaufnahme mit 12 weiteren Praxen berichtet, ohne diese ausdrücklich zu benennen. Dass der Kläger weitere Beweise nicht vorlegen kann, weil er nicht mit einem Klageverfahren gerechnet hat, ändert nichts daran, dass der Kläger beweisbelastet ist und dies zu seinen Lasten geht. Überdies hat die Beklagte dem Kläger bereits unmittelbar auf seinen Antrag im Oktober 2015 eine Liste an potentiellen Psychotherapeuten geschickt sowie auf die Homepage der kassenärztlichen Vereinigung verwiesen. Auch im Klageverfahren hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sich über die kassenärztliche Vereinigung im Umkreis von 20 km um den Wohnort des Klägers insgesamt 176 psychologische Psychotherapeuten finden sowie 38 psychotherapeutisch tätige Ärzte. Dass der Kläger von allen genannten Therapeuten gegebenenfalls zum Zeitpunkt der Aufnahme der Behandlung bei Frau D. noch keine Kenntnis hatte, ist unschädlich. Denn bei objektiver Leistungsfähigkeit der Krankenkasse ist es unerheblich, ob der Versicherte davon keine Kenntnis hatte, solange er sich nicht bei seiner Krankenkasse erkundigt (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R -, Rn. 28, juris = BSGE 99, 180). Es reicht auch grundsätzlich, dass zugelassene Therapeuten für den Versicherten verfügbar und leistungsbereit sind. Sie auszuwählen, ist Sache des Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 9/05 R -, Rn. 16, juris).

Vielmehr ist von einer Leistungsfähigkeit der Beklagten auszugehen. Zwar haben die meisten der vom Kläger angegebenen und vom Gericht befragten Diplom-Psychologen mitgeteilt, die Versorgungssituation sei im Sommer 2015 angespannt gewesen. Einige haben Wartezeiten von mehreren Monaten mitgeteilt. Dass dies die allgemeine Situation war und dem Kläger daher kein Vertragstherapeut zur Verfügung stand, kann jedoch nicht festgestellt werden. Denn die kassenärztliche Vereinigung hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass in den Jahren 2015 und 2016 eine Überversorgung an Psychotherapeuten im Landkreis Gießen bestanden habe. Statistisch gesehen hätten auch hinsichtlich der Behandlungsminuten bei der Hälfte der Psychotherapeuten freie Kapazitäten bestanden. Auch in den höher belasteten Städten Lich, Hungen und Reiskirchen hätten einzelne Psychotherapeuten statistisch gesehen freie Kapazitäten gehabt.

Waren damit im Bezirk des Klägers ausreichend zugelassene Psychotherapeuten niedergelassen, die den Anspruch des Klägers im Wege der Dienst- und Sachleistung erfüllen konnten, bestand kein Anspruch auf Behandlung durch einen nicht zugelassenen Therapeuten mit anschließender Kostenerstattung. Der Kläger hat sich eines außerhalb des Systems stehenden Leistungserbringers bedient und ist daher auch für zukünftige Leistungen nicht schutzwürdig (vgl. ähnlich BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R -, Rn. 27, 35 juris). Darüber hinaus ist auch weiterhin von der Möglichkeit einer Leistungserbringung durch die Beklagte auszugehen. Dies zeigt auch die Stellungnahme des Diplom-Psychologen E., der von einem grundsätzlich bestehenden Behandlungsplatz berichtet hat. Zwar hat dieser auch angegeben, er halte einen Wechsel des Therapeuten für kostenintensiver als die Fortführung der Therapie bei der bisherigen Therapeutin. Dies ist jedoch kein entscheidungsrelevantes Kriterium, welches zu einer Kostenübernahme führen könnte. Darüber hinaus hat Herr E. mitgeteilt, es sei dem Kläger inzwischen nicht mehr zuzumuten, den Therapeuten zu wechseln, da er sich bei Frau D. gut behandelt fühle. Wenn dies doch geschehe, entstehe ein Schaden für den Kläger, der in einer Verunsicherung, Ablehnung und Frustration seiner Person bestehe. Darin sieht das Gericht bereits keine derart schweren Folgen, die einem Behandlungswechsel zwingend entgegenstehen. Zudem hat der Kläger diese Situation selbst mitverursacht, indem er sich in die Behandlung bei der kassenärztlich nicht zugelassenen Therapeutin begeben hat. Durch die Aufnahme der Behandlung im Juli 2015 bei Frau D. wurde dem Kläger eine Tür geöffnet, ohne dass jemand zugleich dafür einstehen konnte, dass die begonnene Behandlung auch auf Kosten der Krankenkasse erfolgen kann. Das System sieht lediglich eine Behandlung durch einen Vertragstherapeuten vor. Dem gegebenenfalls bestehenden subjektiven Gefühl des Klägers, dass ein Abbruch der Behandlung bei Frau D. und der Beginn einer Behandlung bei einem Vertragstherapeuten inzwischen nicht mehr möglich ist (vergleiche hierzu bereits die Angaben des Klägers im Rahmen seines Widerspruchs sowie die Angaben von Herrn E.), ist die Beklagte mit ihrem rechtmäßig ergangenen Ablehnungsbescheid begegnet. Ein rechtlich relevantes "Systemversagen" ist hierin nicht zu erblicken (vgl. ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. September 2015 - L 9 KR 343/14 -, Rn. 33, juris).

3. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen kommt auch bei Notfällen nicht in Betracht. Soweit Versicherte nicht zugelassene, approbierte Psychotherapeuten unmittelbar in Anspruch nehmen, weil sie auf Akutbehandlung angewiesen sind und ein zugelassener Leistungserbringer zumutbar nicht erreichbar ist, sind diese Psychotherapeuten nach § 76 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V auf Abrechnung aus der Gesamtvergütung verwiesen und können ihre Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen. Im Falle eines Notfalls ist auch der Therapeut nur auf die Notfallbehandlung beschränkt. Er darf die enge Ausnahmevorschrift des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGBV nicht als Einfallstor für umfangreiche Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nutzen (vgl. ähnlich BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 B 1 KR 24/05 R -, Rn. 27, 30 ff., juris). Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Unterliegen des Klägers.
Rechtskraft
Aus
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