L 3 AL 116/19 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 6 AL 2/19 ER (SG Kiel)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 116/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 5. Juli 2019 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bei dem Sozialgericht Kiel – S 6 AL 32/19. Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2019, mit dem die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung einer Erlaubnis gem. § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) abgelehnt hat.

Mit Beschluss vom 5. Juli 2019, der Antragstellerin zugestellt am 11. Juli 2019, auf den wegen des Sachverhalts und wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht Kiel den Antrag nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit ausführlicher Begründung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die am 8. August 2019 erhobene Beschwerde, mit der sie die vorläufige Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit begehrt.

Die Antragsgegnerin verweist auf die den Beschluss tragenden Gründe und hält im Übrigen an ihrer Rechtsauffassung fest.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gem. § 172 Abs. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben im Sinne von § 173 SGG.

Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag zutreffend als Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage S 6 AL 32/19 gegen die Ablehnung der Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr.2 SGG ausgelegt und zu Recht und mit zutreffender, ausführlicher Begründung abgelehnt. Insgesamt teilt der Senat nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Beschwerdeverfahren die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, macht sich diese ausdrücklich zu Eigen und weist die Beschwerden in Anwendung von § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG als unbegründet zurück. Die Antragstellerin hat in ihrem Beschwerdevorbringen auch keine neuen Tatsachen vorgebracht, die eine andere rechtliche Wertung rechtfertigen könnte.

Die Beschwerdebegründung beschränkt sich darauf vorzutragen, dass die behaupteten – aus Sicht der Antragstellerin kleinen - Verstöße – wenn überhaupt – vor 4 Jahren passiert und längst behoben worden seien. Im Übrigen unterstelle die Antragsgegnerin ins Blaue hinein, dass die Antragstellerin die Mitarbeiter in Zeiten des Nichtverleihs nicht bezahle. Die Leiharbeitnehmer würden durchschnittlich 150 Stunden eingesetzt und stets gleich vergütet werden. Geringe Schwankungen der Arbeitszeit aufgrund der Straßenverkehrslage würden miteinander verrechnet werden. Die offene Rechtsfrage, in welchem Umfang das Tagesgeld in Höhe von 58,00 EUR mindestlohnrelevant sei, könne die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin nicht begründen. Denn den Verpflegungsmehraufwand, den die Antragsgegnerin herausrechne, falle nur für den an, der sich außerhäusig in einer Gastronomie, Restaurant oder Hotel ernähren müsse. Die Leiharbeitnehmer erhielten hingegen Wohnraum mit einer Küche gestellt und könnten sich wie zuhause etwas zubereiten. Zusammenfassend sei die Antragstellerin im guten Glauben gewesen, dass die Berechnung der Löhne richtig gewesen sei und insbesondere das litauische Tagesgeld vollständig mindestlohntauglich sei.

Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen.

Das Sozialgericht ist nach im einstweiligen Anordnungsverfahren ausreichender summarischer Prüfung zutreffend davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 28. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2019 offensichtlich rechtmäßig ist. Hervorzuheben ist an dieser Stelle nochmals, dass auch bei der Prüfung der Verlängerung der Erlaubnis maßgebend ist, ob eine positive Prognose über die Zuverlässigkeit des Arbeitgebers attestiert werden kann. Insofern ist eine Prognose für die Zukunft zu erstellen, d. h. es ist ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit und der Gegenwart gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Arbeitgebers vorzunehmen. Im Falle der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass bei den in der Vergangenheit durchgeführten Betriebsprüfungen am 10. Dezember 2015, 30. Dezember 2016, 23. November 2017 und 27. Dezember 2018 jeweils Beanstandungen vorlagen, was von der Antragstellerin auch nicht bestritten wird. Diese Beanstandungen betrafen durchgehend die Nichtbeachtung der Lohnuntergrenze/Mindestlohn und Garantielohnzahlungen sowie Verstöße gegen den Gleichstellungsgrundsatz, mithin eine Summierung gravierender Verstöße gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen. Dadurch, dass auch bei der Stichprobenprüfung im Dezember 2018 erneut durch die Antragsgegnerin wesentliche Beanstandungen festgestellt worden waren, kann keine für die Zukunft günstige Prognose gestellt werden. Das Sozialgericht hat in den Gründen des angefochtenen Beschlusses dezidiert dargestellt, dass die Antragstellerin gegen das Garantielohnprinzip nach § 11 Abs. 4 AÜG verstoßen hat, ferner, dass die Antragstellerin in unzulässiger Weise ein Arbeitszeitkonto führt. Letzteres ist aber nicht zulässig, weil die Antragstellerin auf ihre Arbeitsverhältnisse keinen Tarifvertrag anwendet, § 3 a Abs. 2 AÜG in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Satz 2 Dritte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (LohnUGAÜV 3). Dies wiederum führt zu Garantielohnverstößen im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG. Zusammenfassend hat die Antragstellerin unter Berücksichtigung der von ihr selbst gestalteten Arbeitsverträge durch Vereinbarung von "Zeitkonten" (vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 5 des Arbeitsvertrages für den Leiharbeitnehmer A. A ) einerseits und der Einräumung von "Blockeinsatzzeiten" (vgl. § 6 Abs. 1 des Vertrages über Arbeitnehmerüberlassung) andererseits Regelungen getroffen, die nicht geeignet sind, dem Grundsatz von equal pay nach § 8 Abs. 1 AÜG zu genügen. Insoweit genügt es nicht, für den Freistellungszeitraum von 2 Wochen für die Dauer der Familienheimfahrt, die ausweislich § 6 des ab dem 1. Januar 2018 geltenden Vertrages über die Arbeitnehmerüberlassung zwischen der Antragstellerin und der WK Transport und Rohstoffhandel GmbH als "unbezahlte Arbeit" gilt, das litauische Bruttogrundgehalt und im Jahr 2018 offensichtlich zusätzlich ein pauschaliertes Nettotagegeld fortzuzahlen und im jeweiligen Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer zu vereinbaren, dass Zeitguthaben durch bezahlte Freistellung ohne Zuschläge ausgeglichen wird. Der Senat folgt dem Sozialgericht auch bei seiner Wertung, dass bereits die oben skizzierten wesentlichen Verstöße ausreichend sind, um eine Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zu implizieren. Darüber hinaus hat das Sozialgericht auch geprüft und zutreffend festgestellt, dass im konkreten Fall die Erteilung von Auflagen nicht ausreichend wäre, um den erforderlichen Schutz der Leiharbeitnehmer zu gewährleisten. Da die Antragsgegnerin anlässlich der in den vergangenen Jahren durchgeführten Betriebsprüfungen immer wieder vergleichbare Verstöße aufgezeigt und auch auf die Möglichkeit der Nichterteilung einer Erlaubnis hingewiesen hat, ist davon auszugehen, dass die von der Antragsgegnerin ermittelten Gesamtumstände nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung dafür sprechen, dass Auflagen nicht ausreichend wären und auch nicht geeignet wären, die immer wiederholt auftretenden Verstöße zu verhindern.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG in Verbindung mit §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts auf 5000,00 EUR beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und folgt der Entscheidung in erster Instanz, gegen die die Beteiligten auch im Beschwerdeverfahren keine Bedenken erhoben haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Sozialgerichts verwiesen.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG bzw. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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