Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 15 KR 67/18
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die in § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 der zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft geschlossenen Vereinbarung zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 c SGB V (PrüfvV bzw. PrüfVbg) geregelte Ausschlussfrist findet keine Anwendung im sozialgerichtlichen Verfahren (entgegen Bundessozialgericht, Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R). Für einen Ausschluss des Amtsermittlungsgrundsatz fehlt es - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des MDK-Reformgesetzes zum 1. Januar 2020 - an einer hinreichend klaren gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
Der Medizinische Dienst hat die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen bei dessen Abforderung konkret zu benennen und bei Anhaltspunkten für das Erfordernis weiterer prüfungsrelevanter Unterlagen diese nachzufordern.
Der Medizinische Dienst hat die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen bei dessen Abforderung konkret zu benennen und bei Anhaltspunkten für das Erfordernis weiterer prüfungsrelevanter Unterlagen diese nachzufordern.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 269,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent ab dem 1. März 2016 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 269,51 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung und insbesondere über die Anwendbarkeit einer Präklusionsregelung nach der zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der dem Spitzenverband der Krankenkassen abgeschlossenen Prüfverfahrensvereinbarung.
Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Dort befand sich in der Zeit vom 5. bis 11. Juni 2015 der bei der Beklagten versicherte O. (nachfolgend: Versicherter) in stationärer Behandlung.
Hierfür rechnete die Klägerin unter dem 7. Juli 2015 eine Leistung nach DRG F75D mit einer Hauptdiagnose "T82.4" (OPS Kode 8-853.3 - Hämofiltration intermittierend, Antikoagulation mit Heparin oder ohne Antikoagulation) in Höhe von insgesamt 3.228,81 Euro ab.
Die Beklagte beglich die Rechnung der Klägerin zunächst in voller Höhe. Sie beauftragte sodann den Medizinischen Dienst (MD) mit der Überprüfung des Behandlungsfalles. In diesem Zusammenhang wendete sich die Beklagte an die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 2015 wie folgt:
" die Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Begutachtung entsprechend § 275 SGB V. Dabei wurde(n) folgende Frage(n) gestellt:
Bestand die Notwendigkeit der vollstationären KH – Behandlung nach § 39 SGB V für die gesamte Dauer vom bis ) Die Patientendaten lassen vermuten, dass die Behandlung im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 1 SGB V durch Straffung der Organisation hätte verkürzt werden können. Grund der Annahme: Straffung Ablauf
Ist die DRG korrekt?
Die Hauptdiagnose, Nebendiagnose und Prozeduren sind im Zusammenhang unplausibel.
Wir bitten um Übermittlung folgender zu Beantwortung der Frage(n) relevanter Unterlagen:
Krankenhausbericht(e)
Abzüge aus der Krankenakte über den stationären Aufenthalt (Pflegebericht Fieberkurve)
Ärztlicher Verlaufsbericht
Laborbericht(e)
Operationsbericht (Interventionsberichte)
Sollten aus Ihrer Sicht zusätzliche abrechnungs- und/oder verweildauerbegründende Unterlagen für die Begutachtung sinnvoll sein, dann bitten wir um ergänzende Vorlage.
Sollte innerhalb von 4 Wochen kein bzw. ein unvollständiger Befundeingang zu verzeichnen sein, wird der Auftrag an die Krankenkasse unerledigt zurückgegeben ".
In seiner Stellungnahme vom 4. Januar 2016 kam der MD zu dem Ergebnis, dass die Aufnahme des Versicherten wegen einer Dislokation des Vorhofkatheders bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz erfolgte. Die Hauptdiagnose "T82.4" (Mechanische Komplikation durch Gefäßkatheder bei Dialyse) sei korrekt. Die Prozedur "8-853.3" [Hämofiltration: intermittierend, Antikoagulation mit Heparin oder ohne Antikoagulation] könne jedoch nicht abgerechnet werden, da für den 5. Juni 2015 kein Dialyseprotokoll vorgelegen habe. Seine Beurteilung habe er unter anderem auf den Krankenhausentlassungsbericht, die Fieberkurve, die Laborberichte, den Operationsbericht und den Pflegebericht gestützt.
Daraufhin forderte die Beklagte von der Klägerin einen Betrag in Höhe von 269,51 Euro zurück. Diesen Betrag rechnete die Beklagte am mit anderen unstreitigen Vergütungsforderungen der Klägerin für die Behandlung anderer Versicherter auf.
Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 21. Januar 2016. Sie geht davon aus, dass der Gutachter bzw. die Gutachterin des MD nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen korrekt ausgewertet habe. Sie ist der Auffassung, dass zu der fraglichen Therapie alle Dokumentationsunterlagen vorgelegen habe. Die Klägerin bat um erneute Prüfung.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2016 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) eindeutige Regelungen über die Möglichkeiten einer Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen der Krankenhausrechnung sowie zur Übermittlung von Unterlagen an den MD(K) innerhalb von vier Wochen während des laufenden Prüfverfahrens enthalte. Nachträgliche Datenkorrekturen seien daher außerhalb des Prüfverfahrens ausgeschlossen. Eine nachträgliche Vorlage weiterer die Rechnung begründender Unterlagen außerhalb des Prüfverfahrens rechtfertige keinen nachträglichen Vergütungsanspruch, auch nicht im gerichtlichen Verfahren. Der Fall sei für die Beklagte abgeschlossen.
In der Epikrise vom 1. Juli 2015 schilderten die behandelnden Ärzte unter anderem, einen dialysepflichtigen Patienten aufgenommen zu haben. Dem Pflegebericht ist unter anderem für den 5. Juni 2015 Folgendes zu entnehmen: " Pat hat einen Dialysekatheder erhalten und hat heute andialysiert-) hat seine erste Dialyse gut vertragen ist im Zimmer mobil ".
Die Klägerin hat am 5. April 2018 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben.
Mit der Befundanforderung der Beklagten unter dem 24. Juli 2017 habe die Klägerin der Beklagten alle Unterlagen, die für die Beurteilung relevant waren, zur Verfügung gestellt, einschließlich aller Dialyseprotokolle, so auch das Dialyseprotokoll vom 5. Juni 2015.
Mit der Klageschrift hat die Klägerin eine Checkliste zur Befundanforderung vom 24. Juli 2015 als Anlage "K4", wonach ein Kreuz bei Dialyseprotokollen gesetzt war, sowie das Dialyseprotokoll vom 5. Juni 2015 als Anlage "K5" zur Gerichtsakte vorgelegt. Der Gutachter/die Gutachterin des Sozialmedizinischen Dienstes hätte bei Feststellung des Fehlens eines Dialyseprotokolls dieses von der Klägerin ausdrücklich anfordern müssen. Zudem ergebe sich aus der Epikrise und dem Pflegebericht, dass eine Dialyse durchgeführt worden war. Eine Ausschlussfrist greife bereits tatbestandlich nicht, da der MD die Patientenunterlagen, die er zur Prüfung der Rechnung benötige konkret bezeichnen müsse.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 269,51 Euro nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 1. März 2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hätte die zur Begründung der Rechnung relevanten Unterlagen, sprich die Dialyseprotokolle, von sich aus einreichen müssen. Eine spätere Vorlage sei nicht mehr zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus der für die Beklagte verbindlichen Prüfverfahrensvereinbarung.
In einem nichtöffentlichen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 28. August 2020 haben die Beteiligten festgehalten, dass die Abrechnung der Klägerin gegenüber der Beklagten der Höhe nach auch im Übrigen (269,51 Euro) richtig gewesen wäre, wenn die Beklagte von einer zulänglichen Dokumentation der Durchführung der Dialyse am 5. Juni 2015 ausgegangen wäre.
Die Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie der Patientenakte des Versicherten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgang und der Patientenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten entscheiden, nachdem die Beteiligten in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind, und im Termin zur mündlichen Verhandlung keiner der Beteiligten erschienen ist, §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
1.
Zulässige Klageart ist die Leistungsklage, § 54 Abs. 5 SGG (stRspr, siehe ua. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 57/12 R; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 1/07 KR R, BSGE 102, 172; Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 24/08 R, BSGE 104, 15). Die Klägerin ist als Trägerin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) zugelassenen Krankenhauses klagebefugt.
Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung einen Anspruch auf die abgerechnete und von der Beklagten bereits gezahlten Vergütung in Höhe von 2.959,10 Euro (Differenz aus der Gesamtforderung [3.228,61 Euro] und der Klageforderung [269,51 Euro]) hatte; eine nähere Prüfung erübrigt sich insoweit (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 57/12 R; BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - B 1 KR 16/12 R; Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 14/11 R; Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 57/12 R). Ebenfalls unstreitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe der zu vergütenden Leistung (269,51 Euro) für den Fall rechtzeitiger und vollständiger Einreichung aller Unterlagen im Prüfverfahren. Das ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift zum Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 28. August 2020.
2.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Vergütung weiterer Leistungen in tenorierter Höhe.
a) Die Anspruchsgrundlage für die Vergütung der erbrachten Leistung ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) i.V. § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der Anlage 1 Teil a Fallpauschalenkatalog der jeweils anwendbaren G-DRG-Version sowie dem einschlägigen Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V für das Land Sachsen-Anhalt.
Die Vergütung für die Krankenhausbehandlung von Versicherten bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Dieser Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen (FPV)) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-&8203;Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG.
Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist dem Grunde nach entstanden; dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 R; Urteil vom 19. April 2016 - B 1 KR 34/15 R; Urteil vom 19. Juni 2018 - B 1 KR 32/17 R; Urteil vom 11. September 2018 - B 1 KR 36/17 R).
b) Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch eine Aufrechnung der Beklagte erloschen. Die Aufrechnung war unwirksam.
aa) Der Klägerin hätte ein Vergütungsanspruch nebst Zinsen nicht zugestanden, wenn die Beklagte für ihre - im Übrigen wirksame - Aufrechnung nach § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog einen öffentlich-&8203;rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 269,51 Euro als Gegenforderung hatte (vgl. zur Aufrechnung BSG, Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 4/10 R; Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 R; Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 9/16 R; Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 7/16 R; Urteil vom 8. Oktober 2019 B 1 KR 2/19 R). Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren zwar gegenseitig und gleichartig, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar. Der Beklagten steht jedoch als Grundlage für ihre Gegenforderung kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 269,51 Euro zu, denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte in der streitigen Höhe nicht ohne Rechtsgrund.
Zwar war die Beklagte berechtigt, eine sogenannte Auffälligkeitsprüfung einzuleiten, da die Beklagte mit Schreiben an die Klägerin vom 22. Juli 2015 eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistung bzw. Korrektheit der Abrechnung nach § 275 Abs. 1c SGB V ankündigte. Jedoch ist der nach § 7 Abs. 2 Satz 4 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) festgelegte Ausschluss für ein Nachreichen von prüfungsrelevanten Unterlagen spätestens im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (dd)).
Die PrüfvV ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem GKV-Spitzenverband einerseits und der DKG andererseits, die sich auf § 275 Abs. 1c SGB V a.F., § 17c KHG stützt. Für den hier vorliegenden Sachverhalt ist die PrüfvV aus dem Jahr 2014 zugrunde zu legen.
Nach § 7 Abs. 2 S. 2 PrüfvV (2014) kann der MD bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen dann innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MD zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag, § 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 PrüfvV (2014).
bb) Das Gericht geht davon aus, dass aus den unstreitig zur Prüfung durch den Sozialmedizinischen Dienst vorliegenden Unterlagen bereits ausreichend hervorgeht, dass (auch) am 5. Juni 2015 bei dem Versicherten eine Dialyse durchgeführt worden war.
Dass es sich bei dem Versicherten um einen dialysepflichtigen Patienten handelte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Spätestens aus dem Pflegebericht, der dem Sozialmedizinischen Dienst für das Prüfverfahren vorgelegen hat, ergibt sich die Durchführung einer Dialyse. Die Klägerin hat damit alle Unterlagen zum Nachweis der rechnungsbegründenden Tatsachen bereits während des Prüfverfahrens vorgelegt. Für seine Einschätzung beruft sich der MD sogar auf den Pflegebericht. Sollte die Gutachterin oder der Gutachter einen weiteren Nachweis für die Durchführung der Dialyse bei der Versicherten als erforderlich erachten, hätte die Beklagte ein Protokoll ausdrücklich abfordern müssen. Ob dieses Dialyseprotokoll bereits zum Prüfverfahren vorgelegen hat, ergibt sich aus den dem Gericht vorgelegten Unterlagen nicht. Die sogenannte Checkliste der Klägerin vom 24. Juli 2015 (Anlage "K4"), auf welchem das Dialyseprotokoll als versandte Unterlagen vermerkt war, genügt einem dem gerichtlichen Überprüfungsverfahren standhaltenden Nachweis nicht. Eine Nachforderung des Dialyseprotokolls für den 5. Juni 2015 durch die Beklagte oder den MD ist unterblieben.
cc) Bereits die Abforderung der Unterlagen mit Schreiben vom 24. Juli 2020 genügt den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Prüfung nicht. Der MD hat die erforderlichen Unterlagen konkret zu bezeichnen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. November 2019 - L 16 KR 929/16; Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 25. Mai 2020 - S 48 KR 1115/17). Die Beklagte hat hier für die Prüfung lediglich die prüfungsrelevanten Unterlagen erbeten. Das ist zu allgemein gehalten. Zwar § 7 PrüfvV nachvollziehbar nicht vor, welche Unterlagen prüfungsrelevant sind, weil die Prüfungsrelevanz vom Einzelfall abhängig ist. Stellt jedoch der MD im Prüfverfahren fest, dass ein bestimmter Nachweis nicht vorliegt, ist er nach Auffassung des Gerichts verpflichtet, diesen Nachweis bei der Klägerin ausdrücklich zu erfragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die vorgelegten Unterlagen, wie hier dem Pflegebericht, Anhaltspunkte für einen entsprechenden Ressourcenverbrauch bieten. Der Leistungserbringer - hier die Klägerin - kann dann nicht darauf verwiesen werden, dass sie mit ihrem Vorbringen verspätet ist.
dd) Im Übrigen sieht das Gericht in der Prüfverfahrensvereinbarung (2014) keine auf das gerichtliche Verfahren durchgreifende materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Entgegen der Auffassung des Hessischen LSG (Urteil vom 28. Mai 2020 - L 8 KR 221/18), des LSG Baden-Württemberg (Urteile vom 17. April 2018 - L 11 KR 936/17 und vom 21. Januar 2020 - L 11 KR 1437/19) sowie Hessisches LSG (Urteil vom 28. Mai 2020 - L 8 KR 221/18).
In einem obiter dictum hat das BSG ausgeführt (Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R):
" Während etwa § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 der zwischen dem GKV-Spitzenverband und der DKG geschlossenen, am 1. September 2014 in Kraft getretenen Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V aufgrund hinreichender Ermächtigung [ ] mit der Vergütungsbegrenzung auf das Unstreitige eine wirksame, verhältnismäßige und spezielle materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthält (zutreffend etwa LSG Baden Württemberg Urteil vom 17. April 2018 - L 11 KR 936/17 [ ]) ".
Dem schließt sich die Kammer nicht an.
Die Regelung des § 7 Abs. 2 S. 3 und 4 PrüfvV (2014) einer Ausschlussfrist, findet keine Anwendung im gerichtlichen Verfahren, da sie sich nicht hinreichend auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen lässt. § 17c Abs. 2 KHG (in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung) reicht jedenfalls nicht so weit, als dass in der PrüfvV auch eine auch für das gerichtliche Verfahren geltende materiell-rechtliche Ausschlussfrist hätte geregelt werden dürfen. Für das sozialgerichtliche Verfahren gilt die Untersuchungsmaxime. Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen, § 103 Satz 1 SGG. Die verpflichtende Amtsermittlung kann nicht durch eine vertragliche Vereinbarung von Spitzenverbänden abbedungen werden. Der Amtsermittlungsgrundsatz im gerichtlichen Verfahren ist für die Beteiligten schon deshalb von hoher Bedeutung, weil den Abrechnungsstreitigkeiten in der Gesetzlichen Krankenversicherung ein vorgeschaltetes, dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegendes, Vorverfahren fremd ist (BSG, Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R). Nunmehr hat der Gesetzgeber m.W.v. 1. Januar 2020 durch das Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen vom 14. Dezember 2019 (MDK-Reformgesetz, (BGBl. I 2019, 2789 ff.) ein Erörterungsverfahren gesetzlich geregelt (vgl. Wölk, PflR 2020, 406ff.).
§ 17c Abs. 2 Satz 1 KHG ermächtigt dem Wortlaut nach zu einer Vereinbarung über das "Nähere zum Prüfverfahren", die auch abweichende Regelungen zu § 275 Abs. 1c KHG zulässt. In dem konkretisierenden Satz 2 werden beispielhaft - und nicht abschließend - einzelne Regelungspunkte benannt: den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MD der Krankenversicherung, den Zeitpunkt der Beauftragung des MD der Krankenversicherung, die Prüfungsdauer, den Prüfungsort und die Abwicklung von Rückforderungen. Eine beispielhafte Aufzählung berechtigt jedenfalls nicht, über die die Ermächtigungsgrundlage hinaus Vereinbarungen zu treffen. § 17c Abs. 2 KHG a.F. ermächtigt zu Vereinbarungen hinsichtlich des Prüfverfahrens selbst, nicht jedoch zu Vereinbarungen über das Ende des Prüfverfahrens hinaus; etwa über die Folgen bei fehlenden oder verspätet eingereichter Unterlagen. Eine Zulässigkeit der Vereinbarung einer Ausschlussfrist in der PrüfvV a.F. resultiert gerade nicht aus dem Umstand, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 17c KHG eine Regelung im Gleichordnungsverhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern trifft (entgegen Hessisches LSG, Urteil vom 28. Mai 2019 - L 8 KR 221/18). Wegen der weitreichenden Konsequenzen (u.a. Insolvenzrisiko) bedarf es hier einer zumindest einfach-gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber kann dies nicht in die Hände der Spitzenverbände delegieren. Daher bedarf eine Präklusion einer klaren, zweifelsfreien normativen Regelung.
Mit Wirkung vom 1. Januar 2020 hat der Gesetzgeber durch das MDK-Reformgesetz § 275 Abs. 1c SGB V aufgehoben, eine umfassendere Regelung mit § 275c SGB V geschaffen (u.a. Durchführung von Erörterungen) und eine Präklusionsregelung in § 17c KHG aufgenommen. Dort heißt es in § 17c Abs. 2b Satz 3 KHG: " Einwendungen und Tatsachenvortrag in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Krankenhausabrechnung können im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht werden, wenn sie im Rahmen der Erörterung nach Satz 1 nicht innerhalb der in der Verfahrensregelung nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 vorgesehenen Frist, deren Lauf frühestens mit dem Inkrafttreten der Verfahrensregelung beginnt, schriftlich oder elektronisch gegenüber der anderen Partei geltend gemacht worden sind, und die nicht fristgemäße Geltendmachung auf von der Krankenkasse oder vom Krankenhaus zu vertretenden Gründen beruht.". Ob diese Norm verfassungskonform ist, kann dahinstehen, da der streitgegenständliche Zeitraum vor dem Inkrafttreten des MDK-Reformgesetzes liegt.
c) Eine Verjährung oder Verwirkung der Forderung ist nicht eingewandt worden. Sie ist auch nicht eingetreten.
Vergütungsansprüche der Krankenhäuser für die Behandlung Versicherter unterliegen der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährung (stRspr; vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 R; Urteil vom 9. April 2019 - B 1 KR 5/19 R; Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 10/19 R). Dies gilt grundsätzlich auch für eine Nachforderung, die das Krankenhaus geltend macht (BSG, Urteil vom 19. April 2016 - B 1 KR 33/15 R). Die Verjährung beginnt entsprechend § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist, und war bei Klageerhebung am 5. April 2018 noch nicht abgelaufen. § 109 Abs. 5 SGB V ist erst zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten (Art. 14 Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz vom 11. Dezember 2018, BGBl. I, 2394) und kommt für dieses seit dem 5. April 2018 rechtshängige Verfahren nicht zur Anwendung. Nach § 109 Abs. 5 SGB V verjährt der Anspruch in zwei Jahren, also nach der Erklärung der Verrechnung durch die Beklagte. Die Übergangsregelung des § 325 SGB V ist unbeachtlich, da der Anspruch vor dem 1. November 2018 gerichtlich geltend gemacht worden war (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 10/19 R).
3.
Der Zinsanspruch ab dem 1. März 2016 begründet sich aus § 69 SGB V i.V.m. §§ 291, 288 Abs. 1, 2 BGB (BSG, Urteil vom 15. November 2007 - B 3 KR 1/07 R; Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R). Ab dem 1. März 2016 befindet sich die Beklagte im Verzug, § 288 BGB, da die Aufrechnung am 29. Februar 2016 erfolgt war. Dem Zinsanspruch steht § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung Land Sachsen-Anhalt nach § 112 SGB V nicht entgegen.
Nach alledem hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütung in Höhe von 269,51 Euro.
II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
III.
Die Berufung war zuzulassen. Der Beschwerdewert liegt unter 750,00 Euro, so dass die Berufung nicht von Gesetzes wegen zulässig ist, § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Frage, ob § 7 PrüfvV eine zulässige materiell-rechtliche Ausschlussfrist auch für das sozialgerichtliche Verfahren beinhaltet, ist abschließend höchstrichterlich nicht entschieden. Derzeit ist ein Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht zu dem Aktenzeichen B 1 KR 24/20 R (vorher: Hessisches LSG, Urteil vom 28. Mai 2020 - L 8 KR 221/18) anhängig.
IV.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 S 1, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 269,51 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung und insbesondere über die Anwendbarkeit einer Präklusionsregelung nach der zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der dem Spitzenverband der Krankenkassen abgeschlossenen Prüfverfahrensvereinbarung.
Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Dort befand sich in der Zeit vom 5. bis 11. Juni 2015 der bei der Beklagten versicherte O. (nachfolgend: Versicherter) in stationärer Behandlung.
Hierfür rechnete die Klägerin unter dem 7. Juli 2015 eine Leistung nach DRG F75D mit einer Hauptdiagnose "T82.4" (OPS Kode 8-853.3 - Hämofiltration intermittierend, Antikoagulation mit Heparin oder ohne Antikoagulation) in Höhe von insgesamt 3.228,81 Euro ab.
Die Beklagte beglich die Rechnung der Klägerin zunächst in voller Höhe. Sie beauftragte sodann den Medizinischen Dienst (MD) mit der Überprüfung des Behandlungsfalles. In diesem Zusammenhang wendete sich die Beklagte an die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 2015 wie folgt:
" die Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Begutachtung entsprechend § 275 SGB V. Dabei wurde(n) folgende Frage(n) gestellt:
Bestand die Notwendigkeit der vollstationären KH – Behandlung nach § 39 SGB V für die gesamte Dauer vom bis ) Die Patientendaten lassen vermuten, dass die Behandlung im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 1 SGB V durch Straffung der Organisation hätte verkürzt werden können. Grund der Annahme: Straffung Ablauf
Ist die DRG korrekt?
Die Hauptdiagnose, Nebendiagnose und Prozeduren sind im Zusammenhang unplausibel.
Wir bitten um Übermittlung folgender zu Beantwortung der Frage(n) relevanter Unterlagen:
Krankenhausbericht(e)
Abzüge aus der Krankenakte über den stationären Aufenthalt (Pflegebericht Fieberkurve)
Ärztlicher Verlaufsbericht
Laborbericht(e)
Operationsbericht (Interventionsberichte)
Sollten aus Ihrer Sicht zusätzliche abrechnungs- und/oder verweildauerbegründende Unterlagen für die Begutachtung sinnvoll sein, dann bitten wir um ergänzende Vorlage.
Sollte innerhalb von 4 Wochen kein bzw. ein unvollständiger Befundeingang zu verzeichnen sein, wird der Auftrag an die Krankenkasse unerledigt zurückgegeben ".
In seiner Stellungnahme vom 4. Januar 2016 kam der MD zu dem Ergebnis, dass die Aufnahme des Versicherten wegen einer Dislokation des Vorhofkatheders bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz erfolgte. Die Hauptdiagnose "T82.4" (Mechanische Komplikation durch Gefäßkatheder bei Dialyse) sei korrekt. Die Prozedur "8-853.3" [Hämofiltration: intermittierend, Antikoagulation mit Heparin oder ohne Antikoagulation] könne jedoch nicht abgerechnet werden, da für den 5. Juni 2015 kein Dialyseprotokoll vorgelegen habe. Seine Beurteilung habe er unter anderem auf den Krankenhausentlassungsbericht, die Fieberkurve, die Laborberichte, den Operationsbericht und den Pflegebericht gestützt.
Daraufhin forderte die Beklagte von der Klägerin einen Betrag in Höhe von 269,51 Euro zurück. Diesen Betrag rechnete die Beklagte am mit anderen unstreitigen Vergütungsforderungen der Klägerin für die Behandlung anderer Versicherter auf.
Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 21. Januar 2016. Sie geht davon aus, dass der Gutachter bzw. die Gutachterin des MD nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen korrekt ausgewertet habe. Sie ist der Auffassung, dass zu der fraglichen Therapie alle Dokumentationsunterlagen vorgelegen habe. Die Klägerin bat um erneute Prüfung.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2016 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) eindeutige Regelungen über die Möglichkeiten einer Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen der Krankenhausrechnung sowie zur Übermittlung von Unterlagen an den MD(K) innerhalb von vier Wochen während des laufenden Prüfverfahrens enthalte. Nachträgliche Datenkorrekturen seien daher außerhalb des Prüfverfahrens ausgeschlossen. Eine nachträgliche Vorlage weiterer die Rechnung begründender Unterlagen außerhalb des Prüfverfahrens rechtfertige keinen nachträglichen Vergütungsanspruch, auch nicht im gerichtlichen Verfahren. Der Fall sei für die Beklagte abgeschlossen.
In der Epikrise vom 1. Juli 2015 schilderten die behandelnden Ärzte unter anderem, einen dialysepflichtigen Patienten aufgenommen zu haben. Dem Pflegebericht ist unter anderem für den 5. Juni 2015 Folgendes zu entnehmen: " Pat hat einen Dialysekatheder erhalten und hat heute andialysiert-) hat seine erste Dialyse gut vertragen ist im Zimmer mobil ".
Die Klägerin hat am 5. April 2018 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben.
Mit der Befundanforderung der Beklagten unter dem 24. Juli 2017 habe die Klägerin der Beklagten alle Unterlagen, die für die Beurteilung relevant waren, zur Verfügung gestellt, einschließlich aller Dialyseprotokolle, so auch das Dialyseprotokoll vom 5. Juni 2015.
Mit der Klageschrift hat die Klägerin eine Checkliste zur Befundanforderung vom 24. Juli 2015 als Anlage "K4", wonach ein Kreuz bei Dialyseprotokollen gesetzt war, sowie das Dialyseprotokoll vom 5. Juni 2015 als Anlage "K5" zur Gerichtsakte vorgelegt. Der Gutachter/die Gutachterin des Sozialmedizinischen Dienstes hätte bei Feststellung des Fehlens eines Dialyseprotokolls dieses von der Klägerin ausdrücklich anfordern müssen. Zudem ergebe sich aus der Epikrise und dem Pflegebericht, dass eine Dialyse durchgeführt worden war. Eine Ausschlussfrist greife bereits tatbestandlich nicht, da der MD die Patientenunterlagen, die er zur Prüfung der Rechnung benötige konkret bezeichnen müsse.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 269,51 Euro nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 1. März 2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hätte die zur Begründung der Rechnung relevanten Unterlagen, sprich die Dialyseprotokolle, von sich aus einreichen müssen. Eine spätere Vorlage sei nicht mehr zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus der für die Beklagte verbindlichen Prüfverfahrensvereinbarung.
In einem nichtöffentlichen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 28. August 2020 haben die Beteiligten festgehalten, dass die Abrechnung der Klägerin gegenüber der Beklagten der Höhe nach auch im Übrigen (269,51 Euro) richtig gewesen wäre, wenn die Beklagte von einer zulänglichen Dokumentation der Durchführung der Dialyse am 5. Juni 2015 ausgegangen wäre.
Die Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie der Patientenakte des Versicherten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgang und der Patientenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten entscheiden, nachdem die Beteiligten in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind, und im Termin zur mündlichen Verhandlung keiner der Beteiligten erschienen ist, §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
1.
Zulässige Klageart ist die Leistungsklage, § 54 Abs. 5 SGG (stRspr, siehe ua. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 57/12 R; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 1/07 KR R, BSGE 102, 172; Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 24/08 R, BSGE 104, 15). Die Klägerin ist als Trägerin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) zugelassenen Krankenhauses klagebefugt.
Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung einen Anspruch auf die abgerechnete und von der Beklagten bereits gezahlten Vergütung in Höhe von 2.959,10 Euro (Differenz aus der Gesamtforderung [3.228,61 Euro] und der Klageforderung [269,51 Euro]) hatte; eine nähere Prüfung erübrigt sich insoweit (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 57/12 R; BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - B 1 KR 16/12 R; Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 14/11 R; Urteil vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 57/12 R). Ebenfalls unstreitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe der zu vergütenden Leistung (269,51 Euro) für den Fall rechtzeitiger und vollständiger Einreichung aller Unterlagen im Prüfverfahren. Das ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift zum Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 28. August 2020.
2.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Vergütung weiterer Leistungen in tenorierter Höhe.
a) Die Anspruchsgrundlage für die Vergütung der erbrachten Leistung ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) i.V. § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der Anlage 1 Teil a Fallpauschalenkatalog der jeweils anwendbaren G-DRG-Version sowie dem einschlägigen Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V für das Land Sachsen-Anhalt.
Die Vergütung für die Krankenhausbehandlung von Versicherten bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Dieser Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen (FPV)) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-&8203;Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG.
Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist dem Grunde nach entstanden; dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 R; Urteil vom 19. April 2016 - B 1 KR 34/15 R; Urteil vom 19. Juni 2018 - B 1 KR 32/17 R; Urteil vom 11. September 2018 - B 1 KR 36/17 R).
b) Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch eine Aufrechnung der Beklagte erloschen. Die Aufrechnung war unwirksam.
aa) Der Klägerin hätte ein Vergütungsanspruch nebst Zinsen nicht zugestanden, wenn die Beklagte für ihre - im Übrigen wirksame - Aufrechnung nach § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog einen öffentlich-&8203;rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 269,51 Euro als Gegenforderung hatte (vgl. zur Aufrechnung BSG, Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 4/10 R; Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 R; Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 9/16 R; Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 7/16 R; Urteil vom 8. Oktober 2019 B 1 KR 2/19 R). Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren zwar gegenseitig und gleichartig, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar. Der Beklagten steht jedoch als Grundlage für ihre Gegenforderung kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 269,51 Euro zu, denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte in der streitigen Höhe nicht ohne Rechtsgrund.
Zwar war die Beklagte berechtigt, eine sogenannte Auffälligkeitsprüfung einzuleiten, da die Beklagte mit Schreiben an die Klägerin vom 22. Juli 2015 eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistung bzw. Korrektheit der Abrechnung nach § 275 Abs. 1c SGB V ankündigte. Jedoch ist der nach § 7 Abs. 2 Satz 4 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) festgelegte Ausschluss für ein Nachreichen von prüfungsrelevanten Unterlagen spätestens im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (dd)).
Die PrüfvV ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem GKV-Spitzenverband einerseits und der DKG andererseits, die sich auf § 275 Abs. 1c SGB V a.F., § 17c KHG stützt. Für den hier vorliegenden Sachverhalt ist die PrüfvV aus dem Jahr 2014 zugrunde zu legen.
Nach § 7 Abs. 2 S. 2 PrüfvV (2014) kann der MD bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen dann innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MD zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag, § 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 PrüfvV (2014).
bb) Das Gericht geht davon aus, dass aus den unstreitig zur Prüfung durch den Sozialmedizinischen Dienst vorliegenden Unterlagen bereits ausreichend hervorgeht, dass (auch) am 5. Juni 2015 bei dem Versicherten eine Dialyse durchgeführt worden war.
Dass es sich bei dem Versicherten um einen dialysepflichtigen Patienten handelte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Spätestens aus dem Pflegebericht, der dem Sozialmedizinischen Dienst für das Prüfverfahren vorgelegen hat, ergibt sich die Durchführung einer Dialyse. Die Klägerin hat damit alle Unterlagen zum Nachweis der rechnungsbegründenden Tatsachen bereits während des Prüfverfahrens vorgelegt. Für seine Einschätzung beruft sich der MD sogar auf den Pflegebericht. Sollte die Gutachterin oder der Gutachter einen weiteren Nachweis für die Durchführung der Dialyse bei der Versicherten als erforderlich erachten, hätte die Beklagte ein Protokoll ausdrücklich abfordern müssen. Ob dieses Dialyseprotokoll bereits zum Prüfverfahren vorgelegen hat, ergibt sich aus den dem Gericht vorgelegten Unterlagen nicht. Die sogenannte Checkliste der Klägerin vom 24. Juli 2015 (Anlage "K4"), auf welchem das Dialyseprotokoll als versandte Unterlagen vermerkt war, genügt einem dem gerichtlichen Überprüfungsverfahren standhaltenden Nachweis nicht. Eine Nachforderung des Dialyseprotokolls für den 5. Juni 2015 durch die Beklagte oder den MD ist unterblieben.
cc) Bereits die Abforderung der Unterlagen mit Schreiben vom 24. Juli 2020 genügt den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Prüfung nicht. Der MD hat die erforderlichen Unterlagen konkret zu bezeichnen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. November 2019 - L 16 KR 929/16; Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 25. Mai 2020 - S 48 KR 1115/17). Die Beklagte hat hier für die Prüfung lediglich die prüfungsrelevanten Unterlagen erbeten. Das ist zu allgemein gehalten. Zwar § 7 PrüfvV nachvollziehbar nicht vor, welche Unterlagen prüfungsrelevant sind, weil die Prüfungsrelevanz vom Einzelfall abhängig ist. Stellt jedoch der MD im Prüfverfahren fest, dass ein bestimmter Nachweis nicht vorliegt, ist er nach Auffassung des Gerichts verpflichtet, diesen Nachweis bei der Klägerin ausdrücklich zu erfragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die vorgelegten Unterlagen, wie hier dem Pflegebericht, Anhaltspunkte für einen entsprechenden Ressourcenverbrauch bieten. Der Leistungserbringer - hier die Klägerin - kann dann nicht darauf verwiesen werden, dass sie mit ihrem Vorbringen verspätet ist.
dd) Im Übrigen sieht das Gericht in der Prüfverfahrensvereinbarung (2014) keine auf das gerichtliche Verfahren durchgreifende materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Entgegen der Auffassung des Hessischen LSG (Urteil vom 28. Mai 2020 - L 8 KR 221/18), des LSG Baden-Württemberg (Urteile vom 17. April 2018 - L 11 KR 936/17 und vom 21. Januar 2020 - L 11 KR 1437/19) sowie Hessisches LSG (Urteil vom 28. Mai 2020 - L 8 KR 221/18).
In einem obiter dictum hat das BSG ausgeführt (Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R):
" Während etwa § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 der zwischen dem GKV-Spitzenverband und der DKG geschlossenen, am 1. September 2014 in Kraft getretenen Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V aufgrund hinreichender Ermächtigung [ ] mit der Vergütungsbegrenzung auf das Unstreitige eine wirksame, verhältnismäßige und spezielle materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthält (zutreffend etwa LSG Baden Württemberg Urteil vom 17. April 2018 - L 11 KR 936/17 [ ]) ".
Dem schließt sich die Kammer nicht an.
Die Regelung des § 7 Abs. 2 S. 3 und 4 PrüfvV (2014) einer Ausschlussfrist, findet keine Anwendung im gerichtlichen Verfahren, da sie sich nicht hinreichend auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen lässt. § 17c Abs. 2 KHG (in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung) reicht jedenfalls nicht so weit, als dass in der PrüfvV auch eine auch für das gerichtliche Verfahren geltende materiell-rechtliche Ausschlussfrist hätte geregelt werden dürfen. Für das sozialgerichtliche Verfahren gilt die Untersuchungsmaxime. Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen, § 103 Satz 1 SGG. Die verpflichtende Amtsermittlung kann nicht durch eine vertragliche Vereinbarung von Spitzenverbänden abbedungen werden. Der Amtsermittlungsgrundsatz im gerichtlichen Verfahren ist für die Beteiligten schon deshalb von hoher Bedeutung, weil den Abrechnungsstreitigkeiten in der Gesetzlichen Krankenversicherung ein vorgeschaltetes, dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegendes, Vorverfahren fremd ist (BSG, Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R). Nunmehr hat der Gesetzgeber m.W.v. 1. Januar 2020 durch das Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen vom 14. Dezember 2019 (MDK-Reformgesetz, (BGBl. I 2019, 2789 ff.) ein Erörterungsverfahren gesetzlich geregelt (vgl. Wölk, PflR 2020, 406ff.).
§ 17c Abs. 2 Satz 1 KHG ermächtigt dem Wortlaut nach zu einer Vereinbarung über das "Nähere zum Prüfverfahren", die auch abweichende Regelungen zu § 275 Abs. 1c KHG zulässt. In dem konkretisierenden Satz 2 werden beispielhaft - und nicht abschließend - einzelne Regelungspunkte benannt: den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MD der Krankenversicherung, den Zeitpunkt der Beauftragung des MD der Krankenversicherung, die Prüfungsdauer, den Prüfungsort und die Abwicklung von Rückforderungen. Eine beispielhafte Aufzählung berechtigt jedenfalls nicht, über die die Ermächtigungsgrundlage hinaus Vereinbarungen zu treffen. § 17c Abs. 2 KHG a.F. ermächtigt zu Vereinbarungen hinsichtlich des Prüfverfahrens selbst, nicht jedoch zu Vereinbarungen über das Ende des Prüfverfahrens hinaus; etwa über die Folgen bei fehlenden oder verspätet eingereichter Unterlagen. Eine Zulässigkeit der Vereinbarung einer Ausschlussfrist in der PrüfvV a.F. resultiert gerade nicht aus dem Umstand, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 17c KHG eine Regelung im Gleichordnungsverhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern trifft (entgegen Hessisches LSG, Urteil vom 28. Mai 2019 - L 8 KR 221/18). Wegen der weitreichenden Konsequenzen (u.a. Insolvenzrisiko) bedarf es hier einer zumindest einfach-gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber kann dies nicht in die Hände der Spitzenverbände delegieren. Daher bedarf eine Präklusion einer klaren, zweifelsfreien normativen Regelung.
Mit Wirkung vom 1. Januar 2020 hat der Gesetzgeber durch das MDK-Reformgesetz § 275 Abs. 1c SGB V aufgehoben, eine umfassendere Regelung mit § 275c SGB V geschaffen (u.a. Durchführung von Erörterungen) und eine Präklusionsregelung in § 17c KHG aufgenommen. Dort heißt es in § 17c Abs. 2b Satz 3 KHG: " Einwendungen und Tatsachenvortrag in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Krankenhausabrechnung können im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht werden, wenn sie im Rahmen der Erörterung nach Satz 1 nicht innerhalb der in der Verfahrensregelung nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 vorgesehenen Frist, deren Lauf frühestens mit dem Inkrafttreten der Verfahrensregelung beginnt, schriftlich oder elektronisch gegenüber der anderen Partei geltend gemacht worden sind, und die nicht fristgemäße Geltendmachung auf von der Krankenkasse oder vom Krankenhaus zu vertretenden Gründen beruht.". Ob diese Norm verfassungskonform ist, kann dahinstehen, da der streitgegenständliche Zeitraum vor dem Inkrafttreten des MDK-Reformgesetzes liegt.
c) Eine Verjährung oder Verwirkung der Forderung ist nicht eingewandt worden. Sie ist auch nicht eingetreten.
Vergütungsansprüche der Krankenhäuser für die Behandlung Versicherter unterliegen der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährung (stRspr; vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 R; Urteil vom 9. April 2019 - B 1 KR 5/19 R; Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 10/19 R). Dies gilt grundsätzlich auch für eine Nachforderung, die das Krankenhaus geltend macht (BSG, Urteil vom 19. April 2016 - B 1 KR 33/15 R). Die Verjährung beginnt entsprechend § 45 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist, und war bei Klageerhebung am 5. April 2018 noch nicht abgelaufen. § 109 Abs. 5 SGB V ist erst zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten (Art. 14 Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz vom 11. Dezember 2018, BGBl. I, 2394) und kommt für dieses seit dem 5. April 2018 rechtshängige Verfahren nicht zur Anwendung. Nach § 109 Abs. 5 SGB V verjährt der Anspruch in zwei Jahren, also nach der Erklärung der Verrechnung durch die Beklagte. Die Übergangsregelung des § 325 SGB V ist unbeachtlich, da der Anspruch vor dem 1. November 2018 gerichtlich geltend gemacht worden war (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 10/19 R).
3.
Der Zinsanspruch ab dem 1. März 2016 begründet sich aus § 69 SGB V i.V.m. §§ 291, 288 Abs. 1, 2 BGB (BSG, Urteil vom 15. November 2007 - B 3 KR 1/07 R; Urteil vom 19. November 2019 - B 1 KR 33/18 R). Ab dem 1. März 2016 befindet sich die Beklagte im Verzug, § 288 BGB, da die Aufrechnung am 29. Februar 2016 erfolgt war. Dem Zinsanspruch steht § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung Land Sachsen-Anhalt nach § 112 SGB V nicht entgegen.
Nach alledem hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütung in Höhe von 269,51 Euro.
II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
III.
Die Berufung war zuzulassen. Der Beschwerdewert liegt unter 750,00 Euro, so dass die Berufung nicht von Gesetzes wegen zulässig ist, § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die Frage, ob § 7 PrüfvV eine zulässige materiell-rechtliche Ausschlussfrist auch für das sozialgerichtliche Verfahren beinhaltet, ist abschließend höchstrichterlich nicht entschieden. Derzeit ist ein Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht zu dem Aktenzeichen B 1 KR 24/20 R (vorher: Hessisches LSG, Urteil vom 28. Mai 2020 - L 8 KR 221/18) anhängig.
IV.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 S 1, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved