S 23 U 42/16

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 23 U 42/16
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 45/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 123/20 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um das Vorliegend eines Arbeitsunfalles im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung.

Auf dem Rückweg von der betrieblichen Weihnachtsfeier in der Gaststätte H. T., B., nahm der Kläger am 19. Dezember 2015 ein Taxi, das ihn zwischen 2 und 2.30 Uhr nach Hause fuhr. Sodann fanden Familienangehörige den Kläger auf der Fahrbahn vor seinem Haus mit einer schweren Kopfverletzung. Der Durchgangsarztbericht vom 19. Dezember 2015 konstatierte als Erstdiagnosen insbesondere eine traumatische ausgedehnte Subarachnoidalblutung bifrontal rechts betont mit begleitendem bis 6 mm breitem Subduralhämatom der rechten Großhirnhemnisphäre und Kalottenfraktur links sowie eine akute Alkoholintoxikation. Die genauen Umstände der Ursache des Sturzes waren mangels bestehender Erinnerungen des Klägers nicht feststellbar. Ebenso wenig konnte der Kläger nähere Angaben zum Taxiunternehmen oder zum Fahrer machen.

Die Blutalkoholkonzentration wird bei Aufnahme des Klägers am 19. Dezember 2015 in das Krankenhaus B. um 03:34 Uhr mit 3,4 Promille und nach Verlegung zur Weiterbehandlung in das Klinikum B. H. um 06:05 Uhr mit 2,49 Promille festgestellt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18. Januar 2016 das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ab. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten nicht erbracht werden. Die genauen Umstände seien nicht eindeutig feststellbar, jedoch sei die erhebliche Blutalkoholkonzentration mit 3,4 Promille die Unfallursache. Anhaltspunkte für andere Ursachen lägen nicht vor. Damit beruhe der Unfall nicht auf einer allgemeinen Wegegefahr, sondern sei auf eine aus dem privaten Risikobereich kommende Ursache in Form der Folgen nach Alkoholgenuss in erheblichem Umfang zurückzuführen. Die Folgen von Alkoholeinwirkungen seien auch bei versicherten Gemeinschaftsveranstaltungen vom Unfallversicherungsschutz ausgeschlossen.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Mit Anwaltsschriftsatz vom 24. Februar 2016 bezweifelt der Kläger die Richtigkeit des ermittelten Promillewertes. Für gerichtsverwertbare Feststellungen einer Blutalkoholkonzentration müssten akkreditierte Labore heranzogen werden und weitere Voraussetzungen erfüllen. Gegen eine derart hohe Alkoholkonzentration im Blut des Klägers spreche sein Erscheinungsbild und Verhalten am Ende der Veranstaltung. So werde er etwa von Frau E. M. bezüglich seines Zustandes vor Antritt des Heimweges als redselig, fröhlich, deutlich und geordnet sprechen und nur unter leichtem Alkoholeinfluss stehend beschrieben. Es dürfe daher ein laborchemischer Fehler unterlaufen sein. Zudem liege die Beweislast für die Ablehnung einer Anerkennung eines Arbeitsunfalls bei der Beklagten. Da die genauen Umstände des Sturzes nicht eindeutig feststellbar seien, würde dies zu Lasten des Klägers keine Ablehnung eines Arbeitsunfalls rechtfertigen. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Anscheinsbeweisregel seien nicht gegeben. Es wäre schließlich auch ein Überfall denkbar. Da der Kläger jedenfalls keine Erinnerung mehr an den Vorfall habe, sei er nicht beweisbelastet.

Der Beratungsarzt der Beklagten, Prof. Dr. Dr. H., teilte in seiner Stellungnahme vom 3. Mai 2016 mit, dass der Blutalkoholwert von 3,4 Promille bereits in der Notaufnahme im Krankenhaus B. festgestellt worden sei. Das Konfidenzintervall für den dokumentierten Wert von 3,4 Promille läge zwischen 3,06 und 3,74 Promille. Nach Verlegung in das Krankenhaus B., H., um sechs Uhr morgens habe der Alkoholwert noch bei 2,49 Promille gelegen. Die Messmethode das Labors am Klinikum B. entspreche den Richtlinien der Bundesärztekammer. Der Abfall zwischen den Messwerten stelle den typisch zu erwartenden Abbauprozess dar, die an zwei verschiedenen Stellen erhobenen Messwerte seien damit plausibel. Ungeachtet der Schwankungsbreite würden die gemessenen Werte in beiden Kliniken eine starke Alkoholisierung des Klägers mit ZNS-Depression belegen. Der Kläger sei auch bei nur 3,06 Promille in jedem Fall stark alkoholisiert gewesen. Beide Messwerte seien so hoch, dass sie für starken Alkoholmissbrauch sprechen, ggf. auch für eine gewisse Toleranz gegenüber solch hohen Werten, die durch einen eher regelmäßigen Konsum entstehen könne.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2016 zurück. Der starken Alkoholbeeinflussung komme die Eigenschaft als rechtlich wesentliche Unfallursache zu. Der Kläger habe nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die Folgen einer insoweit bestehenden Ungewissheit zu tragen, wenn sich nicht feststellen lasse, ob ein Unfall außer durch dessen alkoholische Beeinflussung auch durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist.

Der Kläger hat mit Anwaltsschriftsatz vom 15. Juli 2016 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Er nimmt Bezug auf seine Ausführungen im Vorverfahren. Weiter trägt er vor, es sei betriebsüblich gewesen, im Rahmen der Weihnachtsfeier Alkohol zu konsumieren. Nahezu alle Anwesenden hätten alkoholische Getränke zu sich genommen. Die Beeinträchtigung des Klägers aufgrund des Alkohols könne deshalb nicht seinem privaten Bereich zugeordnet werden, sondern sei Folge der betrieblichen Weihnachtsfeier. Im Übrigen seien die ermittelten Blutalkoholwerte nicht verwertbar. Ein Alkoholabbau von 3,4 auf 2,49 Promille in einer Zeit von 03.34 Uhr bis 06.05 Uhr sei völlig unrealistisch. Zudem habe die Zeugin M. den Kläger nur leicht alkoholisiert in Erinnerung.

Der Kläger beantragt:

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2016 wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren wegen des Arbeitsunfalls vom 19. Dezember 2015.

Hilfsweise wird beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Leistungen gemäß Ziffer 1 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 12. Oktober 2016 hat die Kammer darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige, gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Beteiligten erhielten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 12. Oktober 2016 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Anders als bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG bedarf es für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach der gesetzlichen Regelung nicht das erklärte Einverständnis der bzw. aller Beteiligten.

Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Im Rahmen der auf dieser Grundlage nach § 123 SGG vorzunehmenden Auslegung hat das Gericht von dem auszugehen, was der Kläger mit der Klage erreichen möchte; im Zweifel wird dieser den Antrag stellen wollen, der ihm am besten zum Ziel verhilft, wobei anzunehmen ist, dass er alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 123 Rn. 3). Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist der klägerische Antrag dahingehend auszulegen, dass er auch die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall begehrt, denn ohne Anerkennung als Versicherungsfall wären die ausdrücklich beantragten "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" per se schon erfolglos. Auf die Anerkennung als Arbeitsunfall kann auch nicht verzichtet werden, denn der streitige Bescheid hat nicht nur Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt, sondern ausdrücklich auch das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Bei Auslegung des Antrages dahin gehend, dass die Beklagte auch verpflichtet wird, den Unfall vom 19. Dezember 2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen, ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) zulässig.

Hingegen ist die Klage insofern unzulässig, als der Kläger (vgl. den anwaltlichen Klageerhebungsschriftsatz vom 15. Juli 2016) in Ziff. 1 und 2 des Klageantrags - pauschal - die Gewährung von "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" geltend macht. Die diesbezügliche (teilweise) Unzulässigkeit folgt aus dem Gesichtspunkt, dass das Gesetz für den Erlass eines allgemein nur auf "Entschädigung" (bzw. eben "Leistungen") gerichteten Grundurteils keine Handhabe bietet (s. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 46/03 R; vgl. auch SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 9. April 2015 - S 23 U 43/14). Mithin wären also im Einzelnen die konkret begehrten Leistungen spezifisch zu bezeichnen. Zwar hat auch der Bescheid der Beklagten lediglich "pauschal" das Bestehen von Leistungsansprüchen verneint, also keine wirkliche Entscheidung über konkrete Ansprüche getroffen hat. Dies war jedoch schon deshalb konsequent, weil die Beklagte bereits die Anerkennung eines Arbeitsunfalls - als grundlegende Voraussetzung hieraus resultierender Ansprüche - abgelehnt hat und sich somit weitergehende Fragen konkreter Leistungen nicht mehr gestellt haben. Der Kläger "benötigt" letztlich zunächst die Anerkennung des Arbeitsunfalls selbst, um dann - gegebenenfalls nach Rechtskraft dieses Urteils - sodann auf dieser Grundlage konkrete Leistungen nach dem SGB VII (zunächst unmittelbar gegenüber der Beklagten) geltend machen zu können. Ergänzend sei deshalb noch darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Kammer im Ergebnis konkrete Leistungen auch deshalb noch gar nicht im hiesigen Verfahren geltend zu machen gewesen wären, weil eben die angegriffenen Bescheide hierzu (wegen der bereits erfolgten Ablehnung der Anerkennung als Arbeitsunfalls als solcher) jedenfalls keine konkreten Regelungen getroffen haben. Der Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens wird aber grundsätzlich durch die konkret getroffenen Regelungen in den angegriffenen Bescheiden begrenzt (vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. März 2011 - L 3 U 319/08).

Soweit die Klage mit dem Begehren der Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung des Unfallgeschehens vom 19. Dezember 2015 als Arbeitsunfall zulässig ist, ist sie indes unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagte ist rechtmäßig und verletzt den Kläger mithin nicht in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat zu Recht das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verneint.

Für einen Arbeitsunfall ist nach den Maßgaben des § 8 Abs. 1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2012 - L 3 U 259/09). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 4. September 2007 - B 2 U 28/06 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2012 - L 3 U 259/09).

Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2012 - L 3 U 259/09). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R m. w. N.). Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des Versicherungsschutztatbestandes nach §§ 2 ff. SGB VII, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlichkeit als Unfallmerkmale. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (s. zum Ganzen wiederum LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Juni 2012 - L 3 U 259/09).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger befand sich zwar auf dem versicherten Heimweg von der Betriebsfeier nach Hause, jedoch steht im Ergebnis der Rückweg in keinem inneren Zusammenhang mit der hier einer versicherten Tätigkeit gleichzusetzenden Betriebsfeier in Form einer Weihnachtsfeier. Zur Überzeugung des Gerichts war der Kläger so stark alkoholisiert, dass bei ihm absolute Verkehrsuntüchtigkeit bestand und damit eine alkoholbedingte vollständige Loslösung von der betrieblichen Tätigkeit hier in Gestalt der Weihnachtsfeier. Es handelt sich beim (starken) Alkoholgenuss um eine sogenannte eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die als von der versicherten Tätigkeit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung vollständig losgelöst zu betrachten ist (so schon BSG, Urteil vom 12. August 1958, SGb 1958, 258). Zwar lässt sich für Fußgänger ein Grenzwert, bei dessen Erreichen jene die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr verlieren, nicht nach allgemeiner Auffassung festlegen. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls unter Beachtung einer festgestellten Blutalkoholkonzentration und der festgestellten äußeren Anzeichen eines alkoholbedingten Leistungsabfalls (Wagner, in: Schlegel/ Voelzke, SGB VII, juris - Praxiskommentar, 2. Auflage, § 8, Rn. 139). Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 3:34 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 3,06 Promille und war damit absolut verkehrsuntüchtig. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der Kläger sich nicht einmal an das Taxiunternehmen oder an den Taxifahrer erinnern konnte, es nach dem Ausstieg aus dem Taxi vor der Haustür zum Sturz kam, an den sich der Kläger nicht mehr erinnern kann und eine starke Alkoholisierung mit einer ZNS-Depression diagnostiziert wurde. Die Kammer hat an der Bestimmung des Blutalkoholwertes keinen Zweifel. Wie Prof. Dr. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 3. Mai 2016 nachvollziehbar ausgeführt hat, liegt das Konfiderenzintervall für den im Krankenhaus B. um 03:34 Uhr entnommenen Wert von 3,4 Promille zwischen 3,06 und 3,74 Promille. Für die Richtigkeit des gemessenen Wertes spricht auch der im Rahmen der zweiten Blutabnahme um 06:05 Uhr ermittelte Blutalkoholwert von 2,49 Promille, wobei der Wert unter Berücksichtigung des Konfidenzbereiches zwischen 2,24 und 2,74 Promille liegt. Die zweite Blutentnahme erfolgte durch das Klinikum B. H., die hinsichtlich der Messmethode des Labors nach den Richtlinien der Bundesärztekammer qualitätskontrolliert ist. Die beim Kläger in B. und in H. gemessenen Werte entsprechen zudem dem zeitlichen Verlauf des Alkoholabbaus, wie er üblicherweise zu beobachten ist. Prof. Dr. Dr. H. hat schlüssig dargelegt, dass beim Kläger eine starke Alkoholisierung mit einer ZNS-Depression vorliegt und es völlig unerheblich sei, ob der Wert um 03.34 Uhr 3,4 oder 3,06 Promille war, da der Kläger auch bei einem Wert von 3,06 Promille stark alkoholisiert gewesen sei. Es seien beide Messwerte aus den Laboren von B. und H. so hoch, dass sie für starken Alkoholmissbrauch sprechen würden. Die Kammer schließt sich der Einschätzung von Prof. Dr. Dr. H. an.

Die gewonnenen Ergebnisse werden zur Überzeugung des Gerichts auch nicht durch den diesbezüglichen Einwand des Klägers erschüttert, die Zeugin M. habe den Kläger zum Zeitpunkt des Verlassens der Weihnachtsfeier als lediglich leicht unter Alkohol stehend in Erinnerung. Zum einen teilt der Kläger selbst mit, dass nahezu alle Anwesenden bei der Weihnachtsfeier Alkohol konsumiert haben, so dass bereits vor dem Hintergrund die richtige Wahrnehmung der Zeugin zweifelhaft ist. Unabhängig davon sind aber jedenfalls die zweifach gemessenen und in sich bezüglich des zeitlichen Abbaus stimmigen Blutalkoholwerte die genaueren Werte zur Einschätzung seiner Verkehrs(un)tüchtigkeit.

Ausgehend von der Tatsache, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Sturzes absolut verkehrsuntüchtig war, kann der dadurch geschaffene Anscheinsbeweis der alkoholbedingten Unfallursache nur durch den vollen Beweis einer Tatsache entkräftet werden, aus der sich die ernsthafte Möglichkeit eines untypischen Geschehensablaufs ergibt (vgl. Lauterbach, Kommentar zur Unfallversicherung, 4. Auflage, § 8, Rn. 320). Diesbezüglich finden sich in den Akten keine Hinweise auf mögliche Alternativursachen, die den Anscheinsbeweis auch nur annähernd entkräften könnten, so dass als Unfallursache nur die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit in Betracht kommt, was dazu führt, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Der Unfallversicherungsschutz blieb auch nicht wegen einer etwaigen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bestehen. Denn unabhängig von der Frage, wo, wann und wie viel Alkohol der Kläger getrunken hat, verliert der Alkoholgenuss nicht dadurch seinen Charakter als private Tätigkeit, dass dieser mit Bewilligung oder Duldung des Arbeitgebers geschieht (so schon BSG, Urteil vom 12. August 1958, SGb 1958, 258). Eine Zurechnung dieser generell privaten Tätigkeit zum betrieblichen Bereich wird auch nicht dadurch begründet, dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Unternehmers oder eines Vorgesetzten für den Unfall mitverantwortlich ist. Denn der innere Zusammenhang knüpft an die Tätigkeit des Versicherten an, nicht an ein Verschulden des Unternehmers (Hauck, Kommentar zum SGB VII, § 8, Rn. 20 b). Daher führt selbst der Alkoholkonsum auf einer Betriebsfeier in Kenntnis und Duldung des Arbeitsgebers nicht zur Anerkennung als Arbeitsunfall (BSG, Urteil vom 29. Juni 1972, 2 RU 61/70). Von einem betrieblichen Interesse am Alkoholgenuss in der beim Kläger in Form eines Vollrausches bestandenen Form kann zudem nicht ernsthaft ausgegangen werden. Hinzu kommt, dass selbst dem Arbeitgeber aufgrund der als "leicht alkoholisiert" beschriebenen Alkoholbeeinflussung des Klägers durch die Zeugin M. auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorlagen, auf den Kläger in einer bestimmten den Unfall möglicherweise verhindernden Weise einzugreifen. Denn selbst wenn ein vollrauschähnlicher Zustand von Seiten des Arbeitgebers wahrnehmbar gewesen wäre, hätte er seinen Fürsorgepflichten mit der Beförderung des Klägers mittels eines Taxis nach Hause genügend entsprochen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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