S 10 R 1629/16

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Gotha (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 10 R 1629/16
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Beweislast für eine in der Vergangenheit erteilte und für jede Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit fortwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht (§ 20 SVG iVm § 231a SGB VI) trägt derjenige, der die Befreiung für sich geltend macht. Eine Ausnahme von der allgemeinen Beweislastregelung, die faktisch eine Beweislastumkehr zu Lasten des Rentenversicherungsträgers zur Folge hätte, ist nicht auf der Grundlage einer „Hochwasser-Bescheinigung“ begründbar.
Der Forderungsbescheid vom 20. November 2013 und der Forderungsbescheid vom 12. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 werden insoweit aufgehoben, als mit diesen Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nebst Säumniszuschlägen für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. Dezember 2012 sowie für den Monat August 2014 festgesetzt wurden. In Abänderung des Überprüfungsbescheides vom 1. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2017 wird die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 19. September 2013 sowie die Bescheide vom 22. Januar 2014, 12. Februar 2014, 13. März 2014, 11. April 2014, 13. Mai 2014, 12. Juni 2014, 15. Juli 2014 und 13. August 2014 insoweit zurückzunehmen, als mit diesen Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nebst Säumniszuschlägen für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. Dezember 2012 und für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 festgesetzt wurden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen 1/3 zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (zuletzt) darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Immobilienvermittler/Handelsvertreter bzw. Vermittler von Versicherungen in der Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. März 2018 verpflichtet war, Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten.

Der 1966 geborene Kläger war nach eigenen Angaben seit den 90-iger Jahren selbständig im Bereich der Immobilienvermittlung tätig. Zunächst übte er seine Tätigkeit in D. aus. Etwa im Jahr 2007 verlagerte er seinen Tätigkeitsbereich nach J. Am 1. April 2009 meldete er bei der Stadtverwaltung J. die GmbH in Gründung an, bei der er als Geschäftsführer angestellt wurde. Die GmbH wurde später im Rahmen einer Insolvenz liquidiert.

Nachdem der Kläger seine selbständige Vermittlertätigkeit zunächst eingestellt hatte, bezog er (mindestens) in der Zeit von Oktober 2011 bis September 2012 und Januar 2014 bis Juni 2014 (teilweise ergänzend) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter G.

Am 14. Februar 2012 nahm der Kläger eine Tätigkeit als Handelsvertreter für die AG auf. Lt. dem Handelsvertretervertrag vom gleichen Tag bestand seine Tätigkeit in der selbständigen Vermittlung sämtlicher von angebotener Leistungen und Produkte, insbesondere der Vermittlung von -Hausverträgen (Werkverträge über die Errichtung von Häusern) sowie der nachfolgenden Kundenbetreuung gegen Provision.

Zum 1. März 2012 meldete der Kläger sein Gewerbe bei der Stadt G. als Handelsvertre-ter für die Vermittlung von Fertigteil- und Massivhäusern, Vermittlung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten, Wohnräumen und gewerblichen Räumen an. Am 8. Juni 2012 meldete er Kläger zum 1. April 2012 bei der Gemeinde O.-O. ein Gewerbe als Selbständiger Hausberater ( AG) an.

Auf Antrag des Klägers stellte die mit einem Bescheid vom 2. November 2012 fest, dass die Tätigkeit als Handelsvertreter für die AG seit dem 14. Februar 2012 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und deshalb in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigter in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Nach Abschluss des Statusfeststellungsverfahrens leitete die Bund die Prüfunterla-gen an die Beklagte mit der Bitte um Prüfung, ob die selbständige Tätigkeit der Versicherungspflicht unterliegt. Auf Nachfrage teilte der Kläger im "Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige" datierend auf den 29. April 2013 mit, die ausgeübte selbständige Tätigkeit umfasse die Vermittlung von Verträgen zum Bau von Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern, er sei für die AG tätig, die Verträge lägen vor.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihre Auswertung habe ergeben, dass ab 14. Februar 2012 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestehe. Am 5. September 2013 informierte der Kläger die Beklagte telefonisch darüber, dass der Vertrag mit der AG aufgelöst wurde, er sei jetzt für mehrere Auftraggeber tätig. Die Vertragsunterlagen werde er übersenden. Vor dem 14. Februar 2012 sei er mit eigenem Immobilienbüro für keinen Auftraggeber tätig gewesen und habe sich seine Aufträge selbst gesucht. Mit Bescheid vom 19. September 2013 stellte die Beklagte fest, der Kläger sei seit 14. Februar 2012 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 VI in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig und habe daher ab diesem Zeitpunkt monatlich Pflichtbeiträge in Höhe des halben Regelbeitrages zu zahlen. Gleichzeitig übersandte die Beklagte eine Beitragsrechnung, die für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 30. September 2013 nachzuzahlende Beiträge in Höhe von insgesamt 4.247,19 Euro ausweist.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein. Zahlungen leistete er nicht.

Mit Forderungsbescheid vom 20. November 2013 forderte die Beklagte den Kläger, unter Verweis auf die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestehende Versicherungspflicht auf, die ausstehende Beitragsforderung sowie die angefallenen Säumniszuschläge für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. Oktober 2013 in Höhe von insgesamt 4.940,18 Euro zu zahlen.

Gegen den Bescheid vom 20. November 2013 legte der Kläger am 28. November 2013 mit der Begründung Widerspruch ein, er habe alle Formulare ausgefüllt und immer wieder darauf hingewiesen, dass er seit 1992 selbständig sei. Er habe seit dem keine Rentenbeiträge gezahlt. Dies sei nie in Frage gestellt worden. In dem genannten Zeitraum habe er sich auch nicht in einem Angestelltenverhältnis befunden.

Am 9. Januar 2014 veranlasste der Kläger bei der Stadt G. eine Gewerbe-Ummeldung ("Tätigkeitserweiterung"). Danach wurde neu ausgeübt, die Vermittlung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten, Wohnräumen und gewerblichen Räumen, weiterhin werde ausgeübt die Tätigkeit als Handelsvertreter für die Vermittlung von Fertigteil- und Massivhäusern.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2014 trug der Kläger ergänzend zur Begründung seines Widerspruchs vor, die Forderung sei bereits deshalb unbegründet, weil er von Februar 2012 bis Oktober 2012 auf Leistungen vom Staat angewiesen gewesen sei. Seit dem arbeite er auf eigene Rechnung und eigenes Risiko, ohne Abhängigkeit von einem bestimmten Unternehmen. Er war und sei nicht ausschließlich für die Firma AG tätig gewesen, sondern ebenso für die Firmen M. O. und GmbH. Er habe sich zu keiner Zeit in einem abhängigen Arbeitsverhältnis mit nur einem Auftraggeber befunden. Dies habe die Clearingstelle mit Bescheid vom 2. November 2012 festgestellt. Seit 1. Januar 2014 sei er wieder als Immobilienmakler nach § 34c GewO tätig.

Nachfolgend ergingen in der Zeit von Dezember 2013 bis September 2014 folgende Forderungsbescheide

Bescheid vom Beitrag für Betrag incl. Säumniszuschlag

16.12.2013 November 2013 261,49 Euro 22.01.2014 Dezember 2013 263,49 Euro 22.01.2014 14. Februar 2012 bis 31. Oktober 2013 4.940,18 Euro 12.02.2014 Januar 2014 272,60 Euro 13.03.2014 Februar 2014 274,60 Euro 13.03.2014 November 2013 bis Dezember 2013 524,98 Euro 11.04.2014 März 2014 277,10 Euro 11.04.2014 Februar 2014 274,60 Euro 13.05.2014 April 2014 279,10 Euro 12.06.2014 Mai 2014 281,60 Euro 15.07.2014 November 2013 bis April 2014 1.628,38 Euro 15.07.2014 Juni 2014 283,60 Euro 13.08.2014 Juli 2014 285,60 Euro 12.09.2014 August 2014 288,10 Euro

Am 25. September 2014 schloss der Kläger mit der GmbH einen Handelsvertretervertrag, nach dem er ab 1. Oktober 2014 Verkaufsgeschäfte und Vermittlungsgeschäftes sowie andere Aufträge für die GmbH und deren Vertragspartner gegen Provision vermitteln sollte.

Mit Schreiben vom 27. September 2014 (Posteingang bei der Beklagten am 1. Oktober 2014) teilte der Kläger mit, er widerspreche nochmals allen bisherigen Bescheiden und Beitragsforderungen.

Nachdem der Kläger im Widerspruchsverfahren mehrfach auf Anforderung weitere Unterlagen bei der Beklagten eingereicht hatte und diverser Schriftwechsel geführt wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2016 den Widerspruch des Klägers vom 28. November 2013 gegen den Bescheid vom 20. November 2013 und den Widerspruch vom 1. Oktober 2014 gegen die Bescheide vom 19. September 2013, 16. Dezember 2013, 22. Januar 2014, 12. Februar 2014, 13. März 2014, 11. April 2014, 13. Mai 2014, 12. Juni 2014, 15. Juli 2014, 13. August 2014 und 12. September 2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus, zulässig seien nur der Widerspruch vom 28. November 2013 gegen den Bescheid vom 20. November 2013 und der Widerspruch vom 1. Oktober 2014 gegen den Bescheid vom 12. September 2014. Hinsichtlich der anderen Bescheide sei nicht fristgemäß Widerspruch eingelegt worden. Im Übrigen seien die Widersprüche unbegründet. Mit bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 19. September 2013 sei zutreffend festgestellt worden, dass der Kläger ab 14. Februar 2012 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterliege. Die festgestellte Höhe der Pflichtbeiträge und der Säumniszuschläge sei nicht zu beanstanden.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 29. Juni 2016 zunächst fristwahrend Klage. Gleichzeitig teilte er mit, er habe ein Überprüfungsverfahren gegen die Bescheide eingeleitet, welches zunächst durchzuführen sei.

Im Zusammenhang mit dem am 27. Juni 2016 gestellten Antrag auf Überprüfung aller ergangenen Bescheide trug der Kläger u. a. vor, er habe sich bereits zu Beginn seiner selbständigen Tätigkeit von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Sämtliche Unterlagen, die nicht häufig benötigt wurden, habe er im Keller seiner damaligen Wohnung in D. gelagert. Diese seien jedoch während des Hochwassers im Jahr 2002 vernichtet worden. Als Nachweis verwies der Kläger auf eine von der Landeshauptstadt D. am 10. September 2002 ausgestellte "Hochwasser-Bescheinigung". Nach Abschluss des Überprüfungsverfahrens lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 2017 eine Rücknahme des Bescheides vom 19. September 2013 sowie der Bescheide vom 16. Dezember 2013, 22. Januar 2014, 12. Februar 2014, 13. März 2014, 11. April 2014, 13. Mai 2014, 12. Juni 2014, 15. Juli 2014, 13. August 2014 und 12. September 2014 ab. Die Bescheide seien bei Erlass rechtmäßig gewesen.

Der dagegen eingelegte Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2017). Die Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid beinhaltet den Hinweis der Bescheid werde Gegenstand des Klageverfahrens S 10 R 1629/16.

Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2018 (Posteingang bei Gericht am 10. Januar 2018) stellte der Kläger klar, dass sich die Klage auch gegen den im Überprüfungsverfahren ergangenen Bescheid richtet.

Der Kläger trägt vor, er habe sich nach der Wende von der Versicherungspflicht befrei-en lassen. Seit dem Jahr 1992 sei er nicht mehr pflichtversichert und habe auch keine Beiträge gezahlt. Allerdings verfüge er insofern über keine Unterlagen mehr. Einen Befreiungsbescheid könne er nicht vorlegen. Er sei im Jahr 2002 in D. vom Hochwasser betroffen gewesen. Zu dieser Zeit habe er u. a. seine gesamten Finanz- und Steuerunter-lagen im Keller gelagert, die vom Hochwasser vernichtet worden seien. Ihm sei von der Stadt D. eine "Hochwasser-Bescheinigung" ausgestellt und mitgeteilt worden, dass er aufgrund des Hochwassers nicht schlechter gestellt werden könne. Seitens des Finanzamtes sei dies seinerzeit beachtet worden. Er sei der Ansicht, dass dies auch im vorliegenden Verfahren zu seinen Gunsten berücksichtigt werden müsse. Er habe sich bemüht, einen Nachweis für die Befreiung von der Versicherungspflicht zu erhalten. Seine Anfragen bei der und der wären erfolglos geblieben. Ihm sei mitgeteilt worden, dass für ihn keine Vorgänge gespeichert seien. Im Übrigen habe er keine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt. In den Jahren 2011 bis 2018 habe es die "F.-Immobilien" immer gegeben, nur die Erweiterung nach § 34c habe eine Zeitlang geruht. Die Tätigkeit habe oftmals erheblichen Schwankungen unterlegen. Nachdem er Anfang des Jahres 2012 Hartz IV Leistungen habe in Anspruch nehmen müssen, habe er am 14. Februar 2012 den Handelsvertretervertrag mit der AG geschlossen. Von Beginn an sei sein Handeln nicht darauf gerichtet gewesen, zukünftig allein Verträge für dieses Unternehmen zu vermitteln, sondern nach einem (Wieder-)Einstieg in das Kerngeschäft des Vermittlungswesens für den Eigenheimbau weitere Vertriebsfelder zu erschließen. Bereits im August 2013 sei der Vertriebsvertrag mit der GmbH und ab Januar 2014 die Wiederanmeldung als Immobilienmakler nach § 34c GewO erfolgt. Fortan habe er unter der Firma "F.-Immobilien" Grundstücke und Gebrauchtimmobilien aus eigener Akquise vermittelt. Nachfolgend seien noch weitere Vertriebskanäle, u. a. mit den Firmen M. O., GmbH und der GmbH hinzugekommen. Im Jahr 2015 habe er sich auf sein eige-nes Immobilienbüro konzentriert und zudem Versicherungen der vermittelt. Innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraumes habe er variierende Einnahmen erzielt, wobei er teilweise auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II angewiesen gewesen sei. Da-ran zeige sich, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit von nur einem Auftraggeber nicht gegeben sei.

Der Kläger beantragt (zuletzt),

die Forderungsbescheide vom 20. November 2013 und 12. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Überprüfungsbescheides vom 1. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2017 zu verurteilen, die Bescheide vom 19. September 2013, 16. Dezember 2013, 22. Januar 2014, 12. Februar 2014, 13. März 2014, 11. April 2014, 13. Mai 2014, 12. Juni 2014, 15. Juli 2014 und 13. August 2014 zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihren im Verwaltungs- und Überprüfungsverfahren getroffenen Entscheidungen fest. Zur Begründung hat sie zunächst auf ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden verwiesen. Ergänzend trägt sie vor, eine Nachfrage bei der habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der Kläger von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung habe befreien lassen. Im Versicherungskonto des Klägers sei eine Befreiung nicht dokumentiert und es lägen der insofern auch keine Unterlagen vor. Um prüfen zu können, ob der Kläger überwiegend für einen oder mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei, bestehe die Notwendigkeit die wirtschaftliche Abhängigkeit von den jeweiligen Auftraggebern zu prüfen. Dazu seien die Betriebseinnahmen aus allen Tätigkeiten zu betrachten und sodann ins Verhältnis zu setzen. Trotz mehrfacher Aufforderung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren habe der Kläger keine Nachweise hinsichtlich seiner tatsächlichen Betriebseinnahmen erbracht.

Im Termin zu Erörterung der Sach- und Rechtslage am 26. April 2018 trug der Kläger vor, er habe zum 1. Januar 2015 eine Vermittlungstätigkeit im Bereich Versicherungen für die Versicherungsgesellschaft aufgenommen und diese bis Juni 2017 als Hauptgeschäft fortgeführt. Seit Juli 2017 unterhalte er eine Allianz Hauptagentur und beschäf-tige hier seit April 2018 zwei Mitarbeiterinnen.

Im Klageverfahren übersandte der Kläger Kontoauszüge, welche für das Jahr 2014 folgende Einnahmen ausweisen: 22.04.14 Maklerprovision Verkauf privates Einfamilienhaus 18.028,50 Euro 14.07.14 Provision GmbH 845,00 Euro 22.08.14 Provision GmbH 3.000,00 Euro 10.11.14 Provision GmbH 1.678,00 Euro 01.12.14 Empfehlungsprovision M. O. 850,00 Euro

Ergänzend reichte der Kläger diverse Unterlagen zur Gerichtsakte, u. a. Vertriebsverein-barungen und Beraterverträge mit verschiedenen Auftraggebern für verschiedene Zeiträume, zwei Anstellungsverträge der A. Hauptagentur Th. F. über die Beschäftigung zweiter Mitarbeiterinnen, SGB II -Leistungsbescheide, Bescheide des Finanzamtes G. (u. a. über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2011 bis 2013, Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013), Unterlagen der Einkommenssteuererklärung 2013 einschließlich Anlagen zu Betriebseinnahmen aus Gewerbebetrieb), Bescheinigungen der Beratung und Vertrieb AG über die Einnahmen der Jahre 2015/2016.

Ferner teilte der Kläger ohne Übersendung von Nachweisen mit, im Jahr 2017 habe er folgende Einnahmen erzielt: 10.729,10 Euro (bis Mai 2017), A. 18.950,40 Euro (ab Juli 2017), Herr M. 1.400 Euro.

Mit Bescheid vom 1. Oktober 2018 stellte die Beklagte fest, dass aufgrund der Beschäftigung zweiter Mitarbeiterinnen ab 1. April 2018 für den Kläger keine Rentenversicherungspflicht besteht. Für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. März 2018 seien noch Beiträge incl. Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 26.512,19 Euro geschuldet.

Die Beklagte trägt ergänzend vor, die eingereichten Unterlagen seien unvollständig, im Besonderen würden die Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2014 bis 2016 und 2017 bis 2018, Nachweise darüber, von welchen Auftraggebern 2013 Einnahmen erzielt wurden, Nachweise über Einnahmen als Makler oder weitere Einnahmen für die Jahre 2015 bis 2018 benötigt. Es gelte der Grundsatz der objektiven Beweislast. Aufgrund der klägerseitig mangelhaften Nachweisführung müsse er die Nachteile der Beweislosigkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen hinnehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschriften vom 26. April 2018 und 21. November 2019, die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Verfahrens sind, unter Berücksichtigung des zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2019 gestellten Antrages, zunächst die Forderungsbescheide vom 20. November 2013 und 12. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016, mit denen die Beklagte vom Kläger unter Verweis auf die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestehende Versicherungspflicht, ausstehende Beitragsforderungen und Säumniszuschläge für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. Oktober 2013 bzw. August 2014 gefordert hat.

Darüber hinaus ist Gegenstand des Verfahrens der Überprüfungsbescheid vom 1. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2017, mit dem die Beklagte nach einer Überprüfung in einem Verfahren nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) es abgelehnt hat, den Bescheid vom 19. September 2013 über die Feststellung des Eintritt der Versicherungspflicht ab 14. Februar 2012 und die Forderungsbescheide vom 16. Dezember 2013, 22. Januar 2014, 12. Februar 2014, 13. März 2014, 11. April 2014, 13. Mai 2014, 12. Juni 2014, 15. Juli 2014 und 13. August 2014, mit denen ausstehende Beitragsforderungen zuzüglich Säumniszuschlägen für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. März 2018 geltend gemacht wurden, zurückzunehmen.

Die Pflicht zur Zahlung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit ab 1. April 2018 ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Insofern hat die Beklagte mit Bescheid vom 1. Oktober 2018 bereits festgestellt, dass für den Kläger mit der dann ausgeübten Tätigkeit als Vermittler von Versicherungen und der Beschäfti-gung zweiter Mitarbeiterinnen keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr besteht.

Die Klage ist bezogen auf die Forderungsbescheide vom 20. November 2013 und 12. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 als An-fechtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und bezogen auf den Überprüfungsbescheid vom 1. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2017 als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft und zulässig. Die zuletzt genannte Anfechtungsklage zielt auf die Aufhebung des Überprüfungsbescheides in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides, die Verpflichtungsklage auf Rücknahme der Beitrags- und Forderungsbescheide auf der Grundlage von § 44 Abs. 1 SGB X.

Der Zulässigkeit der gegen den Überprüfungsbescheid vom 1. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2017 gerichteten Klage steht nicht § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG entgegen, wonach die Klage binnen 1 Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben ist. Zwar hat der Kläger, nachdem der Widerspruchsbescheid am 26. Oktober 2017 erlassen und nur vom Beklagten in Kopie an das Gericht übersandt wurde, erstmals mit einem am 10. Januar 2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz diesen Bescheid in Bezug genommen. Der Kläger hatte jedoch bereits in der Klageschrift vom 27. Juni 2016 darauf verwiesen, es sei zunächst das Überprüfungsverfahren durchzuführen. Überdies wurde der Kläger im Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2017 nicht zutreffend über die einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 1 SGG belehrt. Im Widerspruchsbescheid wurde unzutreffend festgestellt, der Bescheid werde nach § 96 SGG Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens. Die - vom Kläger eingehaltene - Klagefrist richtet sich daher bezogen auf die Überprüfungsentscheidung nach der in § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgesehenen Jahresfrist.

In der Sache hat die Klage nur teilweise Erfolg.

Die Forderungsbescheide vom 20. November 2013 und 12. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 sowie der Überprüfungsbescheid vom 1. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2017 sind insoweit rechtswidrig und verletzten den Kläger dadurch in seinen Rechten, als die Beklagte Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nebst Säumniszuschlägen für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. Dezember 2012 und für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 festgesetzt hat. Die Forderungsbescheide vom 20. November 2013 und 12. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2016 waren daher aufzuheben und die Beklagte auf der Grundlage von § 44 Abs. 1 SGB X zu verpflichten, die Bescheide vom 19. September 2013, 22. Januar 2014, 12. Februar 2014, 13. März 2014, 11. April 2014, 13. Mai 2014, 12. Juni 2014, 15. Juli 2014 und 13. August 2014 zurückzunehmen, soweit sie die eben genannten Zeiträume betreffen. Im Übrigen hat die Beklagte mit den angefochtenen bzw. zu überprüfenden Bescheiden zutreffend festgestellt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als selbständiger Handelsver-treter für Neuimmobilien bzw. ab 1. Januar 2015 als Vermittler von Versicherungen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt und deshalb Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 sowie 1. Januar 2015 bis 31. März 2018 entrichten muss.

Rechtsgrundlage für die erhobenen Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ist § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI.

Eine (vorab zu prüfende) – in der Vergangenheit erteilte und für jede Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit fortwirkende – Befreiung von der Versicherungspflicht ist nicht nachgewiesen.

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 des am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Gesetzes über die Sozialversicherung (SVG) vom 28. Juni 1990 (DDR-GBl. I, S. 486) konnten Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausübten, innerhalb von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auf Antrag in der Rentenversicherung von der Versicherungspflicht befreit werden, wenn sie Anspruch auf Leistungen, die den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gleichwertig sind, aus einer anderen Versicherung hatten. Über den Antrag hatte nach § 20 Abs. 2 Satz 3 SVG der Versicherungsträger zu entscheiden. Nach § 231a SGB VI bleiben selbständig Tätige, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet aufgrund eines Versicherungsvertrages von der Versicherungspflicht befreit waren (und nicht bis zum 31. Dezember 1994 erklärt haben, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht enden soll), in jeder Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit (und bei Wehrdienstleistungen) von der Versicherungspflicht befreit.

Zwar hat der Kläger vorgetragen, Anfang der 1990-er Jahr dauerhaft von der Versicherungspflicht befreit worden zu sein. Diese Behauptung ist jedoch weder belegt, noch im Zusammenhang mit den von ihm dargestellten Umständen anhand von Indizien hinreichend nachvollziehbar.

Nach den allgemeinen Regeln liegt die objektive Beweislast für die erfolgte dauerhafte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht allein beim Kläger. Dieser hat jedoch einen Befreiungsbescheid nicht vorgelegt. Ein zweifelsfreier Nachweis für die Befreiung konnte auch nicht anderweitig beschafft werden. Sowohl die Anfrage des Klägers als auch die Recherchen der Beklagten bei der insofern zuständigen blieben erfolglos. Nach der Auskunft der ist eine Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht in seinem Konto nicht vermerkt.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine Ausnahme von der Beweislastregelung, die faktisch eine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten zur Folge hätte, nicht auf der Grundlage der vorgelegten "Hochwasser-Bescheinigung" begründbar. Der Kläger hatte im Jahr 2002 seinen Wohnsitz in D. Ausweislich der von der Landeshauptstadt D. am 10. September 2002 ausgestellten "Hochwasser-Bescheinigung", lag die seinerzeit in seinem Personalausweis eingetragene Adresse in einem Gebiet, in dem Hochwasser zumindest die Keller überflutet hatte. Eine "Hochwasser-Bescheinigung" belegt nur die Betroffenheit des Grundstückes durch Hochwasser, Grundwasser oder Evakuierung, d. h. im Fall des Klägers, dass er im Jahr 2002 lt. amtlicher Meldung einen Wohnsitz in einem von Hochwasser betroffenen Gebiet hatte. Die Bescheinigung beinhaltet indessen keine Aussage dazu, ob und ggf. in welcher Hinsicht dem Einzelnen durch das Hochwasser Schäden entstanden und/oder Unterlagen abhandengekommen sind. "Hochwasser-Bescheinigungen" kommt insofern kein individueller amtlicher Beweiswert zu. Im Regelfall werden Sie ausgestellt und dienen Betroffenen als Vorlage beim Arbeitgeber, für Stornierungen (bspw. Urlaubsreisen) oder zur Regulierung von Versicherungsschäden. Schließlich konnten auch die vom Kläger vorgetragenen Gesamtumstände die mangels eines Nachweises bestehenden Zweifel daran, dass ihm ein Befreiungsbescheid erteilt wurde, der ihm später im Zusammenhang mit einem Hochwasser abhandengekommen ist, nicht hinreichend ausräumen. Bei der Beklagten bzw. der sind keine Vorgänge dokumentiert, die die Behauptung des Klägers unterlegen. Überdies sind seine eigenen Angaben - wenn auch unter Umständen dem Zeitablauf geschuldet - zu ungenau, um eine erfolgte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht schlüssig und überzeugend nachvollziehen zu können. Der Zeitpunkt der Antragstellung und Befreiung wird nur unbestimmt und wechselnd mit den Jahren 1991 bis 1992 bzw. Anfang oder Mitte der 90-iger Jahre umschrieben. Auch zu den Umständen der Antragstellung (schriftlich oder Vorsprache in einer Beratungsstelle, etc.) konnte der Kläger keine weiteren Angaben machen. Der Bescheid als solches wird nicht beschrieben. Der Vortrag zum Verlust des Bescheides lässt ebenfalls Fragen offen. Der Kläger hat vorgetragen, im Jahr 2002 u. a. seine gesamten Finanz- und Steuerunterlagen im Keller aufbewahrt zu haben, die dann vom Hochwasser vernichtet wurden. Für die Kammer ist es jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger nicht nur zu archivierende Unterlagen für zurückliegende Zeiträume, sondern alle, d. h. auch seine aktuellen Finanz- und Steuerunterlangen einschließlich eines so wichtigen Dokumentes wie den Bescheid zur dauerhaften Befreiung von der Rentenversicherung in einem Keller aufbewahrt haben soll. Unstimmig ist zudem, dass er trotz der mitgeteilten Vernichtung seiner wichtigen Unterlagen den Befreiungs-bescheid nicht, dennoch aber z. B. eine am 26. September 1994 vom Gewerbeamt D. ausgestellte Erlaubnis nach § 34c Gewerbeordnung (GewO) vorlegen konnte.

Da der Nachweis für eine dauernde Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht erbracht wurde, richtet sich die Versicherungspflicht des Klägers für die hier streitige Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. März 2018 nach dem o. g. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Danach sind versicherungspflichtig selbständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.

In diesem Sinne war der Kläger, nachdem er seine Vermittlertätigkeit im Immobilien-gewerbe vorübergehend aufgegeben hatte, ab 14. Februar 2012 fortlaufend wieder selbständig, zunächst im Bereich der Immobilien- und später der Versicherungsvermittlung, tätig. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Bis einschließlich 31. März 2018 beschäftigte der Kläger auch keine eigenen Mitarbeiter.

Dennoch ist die Kammer nach den im Verfahren getroffenen Feststellungen, im Besonderen auf der Grundlage des klägerseitigen Vortrages und den vom Kläger eingereichten vielzähligen Unterlagen davon überzeugt, dass die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nicht für den gesamten hier streitigen Zeitraum vorlagen.

Versicherungspflicht besteht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI immer dann, wenn der Selbständige auf Dauer im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig ist. Auftraggeber ist jede natürliche oder juristische Person oder Personenmehrheit, die im Wege eines Auftrags oder in sonstiger Weise eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut, sie ihr vermittelt oder ihr Vermarktung oder Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Organisations- und Marketingkonzept überlässt (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 5 RE 21/14 R, juris). Ob ein Selbständiger gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig ist, bestimmt sich im Einzelfall. Dabei sind auch die erzielten Bruttoeinkünfte zu beurteilen, wobei sich eine mathematisch exakte Bestimmung der Wesentlichkeitsgrenze dem Gesetz nicht entnehmen lässt. Das Einkommen aus der zu beurteilenden selbständigen Tätigkeit muss allerdings deutlich mehr als 50% des Gesamteinkommens ausmachen. Das Erfordernis der Wesentlichkeit wird im Sinne eines Orientierungsrahmens dann als erfüllt angesehen, wenn der Selbständige mindestens fünf Sechstel seiner gesamten Einkünfte allein aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber erzielt (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Januar 2014 - L 5 R 712/11, juris; Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 1. Dezember 2005 - L 1 RA 11/04, juris). Eine Tätigkeit in nur unbedeutendem Umfang für einen oder auch mehrere andere Auftraggeber hat für die Erfassung zur Rentenversicherungspflicht keine Auswirkung (vgl. Kreikebohm SGB VI/Segebrecht, 5. Aufl. 2017, SGB VI § 2 Rn. 36-43).

Nachdem der Kläger zum 14. Februar 2012 wieder eine selbständige Vermittlungstätig-keit aufgenommen hatte, änderte sich sowohl der konkrete Inhalt seiner Tätigkeit als auch die Art- und Anzahl der Auftraggeber bis einschließlich März 2018 mehrmals, so dass - nach dem o. g. Maßstab - eine differenzierende Bewertung vorzunehmen ist. Für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. Dezember 2012 kommt die Erhebung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht. Zwar ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger nach den o. g. Maßstäben im Sinne § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ohne eigene Mitarbeiter zu beschäftigen in diesem Zeitraum auf Dauer im Wesentlichen für einen Arbeitgeber, die GmbH, tätig war. Er hat hieraus aber nur Einkommen in geringfügigem Umfang erzielt. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI sind jedoch versicherungsfrei Personen, die eine geringfügige selbständige Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 und 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV, hier anzuwenden in der Fassung vom 5. August 2010) ausüben in dieser selbständigen Tätigkeit. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV - der nach § 8 Abs. 3 SGB IV entsprechend gilt, soweit anstelle einer Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird - liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht übersteigt. Ausweislich des vom Kläger im Verfahren vorgelegten Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2012 erzielter er in diesem Jahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 1.111 Euro. Monatlich betrachtet wird damit die Grenze der Geringfügigkeit nicht überschritten, so dass der Kläger für das Jahr 2012 von der Pflicht Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten frei ist.

Im Zeitraum 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 war der Kläger indessen nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI beitragspflichtig. Obgleich er im Jahr 2013 Vertragsbeziehungen zu mindestens zwei Unternehmen unterhielt, zu dem mit der GmbH geschlossenen Handelsvertretervertrag trat beginnend zum 14. August 2013 ein Handelsvertretervertrag mit der GmbH hinzu, konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass der Kläger in diesem Jahr dauerhaft für mehrere Auftraggeber tätig war. Nach den im Verfahren vorgelegten Unterlagen zur Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2013 erzielte er aus seiner selbständigen Tätigkeit im Bereich der Immobilienvermittlung Einnahmen in Höhe von 34.723,69 Euro, denen Ausgaben in Höhe von 17.013,58 Euro gegenüberstanden, mithin einen Gewinn in Höhe von 17.710,11 Euro. Die im Verfahren eingereichten Unterlagen geben keine Auskunft darüber, von welchem Auftraggeber die Einnahmen im Einzelnen stammen. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. November 2019 jedoch erklärt, dass es sich bei den Betriebseinnahmen im Jahr 2013 im Wesentlichen um Einnahmen aus der Vermittlung für die GmbH handelte. Mit Beginn der Zusammenarbeit mit der GmbH im August 2013 lief die Zusammenarbeit mit der GmbH langsam aus. Damit hat der Kläger im Jahr 2013 im Wesentlichen Einnahmen von einem Auftraggeber erzielt und war bei objektiver Betrachtung mehr nacheinander für verschiedene Auftraggeber, als kontinuierlich für mehrere Auftraggeber tätig. Die Festsetzung von Pflichtbeiträge ist daher für das Jahr 2013 zutreffend erfolgt.

Mit Beginn und für das Jahr 2014 änderte sich die selbständige Tätigkeit des Klägers ihrem Inhalt nach erneut. Der Vortrag des Klägers, er habe mit Beginn des Jahres 2014 wieder eine vielgestaltige Maklertätigkeit aufgenommen wird durch verschiedene im Verfahren eingereichte Unterlagen dokumentiert. Dafür spricht zunächst die am 9. Januar 2014 bei der Stadt G. veranlasste Gewerbe-Ummeldung, wonach die Tätigkeit als Handelsvertreter für die Vermittlung von Fertigteil- und Massivhäusern erweitert wurde um die Vermittlung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten, Wohnräumen und gewerblichen Räumen. Gleichzeitig schloss der Kläger mit weiteren Anbietern Handelsvertreterverträge (bspw. GmbH, GmbH) und verpflichtete sich gegenüber einem Finanzierungsdienstleister. Ein tatsächliches tätig werden für verschiedene Auftraggeber spiegelt sich zudem in den durch Kontoauszüge für das Jahr 2014 belegten Einnahmen wieder, die einerseits aus Provisionen der GmbH und der GmbH resultieren, andererseits aber auch Maklerprovisionen für die Vermittlung von Bestandsimmobilien und Empfehlungen an den Finanzdienstleister beinhalten. Die Kammer hat daher keine begründeten Zweifel daran, dass die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in der Zeit von Januar 2014 bis Dezember 2014 nicht vorlagen.

Zum 1. Januar 2015 nahm der Kläger nach eigenen Angaben eine Vermittlungstätigkeit im Bereich Versicherungen auf. Erster Auftraggeber war hier die Versicherung. Zwar hat der Kläger vorgetragen zunächst auch seine Vermittlungstätigkeit, im Besonderen im Bereich der Vermietung für private Kunden, fortgeführt und ab April 2016 Vereinbarungen mit der getroffen zu haben, relevante Tätigkeiten für andere Auftraggeber, als die spiegeln sich indessen in den belegten Einnahmen der Jahre 2015 und 2016 nicht wieder. Die im Verfahren eingereichte, vom Steuerberater des Klägers erstellte Gewinnermittlung für das Jahr 2016 weist - vergleichend - die Einnahmen aus Gewerbebetrieb des Jahres 2015 mit 31.343,18 Euro und des Jahres 2016 mit 29.641,21 Euro aus. Diese Beträge entsprechen exakt denen, die die Beratung und Vertrieb AG in ihren Bescheinigungen über Einnahmen im Kalenderjahr 2015 bzw. 2016 dokumentiert hat. Dafür, dass der Kläger auch Einnahmen aus Tätigkeiten für weitere Auftraggeber erzielt hat, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Die hauptsächliche selbstständige Tätigkeit im Gebiet der Vermittlung von Versicherungen setzte sich auch in den Jahren 2017 und 2018 fort. Die Gewinnermittlung des Steuerberaters für das Jahr 2017 weist Einnahmen aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 31.515,66 Euro aus. Diese beinhalten Einnahmen von der Beratung und Vertrieb AG in Höhe von insgesamt 10.729,10 Euro und der A. Beratung und Vertriebs AG in Höhe von 18.950,40 Euro. Sowohl aus den vorgelegten Unterlagen als auch dem Vortrag des Klägers ergibt sich, dass dieser im Jahr 2017 nicht kontinuierlich für mehrere Auftraggeber, sondern nacheinander jeweils für einen Auftraggeber tätig war; bis Juni 2017 für die Beratung und Vertrieb AG und ab Juli 2017 für die A. Beratung und Vertriebs AG. Sofern im Jahr 2017 noch eine weitere einmalige Einnahme in Höhe von 1.400 Euro dokumentiert ist, bei der es sich nach Angaben des Klägers um eine Vermittlungsprovision gehandelt hat, genügt diese für die Annahme, er sei nicht nur für einen Auftraggeber tätig geworden, nicht. Nach Aufnahme der Vermittlungstätigkeit im Bereich Versicherungen zum 1. Januar 2015 änderte sich der Status des Klägers damit erst wieder zum 1. April 2018, als die Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI durch die Anstellung zweier Mitarbeiterinnen im Versicherungsbüro entfallen sind. Damit hat die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. März 2018 zutreffend Pflichtbeiträge beim Kläger erhoben.

Bezüglich der Höhe der von der Beklagten für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 sowie 1. Januar 2015 bis 31. März 2018 festgesetzten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung zuzüglich Säumniszuschlägen liegen keine Anhaltspunkte vor, die Anlass zu Beanstandungen geben.

Im Ergebnis konnte die Klage daher nur für die Zeit vom 14. Februar 2012 bis 31. Dezember 2012 und vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 Erfolg haben. Im Übrigen war sie abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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